Zusammenfassung
Die zentrale Aufgabe des Hörorgans ist es, akustische Signale in Form von Schall wahrzunehmen und in elektrische Signale umzuwandeln, die dann dem zentralen Nervensystem zugeführt werden können. Das äußere Ohr dient hierbei als Schalltrichter. Es fängt die Schallwellen aus der Umgebung auf und leitet sie bis zum Trommelfell, welches dadurch in Schwingung versetzt wird. Das Mittelohr dient als Verstärker: Mit seinen drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel überträgt es die Schwingungen des Trommelfells auf das kleine ovale Fenster, das das Mittelohr vom Innenohr trennt.
Im Innenohr liegt die Cochlea, ein flüssigkeitsgefülltes Gangsystem, in dem auch das Organ für die Hörwahrnehmung (das sog. Corti-Organ) sitzt. Im Corti-Organ befindet sich das Sinnesepithel mit seinen sog. Haarzellen. Hier erfolgt schließlich die Umwandlung des akustischen Reizes in ein elektrisches Signal, das dann weiter nach zentral geleitet wird.
Äußeres Ohr (Auris externa)
Das äußere Ohr dient als Schalltrichter und setzt sich aus der Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang zusammen.
Ohrmuschel (Auricula auris)
Makroskopische Anatomie
Steckbrief
- Funktion: Erleichtert das Richtungshören
- Form: Trichterförmige Hautfalte
- Größe und Gewicht: Sehr variabel
Aufbau
Das Gerüst der Ohrmuschel besteht aus elastischem Knorpel. Zu den markanten, anatomischen Strukturen gehören:
- Helix: Wulstiger, konvexer Außenrand
- Anthelix: Wölbung, die sich medial der Helix befindet
- Porus acusticus externus: Öffnung des äußeren Gehörgangs
- Concha auricularis: Ohrmuschelhöhle, befindet sich lateral des äußeren Gehörgangs und geht in diesen über
- Tragus: Höcker vor dem äußeren Gehörgang
- Antitragus: Wölbung, die von hinten unten in den Porus acusticus externus ragt
Gefäßversorgung und Innervation
Gefäßversorgung | |
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Arteriell |
|
Venös |
|
Innervation | |
Sensibel |
|
Mikroskopische Anatomie
- Gerüst: Elastischer Knorpel
- Haut ist direkt mit dem Perichondrium verbunden
Äußerer Gehörgang (Meatus acusticus externus)
Makroskopische Anatomie
Steckbrief
- Funktion: Resonanzbildung bei der Schallweiterleitung
- Verlauf: Vom Porus acusticus externus zum Trommelfell
- Form: Mit Epidermis ausgekleidetes Rohr
- Länge: 3–4 cm
- Breite: 5–10 mm
Gliederung
- Laterales Drittel: Knorpelig
- Mediale zwei Drittel: Knöchern
- Am Übergang vom knorpeligen zum ossären Anteil ist der äußere Gehörgang gekrümmt und verengt
Topografie
- Hinten oben: Antrum mastoideum
- Hinten unten: Canalis facialis
- Vorne unten: Glandula parotis
Gefäßversorgung und Innervation
Gefäßversorgung | |
---|---|
Arteriell |
|
Venös |
|
Innervation | |
Sensibel |
|
Mikroskopische Anatomie
- Knorpeliger Anteil
- Fortsetzung des elastischen Knorpels der Ohrmuschel
- U-förmig, wird von einer bindegewebigen Platte zu einem Rohr verschlossen
- Knöcherner Anteil: In der Pars tympanica des Os temporale
- Auskleidung
- Epidermis (Verhorntes mehrschichtiges Plattenepithel)
- Fest mit der Unterlage (Knorpel- oder Knochenhaut) verbunden
- Im Eingangsbereich des äußeren Gehörgangs sind kräftige Terminalhaare (Tragi)
- Drüsen
- Glandula ceruminosa (Ceruminaldrüse) und Glandula sebacea (Talgdrüse)
- Produzieren Cerumen: Braun-gelbes Sekret, das bakterizid ist
- Epidermis (Verhorntes mehrschichtiges Plattenepithel)
Das Areal hinter der Ohrmuschel und der äußere Gehörgang wird von N. glossopharyngeus und von N. vagus innerviert: Eine mechanische Reinigung des äußeren Gehörgangs kann deshalb zu Brechreiz und Husten führen!
