Zusammenfassung
Autoren: Dr. med. Anna Wings für AMBOSS, Dr. med. Alfred Wiater für die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
Als diagnostische Kriterien der benignen Säuglingsmyoklonien im Schlaf gelten nach der ICSD wiederholte krampfartige Zuckungen der Extremitäten, des Rumpfes oder des gesamten Körpers in den ersten sechs Lebensmonaten im Schlaf, die aufhören, sobald der Säugling geweckt wird. Die Symptomatik tritt i.d.R. bei ansonsten gesunden Kindern ohne familiäre Belastungssituationen auf.
Epidemiologie
- Inzidenz: Ca. 4/10.000 Säuglingen
- Geschlecht: ♂ > ♀ (2:1)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Wahrscheinlich Folge einer neuronalen Reifungsverzögerung [1][2]
- Mangelnde Hemmung der Aktivitätsmuster von Motoneuronen des Zervikalmarks infolge einer verzögerten Myelinisierung absteigender Neurone
- Vorübergehende Fehlfunktionen von Neurotransmittern im Bereich unreifer subkortikaler Strukturen
Symptomatik
- Irreguläre oder rhythmische Zuckungen der Extremitäten nur im Schlaf (bei ansonsten gesunden Kindern und Manifestationsalter <6 Monate) [2][3]
- I.d.R. vereinzeltes Auftreten mit einer Dauer von <1 Stunde, im Einzelfall sind aber auch Anfälle >1 Stunde möglich
Das Sistieren der Myoklonien beim Wecken des Säuglings ist klinisch das wichtigste Differenzierungsmerkmal zu epileptischen Anfällen!
Diagnostik
- Primär klinische Diagnose [3]
- Häusliche Videodokumentation
Erweiterte Diagnostik in unklaren Fällen
- Wach- und Schlaf-EEG: Unauffällig (auch während der Symptomatik), insb. keine epilepsietypischen Potenziale
- Indikation: Bei klinisch unsicherer Diagnose
- Polysomnografische Untersuchung
- Indikation: In unklaren Fällen, insb. wenn trotz EEG-Diagnostik die Abgrenzung zu epileptischen Anfälle nicht möglich ist
- Typische Befunde
- Paroxysmale Muskelaktivität mit wiederholten irregulären Episoden, die überwiegend in Phasen ruhigen Schlafs einsetzen
- Kein Einhergehen mit Arousals oder Aufwachen
- Provokation der Myoklonien durch leichtes Bewegen des Säuglings möglich
- Bildgebung: Schädelsonografie unauffällig
- Indikation: Zum Ausschluss hirnstruktureller Auffälligkeiten, insb. auch zur Beruhigung der Eltern
Die Diagnose kann eindeutig gestellt werden, wenn schlafassoziierte Myoklonien beim Erwecken des Säuglings sistieren und das EEG unauffällig ist.
Differenzialdiagnosen
- Epileptischer Anfall [2][4]
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Abwartendes Verhalten [3]
- Aufklärung der Eltern über Harmlosigkeit der Symptomatik
Unnötige diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind zu vermeiden! Sie führen zu einer Verunsicherung der Eltern mit konsekutiver Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung!
Prognose
- Gute Prognose mit selbstlimitierendem Verlauf, i.d.R. innerhalb der ersten 6(–36) Lebensmonate [2][3][4]
- Keine Hinweise auf Folgeprobleme oder -erkrankungen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G25.-: Sonstige extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.