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Betreuung und Zwangsmaßnahmen

Letzte Aktualisierung: 19.3.2025

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Nicht nur im psychiatrischen Bereich tätige Ärzte, sondern jeder praktisch tätige Mediziner sollte sich mit den rechtlichen Grundlagen in der Psychiatrie auseinandersetzen. Hierzu gehört insb. das Gebiet der Unterbringung von Patienten. Die Einleitung von Unterbringungen erfolgt häufig außerhalb der Psychiatrie, die Anzahl der Unterbringungen nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an und aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung ist, insb. im gerontopsychiatrischen Bereich, von einer weiteren Zunahme der Unterbringungen in Zukunft auszugehen. Es ist u.a. aus strafrechtlichen und moralisch-ethischen Aspekten erforderlich, als praktisch tätiger Arzt über entsprechende Grundkenntnisse zur Unterbringung psychisch erkrankter Menschen zu verfügen. So wird in Artikel 2 des Grundgesetzes die Freiheit eines jeden Menschen geschützt. Eine Unterbringung stellt jedoch eine Freiheitsbeschränkung dar und ist ein einschneidendes, im schlimmsten Fall sogar traumatisierendes Erlebnis für den Betroffenen selbst, was bei der Prüfung der Unterbringungskriterien im Sinne der Sorgfaltspflicht unbedingt berücksichtigt werden muss.

Eine freiheitsentziehende Maßnahme aufgrund einer psychiatrischen Indikation ist in Deutschland nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen, nach dem Betreuungsgesetz oder nach dem Strafgesetz möglich. Eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen ist möglich, wenn aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt, wohingegen eine Unterbringung nach dem Betreuungsrecht ausschließlich bei einer Eigengefährdung angewendet werden darf. Des Weiteren muss die freiheitsentziehende Maßnahme verhältnismäßig sein, d.h. die Unterbringung muss erforderlich sein, dazu dienen, den Missstand zu beheben und angemessen und zumutbar sein. Die Unterbringung psychisch erkrankter Straftäter in entsprechenden psychiatrischen Einrichtungen (Maßregelvollzug und Sicherungsverwahrung) wird durch die §§ 63, 64 und 66 StGB (Strafgesetzbuch) und den § 126a StPO (Strafprozessordnung) geregelt.

Werden einzelne Entscheidungskompetenzen eines Patienten über längere Zeit auf eine andere Person übertragen, spricht man von gesetzlicher Betreuung. Das hierbei geltende Betreuungsrecht regelt v.a. die Übergabe von Selbstbestimmungsrechten, wenn ein Bürger voraussichtlich über längere Zeit definierte Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann.

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Gesetzliche Betreuungtoggle arrow icon

Grundlagen

  • Zugrunde liegendes Gesetz: § 1814 BGB [1]
  • Zuständiges Gericht: Betreuungsgericht
  • Anregung möglich durch: Die Betroffenen selbst oder Dritte (bspw. Angehörige, Bekannte)
  • Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung [1]
    • Volljährigkeit des zu Betreuenden
    • Maßnahme erfolgt nicht gegen den freien Willen des zu Betreuenden
    • Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, durch die einzelne oder alle persönlichen Angelegenheiten nicht selbst besorgt werden können
    • Angelegenheiten können nicht durch andere Hilfen erledigt werden (Erforderlichkeitsgrundsatz)

Aufgabenfelder der gesetzlichen Betreuung

Durch eine gesetzliche Betreuung soll der Betreute in der Besorgung seiner Angelegenheiten unterstützt werden. Der Aufgabenkreis des gesetzlichen Betreuers wird an die individuellen Fähigkeiten und Defizite des zu Betreuenden angepasst, wobei die jeweiligen Aufgabenfelder im Gesetz nicht klar definiert sind. [2]

  • Klassische Aufgabenfelder eines gesetzlichen Betreuers [3]
    • Gesundheitsfürsorge
      • Einrichtung einer Krankenversicherung
      • Zustimmung zu Behandlungsverträgen
      • Sorge für Pflege und Rehabilitationsmaßnahmen
      • Einwilligung in ärztliche Maßnahmen [4]
    • Aufenthaltsbestimmung
    • Vermögenssorge
      • Kontoeröffnung
      • Kreditaufnahme
      • Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
      • Durchsetzen von Zahlungsansprüchen, die dem Betreuten zustehen
      • Prüfen von Zahlungsansprüchen, die sich gegen den Betreuten richten
      • Schutz der Vermögenswerte gegen den Zugriff Dritter
      • Verwaltung des persönlichen Barbetrags
    • Vertretung gegenüber Behörden
  • Pflichten des gesetzlichen Betreuers gegenüber seinem Betreuten [2]
    • Der Betreuer vertritt den Betreuten nur dann, wenn es notwendig ist
    • Der Betreute darf im Rahmen seiner krankheitsbedingten Möglichkeiten sein Leben selbst gestalten
    • Der Betreuer muss den Wunsch (bzw. den mutmaßlichen Willen ) des Betreuten ermitteln und entsprechend handeln, außer
      • Dem Betreuer ist der Wunsch nicht zumutbar
      • Der Wunsch des Betreuten ist schadhaft [5]
    • Der Betreuer muss regelmäßig in persönlichem Kontakt mit dem Betreuten stehen und Entscheidungen mit ihm absprechen
    • Der Betreuer soll den Wohnraum des Betreuten schützen (wenn es dem Wunsch des Betreuten entspricht) [6]
    • Der Betreuer muss den Betreuten (innerhalb des betroffenen Aufgabenbereichs) dabei fördern, dass er seine Angelegenheiten wieder selbst besorgen kann
    • Für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation des Betreuten ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen, auch wenn bereits eine gesetzliche Betreuung besteht [7]

Eine gesetzliche Betreuung soll den Betreuten unterstützen und stellt keine Entmündigung dar!

