Zusammenfassung
Psychische Erkrankungen werden stark durch soziale Faktoren beeinflusst. Daher gibt es neben den gewöhnlichen Versorgungsangeboten im ambulanten und (teil‑)stationären Bereich eine Reihe weiterer Angebote, die Betroffene und ihre Angehörigen individuell in ihrem Lebensumfeld unterstützen. Ziele sind u.a. eine erfolgreiche Rehabilitation und Inklusion, die Verbesserung der Lebensqualität und frühzeitige Krisenbewältigungen. Das sozialpsychiatrische Versorgungssystem umfasst alle Einrichtungen und Angebote, die dabei helfen, diese Ziele umzusetzen.
In diesem Kapitel werden einige gängige Angebote näher beleuchtet. Inhalte zu Rehabilitationsmaßnahmen finden sich unter Rehabilitation.
Übersicht
Elemente des psychiatrischen Versorgungssystems [1]
- (Akut‑)Behandlung
- Ambulant
- (Teil‑)Stationär
- Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA)
- Psychiatrische häusliche Krankenpflege
- Soziotherapie
- Betreutes Wohnen
- Sozialpsychiatrische Zentren (SPZ), oft verbunden mit
- Sozialpsychiatrischer Dienst
- Tagesstätten
- Rehabilitation
- Medizinisch
- Medizinisch-beruflich (Rehabilitation psychisch Kranker, RPK)
- Berufsförderungswerke
- Selbsthilfegruppen
- Maßregelvollzug
Grundsätze der sozialpsychiatrischen Versorgung [2]
Die folgenden Versorgungsaspekte sind insb. für Menschen mit schwerer chronischer psychischer Erkrankung bedeutsam.
- Individuelles soziales Umfeld berücksichtigen
- Soziale Inklusion fördern
- Im Lebensumfeld der Betroffenen agieren
- Lebensqualität optimieren
Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi)
- Kurzbeschreibung: Niederschwelliges Angebot für
- Beratung und Koordination bzgl. des psychiatrischen Hilfesystems
- Akute Krisenhilfe
- Anspruch: Kostenfrei für Betroffene und Menschen aus ihrem Umfeld
- Koordination, u.a. durch
- Sozialarbeiter:innen
- Fachärzt:innen
- Verwaltungsfachkräfte
- Maßnahmen, bspw.
- Informationsgespräche
- Vermittlung von Versorgungsangeboten
- Hausbesuche
Psychiatrische häusliche Krankenpflege
- Kurzbeschreibung: Ambulante psychiatrische Pflege im häuslichen Umfeld
- Anspruch: Menschen mit psychischer Erkrankung und starken Einschränkungen der Alltagsfähigkeit
- Regelindikationen
- Schwere psychische Erkrankungen (insb. organische und psychotische Störungen)
- Wert auf GAF-Skala: ≤50
- Begründete Einzelfälle
- Beliebige psychische Störung
- Wert auf GAF-Skala: ≤40
- Regelindikationen
- Maßnahmen, bspw.
- Unterstützung bei der Transition in den Alltag nach Krankenhausaufenthalt
- Unterstützung bei der Wahrnehmung ambulanter Behandlungsmaßnahmen (inkl. Medikamenteneinnahme)
- Umfang/Dauer
- I.d.R. 4 Wochen (max. 4 Monate)
- Bei unklarer Behandlungsfähigkeit: Erstverordnung für 2 Wochen
- Kostenträger: GKV
- Verordnungsberechtigte
- Fachärzt:innen
- (Kinder- und Jugend‑)Psychiatrie und Psychotherapie
- Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Nervenheilkunde, Neurologie
- Mit Zusatzweiterbildung Psychotherapie
- In psychiatrischen Institutsambulanzen
- Allgemeinmedizin
- Psychologische Psychotherapeut:innen
- Fachärzt:innen
- Formular: Muster 12
Psychiatrische häusliche Krankenpflege dient nicht einer längerfristigen Unterstützung!
