Zusammenfassung
Das Treffen von Entscheidungen ist vor allem im Arztberuf von großer Bedeutung. Ärztliche Entscheidungen haben eine sehr große Tragweite und sind nicht immer leicht zu treffen. Daher ist es wichtig, sich die Grundlagen und Arten der diagnostischen Entscheidung bewusst zu machen. Auch sollte jeder Arzt die Qualität seiner Entscheidungen regelmäßig überprüfen und sich mögliche Entscheidungskonflikte und -fehler bewusst machen, um eine optimale Patientenversorgung zu ermöglichen.
Der diagnostische Prozess umfasst das Sammeln von Informationen, auf deren Grundlage eine Fragestellung formuliert und schließlich eine Hypothese abgeleitet wird. Eine Diagnose kann anschließend mit Hilfe von Klassifikationssystemen einheitlich formuliert werden. Die beiden wichtigsten Klassifikationssysteme sind dabei das ICD-10 und der DSM-5.
Im weiteren Verlauf sollten Diagnose und Entscheidung immer wieder überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Grundlagen der diagnostischen Entscheidung
Der diagnostische Prozess
Der diagnostische Prozess beginnt mit einer Fragestellung, die von einer auftraggebenden Person an den Diagnostiker herangetragen wird. Dieser bildet daraus eine prüfbare Hypothese, erhebt und interpretiert die zur Beantwortung nötigen Daten und stellt hieraus wenn möglich eine Diagnose als Grundlage für die folgende Behandlung. Sind die Daten nicht ausreichend, wird der Prozess erneut durchlaufen und die Hypothese ggf. angepasst.
Der diagnostische Prozess verläuft in mehreren Schritten: Fragestellung → Hypothesenbildung → Datenerhebung → Dateninterpretation → Diagnosestellung → Behandlungsentscheidung!
Formulieren einer Fragestellung
- Fragestellung, die die Beschwerden des Patienten erfasst
- Bsp.: Hat mein Patient Magenschmerzen, weil er unter einem Magengeschwür leidet? Was könnten die Ursachen für dieses Magengeschwür sein?
Bilden einer Hypothese
- Möglichst formulieren konkreter, operationalisierbarer Hypothesen
- Im Anschluss: Weiterführen der Diagnostik entsprechend der aufgestellten Hypothese
Sammeln von Informationen
- Informationsquellen
- Anamnese (siehe: Untersuchung und Gespräch)
- Befunde und Vorbefunde
- Testergebnisse
- Unterscheidung zwischen harten (objektivierbaren) Daten und weichen (subjektiven) Daten
Lügenskala
Eine Fehlerquelle, die sich der Arzt bei der Erhebung von Informationen bewusst machen sollte, ist die Tendenz der sozialen Erwünschtheit. Patienten tendieren teilweise dazu, in Gesprächen oder Befragungen Antworten zu geben, von denen sie glauben, dass sie von der Gesellschaft erwünscht sind. Diese Antworten entsprechen jedoch nicht der Wahrheit. Um besser abschätzen zu können, ob ein Patient die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, kann eine sog. Lügenskala genutzt werden. Das Prinzip hierbei ist, dass man Fragen nach kleinen „Schwächen“ oder „Fehlern“ in die Befragung einbaut, die bei ehrlicher Beantwortung (fast) jeder Mensch bejahen müsste (z.B. „Haben Sie schon mal eine Notlüge benutzt?“). Wenn diese Fragen verneint werden, kann davon ausgegangen werden, dass auch die restlichen Angaben weniger ehrlich sind.
Klassifikationssysteme
Mit Hilfe von Klassifikationssystemen wird die Diagnosestellung vereinfacht. Es existieren mehrere Klassifikationssysteme, von denen im Anschluss exemplarisch drei vorgestellt werden.
Funktionen der Klassifikationssysteme
- Vereinheitlichung von Diagnosen
- Verbesserte Vergleichbarkeit von Diagnosen
- Erleichterte Dokumentation von Diagnosen
- Präzisere Kommunikation unter Kollegen
- Erleichtertes Ableiten von Therapieempfehlungen
- Erleichterte Abrechnung
Merkmale der Klassifikationssysteme
- Operationalisiert: Erstellen der Diagnose anhand operationalisierter (d.h. messbarer) Kriterien
- Kriterienorientiert: Erstellen der Diagnose anhand vorgegebener Kriterien
- Multiaxial: Erstellen der Diagnose unter Berücksichtigung mehrerer Achsen
- Atheoretisch: Erstellen der Diagnose ohne Bezug zu möglichen Ursachen der Erkrankung
Komorbidität
Im klinischen Alltag leiden die Patienten meistens nicht nur unter einer Erkrankung. Bestehen zusätzlich zu der Grunderkrankung eine oder mehrere weitere Erkrankungen, so spricht man von Komorbidität. Die "Zusatzerkrankungen" werden hierbei ebenfalls als einzelne Diagnosen aufgeführt.