Trommelfell (Membrana tympani)
Das Trommelfell ist eine dünne, leicht trichterförmige Membran, welche die Schallwellen vom Gehörgang auf die Gehörknöchelchen des Mittelohres überträgt. Die Zuordnung des Trommelfells ist uneinheitlich. So wird es von manchen Autoren noch zum äußeren Ohr, von anderen hingegen schon zum Mittelohr gezählt.
Makroskopische Anatomie
Steckbrief
- Funktion
- Schallübertragung auf die Gehörknöchelchen
- Schutzfunktion des Mittelohrs
- Form: Annähernd runde, leicht trichterförmige Membran
- Fläche: ca. 0,5 cm2
- Dicke: 0,1 mm
- Lage: Schräg am Ende des äußeren Gehörgangs
Aufbau
- Prominente Strukturen
- Stria mallearis: Durchscheinender Hammergriff
- Umbo (Trommelfellnabel): Die Spitze des Hammers, die das Trommelfell zentral einzieht
- Einteilungen
- Senkrechte Teilungslinie durch Striae mallearis teilt das Trommelfell in vier Quadranten
- 1. Quadrant: Vorne oben (I)
- 2. Quadrant: Vorne unten (II) → Lokalisation des physiologischen dreieckigen Lichtreflexes
- 3. Quadrant: Hinten unten (III)
- 4. Quadrant: Hinten oben (IV): Dahinter befinden sich die Gehörknöchelchen und die Chorda tympani
- Zudem Einteilung in
- Pars tensa: Straffer, großer Teil des Trommelfells
- Pars flaccida (Shrapnell-Membran): Schlaffer, kleiner Teil des Trommelfells
- Senkrechte Teilungslinie durch Striae mallearis teilt das Trommelfell in vier Quadranten
Othämatom
Mit Othämatom wird ein seröser oder blutiger Erguss zwischen der Knorpelhaut (Perichondrium) und dem Knorpel der Ohrmuschel bezeichnet. Der ätiologisch scherenden Gewalteinwirkung verdankt die Erkrankung den Spitznamen Boxerohr. Zur Vermeidung von Deformitäten und Infektionen muss das Hämatom immer durch Inzision drainiert werden, dabei ist wegen der Perichondritisgefahr auf strenge Sterilität zu achten.
Otoskopie
Für die klinische Untersuchung des Trommelfells wird die Ohrmuschel nach hinten oben gezogen. Dadurch werden knorpeliger und knöcherner Anteil des Gehörgangs in eine Achse gebracht und eine direkte Inspektion des Trommelfells ermöglicht.
Mittelohr (Auris media)
Das Mittelohr befindet sich im Felsenbein und dient als „Verstärker“ des Gehör- und Gleichgewichtssystems. Es besteht aus der Paukenhöhle (Cavum tympani), dem Processus mastoideus und der Tuba auditiva (Ohrtrompete). Die Paukenhöhle beinhaltet die Gehörknöchelchen, Muskeln und Leitungsbahnen. Über die Tuba auditiva steht die Paukenhöhle mit dem Nasopharynxraum in Verbindung.
Paukenhöhle (Cavum tympani)
Die Paukenhöhle ist ein knöcherner Hohlraum und beinhaltet die Gehörknöchelchen, Gehörmuskeln sowie Leitungsbahnen.
Makroskopische Anatomie
Steckbrief
- Funktion
- Schallübertragung auf das Innenohr
- Impedanzanpassung
- Lage: Im Felsenbein
- Größe: Etwa 15 mm lang, 5 mm breit, 0,8 mL Füllvolumen
Aufbau
- Einteilung: Anatomisch wird die Paukenhöhle in drei Etagen eingeteilt
- Epitympanon: Oberhalb des Trommelfells
- Mesotympanon: Auf Höhe des Trommelfells
- Hypotympanon: Unterhalb des Trommelfells
Gehörknöchelchen | Verbindung |
---|---|
Malleus (Hammer) |
|
Incus (Amboss) |
|
Stapes (Steigbügel) |
|
- Gehörmuskeln: Beide Muskeln ziehen in entgegengesetzte Richtungen - sie wirken allerdings trotzdem synergistisch und vermindern die Schallempfindung des Innenohrs bei lauten Schallreizen.