Einwilligungsvorbehalt [8]

  • Definition [8]
    • Möglicher Vorbehalt, der durch das Gericht ausgesprochen werden kann
    • Konsequenz: Entscheidungen, die unter den Einwilligungsvorbehalt fallen, bedürfen der Zustimmung durch den gesetzlichen Betreuer
  • Voraussetzungen für die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1825 BGB
    • Bestehen einer gesetzlichen Betreuung
    • Notwendige Abwendung einer erheblichen Gefahr für
      • Den Betreuten selbst und/oder
      • Das Vermögen des Betreuten
    • Maßnahme erfolgt nicht gegen den freien Willen des Betreuten

Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung

Reguläres Verfahren

  • Anregung einer gesetzlichen Betreuung bei der Betreuungsbehörde des Amtsgerichts, wobei diese Anregung durch jede beliebige Person erfolgen kann
  • Einleitung eines Betreuungsverfahrens durch das zuständige Gericht (Betreuungsgericht )
  • Einholen eines Sachverständigengutachtens, das auf folgende Punkte eingehen muss [9] [10][11]
    • Krankheitsbild und -entwicklung
    • Aktueller körperlicher und psychischer Zustand des zu Begutachtenden
    • Erfolgte Untersuchungen und zugrunde liegende aktuelle Forschungserkenntnisse
    • Umfang des erforderlichen Unterstützungsbedarfs (Aufgabenfelder der gesetzlichen Betreuung)
    • Zu erwartende Dauer der gesetzlichen Betreuung
  • Bestellung eines Verfahrenspflegers für den zu Betreuenden
  • Persönliche Anhörung des zu Betreuenden durch das Gericht
  • Beschlussmitteilung durch das Gericht
  • Bestellung eines gesetzlichen Betreuers durch das Gericht, wobei die Wünsche des zu Betreuenden berücksichtigt werden müssen (Betreuungsverfügung) [12]

Eilbetreuung

  • Definition: Vorläufige gesetzliche Betreuung, die vom Betreuungsgericht durch eine einstweilige Anordnung eingerichtet wird [13]
  • Voraussetzungen [14]
  • Sonderfall „Gefahr im Verzug“: Bestellung eines Betreuers durch das Gericht noch vor einer Anhörung des zu Betreuenden und vor der Bestellung eines Verfahrenspflegers möglich [15]

Dauer und Beendigung der gesetzlichen Betreuung [16][17]

Sterilisation eines Betreuten

Für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation des Betreuten ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen, auch wenn bereits eine gesetzliche Betreuung besteht. [7]

  • Voraussetzungen für eine Sterilisation nach § 1830 BGB [18]
    • Der Eingriff entspricht dem natürlichen Willen des Betreuten
    • Dauerhafte Einwilligungsunfähigkeit des Betreuten
    • Hohe Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft ohne den Eingriff, die mit anderen Maßnahmen nicht zu verhindern ist
    • Im Falle einer Schwangerschaft: Voraussichtlich
      • Gefahr für das Leben der Schwangeren oder
      • Schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen/seelischen Gesundheit der Schwangeren
    • Durchführung erst 2 Wochen nach Genehmigung durch das Betreuungsgericht
    • Wahl einer Methode, die eine Refertilisierung ermöglicht
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Ehegattenvertretungsrechttoggle arrow icon

  • Definition: Gegenseitiges Vertretungsrecht von Ehepartnern im Bereich der Gesundheitssorge, insb. bei
    • Entscheidung über
    • Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen
  • Voraussetzungen für das Ehegattenvertretungsrecht nach § 1358 BGB
    • Der vertretene Ehegatte
      • Kann wegen Bewusstlosigkeit/Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht besorgen
      • Hat keine Vorsorgevollmacht für den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“
      • Hat keine gesetzliche Betreuung für den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“
      • Lehnt die Vertretung durch den anderen Ehegatten nicht ab
    • Ehegatten leben nicht getrennt
  • Dauer: Max. 6 Monate
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Zwangsmaßnahmentoggle arrow icon

Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie beinhalten alle Maßnahmen, die gegen den „natürlichen Willen“ des Patienten durchgeführt werden [20]

Mögliche Zwangsmaßnahmen

Indikation und Wahl der Zwangsmaßnahme [22]

  • Indikation: Es sollte nur zu einer Zwangsmaßnahme gegriffen werden, wenn
    • Vorher alle Deeskalationsversuche gescheitert sind
    • Weniger restriktive Maßnahmen nicht zu einer Abwendung der Gefährdung führen
    • Weniger restriktive Maßnahmen mit einer Gefährdung des Personals / des Patienten verbunden sind
  • Wahl der Zwangsmaßnahme: Es sollte immer die Zwangsmaßnahme gewählt werden, die
    • Geeignet ist, den Notstand zu beheben
    • Mit dem geringsten Risiko für den Patienten verbunden ist
    • Am wenigsten die Grundrechte des Patienten beschneidet

Zwangsmaßnahmen sollten immer als Mittel der letzten Wahl eingesetzt werden und nur, wenn zuvor alle anderen Deeskalationsversuche gescheitert sind!

Grundprinzipien bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen [21]

  • Anordnung: Durch ärztliches Personal
  • Durchführung: Nur durch fachlich speziell geschultes Personal
  • Dauer: Nur so lange, bis die Voraussetzungen für die Zwangsmaßnahme nicht mehr vorliegen
  • Erforderliche Dokumentation von Zwangsmaßnahmen
    • Zeitpunkt: Unmittelbar nach der Umsetzung
    • Inhalt: Anordnung, Art, Begründung, Beendigung und Nachbesprechung der Zwangsmaßnahme
  • Information von verfahrensrelevanten Personen
  • Nachbesprechung nach Beendigung der Maßnahme: Mit dem Patienten und dem Team, zusätzlich bei Bedarf auch mit Mitpatienten

Eine Zwangsbehandlung aufgrund einer von dem Patienten ausgehenden Fremdgefährdung ist nur im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung möglich!

