Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Jede vaginale Blutung in der Schwangerschaft bedarf einer gründlichen Abklärung, da sich eine fetale oder auch mütterliche Gefährdungssituation ergeben kann. Hinsichtlich der Ursache unterscheidet man zwischen Blutungen im 1. Trimenon und solchen im 2. und 3. Trimenon.
Im 1. Trimenon treten Blutungen relativ häufig auf und können harmlose Ursachen wie Kontaktblutungen haben, aber auch auf eine gestörte Schwangerschaft (z.B. EUG oder drohenden Abort) hinweisen.
Blutungen im 2. und 3. Trimenon können zu schweren Komplikationen für Mutter und Kind führen, die häufigsten Ursachen für eine Blutung in der Spätschwangerschaft sind die Placenta praevia, die vorzeitige Plazentalösung und die Uterusruptur.
Allgemeines![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Definition
- Blutungen in der Schwangerschaft gliedern sich in
- Für Blutungen unmittelbar vor, während oder nach der Geburt (peripartale Blutungen) siehe: Intra- und postpartale Blutungen sowie
Relevanz in der Geburtshilfe
- Zunahme der Plazentationsstörungen und damit der Blutungskomplikationen aufgrund einer steigenden Anzahl an Sectiones
- Potenziell lebensbedrohliche Komplikationen für Schwangere und Fötus
- Weltweit eine der Hauptursachen für maternale Mortalität
Blutungen im 1. Trimenon![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Definition: Vaginale Blutungen bis zur 12. SSW (bis 11+6 SSW)
- Epidemiologie: In ca. 25% aller Schwangerschaften kommt es zu Blutungen während des ersten Trimenons
- Davon kommt es bei 25–50% im Verlauf zu einem Abort, während bei rund 50% eine vitale Schwangerschaft bestehen bleibt und ausgetragen werden kann [1][2]
- Differenzialdiagnosen für Blutungen im 1. Trimenon [1][2]
- Intakte Schwangerschaft
- Nidationsblutung
- Kontaktblutung, z.B. nach Geschlechtsverkehr
- Vaginale Verletzungen
- Gestörte Schwangerschaft
- Intakte Schwangerschaft
Gestörte Schwangerschaft [3][4] | Intakte Schwangerschaft | ||||||
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Abort | Windei | Extrauteringravidität | Blasenmole | Nidationsblutung | Portioektopie | Kontaktblutung | |
Blutungseigenschaften |
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Spekulumbefund |
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Sonografie |
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Therapie |
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Die Extrauteringravidität ist eine seltene aber schwerwiegende und potenziell letale Differenzialdiagnose der vaginalen Blutung in der Schwangerschaft und sollte daher immer ausgeschlossen werden!
Diagnostik bei Blutungen im 1. Trimenon
- Anamnese
- Allgemeine Anamnese, insb. im Hinblick auf
- Risikofaktoren für eine Extrauteringravidität
- Risikofaktoren für einen Abort
- Ermittlung des Schwangerschaftsalters, bei inkongruenten Befunden ggf. hinterfragen und neu evaluieren
- Schwangerschaftsverlauf: Blutungen, Schmerzen, Infektionen
- Ultraschall Vorbefunde: Sitz der Gravidität, Vitalzeichen, bisheriges Wachstum der Schwangerschaftsanlage
- Allgemeine Anamnese, insb. im Hinblick auf
- Vitalparameter: Kontrolle des Pulses und Blutdruckes
- Körperliche Untersuchung
- Uteruskonsistenz
- Uterusgröße: Passend zum Schwangerschaftsalter?
- Zu kleiner Uterus: Hinweis auf Missed Abortion oder Abortus incompletus/completus
- Spekulumeinstellung
- Ausmachen der Blutungsquelle
- Vaginale Verletzungen als Blutungsursache
- Blutung aus dem Zervikalkanal: Hinweis auf einen Abort
- Beurteilung der Blutungsstärke: (Über-/unterperiodenstark), Koagelabgang, Gewebeabgang
- Beurteilung der Portio: Vorhandensein einer Portioektopie?