- M. tensor tympani
- Funktionsweise: Durch Zug am Hammergriff wird die Spannung des Trommelfells erhöht → Schallempfindlichkeit wird vermindert
- Innervation: N. trigeminus (V3)
- M. stapedius
- Funktionsweise: Verkantet die Steigbügelplatte im ovalen Fenster → Kraftübertragung wird reduziert → Schallweiterleitung wird vermindert (sog. Stapediusreflex)
- Innervation: N. stapedius (Ast des N. facialis)
- M. tensor tympani
- Leitungsbahnen
- Chorda tympani
- Verläuft zwischen Hammer und Amboss durch die Paukenhöhle
- Gibt selber keinen Ast an die Paukenhöhle ab
- Plexus tympanicus des N. glossopharyngeus
- Aa. tympanicae
- Chorda tympani
Topografie
Die Nachbarschaftsbeziehungen der Paukenhöhle nutzt man häufig, um die Wände der Paukenhöhle zu beschreiben. Kommt es zu einem Entzündungsprozess innerhalb der Paukenhöhle, kann dieser je nach Ausdehnungsrichtung zu unterschiedlichen Komplikationen führen.
Angrenzende anatomische Struktur | Komplikation bei Durchbruch einer Mittelohrentzündung | |
---|---|---|
Paries membranaceus tympani (laterale Begrenzung) |
|
|
Paries labyrinthicus (mediale Begrenzung) |
| |
Paries jugularis (kaudale Begrenzung) | ||
Paries mastoideus (dorsale Begrenzung) | ||
Paries tegmentalis (kraniale Begrenzung) |
| |
Paries caroticus (ventrale Begrenzung) |
|
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Otosklerose
Bei der Otosklerose kommt es zu einer überschießenden Knochenbildung des Labyrinthknochens. Hauptmanifestationsort ist dabei der Bereich der Steigbügelplatte im ovalen Fenster. Durch diesen Prozess wird der Steigbügel fixiert und seine Schwingungsfähigkeit vermindert, was sich klinisch als Schallleitungsstörung bemerkbar macht.
Komplikationen einer Otitis media
Bei der Otitis media ist die Schleimhaut der Paukenhöhle entzündet. Aufgrund der Nachbarschaftsbeziehungen der Paukenhöhle kann eine Fortleitung der Entzündung mit lebensbedrohlichen Komplikationen einhergehen. Dringt der Prozess z.B. nach kranial in das Gehirn vor, so kann es zu einer eitrigen Hirnhautentzündung (Meningitis) oder einem intrakraniellen Abszess kommen (z.B. kranial der Paries tegmentalis in Richtung Temporallappen). Ein Fortschreiten der Entzündung nach dorsal in die Mastoidzellen kann im Rahmen einer Mastoiditis zu einem Einschmelzen der knöchernen Septen führen. Treten Bakterien oder Toxine über das ovale Fenster von der Paukenhöhle in das Innenohr, so macht sich dies häufig in Form einer Entzündung des Labyrinths, einer sog. tympanogenen Labyrinthitis, bemerkbar.
Hyperakusis
Die Hyperakusis ist eine stark erhöhte Lärmempfindlichkeit. Ursächlich kann u.a. eine Schädigung des N. facialis vor dem Abgang des N. stapedius sein. Fällt in der Folge der Stapediusreflex weg, wird die Schallübertragung nicht mehr gedämpft und als Hyperakusis empfunden.
Tuba auditiva (Ohrtrompete, Eustachi-Röhre)
Die Tuba auditiva verbindet die Paukenhöhle mit dem Nasopharynxraum und besteht aus einem knöchernen und einem knorpeligen Anteil. Bei jedem Schluckakt öffnet sich die Tuba auditiva und belüftet dadurch die Paukenhöhle.
Makroskopische Anatomie
Steckbrief
- Funktion
- Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachenraum
- Reinigung der Paukenhöhle
- Lage: Zwischen Paukenhöhle und Rachenraum
- Form: Röhre (wird auch als Eustachi-Röhre bezeichnet)
- Länge: 3,5 cm
Aufbau
- Einteilung
- Pars ossea (⅓): Grenzt an die Paukenhöhle
- Pars cartilaginea (⅔): Grenzt an den Pharynx
- Ostium pharyngeum tubae auditivae: Schlitzförmige Öffnung, zum Pharynx gerichtet
- Zustände
- In Ruhe: Die Öffnung der Ohrtrompete ist durch eine Schleimhautfalte geschlossen.