Rechtliche Grundlage

Für die Durchführung einer Zwangsmaßnahme muss eine rechtliche Grundlage vorliegen. Je nach rechtlicher Grundlage unterscheiden sich die Verfahrensweisen und Voraussetzungen für die jeweiligen Zwangsmaßnahmen. In der Psychiatrie erfordert die Durchführung einer Zwangsmaßnahme i.d.R. eine Unterbringung, entweder nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen (Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen) oder nach dem Betreuungsrecht (betreuungsrechtliche Unterbringung). Alle weiteren Zwangsmaßnahmen erfolgen dann nach dem für die Unterbringung angewendeten Gesetz. In der Somatik wird sich bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen i.d.R. auf den rechtfertigenden Notstand berufen.

Zur Legitimation einer Zwangsmaßnahme muss immer eine entsprechende rechtliche Voraussetzung vorliegen!

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Unterbringungtoggle arrow icon

Die Zwangsunterbringung einer Person kann auf der Grundlage unterschiedlicher Gesetze erfolgen:

Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen [27]

Voraussetzungen für eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen

Folgende Voraussetzungen müssen durch den einweisenden Arzt geprüft werden:

  • Es liegt eine, in den jeweiligen Unterbringungsgesetzen definierte, psychische Erkrankung vor
  • Aufgrund dieser Erkrankung liegt gegenwärtig eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vor [28]
  • Die Gefährdung kann nur durch die Unterbringung des Betroffenen abgewendet werden
  • Eine angebotene freiwillige stationäre Aufnahme wird verweigert und/oder die Bedeutung dieses Angebots kann krankheitsbedingt nicht erfasst werden
  • Die Unterbringung ist verhältnismäßig [27]

Die fehlende Bereitschaft für eine Behandlung alleine rechtfertigt keine Unterbringung!

Einleitung einer Unterbringung (Checkliste: Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen)

  • Praktisches Vorgehen
    • Konkrete Gefährdungsaspekte der aktuellen Situation erfassen
    • Auf die eigene Sicherheit achten, bei Fremdgefährdung ggf. frühzeitig zusätzliches Personal/Polizei hinzuziehen
    • Psychopathologischen Befund erheben
    • Ggf. Fremdanamnese einholen
    • Verdachtsdiagnose stellen
    • Freiwillige stationäre psychiatrische Behandlung anbieten
    • Sind andere, weniger einschneidende Maßnahmen möglich?
    • Ärztliches Zeugnis ausstellen
    • Unterbringende Behörde informieren
    • Zuständige psychiatrische Klinik kontaktieren
    • Transport des Patienten in Arztbegleitung, ggf. durch die Polizei auf eine meist geschützte Station der psychiatrischen Klinik
  • Gliederung des ärztlichen Zeugnisses [24]
    • Name und Geburtsdatum des Patienten
    • Wohnort des Patienten
    • Datum und Ort der Untersuchung
    • Schilderung des Sachverhaltes
    • Genaue Erhebung des psychopathologischen Befundes
    • (Verdachts‑)Diagnose
    • Konkrete Darlegung der Gefährdungsaspekte
    • Unterschrift des Erstellenden

Betreuungsrechtliche Unterbringung

  • Zugrunde liegendes Gesetz: § 1831 BGB [29]
  • Zuständiges Gericht: Betreuungsgericht
  • Gründe für eine betreuungsrechtliche Unterbringung
    • Gefahr der Selbsttötung oder erheblichen gesundheitlichen Schädigung oder
    • Notwendige Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens der betreuten Person
  • Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1831 BGB: Folgende Voraussetzungen müssen vom einweisenden Arzt geprüft werden
    • Es liegt eine psychische Erkrankung vor
    • Diese Erkrankung bedingt eine fehlende Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit der Unterbringung
    • Es besteht eine gesetzliche Betreuung (bescheinigt durch eine entsprechende Betreuungsurkunde) für das Aufgabenfeld „Aufenthaltsbestimmung“ [30]
    • Eine Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts möglich
  • Ablauf: Siehe Checkliste: Betreuungsrechtliche Unterbringung

§ 1831 BGB: „Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie erforderlich ist, weil 1. aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.“ [29]

Liegt eine krankheitsbedingte Fremdgefährdung vor, so ist eine Unterbringung nach dem Betreuungsrecht nicht möglich, sondern muss nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen erfolgen!

Ablauf des Verfahrens (Checkliste: Betreuungsrechtliche Unterbringung) [27]

  • Allgemein
    • Begrenzung der Dauer auf längstens 2 Jahre [31]
    • Beendigung der Unterbringung durch den gesetzlichen Betreuer, sobald die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen
  • Für Informationen zum regelhaften Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
  • Ablauf des Verfahrens bei akuter Gefährdung
    • Möglichkeit der Unterbringung durch den Betreuer ohne Erlaubnis des Gerichts bei unmittelbarer Gefährdung
    • Verpflichtung des Betreuers, dem Antrag ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betreuten beizufügen [32]
    • Verpflichtung des Gerichts, die Anhörung unverzüglich nachzuholen [29]

Die mögliche Chronifizierung einer psychischen Erkrankung bei ausbleibender Behandlung reicht als alleiniges Kriterium für eine betreuungsrechtliche Unterbringung nicht aus!

Unterbringung im Kindes- und Jugendalter

Neben einer Unterbringung nach § 1631b BGB ist auch eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen möglich.

  • Zugrunde liegendes Gesetz: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1631b [33]
  • Zuständiges Gericht: Familiengericht
  • Gründe für eine Unterbringung mit Freiheitsentzug
    • Zum Wohl des Kindes, insb. zur Abwendung erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung
    • Gefahr kann nicht durch andere Maßnahmen abgewendet werden

Unterbringung nach dem Strafrecht

Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit

Liegt Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB vor, so hat das Gericht von einer Strafe abzusehen. Bei einer verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB kann die Strafe gemildert werden. Besteht die Gefahr einer Deliktwiederholung, so kann das Gericht in beiden Fällen eine psychiatrische Behandlung in einem Maßregelvollzug veranlassen.

