Zusammenfassung
Bei Suizidgedanken oder Sorgen um Betroffene sei auf die von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention gelisteten Hilfsangebote verwiesen, siehe Tipps & Links.
Um Informationen über den Charakter einer Verletzung bei Gewalteinwirkungen zu erhalten, ist es aus rechtsmedizinischer Sicht wichtig, einen möglichen Tathergang zu rekonstruieren und somit zwischen einer Selbst- und Fremdbeibringung zu unterscheiden. Dabei werden unter anderem der Schnittverlauf, die Regelmäßigkeit und die Tiefe der Wunde sowie mögliche Abwehrverletzungen beurteilt. Bei Kopfverletzungen können mithilfe der Hutkrempen-Regel und der Puppe-Regel Informationen über den Hergang gewonnen werden, während der Charakter von Knochenfrakturen Hinweise bezüglich des Tatwerkzeugs liefern kann.
Schnitt- vs. Stichverletzungen
Schnittverletzungen | Stichverletzungen | |
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Einstich |
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Wundwinkel |
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- Gewebsbrücken sprechen für eine Quetsch-Risswunde
Bei Stichverletzungen kann der Einstich durch Weichteilkompression tiefer als die Länge des Stichwerkzeugs sein!
Selbstbeibringung vs. Fremdbeibringung
Selbstbeibringung | Fremdbeibringung | |
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Wunde, Schnitte |
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Kleidung |
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Schnittverlauf |
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Abwehrverletzungen |
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Für Informationen zum Vorgehen bei V.a. vorsätzliche Selbstschädigung siehe: Suizidalität und Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten
Gewalteinwirkung
- Folgen scharfer Gewalt: Verblutungen, Luftembolien, Herzbeuteltamponade usw.
- Folgen stumpfer Gewalt: Verschiebung und Kompression des Gewebes mit Hämatomen, Hauteinblutungen (Suffusion) und Quetschwunden mit Abschürfungen (Exkoriation)
- Quetschwunde: Wunde infolge starken Drucks auf die Haut
- Risswunde: Wunde infolge starken Zugs an der Haut
- Quetsch-Risswunde (auch Riss-Quetschwunde oder „Platzwunde“): Wunde infolge von Gewebekompression und anschließendem Zug
- Stockhiebe: Charakteristische Hautveränderung
- Doppelstriemen: Der Druck des Tatwerkzeugs drückt das Blut vom Wirkort nach außen – es entsteht eine helle Aussparung zwischen zwei blutunterlaufenen Streifen
Kopfverletzungen
- Hutkrempen-Regel: Die Hutkrempen-Regel besagt, dass Verletzungen oberhalb der Hutkrempenlinie eher durch Schläge eines Dritten, Verletzungen unterhalb der Hutkrempe eher durch Stürze entstanden sind.
- Puppe-Regel: Mit der Puppe-Regel kann die zeitliche Abfolge von Kopfverletzungen nachvollzogen werden. Sie besagt, dass später entstandene Frakturlinien (multiple Traumata) an bereits bestehenden Frakturlinien enden. Die Frakturlinien kreuzen nicht.
- Längsbrüche: Entstehen durch Längsdruck, z.B. bei Sturz auf den Hinterkopf
- Querbrüche: Entstehen durch Querdruck, z.B. bei Tritt gegen einen am Boden fixierten Kopf
Querdruck verursacht Querbrüche, Längsdruck verursacht Längsbrüche!
- Biegungsbrüche: Entstehen am Ort der direkten Gewalteinwirkung
- Globusfraktur: Radiäre und konzentrische Bruchlinien vom Zentrum ausgehend (z.B. bei stumpfer Gewalt mit einem Baseballschläger)
- Lochfraktur: Ausgestanztes Loch bei kleiner Angriffsfläche und konzentrierter Gewalteinwirkung (z.B. mit einem Hammer)
- Terrassenfraktur: Stufe an der Bruchlinie bei schräger Gewalteinwirkung, die eine Verkantung provoziert
- Berstungsbrüche: Entstehen nicht am Ort der Gewalteinwirkung, sondern durch Verformung des Schädels, z.B. bei einem Sturz
- Coup-Contrecoup-Mechanismus: Kommt es nach einer Gewalteinwirkung auf den Schädel nicht direkt zu einer Fraktur, werden die auf den Schädel einwirkenden Kräfte nur zu einem Teil von der direkten Auftreffstelle aufgenommen und größtenteils auf die gegenüberliegende Seite übertragen.
- Coup: Ort der direkten Gewalteinwirkung am Schädel
- Contrecoup: Meist stärker betroffener Bereich auf der gegenüberliegenden Seite
Verkehrsunfall
Jährlich kommt es zu etwa 2,5 Millionen polizeilich erfassten Verkehrsunfällen in Deutschland, wobei davon bspw. 2022 lediglich ca. 360.000 Personen verunglückt und ca. 2.700 ums Leben gekommen sind. Insgesamt ist die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten seit Jahren rückläufig.
Fußgängerunfälle
- Anfahrunfall: Beim Aufprall einer Stoßstange mit der Tibia eines Fußgängers kommt es zu einer keilförmigen Fraktur. Diese als Messerer-Bruch oder Messerer-Keil bezeichnete Fraktur gibt Aufschluss über die Richtung der ursächlichen, stoßenden Gewalteinwirkung. Dabei zeigt die Pfeilspitze des Keils in Richtung der Krafteinwirkung, d.h., dass die Basis des Keils den Ort des Aufpralls darstellt.
- Typischer Hergang
- Anstoßphase: Anstoß mit Tibiafraktur durch direkte Gewalteinwirkung der Stoßstange
- Aufladephase: Durch die Geschwindigkeit des Fahrzeugs gelangt der Körper des Angefahrenen auf die Motorhaube
- Abwurfphase: Durch Verminderung der Geschwindigkeit oder Wechseln der Fahrtrichtung wird der Angefahrene wieder abgeworfen.
- Typischer Hergang
- Überrollung: Beim Überrollen wird ein liegender Fußgänger von den Reifen überrollt. Dabei kommt es durch die Krafteinwirkung zu einer Ablederung der Haut und Unterhaut von der Muskulatur (Décollement).
- Überfahrung: Beim Überfahren wird ein liegender Fußgänger nicht von den Reifen überrollt. Die Schädigung tritt durch den Unterboden des Fahrzeugs auf.
- Festlegung der Gehrichtung
- Typische Anstoßverletzungen am Fußgänger
- Ausrichtung der Fahrzeugbeschädigungen
- Schürfspuren an einzelnen Schuhsohlen
Frontalunfall
- Dashboard-Verletzung
- Definition: Bei einem Frontal- bzw. Auffahrunfall entstehende Verletzung, bei der die Kraft des Armaturenbretts direkt auf die proximale Tibia einwirkt und indirekt auf weitere insb. knöcherne Strukturen übertragen wird
- Folgen
- Verletzung des hinteren Kreuzbandes (hintere Kreuzbandruptur)
- Hüftgelenkluxation (am häufigsten Luxatio iliaca = hintere obere Hüftgelenkluxation)
- Frakturen von Acetabulum, Femurschaft und Patella
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- V99!: Transportmittelunfall
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.