- Während des Schluckaktes: Zug des M. tensor veli palatini (Innervation: N. mandibularis) und des M. levator veli palatini (Innervation: Plexus pharyngeus aus N. glossopharyngeus und N. vagus) öffnet die Ohrtrompete
- Zustände
Mikroskopische Anatomie
- Gerüst: Pars cartilaginea besteht aus elastischem Knorpel
- Auskleidung
- Schleimhaut in der Pars ossea: Paukenhöhlenschleimhaut
- Schleimhaut in der Pars cartilaginea: Respiratorisches Epithel
Tubenkatarrh
Im Rahmen eines grippalen Infektes mit entzündeter Nasen- und Rachenschleimhaut, kann es auch zu einer Entzündung der Schleimhaut der Tuba auditiva kommen. Dadurch wird das Lumen der Röhre verengt und der Druckausgleich zwischen Mittelohr und Rachenraum behindert. Dies führt bei dem Betroffenen meist zu einem Druckgefühl im Ohr sowie einer leichten Hörminderung.
Warzenfortsatz (Processus mastoideus)
- Definition: Pneumatisierter Knochenvorsprung des Os temporale
- Anteile
- Antrum mastoideum (Vorhof des Warzenfortsatzes)
- Verbindet die Cellulae mastoideae mit der Paukenhöhle
- Fortsetzung des Recessus epitympanicus nach dorsal
- Cellulae mastoideae (Warzenfortsatzzellen)
- Luftgefüllte Hohlräume, die mit Schleimhaut ausgekleidet werden
- Antrum mastoideum (Vorhof des Warzenfortsatzes)
Mastoiditis
Die Mastoiditis ist eine Entzündung im Warzenfortsatz. Sie ist die häufigste Komplikation der Mittelohrentzündung, indem die Entzündung von der Schleimhaut auf den Knochen übergreift, und tritt typischerweise nach einer anfänglichen Besserung der Beschwerden (Ohrenschmerzen und Fieber) auf. Bei Durchbruch der Entzündung durch den Knochen kann der Prozess in die Schädelgrube gelangen und eine lebensbedrohliche Meningitis oder einen Hirnabszess verursachen.
Innenohr (Auris interna)
Das Innenohr wird nach topografisch-anatomischen Aspekten in ein Hör- (kochleäres Labyrinth) und ein Gleichgewichtsorgan (vestibuläres Labyrinth) eingeteilt. Der Aufbau der Cochlea wird weiter unten besprochen, das Gleichgewichtsorgan wird unter „Vestibuläres System“ abgehandelt.
- Steckbrief
- Funktion: Hör- und Gleichgewichtsorgan
- Lage: Pars petrosa ossis temporalis (= Felsenbein)
- Form: Labyrinthförmiges Kanalsystem
- Aufbau
- Membranöses Labyrinth
- Kurzbeschreibung
- Häutige Säckchen und Kanälchen, die zu einem Schlauchsystem verbunden sind
- Vom knöchernen Labyrinth ummantelt
- Beinhaltet die Rezeptororgane
- Innenohrflüssigkeit: Endolymphe
- Kurzbeschreibung
- Knöchernes Labyrinth
- Kurzbeschreibung:
- Knöchernes Gangsystem im Felsenbein
- Ummantelt das membranöse Labyrinth
- Innenohrflüssigkeit: Perilymphe
- Kurzbeschreibung:
- Membranöses Labyrinth
Bestandteile des Innenohrs
Diese Tabelle soll einen Überblick über die Bestandteile des Innenohrs geben. Die Bestandteile im Einzelnen werden weiter unten in diesem Kapitel und in dem Kapitel „Vestibuläres System“ erläutert.