Unterbringung im Maßregelvollzug

Ziele bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug sind immer Sicherung und Besserung. Es muss zwischen folgenden Unterbringungsformen unterschieden werden:

  1. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
  2. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
  3. Einstweilige Unterbringung (§ 126a StPO)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB (forensisch-psychiatrische Unterbringung)

  • Voraussetzungen für die Anwendung des § 63 StGB [38]
    • Die Voraussetzungen für die §§ 20 oder 21 StGB sind erfüllt
    • Die psychische Störung ist nicht nur vorübergehend
    • Es besteht die begründete Gefahr für rechtswidrige Taten in der nahen Zukunft
    • Die stattgefundene Tat und die zu erwartenden Taten sind erheblich und stellen eine Gefährdung der Allgemeinheit dar

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB

  • Voraussetzungen für die Anwendung des § 64 StGB [39]
    • Im Rahmen einer Substanzkonsumstörung besteht ein Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke oder anderer Rauschmittel
    • Die rechtswidrige Tat ist überwiegend auf den o.g. Hang zurückzuführen
    • Infolge des o.g. Hanges besteht auch in Zukunft die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten
    • Es besteht eine konkrete Aussicht auf Besserung infolge der Behandlung in einer Entziehungsanstalt

Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist i.d.R. auf 2 Jahre begrenzt! [30]

Einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO

Der § 126a StPO regelt die sofortige Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Entziehungsanstalt mit dem Ziel einer möglichst frühzeitigen Behandlung.

  • Voraussetzungen für die Anwendung des § 126a StPO [40]
    • Es besteht die dringende Annahme, dass die Voraussetzungen für die §§ 63 oder 64 StGB erfüllt sind
    • Es liegt ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten vor
    • Es besteht weiterhin eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit

Eine einstweilige Anordnung nach § 126a StPO dauert bis zur Urteilsverkündung oder bis die Unterbringungskriterien nicht mehr gegeben sind!

Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB [41]

Die Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit vor besonders gefährlichen Straftätern sowie der Besserung des Täters. Sie erfolgt im Anschluss an die Freiheitsstrafe.

  • Grundprinzipien [27]
    • Anordnung der Sicherheitsverwahrung zusätzlich zu einer Verurteilung
    • Vollzug in einer Strafvollzugsanstalt
    • Individuelle psycho- und soziotherapeutische Behandlung mit dem Ziel der Besserung [42]
    • Unbefristete Anordnung der Sicherungsverwahrung
      • In den ersten 10 Jahren jährliche Überprüfung durch einen Gutachter, ob die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Sicherungsverwahrung weiter gegeben sind [43]
  • Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 StGB
    • Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mind. 2 Jahren wegen bestimmter im Gesetzestext definierter Delikte
    • In der Vergangenheit bereits Verurteilung zu zwei Freiheitsstrafen von mind. 1 Jahr aufgrund der im Gesetzestext definierten Delikte
    • In der Vergangenheit Verbüßen einer Freiheitsstrafe von mind. 2 Jahren in einer Haftanstalt oder im Maßregelvollzug aufgrund der im Gesetzestext definierten Delikte
    • Hohe Wahrscheinlichkeit, dass von dem Täter zum Zeitpunkt der Verurteilung eine erhebliche Gefährdung für die Allgemeinheit ausgeht
  • Nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung: Nach § 66b StGB kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch nachträglich anordnen. Dies wurde jedoch 2011 vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für menschenrechtswidrig erklärt. Am 01. Juni 2013 ist deshalb das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung in Kraft getreten.
    • Nachträgliche Sicherheitsverwahrung ist möglich, sollte jedoch bereits bei der Urteilsverkündung angeordnet werden (ggfs. unter Vorbehalt)
    • Die nachträgliche Sicherheitsverwahrung im Jugendstrafrecht wurde abgeschafft
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Besondere Sicherungsmaßnahmentoggle arrow icon

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen

  • Festhalten („physical restraint“)
    • Definition: Fixieren eines Patienten durch aktives Festhalten durch Personal als kurzfristige Krisenintervention [22]
    • Durchführung
      • Durch mind. 3 Mitarbeitende bei stehendem oder sitzendem Patienten unter besonderer Berücksichtigung von verletzbaren Körperpartien (u.a. Kopf, Hals, Finger) [22]
      • Hebeltechniken sind aufgrund des hohen Verletzungsrisikos zu vermeiden [22]
    • Dauer: Empfohlene Maximaldauer: 10 Minuten [22]
    • Mögliche Komplikationen
  • Isolierung in einem gesonderten Raum [22]
    • Definition: Unterbringung eines Patienten in einem geschlossenen Raum
    • Durchführung
      • Betreuung/Überwachung durch ein Sichtfenster oder eine Kamera
      • Sicherstellung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (Essen, Trinken, Pflege etc.)
      • Aufklärung über Dauer der Maßnahme und über die Voraussetzungen zur Beendigung der Maßnahme
    • Dauer: Empfohlene Maximaldauer: 1 Stunde [22]
    • Besonderheiten: Kontaktabbruch zum therapeutischen Team [22]
    • Mögliche Komplikationen
      • Traumatisierung von Patienten insb. bei längerer Isolationsdauer
      • Selbstverletzung von Patienten
  • Ausgangsbeschränkung
    • Definition: Jede Maßnahme (außer Fixierung, Festhalten und Isolation), die den Patienten in seiner Freiheit auf Station einschränkt [22]
    • Durchführung: Bspw.
      • Beschränkung des Ausgangs im Freien (Stationsgarten, Einzelausgang)
      • 1:1-Betreuung
    • Dauer: Keine zeitliche Begrenzung
    • Besonderheiten: Möglichkeit eines intensiven Beziehungsaufbaus insb. bei 1:1-Betreuung

Auch bei einer Isolierung sollte unbedingt ein angemessener zwischenmenschlicher Kontakt aufrechterhalten werden!