- Beurteilung des Muttermundes
- Geöffnet: Hinweis auf einen Abort
- Geschlossen: Physiologisch, jedoch auch bei Missed Abortion oder Abortus imminens
- Ausmachen der Blutungsquelle
- Transvaginaler und transabdominaler Ultraschall mit Beurteilung der folgenden Strukturen
- Uterusgröße
- Fruchthöhle/embryonale Strukturen
- Die Fruchthöhle sollte ca. ab der 5. SSW, der Dottersack ca. ab der 5.–6. SSW darstellbar sein, bei Nicht-Darstellbarkeit: Hinweis auf Abort, ektope Schwangerschaft oder Blasenmole
- Echodenser, verkalkter Dottersack: Hinweis auf Missed Abortion
- Entrundete Fruchthöhle: Hinweis auf Abort
- Fruchthöhle/Embryo im Bereich des isthmozervikalen Übergangs: Abortus incipiens
- Fetale Vitalparameter
- Bradykardie <80–90/min: Hinweis auf Abortus imminens
- Fehlende Vitalparameter bei eindeutig darzustellendem Embryo: Möglich bei Missed Abortion oder intakter Gravidität vor der 6.–7. SSW → Kontrolle nach drei oder mehr Tagen
- Fehlende Vitalparameter, Embryo nicht klar abzugrenzen: Abortus incompletus oder intakte Gravidität vor der 6.–7. SSW
- Adnexregion: Raumforderung der Adnexen als Hinweis auf ektope Schwangerschaft
- Freie Flüssigkeit: Hinweis auf Infektionen oder ektope Schwangerschaft
- Labordiagnostik
- β-HCG
- Bei Werten >1500–2000 IE/L ohne im Ultraschall nachweisbare intrauterine Gravidität → Verdacht auf EUG → Ggf. wiederholte Bestimmung nach 2–3 Tagen, um den Verlauf beurteilen zu können
- Bei starker Blutung und/oder hämodynamischer Instabilität: Hb
- Falls nicht bekannt: Blutgruppe inkl. Rhesusgruppe bestimmen
- β-HCG
Die mütterliche Blutgruppe muss immer bekannt sein (steht bspw. im Mutterpass). Ist sie es nicht, muss sie unbedingt bestimmt werden. Bei Rhesus-negativen Patientinnen ist eine Rhesusprophylaxe durchzuführen.
Blutungen im 2. und 3. Trimenon![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Definition: Vaginale Blutung, die ab der 13. SSW (12+0 SSW) auftritt (2. und 3. Trimenon)
- Epidemiologie: Zweithäufigste Ursache für maternale Mortalität nach Thromboembolien
- Jährlich ca. 140.000 Todesfälle weltweit [4]
- Länder des Globalen Südens: Eine der Hauptursachen der maternalen Mortalität
- Länder des Globalen Nordens: Senkung der peripartalen und maternalen Mortalität in den letzten Jahren durch verbesserte Diagnostik und Management
- Ca. 1–2/100.000 Lebendgeborene Todesfälle in Europa [4]
- Jährlich ca. 140.000 Todesfälle weltweit [4]
- Ätiologie [5]
- Plazentare Ursachen: Placenta praevia, vorzeitige Plazentalösung, Plazentarandblutung (Randsinusblutung), Plazentaimplantationsstörung
- Uterine Ursachen: Uterusruptur, Triple I, Zeichnungsblutung, Zervixinsuffizienz, Kontaktblutung
- Nabelschnurkomplikation: Vasa-praevia-Blutung bei Insertio velamentosa
- Andere Ursachen: Gerinnungsstörungen, Zervixdysplasie, Zervixkarzinom
Während Blutungen im 1. Trimenon häufig in Zusammenhang mit fetalen Entwicklungsstörungen stehen, sind Blutungen in der Spätschwangerschaft eher durch Infektionen, Zervixinsuffizienz und Plazentationsstörungen bedingt!