Knöchernes Labyrinth | Membranöses Labyrinth (innerhalb des knöchernen Labyrinths) | |
---|---|---|
Kochleäres Labyrinth (Labyrinthus cochlearis) | ||
|
| |
| ||
Vestibuläres Labyrinth (Labyrinthus vestibularis) |
|
|
|
Innenohrflüssigkeiten
Zu den Besonderheiten des Innenohrs zählt, dass es mit zwei verschiedenen Innenohrflüssigkeiten, Endolymphe und Perilymphe, gefüllt ist. Beide weisen unterschiedliche Ionenzusammensetzungen auf: Die Perilymphe entspricht in etwa der des Extrazellulärraums, wohingegen die Endolymphe sehr kaliumreich ist, was die Voraussetzung für das sog. endokochleäre Potenzial ist.
Endolymphe | Perilymphe | |
---|---|---|
Zusammensetzung |
|
|
|
| |
Produktionsort |
| |
Lokalisation innerhalb der Cochlea | ||
Ort der Resorption |
|
Die Zusammensetzung der Perilymphe entspricht etwa der des Extrazellulärraums, die der Endolymphe etwa der des Zellinneren der Haarzellen. Die endolymphatische Kaliumkonzentration entspricht mit ca. 150 mmol/L etwa der intrazellulären Kaliumkonzentration, weshalb sich nach der Nernst-Gleichung ein chemisches K+-Gleichgewichtspotenzial von 0 mV ergibt!
Endokochleäres Potenzial: Die Endolymphe ist gegenüber dem Extrazellulärraum (und der Perilymphe) positiv geladen (+85mV)!
Gefäßversorgung und Innervation
Gefäßversorgung | |
---|---|
Arteriell |
|
Venös |
|
Innervation | |
Speziell somatoafferent |
|
Cochlea (Hörschnecke)
Die knöcherne Cochlea ist ein schneckenförmiges Kanalsystem. Dieses beinhaltet drei übereinander liegende membranöse Gänge, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Der mittlere Gang wird als Ductus cochlearis bezeichnet und enthält das Corti-Organ für die Hörwahrnehmung (diese wird unter „Auditives System“ besprochen).
Steckbrief
- Definition: Knöcherner Hohlraum, der das membranöse Labyrinth ummantelt
- Funktion: Schutz des membranösen Labyrinths
- Form: Schneckenförmiges Kanalsystem mit zweieinhalb Windungen
- Größe: 9×5×30 mm (im entrollten Zustand)
- Flächen und Ränder
- Schneckenkuppel (Cupula cochleae): Zeigt nach vorne unten
- Schneckenbasis (Basis cochleae): Zeigt zum Meatus acusticus internus
- Schneckenkanal (Canalis spiralis cochleae): Hohlraum der Schnecke
Aufbau
Die schneckenförmige Cochlea besitzt eine knöcherne Achse, die man als Modiolus bezeichnet. Hierin eingelagert befinden sich die Perikarya des 1. Neurons der Hörbahn. Von diesem Modiolus entspringt ein dünner Knochenkamm (Lamina spiralis ossea), der sich spiralig durch das Schneckengehäuse windet. Durch diesen Knochenkamm sowie weitere Membranen, die hier ansetzen, wird die Cochlea in drei übereinander liegende Kompartimente eingeteilt.
Inhalt | Lagebeziehungen (im Querschnitt) | Begrenzung (im Querschnitt) | Verbindungen | |
---|---|---|---|---|
Scala vestibuli |
|
|
| |
Ductus cochlearis (=Scala media) |
|
|
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Scala tympani |
|
|
|
Im Modiolus befinden sich die Perikarya des 1. Neurons der Hörbahn!
Fenster zum Mittelohr
Die Cochlea kommuniziert über zwei Fenster mit dem Mittelohr.
- Ovales Fenster (Fenestra vestibuli)
- Verbindet Steigbügelplatte mit dem Beginn der Scala vestibuli
- Übertragung der Schwingungen von den Gehörknöchelchen auf Perilymphe
- Rundes Fenster (Fenestra cochleae)
- Verbindet das Ende der Scala tympani mit der Paukenhöhle
- Dient dem Schwingungsausgleich
Feinbau des Ductus cochlearis
Der Ductus cochlearis (Schneckengang) wird von Scala vestibuli und Scala tympani flankiert und hat im Querschnitt eine dreieckige Form. Die Lamina spiralis ossea und die Basilarmembran formen den Boden und das Lig. spirale bildet die laterale Begrenzung dieses Dreiecks. Der obere Anteil des Lig. spirale wird von einem speziellen Epithel, der Stria vascularis bedeckt, welche Endolymphe sezerniert.