Freiheitsentziehende Maßnahmen

  • Mechanische Fixierung [21]
    • Definition: Festbinden eines liegenden Patienten mit Gurten i.d.R. an einem Bett
    • Durchführung [45]
      • 1-Punkt- (Bauchgurt) bis 11-Punkt-Fixierung möglich
      • Wenn möglich in einem separaten Raum, der für andere Patienten nicht einsehbar ist
      • Dauerhafte 1:1-Betreuung immer zusätzlich erforderlich
      • Sicherstellung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (Essen, Trinken, Pflege etc.)
      • Aufklärung über Dauer der Maßnahme und über die Voraussetzungen zur Beendigung der Maßnahme [22]
      • Thromboseprophylaxe bei einer längerfristigen Fixierung
    • Dauer: So kurz wie möglich, längerfristige Fixierungen sollten unbedingt vermieden werden
    • Besonderheiten: Invasivste Form der Sicherungsmaßnahme [46]
    • Mögliche Komplikationen [22]
      • Hohes Risiko für somatische Komplikationen durch Fixierung
        • Verletzungen von Patienten bei der Fixierung/bei dem Versuch, sich zu befreien
        • Aspiration (sekundäre Komplikation: Aspirationspneumonie)
        • Thrombose
        • Tod als Folge der Fixierung [47]
        • Verletzungen des Personals bei der Fixierung
      • Gefahr des Auftretens psychischer Folgeerkrankungen durch die Fixierung bei Betroffenen und Durchführenden bis hin zur Traumatisierung [48]

Eine mechanische Fixierung sollte immer erst dann erfolgen, wenn zuvor alle anderen Sicherungsmaßnahmen nicht zu einer Deeskalation geführt haben!

Rechtliche Grundlage

Besondere Sicherungsmaßnahmen nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen

Die besonderen Sicherungsmaßnahmen werden rechtlich in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt, wobei sich hier je nach Land Unterschiede ergeben.

  • Voraussetzungen
    • Vorliegen einer erheblichen Eigengefährdung und/oder
    • Vorliegen einer erheblichen Fremdgefährdung
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer mit B) [49]
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung Bei Gefahr im Verzug Erforderliche Dokumentation Weitere Besonderheiten
Baden-Württemberg [50]
  • Beschränkung des Aufenthaltes im Freien
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Isolation
  • Mechanische Fixierung
  • Festhalten
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei einer mechanischen Fixierung
  • Anordnung, Art der Überwachung, Begründung und Beendigung der Sicherungsmaßnahme
  • Bei Isolation, Fixierung oder Festhalten: Zusätzlich Angebot der Nachbesprechung
  • Bei mechanischer Fixierung: Zusätzlich Aufklärung über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
  • Alle Sicherungsmaßnahmen dürfen auch bei einer Gefährdung von Sachgütern und bei Fluchtgefahr angewendet werden
  • Bei Fixierung: 1:1-Betreuung
  • Nach mechanischer Fixierung: Zusätzlich Aufklären des Patienten über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
  • Bei Isolation: Engmaschige Überwachung
  • Nach Isolation, Fixierung oder Festhalten: Anbieten einer Nachbesprechung
Bayern [51]
  • Ständige Beobachtung, auch durch Hilfsmittel
  • Mechanische Fixierung
  • Sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Nächtliche Nachschau
  • Trennung von anderen untergebrachten Personen
  • Beschränkung des gemeinschaftlichen Aufenthalts im Freien
  • Isolation
  • Sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang
  • Ärztliche Anordnung: Erforderlich bei
    • Mechanischer Fixierung
    • Sonstiger Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung
    • Isolation
    • Sonstiger Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei
    • Mechanischer Fixierung
    • Wiederholter und/oder längerfristiger Anwendung einer
      • Isolation
      • Sonstigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung
      • Sonstigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach Durchführen der Sicherungsmaßnahme
  • Anordnung, Art, Durchführung und Dauer der Sicherungsmaßnahme
  • Erforderliche Betreuung/Überwachung
  • Bei mechanischer Fixierung: Zusätzlich Begründung der Fixierung und Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung der Fixierung
  • Zulässige Gründe
    • Eine mechanische Fixierung und sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit sind nur bei einer akuten Eigen- oder Fremdgefährdung zulässig
    • Alle anderen Sicherungsmaßnahmen sind zusätzlich auch bei Fluchtgefahr oder „Störungen des Zusammenlebens“ zulässig
  • Eine Fixierung muss vorher angekündigt werden
  • Bei Fixierung: 1:1-Betreuung durch Personal, welches ärztlich in diese Aufgabe eingewiesen sein muss
  • Nach mechanischer Fixierung: Aufklären über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
Berlin [52]
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich, sofern folgende Sicherungsmaßnahmen länger als 18 Stunden dauern oder wiederholt angewendet werden
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach Durchführen der Sicherungsmaßnahme
  • Anordnung, Begründung und Beendigung der Sicherungsmaßnahme
  • Erforderliche Betreuung/Überwachung
  • Alle Sicherungsmaßnahmen sind auch bei Fluchtgefahr zulässig
  • Die Verlängerung einer Sicherungsmaßnahme wird verboten
  • Die Beendigung einer Sicherungsmaßnahme ist dem Gericht mitzuteilen
  • Gesetzliche Vertretung, eine Vertrauensperson und/oder der Anwalt des Patienten sind über jede durchgeführte Sicherungsmaßnahme zu informieren
  • Bei mechanischer Fixierung: 1:1-Betreuung
  • Bei Isolation: Überwachung durch Fachpersonal und regelmäßige ärztliche Kontrolle
Brandenburg [53]
  • Beschränkung des Aufenthaltes im Freien
  • Isolation
  • Körperliche Durchsuchung
  • Mechanische Fixierung
  • Mechanische Fixierung in Kombination mit einer medikamentösen Sedierung (erweiterte Fixierung)
  • Medikamentöse Ruhigstellung, die in ihren Auswirkungen einer Fixierung gleichkommt (medikamentöse Fixierung)
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei jeglicher Form der mechanischen Fixierung, sofern sie länger als 30 min angewendet wird
  • Mit Ausnahme einer mechanischen Fixierung: Nachholen der ärztlichen Anordnung unmittelbar nach Durchführen der Sicherungsmaßnahme möglich
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach Durchführen der Sicherungsmaßnahme
  • Anordnung, Begründung, Verlauf und Beendigung der Sicherungsmaßnahme
  • Bei mechanischer Fixierung: Zusätzlich Aufklärung des Patienten über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
  • Zulässige Gründe
    • Jegliche Form der Fixierung ist nur bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung zulässig
    • Alle anderen Sicherungsmaßnahmen dürfen auch bei Fluchtgefahr angewendet werden
  • Bei jeder Sicherungsmaßnahme
    • Sind im Vorfeld dem Betroffenen anzukündigen
    • Gesetzliche Vertretung, Vertrauensperson und/oder Anwalt des Patienten sind über Anordnung und Beendigung der Sicherungsmaßnahme zu informieren
    • Anbieten einer Nachbesprechung
  • Bei jeglicher Form der mechanischen Fixierung: 1:1-Betreuung
  • Nach mechanischer Fixierung: Aufklären über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung

Bremen [54]

  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Im Vorfeld einzuholen bei mechanischer Fixierung, die voraussichtlich mind. 30 min andauert
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach Durchführen der Fixierung
  • Außer bei mechanischer Fixierung: Anordnung auch durch andere Mitarbeiter:innen möglich
  • Begründung, Art, Beginn und Ende der Sicherungsmaßnahme
  • Bei mechanischer Fixierung
    • Anordnung, Begründung und Dauer
    • Durchführung und erforderliche Überwachung
    • Bei Nicht-Einholen einer richterlichen Genehmigung: Begründung der Annahme, dass die Fixierung vor Erhalt der richterlichen Genehmigung beendet ist und nicht wiederholt angeordnet wird
    • Aufklärung über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
  • Bei mechanischer Fixierung
    • Ständige Betreuung durch therapeutisches/pflegerisches Personal
    • Voraussetzungen der Maßnahme sind in kurzfristigen Abständen von ärztlichem Personal der Einrichtung zu prüfen
  • Bei Isolierung: Ständige Überwachung durch pflegerisches Fachpersonal
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer H–N) [49]
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung Bei Gefahr im Verzug Erforderliche Dokumentation Weitere Besonderheiten
Hamburg [55]
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei einer mechanischen Fixierung und Isolation, die länger als 30 min andauert
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach Fixierung/Isolation
  • Anordnung einer Fixierung/Isolation auch durch eine Pflegekraft, die ärztliche Anordnung ist jedoch unmittelbar nachzuholen
  • Begründung, Art, Beginn und Ende der Sicherungsmaßnahme
  • Erforderliche Überwachung/Betreuung
  • Nachbesprechung
  • Bei einer Fixierung/Isolation >12 Stunden oder einer wiederholten Fixierung innerhalb von 12 Stunden ist zusätzlich die Zustimmung des ärztlichen Leiters oder eines Facharztes für Psychiatrie einzuholen
  • Der Klinikleiter muss fortlaufend über die Dauer und Anzahl der Fixierungen/Isolationen in Kenntnis gesetzt werden
  • Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fixierung/Isolation

Hessen [56]

  • Absonderung von Mitpatienten
  • Isolation
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Beschränkung des Aufenthalts im Freien
  • Mechanische Fixierung
  • Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel
  • Beobachtung, auch durch technische Hilfsmittel
  • Anordnung der Sicherungsmaßnahme: Wird im Gesetzestext nicht explizit geregelt
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei
    • Mechanischer Fixierung, die voraussichtlich länger als 30 min andauert
    • Wiederholter und/oder längerfristiger Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung
  • Bei mechanischer Fixierung
    • Ärztliche Anordnung einer nicht-kurzfristigen Maßnahme nötig
    • Nachträgliches Einholen der richterlichen Genehmigung notwendig
  • Durchführung der Maßnahme
  • Bei Isolation, mechanischer Fixierung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel
    • Begründung
    • Dauer und Ende
    • Betreuungsart
    • Überwachung
    • Nachbesprechung
    • Richterliche Entscheidungen und Hinweis über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit
  • Während der Durchführung der Maßnahme ist ärztliche Anwesenheit und Mitwirkung gefordert
  • Bei mechanischer Fixierung: 1:1-Betreuung
  • Bei Isolation und Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung: Engmaschige Überwachung
  • Nach mechanischer Fixierung: Aufklären über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung
Mecklenburg-Vorpommern [57]
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei einer mehr als 30 min andauernden mechanischen Fixierung
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach der mechanischen Fixierung
  • Nachholen der ärztliche Anordnung unmittelbar nach Durchführen der Sicherungsmaßnahme möglich
  • Anordnung, Durchführung und Beendigung der Sicherungsmaßnahme
  • Bei mechanischer Fixierung
    • 1:1-Betreuung
    • Expliziter Hinweis, dass die Erforderlichkeit der Fixierung in regelmäßigen Abständen ärztlich überprüft werden muss
    • Anschließend Aufklärung über die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung der Fixierung
  • Bei Isolation ist eine besondere Betreuung gefordert
  • Alle Sicherungsmaßnahmen bis auf eine mechanische Fixierung sind auch bei Fluchtgefahr möglich
Niedersachsen [58]
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Beschränkung des Aufenthalts im Freien
  • Isolation
  • Mechanische Fixierung
  • Mechanische Fixierung in Kombination mit einer medikamentösen Sedierung (erweiterte Fixierung)
  • Medikamentöse Ruhigstellung, die in ihren Auswirkungen einer Fixierung gleichkommt (medikamentöse Fixierung)
  • Ärztliche Anordnung
    • Anordnung einer mechanischen Fixierung ausschließlich durch die ärztliche Leitung
    • Anordnung aller weiteren Sicherungsmaßnahmen durch den zuständigen Arzt vor Ort
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei jeder mechanischen Fixierung ungeachtet der Dauer
  • Begründung, Durchführung und Dauer der Sicherungsmaßnahme
  • Erfolgte ärztliche Überprüfung
Nordrhein-Westfalen [59]
  • Ärztliche Anordnung
    • Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
    • Bei mechanischer Fixierung: Antragstellung bei Gericht durch die ärztliche Leitung oder deren Vertretung
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei einer mechanischen Fixierung, die länger als 30 min andauert
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach der mechanischcen Fixierung
  • Ausschließlich bei mechanischer Fixierung und Isolation muss zusätzlich folgendes dokumentiert werden
    • Begründung, Anordnung, Art und Dauer
    • Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer längerfristigen Fixierung, die nicht richterlich genehmigt wurde
  • Sicherungsmaßnahmen sind vorher anzukündigen
  • Technische Hilfsmittel zur Beobachtung und das Aufzeichnen mittels Tonbandaufnahmen werden explizit verboten
  • Bei mechanischer Fixierung und Isolation müssen Verfahrenspfleger, Verfahrensbevollmächtigter und gesetzlicher Vertreter informiert werden
  • Bei mechanischer Fixierung: 1:1-Betreuung
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer R–T) [49]
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung Bei Gefahr im Verzug Erforderliche Dokumentation Weitere Besonderheiten