Beispiele für Klassifikationssysteme
Diagnosen können anhand verschiedener Klassifikationssysteme vergeben und verschlüsselt werden; als Bewertungsgrundlage dient hier die Symptomatik. Zu den wichtigsten gehören die ICD- und die DSM-Klassifikation.
ICD-10 und ICD-11
- Name: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
- Anwendung
- Klassifikation körperlicher und psychischer Erkrankungen
- Internationale Verwendung
- Aktualität
- Aufbau ICD-10
- Eine Achse (Diagnose der aktuellen Erkrankung)
- 22 Kapitel alphabetisch gegliedert (bspw. psychische Erkrankungen: Kapitel V (Kodierung F00-F99))
- Skalenniveau: Nominalskala
Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser in Deutschland sind dazu verpflichtet, Diagnosen anhand der ICD-10-Kriterien zu verschlüsseln!
Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nach ICD-10
Im Folgenden sind beispielhaft die Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nach ICD-10 aufgeführt. Um die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms stellen zu können, müssen laut ICD-10 mind. drei dieser Kriterien erfüllt sein.
- Substanzverlangen
- Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren
- Körperliches Entzugssyndrom
- Toleranzentwicklung gegenüber der Substanz
- Vernachlässigung anderer Interessen
- Anhaltender Substanzgebrauch trotz Nachweis schädlicher Folgen
DSM-5
- Name: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5. Version)
- Anwendung
- Klassifikation psychischer Erkrankungen
- Verwendung in den USA
- Aufbau: 20 diagnostische Hauptgruppen, die sich teilweise in weitere Untergruppen einteilen lassen (die Vorgängerversion des DSM-5, das DSM-IV, systematisierte die Erkrankungen auf Basis von fünf Achsen – dieses multiaxiale System wurde im DSM-5 verlassen. Zudem erfolgt die Klassifizierung nun in arabischen Zahlen.).
ICF
Da sich das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung durch eine Erkrankung individuell von Patient zu Patient sehr unterscheidet, hat die WHO neben der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) eine Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, International Classification of Functioning, Disability and Health) erstellt. Sie wird im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen angewendet. Siehe dazu auch → "Prävention und Gesundheitsförderung“.
Arten der diagnostischen Entscheidung
Grundsätzliche Begriffe
- Diagnose (von griech. diágnosis = "unterscheidende Beurteilung", "Erkenntnis"): Bezeichnung für eine Krankheit
- Diagnostik (von griech. diagnōstikós = "zum Unterscheiden gehörend"): Lehre und Kunst, Krankheiten zu erkennen
Formen der Diagnostik
Im Folgenden werden die verschiedenen Arten der diagnostischen Entscheidungsfindung im Verlauf einer Behandlung vorgestellt.
Indikationsdiagnostik
- Erklärung: Diagnostik zu Beginn der Behandlung
- Ziel: Herausfinden, welche Behandlung notwendig (indiziert) ist
- Beispiel: Bei einem Patienten wird eine Lungenentzündung diagnostiziert. Daraufhin wird eine antibiotische Therapie eingeleitet.
Prozessdiagnostik
- Erklärung: Diagnostik im Behandlungsverlauf
- Ziel: Individuelle Beurteilung des Behandlungsverlaufes und Anpassung der Therapie an den Behandlungsverlauf (adaptive Diagnostik)
- Methoden
- Indirekte Veränderungsmessung: Bilden der Differenz von zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten erhobenen Merkmalen
- Direkte Veränderungsmessung: Einschätzung der subjektiv erlebten Veränderung mittels Komparativaussagen (bspw. „besser“, „schlechter“)
- Beispiel: Im Behandlungsverlauf verschlechtern sich die Symptome des Patienten. Daraufhin wird die antibiotische Therapie eskaliert.