- Form
- 30 mm langer, spiralig gewundener Schlauch
- Im Querschnitt dreieckig; die Spitze des Dreiecks zeigt zum Modiolus
Begrenzungen des Ductus cochlearis | |||
---|---|---|---|
Lage im Querschnitt | Aufbau | Funktion | |
Reissner-Membran |
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|
Stria vascularis |
|
|
|
Lamina spiralis ossea und Basilarmembran |
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|
Die Stria vascularis des Ductus cochlearis sezerniert die K+-reiche Endolymphe!
Feinbau des Corti-Organs
Das Corti-Organ besitzt ein spezielles Sinnesepithel, das der Basilarmembran aufliegt (zwischen den Zellen des Sinnesepithels befinden sich Spalträume, die mit Corti-Flüssigkeit gefüllt sind). Das gesamte Corti-Organ wird von einer gallertigen Tektorialmembran bedeckt .
Sinnesepithel
Das Sinnesepithel besitzt grundsätzlich zwei unterschiedliche Zelltypen. Eingebettet in die Stützzellen befinden sich sekundäre Sinneszellen , die sogenannten Haarzellen. Diese haben charakteristische Sinneshärchen am apikalen Zellpol, die treppenförmig von groß nach klein angeordnet sind. Die Haarzellen sind für die eigentliche Schallwahrnehmung zuständig.
(Sekundäre) Sinneszellen
- Lage: Eingebettet in die Stützzellen (Pfeilerzellen und Phalangenzellen)
- Aufbau
- Sinneshärchen (Stereozilien) am apikalen Zellpol
- 50–100 Stereozilien pro Zelle
- Treppenförmig von groß nach klein angeordnet
- „Tip-links“: Feine Eiweißfäden verbinden die Spitzen der Stereozilien
- Sinneshärchen (Stereozilien) am apikalen Zellpol
- Zwei Zelltypen
- Innere Haarzellen (IHZ)
- Anordnung: Eine Zellreihe
- Funktion: Periphere Hörwahrnehmung (generieren das Rezeptorpotenzial)
- Äußere Haarzellen (ÄHZ)
- Anordnung: 3–4 Zellreihen
- Funktion: Periphere Hörwahrnehmung (verstärken die kochleäre Erregung durch Kontraktion)
- Innere Haarzellen (IHZ)
Stützzellen
- Pfeilerzellen
- Anordnung: Äußere und innere Pfeilerzellen stehen gegeneinander geneigt
- Funktion: Formen einen Stützbogen und den inneren Tunnel
- Phalangenzellen
- Innere Phalangenzellen
- Anordnung: Eine Zellreihe
- Funktion: Umschließen die innere Haarzelle kelchförmig
- Äußere Phalangenzellen (Deiters-Zellen)
- Anordnung: 3–5 Zellreihen
- Funktion: Umschließen die äußeren Haarzellen
- Innere Phalangenzellen
Flüssigkeitsräume
Zwischen den Zellen des Corti-Organs befinden sich drei kommunizierende Spalträume, die Corti-Lymphe enthalten. Diese hat einen ähnlichen Elektrolytgehalt wie die Perilymphe.
- Es gibt drei wichtige Spalträume im Corti-Organ
- Cuniculus internus (Corti-Tunnel): Zwischen inneren und äußeren Pfeilerzellen
- Cuniculus medius (Nuel-Raum): Zwischen äußeren Pfeilerzellen und der ersten Reihe von äußeren Haarzellen
- Cuniculus externus (Äußerer Tunnel): Zwischen äußeren Haarzellen und äußeren Stützzellen
- Inhalt: Corti-Lymphe mit ähnlichem Elektrolytgehalt wie die Perilymphe (also wenig Kalium, viel Natrium)
Tectorialmembran (Ohr) (Membrana tectoria, Corti-Membran)
- Definition: Gallertige Platte, die das Corti-Organ bedeckt
- Lagebeziehung: Entspringt von einer Verdickung der Lamina spiralis ossea
- Aufbau: Zellfreie Gallertmasse mit eingelagerten Filamenten
- Funktion: Die äußeren Haarzellen ragen mit den längsten Stereozilien in die Tektorialmembran und werden bei Abscherbewegungen deflektiert.