Rheinland-Pfalz [60]

  • Wegnahme/Vorenthalten von Gegenständen
  • Beschränkung des Aufenthalts im Freien
  • Isolation
  • Mechanische Fixierung
  • Beobachtung, auch durch technische Hilfsmittel
  • Teilweise Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Ärztliche Anordnung: Erforderlich bei mechanischer Fixierung
  • Richterliche Genehmigung: Im Vorfeld einzuholen bei
    • Mechanischer Fixierung, die voraussichtlich länger als 30 min andauert
    • Wiederholter und/oder längerfristiger (≥24 h) Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Mündliche Anordnung möglich
  • Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen (außer mechanischer Fixierung) auch von pflegerischem oder anderem therapeutischen Personal der Einrichtung möglich
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nachzuholen bei mechanischer Fixierung
  • Anordnung und Dauer der Sicherungsmaßnahme
  • Maßgebliche Gründe der Anordnung, Fortdauer, Durchsetzung sowie Art der Überwachung
  • Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer durchgeführten Fixierung
  • Sicherungsmaßnahmen sind vorab anzukündigen
  • Bei jeder Sicherungsmaßnahme Information an
    • Vertretungsberechtigte Person
    • Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder Vertrauensperson
  • Bei Fixierung: 1:1-Betreuung

Saarland [61]

  • Isolation
  • Mechanische Fixierung
  • Sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung
  • Beobachtung, auch durch technische Hilfsmittel
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Im Vorfeld einzuholen bei
    • Mechanischer Fixierung, die voraussichtlich länger als 30 min andauert
    • Wiederholter oder längerfristiger
      • Isolation oder
      • Sonstiger mechanischer Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nachzuholen bei
    • Mechanischer Fixierung
    • Wiederholter oder längerfristiger Isolation oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Anordnung, Grund, Verlauf und Dauer der Sicherungsmaßnahme
  • Art der Überwachung
  • Nachbesprechung der Sicherungsmaßnahme
  • Auch bei Fluchtgefahr und Gefährdung von Rechtsgütern zulässig
    • Beobachtung, auch durch technische Hilfsmittel
    • Isolation
  • Bei jeder Sicherungsmaßnahme Information an
    • Verfahrenspfleger oder gesetzlichen Vertreter
    • Alternativ : Vertrauensperson oder naher Angehöriger
  • Wenn erforderlich: Unterstützungsgesuch bei Vollzugspolizei möglich bei Anwendung unmittelbaren Zwangs bei
  • Sicherungsmaßnahmen sind vorab anzukündigen
  • Angemessene bzw. regelmäßige Überwachung durch pflegerisches/therapeutisches Personal bei
    • Isolation
    • Sonstiger mechanischer Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • 1:1-Betreuung durch pflegerisches/therapeutisches Personal bei mechanischer Fixierung
  • Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme

Sachsen [62]

  • Wegnahme/Vorenthalten von Gegenständen
  • Beobachtung
    • Bei Nacht
    • Auch durch technische Hilfsmittel
  • Absonderung von Mitpatienten
  • Beschränkung des Aufenthalts im Freien
  • Isolation
  • Festhalten
  • Mechanische Fixierung
  • Sonstige teilweise Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Ärztliche Anordnung
    • Nur durch die ärztliche Leitung anzuordnen
    • Anordnung aller weiteren Sicherungsmaßnahmen durch diensthabendes ärztliches Personal möglich
  • Richterliche Genehmigung: Im Vorfeld einzuholen bei
    • Fixierung, die voraussichtlich mind. 30 min andauert
    • Wiederholter oder länger andauernder (ab 24 h)
      • Isolation
      • Sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • Anordnung durch diensthabendes ärztliches Personal möglich
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nachzuholen
  • Anordnung, Grund, Verlauf und Dauer der Sicherungsmaßnahme
  • Art der Überwachung
  • Hinweis auf Möglichkeit der richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sicherungsmaßnahme
  • Nachbesprechung der Sicherungsmaßnahme
  • Sicherungsmaßnahmen sind vorab anzukündigen
  • Angemessene und regelmäßige Überwachung durch pflegerisches/therapeutisches oder ärztliches Personal bei
    • Absonderung von Mitpatienten
    • Isolation
    • Mechanischer Fixierung
    • Sonstiger Einschränkung der Bewegungsfreiheit
  • 1:1-Betreuung bei mechanischer Fixierung
Sachsen-Anhalt [63]
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Beschränkung des Aufenthalts im Freien
  • Isolation
  • Festhalten
  • Beobachtung
  • Mechanische Fixierung
  • Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Erforderlich bei einer mechanischen Fixierung (oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel), die voraussichtlich länger als 30 min andauert
  • Einholen der richterlichen Genehmigung unmittelbar nach
  • Anordnung und Aufhebung der Sicherungsmaßnahme
  • Nachbesprechung
  • Bei mechanischer Fixierung (oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel)
    • Anordnung, Gründe und Dauer
    • Durchsetzung, Art der Betreuung und Überwachung
    • Nachbesprechung
  • Alle Sicherungsmaßnahmen bis auf Fixierung (und Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel) sind auch bei Fluchtgefahr (aus dem Krankenhaus) und bei Gefährdung von Sachgütern zulässig
  • Nachbesprechung bei allen besonderen Sicherungsmaßnahmen erforderlich
  • Bei mechanischer Fixierung (und Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel)
    • 1:1-Betreuung oder (wenn therapeutische Gründe dagegen sprechen) visuelle Beobachtung durch technische Hilfsmittel (Aufzeichnungen sind erlaubt)
    • Hinweis auf Möglichkeit der richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sicherungsmaßnahme
  • Der Träger des Krankenhauses muss jährlich einen Bericht über die durchgeführten Sicherungsmaßnahmen bei der Fachaufsicht vorlegen