Ergebnisdiagnostik (Outcome-Diagnostik)
- Erklärung: Diagnostik nach Abschluss der Therapie
- Ziel: Beurteilen des Therapieerfolgs durch Vergleich mit vorab getroffenen Therapievereinbarungen und Zielvorstellungen
- Beispiel: Das Fieber und die Anzeichen der Lungenentzündung im Röntgenbild sind zurückgegangen. Die Therapie war erfolgreich.
Die Diagnosestellung erfolgt nicht einmalig zu Beginn der Behandlung. Sie sollte im Verlauf immer wieder überprüft und gegebenenfalls angepasst werden!
Labeling
Wird eine Diagnose gestellt, wird dem Patienten dadurch mitunter ein Etikett (Label) zugeordnet. Das kann für den Patienten sowohl be- als auch entlastend sein. So kann sich bspw. ein Patient entlastet fühlen, wenn er vor seiner Familie nicht mehr als "Säufer" dasteht, sondern offiziell eine Alkoholkrankheit diagnostiziert wurden. Das Label kann jedoch auch eine Belastung sein, bspw. wenn die psychische Erkrankung in seiner Personalakte aufgeführt wird.
Urteilsqualität und Qualitätskontrolle
Urteilsqualität
Die Qualität eines Urteils hängt von verschiedenen Kriterien ab. Werden Entscheidungen im Rahmen der Diagnostik bspw. mit Hilfe von Tests getroffen, ist es wichtig, dass diese Tests gewissen Gütekriterien entsprechen. Diese sogenannten Testgütekriterien werden in dem Kapitel "Grundlagen der medizinischen Statistik" erläutert. Erfüllt ein Test diese Kriterien nicht, so ist er nur eingeschränkt verwertbar. Ebenso muss das Ergebnis einer Diagnostik hinterfragt werden, wenn zwei Ärzte bspw. auf unterschiedliche Ergebnisse kommen und somit keine Beurteilerübereinstimmung besteht. Zuletzt sollte auch immer die Art der Schlussfolgerung berücksichtigt werden. Wenn es bspw. erforderlich ist, möglichst schnell zu einer Diagnose zu kommen, ist es ratsam, linear zu schlussfolgern und lediglich Informationen zu erheben, die im Hinblick auf die Verdachtsdiagnose erforderlich sind. Jedoch muss man sich hierbei immer bewusst sein, dass mitunter wichtige Informationen bei dieser Art der Schlussfolgerung übersehen werden können.
Testgütekriterien
Werden diagnostische Entscheidungen anhand von Tests getroffen, ist es wichtig, dass diese Tests Gütekriterien entsprechen. Diese sogenannte Testgütekriterien werden in dem Kapitel "Grundlagen der medizinischen Statistik" ausführlich erläutert.
Beurteilerübereinstimmung
- Erklärung: Der selbe Sachverhalt kann bei verschiedenen Ärzten zu unterschiedlichen Diagnosen führen
- Überprüfung: Durch statistische Kennwerte kann berechnet werden, wie verlässlich eine Aussage ist
- Cohens Kappa: Mit Hilfe des statistischen Kennwerts Cohens Kappa wird berechnet, inwieweit sich zwei Aussagen über den reinen Zufall hinaus decken.
Arten der Schlussfolgerung
Die Art, wie eine Schlussfolgerung getroffen wird, hat Auswirkungen auf die Qualität dieser Schlussfolgerung. Abhängig von der jeweiligen Ausgangssituation muss entschieden werden, welche Art der Schlussfolgerung in der konkreten Situation am sinnvollsten ist.
Additive Schlussfolgerung
- Durchführung
- Es werden zunächst alle benötigten Informationen erhoben
- Anschließend werden alle Informationen zu einem Gesamtbild addiert
- Vorteil: Umfassend
- Nachteil: Zeitaufwendig, mitunter werden unnötige Informationen erhoben
- Beispiel: Ein Patient stellt sich mit Bauchschmerzen vor. Der Arzt erhebt alle Informationen, die im Hinblick auf dieses Symptom wichtig sein könnten. So befragt er den Patienten unter anderem nach der Intensität der Beschwerden, nach ihrer Lokalisation und wann sie begonnen haben. Erst nachdem er alle Informationen erhoben hat, deutet er sie, schlussfolgert auf eine mögliche Diagnose und leitet weitere diagnostische Schritte ein.