Schleifendiuretika
Schleifendiuretika sind ein potentes Mittel in der Akuttherapie jeglicher Art von Ödemen. Sie wirken über eine Blockade des Na+-K+-2Cl−-Cotransporters im aufsteigenden Ast der Henle-Schleife. Da der Na+-K+-2Cl−-Cotransporter sich auch in der Stria vascularis des Innenohrs befindet, kann seine Blockade über eine Kaliumverschiebung mit ototoxischen Nebenwirkungen einhergehen.
Embryologie
An der Entstehung des Hör- und Gleichgewichtorgans beteiligen sich alle drei Keimblätter.
Ursprung | Anteile |
---|---|
Ektoderm | |
Mesoderm | |
Entoderm |
|
- Entwicklung des Innenohrs
- 3. Woche: Ohrplakode (=Verdickung des Oberflächenektoderms im Bereich des Rautenhirns)
- 3.–4. Woche: Ohrgrube
- Die Ohrplakode sinkt zur Ohrgrube ab
- 4. Woche: Ohrbläschen
- Ohrgrube verliert Kontakt zur freien Oberfläche
- Mit Endolymphe gefüllt
- Bildet das häutige Labyrinth
- Entwicklung des Mittelohrs
- Trommelfell
- Ohrtrompete: Aus der 1. Schlundtasche
- Gehörknöchelchen
- Hammer und Amboss: Mesenchym des 1. Schlundbogens
- Steigbügel: Mesenchym des 2. Schlundbogens
- Entwicklung des äußeren Ohrs
- Gehörgang: Aus der 1. Schlundfurche: Epithelplatte verschließt den Gehörgang zunächst; wird erst im 5. Monat geöffnet
- Ohrmuschel: Aus dem 1. und 2. Schlundbogen
Wiederholungsfragen zum Kapitel Ohr
Äußeres Ohr (Auris externa)
Aus was ist das Gerüst der Ohrmuschel aufgebaut?
Wo befindet sich der Antitragus?
Wieso kann es durch Fremdkörper im äußeren Gehörgang zu Brechreiz oder Husten kommen?
Trommelfell (Membrana tympani)
Wo auf dem Trommelfell spiegelt sich bei der Otoskopie der Lichtreflex?
Wo befinden sich bei Betrachtung des Trommelfells die Gehörknöchelchen?
Mittelohr (Auris media)
Durch welchen Nerv wird der M. tensor tympani versorgt?
Welche anatomische Struktur bildet die laterale Wand der Paukenhöhle?
An welche Wand der Paukenhöhle grenzen ovales und rundes Fenster?
Zu welcher schwerwiegenden Komplikation kann eine fortschreitende Mastoiditis führen?
Durch welche Wand der Paukenhöhle kann sich eine Mittelohrentzündung am ehesten in ein intrakranielles Entzündungsgeschehen fortsetzen?
Welche Wand verbindet die Paukenhöhle mit dem Nasopharynx?
Die Pneumatisierung welches Knochen dauert bis ins Erwachsenenleben hinein an? Mit welchen Zellen ist er ausgekleidet?
Innenohr
Wo kann das endokochleären Potenzial gemessen werden und wie groß ist es?
Welche Struktur trennt die Scala vestibuli vom Ductus cochlearis?
Welche Strukturen werden durch die Basilarmembran getrennt?
Wo befinden sich die Perikarya des ersten Neurons der Hörbahn?
Was ist die Funktion der Stria vascularis?
Wo befinden sich die sekundären Sinneszellen des Corti-Organs?
Embryologie
Aus welchem der drei Keimblätter entwickelt sich das Innenohr?
Aus welcher embryonalen Struktur entwickelt sich der Gehörgang?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.
3D-Anatomie
In Kooperation mit Effigos bieten wir dir die Möglichkeit, Anatomie auch in 3D zu erfahren. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Neben Komplettmodellen bieten wir dir auch sprach- oder textgeführte Exkurse zu einzelnen Themen. In allen Versionen hast du die Möglichkeit, mit den Modellen individuell zu interagieren, z.B. durch Schneiden, Zoomen oder Aus- bzw. Einblenden bestimmter Strukturen. Eine Übersicht über alle Inhalte findest du in dem Kapitel Anatomische 3D-Modelle. Die unterschiedlichen Pakete zu den 3D-Modellen findest du im Shop.