Schleswig Holstein [64]

  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Bei mechanischer Fixierung erforderlich (Ausnahme: kurzfristige Fixierung)
  • Ärztliche Anordnung einer Fixierungsmaßnahme aufgrund eigener Untersuchung möglich
    • Unverzügliche Mittelung an Kreis oder kreisfreie Stadt
  • Ankündigung der Sicherungsmaßnahme
  • Gründe, Art, Beginn und Ende der Sicherungsmaßnahme
  • Art der Betreuung/Überwachung
  • Nachbesprechung
  • Aufklärung über die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung der Maßnahme
  • Ggf. gerichtliche Entscheidung
  • Bei jeder Sicherungsmaßnahme: Unverzügliche Information an gesetzliche Vertretung der untergebrachten Person
  • Bei mechanischer Fixierung: 1:1-Betreuung
Thüringen [65]
  • Beschränkung des Aufenthaltes im Freien
  • Wegnahme von Gegenständen
  • Isolation
  • Fixierung
  • Ärztliche Anordnung: Bei jeder Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Richterliche Genehmigung: Bei keiner Sicherungsmaßnahme erforderlich
  • Anordnung der Sicherungsmaßnahme durch nicht-ärztliche Mitarbeiter möglich, die ärztliche Entscheidung ist jedoch unmittelbar nachzuholen
  • Anordnung und Aufhebung der Sicherungsmaßnahme
  • Bei Fixierung: 1:1-Betreuung
  • Bei Isolation: Regelmäßige Überwachung
  • Alle Sicherungsmaßnahmen dürfen auch bei der Gefährdung von Sachgütern angewendet werden

Für Informationen zum Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht

Besondere Sicherungsmaßnahmen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung [29]

Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung sind nicht bei einer krankheitsbedingten Fremdgefährdung möglich! In einem solchen Fall müssen die öffentlich-rechtlichen Landesgesetze angewendet werden!

Antragsteller für Zwangsmaßnahmen ist bei einer Unterbringung nach dem Betreuungsrecht nicht der Arzt, sondern immer der gesetzliche Betreuer!

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Medikamentöse Zwangsbehandlung [67]

Grundlagen

Eine medikamentöse Zwangsbehandlung steht in Widerspruch zu dem im Grundgesetz garantierten Recht auf eine körperliche Unversehrtheit und Freiheit. [68]

  • Gründe für eine Zwangsbehandlung
    • Wiederherstellung der freien Selbstbestimmung
    • Abwendung einer erheblichen gesundheitlichen Gefahr für den Patienten
    • Abwendung einer erheblichen gesundheitlichen Gefahr für Dritte
  • Generelle Voraussetzungen
    • Krankheitsbedingt aufgehobene Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit einer Maßnahme
    • Nicht ausreichende weniger invasive Maßnahmen
    • Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
    • Aussicht auf Erfolg durch die Zwangsmaßnahme
    • Im Vorfeld erfolglose Überzeugungsversuche für eine freiwillige Behandlung
    • Zustimmung des zuständigen Gerichts
  • Durchführung der Zwangsbehandlung
    • Die Zwangsbehandlung ist ausschließlich durch ärztliche Mitarbeitende durchzuführen und zu überwachen
    • Vor der Zwangsbehandlung
      • Müssen die Patienten aufgeklärt werden
      • Muss den Patienten eine alternative Darreichungsform der Medikation angeboten werden
    • Es muss eine Dokumentation erfolgen über
  • Dauer der Zwangsbehandlung: Erstmalige Anordnung durch das Gericht für max. 6 Wochen [31]

Für Informationen zur medikamentösen Krisenintervention bei fremdaggressivem Verhalten siehe: Rapid Tranquilisation

Eine medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte eines Menschen dar!

Eine wirksame Patientenverfügung ist i.d.R. zu berücksichtigen („Freiheit zur Krankheit“). Ausnahmen können gelten, bspw. zum Schutz Dritter! [69]

Rechtliche Grundlagen

Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung [29][70]

Zwangsbehandlung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen

Im Rahmen der Erneuerung der Zwangsbehandlung nach BGB wurden in fast allen Bundesländern auch die Vorgaben für eine Zwangsbehandlung nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen angepasst. In Thüringen wurde die Novellierung bis jetzt noch nicht durchgeführt. [71]

  • Voraussetzungen
    • Vorliegen einer erheblichen Eigengefährdung und/oder
    • Vorliegen einer erheblichen Fremdgefährdung
  • Besonderheiten einzelner Landesgesetze
    • Baden-Württemberg: Eine mögliche Patientenverfügung muss bei akuter Fremdgefährdung nicht beachtet werden [72]
    • Bayern: Bei akuter Fremdgefährdung muss [73]
    • Mecklenburg-Vorpommern: Eine mögliche Patientenverfügung wird im Gesetzestext nicht berücksichtigt [74]
    • Thüringen [71]
      • Einzige Voraussetzung für eine Zwangsbehandlung: Akute Eigen- oder Fremdgefährdung
      • Keine Informations-/Genehmigungspflicht an/durch das Gericht
      • Eine mögliche Patientenverfügung wird im Gesetzestext nicht berücksichtigt

Für Informationen zum Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht

Sonderfall: Einstweilige Anordnung [32]

Das Gericht kann eine vorläufige Zwangsbehandlung für einen Zeitraum von 2 Wochen per einstweiliger Anordnung unter folgenden Voraussetzungen bestimmen [75]

  • Eine sofortige Behandlung ist dringend erforderlich
  • Die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt
  • Ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen und die Gründe der Notwendigkeit für die Zwangsbehandlung liegt vor
  • Der Betroffene und der Verfahrenspfleger sind durch das Gericht angehört worden [76]
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