Psychiatrische häusliche Krankenpflege kann zusammen mit Soziotherapie verordnet werden!
Soziotherapie
- Kurzbeschreibung: Ambulantes Case-Management [1]
- Anspruch: Erwachsene mit schwerer psychischer Erkrankung, die ärztliche Leistungen nicht eigenständig in Anspruch nehmen können
- Regelindikationen
- Insb. psychotische Störungen
- Wert auf GAF-Skala: 40–50
- Begründete Einzelfälle
- Beliebige psychische Störung
- Wert auf GAF-Skala: ≤40
- Mind. 1 weitere Einschränkung bzgl.
- Mobilität (Wegefähigkeit)
- Alltagsfähigkeit (Planung, Strukturierung, Durchführung)
- Koordination/Inanspruchnahme verordneter Leistungen (bspw. ärztliche Termine)
- Bedeutender Komorbidität
- Regelindikationen
- Maßnahmen, bspw.
- Besuche im häuslichen Umfeld
- Klärung beruflicher und sozialer Fragen (bspw. Wohnsituation)
- Begleitung zu (ärztlichen) Terminen
- Aufgaben zur Alltagsstrukturierung
- Umfang/Dauer: Max. 120 h / 3 Jahre (pro Erkrankungsfall)
- Verordnung von 5 Probestunden möglich
- Kostenträger
- GKV
- Eigenanteil: 5–10 Euro/Tag
- Verordnungsberechtigte
- Fachärzt:innen
- (Kinder- und Jugend‑)Psychiatrie und Psychotherapie
- Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
- Nervenheilkunde, Neurologie
- Mit Zusatzweiterbildung Psychotherapie
- In psychiatrischen Institutsambulanzen
- Psychologische Psychotherapeut:innen
- Stationär behandelnde Ärzt:innen
- Für max. 7 Tage nach Klinikaufenthalt
- Fachärzt:innen
- Formulare
- Muster 26
- Für max. 5 Probestunden
- Für max. 30 Therapieeinheiten
- Muster 27
- Für Betreuungsplan
- Muster 28
- Verordnung bei Überweisung zur Indikationsstellung
- Muster 26
Ein Mindestmaß an Motivation, Belastbarkeit und Kommunikationsfähigkeit wird bei Soziotherapie vorausgesetzt!
Betreutes Wohnen (BeWo)
- Kurzbeschreibung: Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft (soziale Rehabilitation)
- Anspruch: Menschen mit einer (drohenden) seelischen Behinderung [5]
- Setting: Stationär oder ambulant
- Maßnahmen, bspw.
- Hilfe beim Umgang mit Ämtern
- Hilfe bei der Tagesstrukturierung
- Alltagsunterstützung (inkl. Einkaufen, Kochen)
- Umfang/Dauer
- Je nach Bedarf
- Langfristig möglich
- Kostenträger
- I.d.R. überörtlicher Sozialhilfeträger
- Eigenanteil je nach Vermögen/Einkommen möglich
- Vorgehen bei Verordnung
- Bei Erstverordnung
- Ärztlicher Bericht
- Sozialhilfegrundantrag
- Hilfeplan (Erstellung i.d.R. im Rahmen von Hilfeplangespräch)
- Antrag auf Wohnunterstützung (von Patient:in)
- Bei Wiederholungsantrag: Erneutes Hilfeplangespräch ausreichend
- Bei Erstverordnung
Arbeitstherapie
- Kurzbeschreibung: Vorbereitende Maßnahme zur Wiederherstellung von Arbeitsfähigkeit
- Anspruch: Menschen mit psychischer Erkrankung und geringer Belastbarkeit
- Setting: (Teil‑)stationär und ambulant möglich
- Maßnahmen, bspw.
- Konzentrationstraining
- Förderung von Durchhaltevermögen
- Umfang/Dauer: Indikationsabhängig
- Kostenträger
- GKV
- Eigenanteil: 10 Euro/Verordnung plus 10% der Behandlungskosten
- Formular
- Muster 13: Heilmittelverordnung (Ergotherapie)