Lineare Schlussfolgerung
- Durchführung
- Die Informationen werden adaptiv, schrittweise erhoben
- Der Arzt stellt seine Fragen orientiert an der Verdachtsdiagnose, die sich aus den Antworten des Patienten ergibt
- Vorteil: Zielgerichtet, weniger zeitaufwendig
- Nachteil: Gefahr des Vernachlässigens oder Übersehens wichtiger Informationen
- Beispiel: Ein Patient stellt sich mit Bauchschmerzen vor. Der Arzt befragt ihn nach der Lokalisation der Beschwerden. Es zeigt sich eine Lokalisation, die typisch für eine Entzündung des Pankreas ist. Der Arzt richtet sein weiteres Vorgehen nun an dieser Verdachtsdiagnose aus und befragt den Patienten etwa nach seinem Alkoholkonsum, da dies eine häufige Ursache für eine Pankreatitis ist, und erhebt ausschlaggebende Laborwerte einer Pankreatitis.
Qualitätskontrolle diagnostischer Entscheidungen
Da diagnostische Entscheidungen mitunter eine sehr große Tragweite haben, sollte die Qualität dieser Entscheidungen regelmäßig überprüft werden. Dadurch kann der Therapieverlauf gegebenenfalls verbessert werden und herausgefunden werden, ob tatsächlich eine Indikation für diese Therapie besteht. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten der Qualitätskontrolle, von denen im Folgenden eine Auswahl vorgestellt wird.
Verlaufsbeobachtung und Erfolgsmessung
- Durchführung: Dokumentation und Auswertung der wichtigsten Krankheitsparameter im Behandlungsverlauf bzw. nach Abschluss der Behandlung
- Bedingung: Kriterien für den Erfolg müssen im Vorfeld definiert werden
- Ziel: Therapieerfolg ermitteln
Katamnese (Follow-Up)
- Durchführung:
- Nachuntersuchung Wochen, Monate oder Jahre nach Abschluss der Behandlung
- Wenn möglich, sollten die Ergebnisse mit früheren Untersuchungen und/oder Ergebnissen anderer Therapieformen verglichen werden
- Ziel: Erfassen, ob eine Behandlung auch langfristig wirksam war
Ärztliche Entscheidungen haben mitunter eine sehr große Tragweite! Daher sollte jeder Arzt die Qualität seiner Entscheidungen regelmäßig prüfen und wenn nötig verbessern!
Entscheidungskonflikte und Entscheidungsfehler
Ursachen von Entscheidungskonflikten und Entscheidungsfehlern
Wenn Entscheidungen getroffen werden, besteht immer auch die Gefahr von Entscheidungskonflikten und Entscheidungsfehlern. Die Art der Entscheidungsfindung kann Entscheidungskonflikte und -fehler begünstigen, aber auch verringern.
Art der Entscheidungsfindung
Die Art, wie eine Entscheidung getroffen wird, kann Ursache für Entscheidungskonflikte sein. So kann etwa der direktive Führungsstil dazu führen, dass sich Mitarbeiter bei Entscheidungen übergangen fühlen. Die Art der Entscheidungsfindung hat jedoch auch Einfluss darauf, wie mit Entscheidungskonflikten im weiteren Verlauf umgegangen wird und wie sie gelöst werden. Der partizipative Führungsstil kann hier dazu beitragen, dass eine Meinungsverschiedenheit auch eine Bereicherung darstellt, die neue bzw. verschiedene Sichtweisen ermöglicht.
Führungsstil
- Direktiver Führungsstil
- Bedeutung: Entscheidungen werden allein auf oberster hierarchischer Ebene getroffen
- Vorteil: Zeitsparend
- Nachteile
- Gefahr eines schlechten Arbeitsklimas, da sich Mitarbeiter mitunter übergangen fühlen
- Erfahrungen und Wissen der Mitarbeiter bleiben ungenutzt
- Partizipativer Führungsstil
- Bedeutung: Alle hierarchischen Ebenen sind an Entscheidungen beteiligt
- Vorteile
- Gutes Arbeitsklima, da sich Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen
- Erfahrungen und Wissen der Mitarbeiter werden genutzt
- Nachteile
- Zeitaufwendiger
- Erfordert soziale und kommunikative Kompetenzen
Kollegiale Entscheidungsfindung
Unter einem partizipativen Führungsstil besteht die Möglichkeit der kollegialen Entscheidungsfindung, sofern kein Fachmann für eine spezielle Fragestellung zur Verfügung steht. Im Sinne der kollegialen Entscheidungsfindung sind alle Beteiligten angehalten, ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu äußern, um gemeinsam zu einer Lösung zu kommen.