Differenzialdiagnosen von Blutungen im 2. und 3. Trimenon [3][4]
Placenta praevia | Vorzeitige Plazentalösung | Uterusruptur | Zeichnungsblutung | |
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Schmerzen |
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Blutung |
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Kreislauf |
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Gerinnung |
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Wehentätigkeit |
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Uterustonus |
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Zervixreife |
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Sonografiebefund |
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Fetale Herzfrequenz |
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Maternale Bedrohung |
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Fetale Bedrohung |
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Klinisches Management von Blutungen im 2. und 3. Trimenon![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Eine präpartale Blutung ist immer ein ernstzunehmendes Symptom und bedarf einer raschen und strukturierten Abklärung. Dabei ist es hilfreich, sich zunächst die Faktoren vor Augen zu führen, welche die diagnostischen und therapeutischen Schritte wesentlich beeinflussen:
- Blutungsursache
- Kindliche Faktoren
- Gestationsalter und Lebensfähigkeit des Kindes
- Kindlicher Zustand: Vitalität, Versorgungszustand
- Mütterliche Faktoren: Kreislaufstabilität und Blutungsstärke
- Geburtshilfliche Faktoren: Kindslage, Zervixreife, Wehenstatus
- Begleitende Komplikationen: Bspw. disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), Organversagen
Stabilisierende und vorbeugende Maßnahmen
Solange die Blutungsursache nicht identifiziert ist, sollten immer allgemeine prophylaktische Maßnahmen ergriffen werden, um einem massiven Blutverlust der Patientin entgegenwirken zu können. Dies bedeutet auch, dass rechtzeitig die bestmögliche verfügbare Expertise hinzugezogen werden sollte (jeweils die Person mit der meisten Erfahrung in Geburtshilfe, Anästhesie, Gerinnungsdiagnostik).
- Rasche stationäre Abklärung in Klinik mit Sectio-Bereitschaft zum Ausschluss schwerwiegender maternofetaler Komplikationen
- Anlage von zwei großlumigen Zugängen und gleichzeitige Durchführung einer Notfalllabordiagnostik inkl. Blutgruppe und Kreuzblut, ggf. Sauerstoffgabe
- Schocktherapie: Volumentherapie, ggf. Substitution von Blutprodukten (bspw. Erythrozytenkonzentrate, Fresh Frozen Plasma)
- Engmaschige Kontrolle der Gerinnungsfaktoren, wenn vorhanden über Rotationsthrombelastometrie, um eine DIC nicht zu übersehen!
- Überwachung der Vitalparameter (ggf. Monitorüberwachung): RR, HF, Ausscheidung ggf. auch über einen Blasenkatheter (Bilanzierung), SpO2
- Ggf. Rhesusprophylaxe
Bei stärkerer oder ggf. nicht einschätzbarer Blutung sollte immer an eine DIC gedacht und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden (großlumige Zugänge, Volumensubstitution, Erythrozytenkonzentrate, Fresh Frozen Plasma und Thrombozytenkonzentrate bereitstellen)!
Diagnostik bei Blutungen im 2. und 3. Trimenon
- Zügige Abklärung der Blutungsursache
- Ausführliche Anamnese zur Erhebung von Risikofaktoren, Stärke und Dauer der Blutung, Medikamenteneinnahme, Schmerzcharakteristik und Schwangerschaftsverlauf
- Kontrolle des Mutterpasses
- Transabdominelle (bzw. vaginale) Sonografie
- Lokalisation der Plazenta mit Ausschluss eines retroplazentaren Hämatoms (vorzeitige Plazentalösung), einer Placenta praevia oder einer Plazentaimplantationsstörung (Placenta accreta, increta oder percreta)
- Ggf. Ausschluss freier Flüssigkeit oder eines Hämatoms
- Spekulumuntersuchung: Nur bei stabilen Verhältnissen, bei Placenta praevia sehr vorsichtig
- Ausführliche Anamnese zur Erhebung von Risikofaktoren, Stärke und Dauer der Blutung, Medikamenteneinnahme, Schmerzcharakteristik und Schwangerschaftsverlauf
- Abklärung des fetalen Zustandes
- Transabdominelle (bzw. vaginale) Sonografie: Vitalität des Kindes prüfen (fetale HF), Lage des Kindes, Zervixstatus
- Kontinuierliches CTG
- Abklärung des Geburtsfortschritts
- Vaginale Untersuchung: Reife des Muttermundes, ggf. Höhenstand des vorangehenden Kindsteils
- Nur selten kann durch die vaginale Untersuchung auch die Blutungsursache ausgemacht werden
- Vaginale Untersuchung: Reife des Muttermundes, ggf. Höhenstand des vorangehenden Kindsteils
Generelle Therapieoptionen
- Abwartendes Verhalten: Bei stabiler Situation von Mutter und Kind
- Induktion der Lungenreife mit Corticosteroiden bis 34+0 SSW, z.B. Betamethason
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Entbindung
- Ggf. kindliche Neuroprotektion bei unmittelbar bevorstehender Frühgeburt (zwischen 22+0 und 31+6 SSW) [6]
- Großzügige Indikation zur Sectio durch maternale oder kindliche Situation gerechtfertigt
- Abhängig von Zervixreife ggf. auch vaginale Entbindung, wenn eine schnelle Beendigung der Geburt absehbar ist oder nach intrauterinem Fruchttod
Es sollte insb. bei der operativen Entbindung auf eine sorgfältige Blutstillung geachtet werden!