Formen der Autorität
- Funktionale Autorität
- Es wird besonders den Ansichten eines Fachmanns bzw. der Person mit dem größten Wissen bzgl. der aktuellen Fragestellung vertraut
- Positionale Autorität
- Es wird vor allem den Ansichten des hierarchisch Höchstgestellten vertraut
Verpflichtung gegenüber dem individuellen und dem allgemeinen Wohl
- Einerseits Verpflichtung gegenüber dem einzelnen Patienten, ihn bestmöglich zu behandeln
- Andererseits Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit, vorhandene Ressourcen in ihrem Sinne einzusetzen
Verpflichtung gegenüber dem individuellen und allgemeinen Wohl
Ein Entscheidungskonflikt entsteht an dieser Stelle häufig aus finanziellen Gründen. So wird etwa in Deutschland diskutiert, einige operative Eingriffe nur noch bis zu einer gewissen Altersgrenze durchzuführen, um im Sinne der Allgemeinheit Kosten zu sparen.
Nutzen-Risiko-Abwägung und Abwägen zwischen gleichwertigen Behandlungsalternativen
- Abwägen zwischen Nutzen und Risiko vor jeder Entscheidung erforderlich
- Teilweise Abwägen zwischen scheinbar gleichwertigen Behandlungsalternativen erforderlich
- Das Abwägen zwischen Nutzen und Risiko sowie zwischen gleichwertigen Behandlungsalternativen kann durch das Hinzuziehen von Informationen aus Metaanalysen erleichtert werden
- Metaanalysen: Zusammentragen und statistisches Analysieren von Ergebnissen aus mehreren Studien, um Aussagen über die Effizienz einer Therapie treffen zu können
Entscheidungen auf unsicherer Informationsgrundlage
- Häufig müssen in der Medizin Entscheidungen getroffen werden, obwohl nicht alle notwendigen Informationen bzw. nur unklare Befunde vorliegen.
- Gründe
- Handlungsdruck
- Handlungen im Sinne der Diagnostik erforderlich
Arten von Entscheidungsfehlern
Beurteilungs- und Beobachtungsfehler
Der Eindruck des Arztes kann durch verschiedene Einflüsse beeinflusst und ggf. verfälscht werden, bspw. durch das Aussehen oder das Auftreten des Patienten oder durch den Vergleich mit anderen Patienten. Dies kann zu sogenannten Beobachtungs- und Beurteilungsfehlern führen.
Urteilsheuristiken
Als Heuristiken bezeichnet man zunächst einmal Faustregeln. Im Folgenden werden zwei Urteilsheuristiken aufgeführt, die zu Entscheidungsfehlern führen können.
- Verfügbarkeitsheuristiken
- Noch im Gedächtnis befindliche/verfügbare Informationen werden genutzt
- Bsp.: Vergeben einer Diagnose, da die Symptome des aktuellen Patienten mit denen der letzten Patienten mit dieser Diagnose übereinstimmen
- Häufige Diagnosen werden dadurch gut erkannt
- Seltene Diagnosen können jedoch übersehen werden
- Anker- oder Anpassungsheuristiken
- Einseitige Suche nach Informationen ausgehend von einem bereits bestehenden Verdacht
- Informationen, die nicht zu dem bestehenden Verdacht passen, werden mitunter übersehen
Kontexteffekte
- Entscheidungen werden zumeist auf der Grundlage von Informationen getroffen. Je nachdem welche Informationen wie präsentiert werden, kann dies Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben.
- Beispiel: Wird eine Screening-Untersuchung vorgestellt und dabei Bezug auf eine sehr selten auftretende Nebenwirkung genommen, statt auf den großen Nutzen der Untersuchung, entscheiden sich die Patienten eher gegen die Untersuchung
Wiederholungsfragen zum Kapitel Ärztliche Urteilsbildung und Entscheidung
Grundlagen der diagnostischen Entscheidung
Was ist eine sog. Lügenskala und wann benutzt man sie?
Wozu dienen Klassifikationssysteme wie ICD-10 oder DSM-5 und wie sind die beiden Systeme aufgebaut?
Welches sind die ICD-10 Kriterien des Abhängigkeitssyndroms und wie viele Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose stellen zu können?
Was versteht man unter „Komorbidität“?
Urteilsqualität und Qualitätskontrolle
Entscheidungskonflikte und Entscheidungsfehler
Was zeichnet einen Arzt aus, der sich Ankerheuristiken bedient?