Komplikationen
- Volumenmangelschock durch massive Blutung
- Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC): Bei ca. 10% der vorzeitigen Plazentalösungen
- Laborbefund: Thrombozyten↓, Fibrinogen↓, Antithrombin-III↓, D-Dimere↑, später auch weitere Gerinnungsfaktoren↓ (PTT und INR↑)
- Niereninsuffizienz: Anhaltende Oligurie nach massiver Blutung mit Minderperfusion der Niere
- Postpartale Blutung: Apoplexia uteri (Couvelaire-Syndrom) nach vorzeitiger Plazentalösung .
- Multiorganversagen mit hoher mütterlicher und fetaler Letalität
Die Menge des Blutverlustes bei peripartalen Blutungen wird häufig unterschätzt. Die frühzeitige Volumentherapie und ggf. Transfusionen beugen einer Kreislaufzentralisation und Organschäden durch Minderperfusion vor!
Regionalanästhesien sind bei Gerinnungsstörungen wegen des erhöhten Blutungsrisikos kontraindiziert. Die Intubationsnarkose ist, wenn notwendig, die Methode der Wahl!
Bei allen Blutungen in der Spätschwangerschaft ist die enge Überwachung der Gerinnung im Hinblick auf den Blutverlust unter der Geburt von großer Bedeutung. Häufig wird der unsichtbare Blutverlust nach innen nicht ausreichend beachtet!
Therapie der Komplikationen
Postpartale Versorgung
- Enge Überwachung entsprechend der klinischen Situation
- Kreislaufmonitoring, Gerinnungsparameter, Bilanzierung
- Kinderärztliche Versorgung des Neugeborenen entsprechend der klinischen Situation
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
O46.-: Präpartale Blutung, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive:
- Blutung in der Frühschwangerschaft (O20.‑)
- Intrapartale Blutung, anderenorts nicht klassifiziert (O67.‑)
- Placenta praevia (O44.‑)
- Vorzeitige Plazentalösung [Abruptio placentae] (O45.‑)
- O46.0: Präpartale Blutung bei Gerinnungsstörung
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Präpartale Blutung (verstärkt) im Zusammenhang mit:
- Afibrinogenämie
- disseminierter intravasaler Gerinnung
- Hyperfibrinolyse
- Hypofibrinogenämie
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Präpartale Blutung (verstärkt) im Zusammenhang mit:
- O46.8: Sonstige präpartale Blutung
- O46.9: Präpartale Blutung, nicht näher bezeichnet
O20.-: Blutung in der Frühschwangerschaft
- Exklusive:
- Schwangerschaft mit abortivem Ausgang (O00-O08)
- O20.0: Drohender Abort
- Inklusive: Blutung mit der Angabe, dass sie durch drohenden Abort bedingt ist
- O20.8: Sonstige Blutung in der Frühschwangerschaft
- O20.9: Blutung in der Frühschwangerschaft, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.