Zusammenfassung
Nicht nur im psychiatrischen Bereich tätige Ärzte, sondern jeder praktisch tätige Mediziner sollte sich mit den rechtlichen Grundlagen in der Psychiatrie auseinandersetzen. Hierzu gehört insb. das Gebiet der Unterbringung von Patienten. Die Einleitung von Unterbringungen erfolgt häufig außerhalb der Psychiatrie, die Anzahl der Unterbringungen nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an und aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung ist, insb. im gerontopsychiatrischen Bereich, von einer weiteren Zunahme der Unterbringungen in Zukunft auszugehen. Es ist u.a. aus strafrechtlichen und moralisch-ethischen Aspekten erforderlich, als praktisch tätiger Arzt über entsprechende Grundkenntnisse zur Unterbringung psychisch erkrankter Menschen zu verfügen. So wird in Artikel 2 des Grundgesetzes die Freiheit eines jeden Menschen geschützt. Eine Unterbringung stellt jedoch eine Freiheitsbeschränkung dar und ist ein einschneidendes, im schlimmsten Fall sogar traumatisierendes Erlebnis für den Betroffenen selbst, was bei der Prüfung der Unterbringungskriterien im Sinne der Sorgfaltspflicht unbedingt berücksichtigt werden muss.
Eine freiheitsentziehende Maßnahme aufgrund einer psychiatrischen Indikation ist in Deutschland nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen, nach dem Betreuungsgesetz oder nach dem Strafgesetz möglich. Eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen ist möglich, wenn aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt, wohingegen eine Unterbringung nach dem Betreuungsrecht ausschließlich bei einer Eigengefährdung angewendet werden darf. Des Weiteren muss die freiheitsentziehende Maßnahme verhältnismäßig sein, d.h. die Unterbringung muss erforderlich sein, dazu dienen, den Missstand zu beheben und angemessen und zumutbar sein. Die Unterbringung psychisch erkrankter Straftäter in entsprechenden psychiatrischen Einrichtungen (Maßregelvollzug und Sicherungsverwahrung) wird durch die §§ 63, 64 und 66 StGB (Strafgesetzbuch) und den § 126a StPO (Strafprozessordnung) geregelt.
Werden einzelne Entscheidungskompetenzen eines Patienten über längere Zeit auf eine andere Person übertragen, spricht man von gesetzlicher Betreuung. Das hierbei geltende Betreuungsrecht regelt v.a. die Übergabe von Selbstbestimmungsrechten, wenn ein Bürger voraussichtlich über längere Zeit definierte Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann.
Gesetzliche Betreuung
Grundlagen
- Zugrunde liegendes Gesetz: § 1814 BGB [1]
- Zuständiges Gericht: Betreuungsgericht
- Anregung möglich durch: Die Betroffenen selbst oder Dritte (bspw. Angehörige, Bekannte)
- Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung [1]
- Volljährigkeit des zu Betreuenden
- Maßnahme erfolgt nicht gegen den freien Willen des zu Betreuenden
- Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, durch die einzelne oder alle persönlichen Angelegenheiten nicht selbst besorgt werden können
- Angelegenheiten können nicht durch andere Hilfen erledigt werden (Erforderlichkeitsgrundsatz)
Aufgabenfelder der gesetzlichen Betreuung
Durch eine gesetzliche Betreuung soll der Betreute in der Besorgung seiner Angelegenheiten unterstützt werden. Der Aufgabenkreis des gesetzlichen Betreuers wird an die individuellen Fähigkeiten und Defizite des zu Betreuenden angepasst, wobei die jeweiligen Aufgabenfelder im Gesetz nicht klar definiert sind. [2]
- Klassische Aufgabenfelder eines gesetzlichen Betreuers [3]
-
Gesundheitsfürsorge
- Einrichtung einer Krankenversicherung
- Zustimmung zu Behandlungsverträgen
- Sorge für Pflege und Rehabilitationsmaßnahmen
- Einwilligung in ärztliche Maßnahmen [4]
- Aufenthaltsbestimmung
- Anmietung und Kündigung von Wohnraum
- An-, Ab- und Ummeldungen
- Beantragung von Ausweisdokumenten
- Heimplatzsuche
- Freiheitsentziehende Unterbringung (siehe auch: Betreuungsrechtliche Unterbringung)
-
Vermögenssorge
- Kontoeröffnung
- Kreditaufnahme
- Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
- Durchsetzen von Zahlungsansprüchen, die dem Betreuten zustehen
- Prüfen von Zahlungsansprüchen, die sich gegen den Betreuten richten
- Schutz der Vermögenswerte gegen den Zugriff Dritter
- Verwaltung des persönlichen Barbetrags
- Vertretung gegenüber Behörden
-
Gesundheitsfürsorge
- Pflichten des gesetzlichen Betreuers gegenüber seinem Betreuten [2]
- Der Betreuer vertritt den Betreuten nur dann, wenn es notwendig ist
- Der Betreute darf im Rahmen seiner krankheitsbedingten Möglichkeiten sein Leben selbst gestalten
- Der Betreuer muss den Wunsch (bzw. den mutmaßlichen Willen ) des Betreuten ermitteln und entsprechend handeln, außer
- Dem Betreuer ist der Wunsch nicht zumutbar
- Der Wunsch des Betreuten ist schadhaft [5]
- Der Betreuer muss regelmäßig in persönlichem Kontakt mit dem Betreuten stehen und Entscheidungen mit ihm absprechen
- Der Betreuer soll den Wohnraum des Betreuten schützen (wenn es dem Wunsch des Betreuten entspricht) [6]
- Der Betreuer muss den Betreuten (innerhalb des betroffenen Aufgabenbereichs) dabei fördern, dass er seine Angelegenheiten wieder selbst besorgen kann
- Für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation des Betreuten ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen, auch wenn bereits eine gesetzliche Betreuung besteht [7]
Eine gesetzliche Betreuung soll den Betreuten unterstützen und stellt keine Entmündigung dar!
Einwilligungsvorbehalt [8]
- Definition [8]
- Möglicher Vorbehalt, der durch das Gericht ausgesprochen werden kann
- Konsequenz: Entscheidungen, die unter den Einwilligungsvorbehalt fallen, bedürfen der Zustimmung durch den gesetzlichen Betreuer
- Voraussetzungen für die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1825 BGB
- Bestehen einer gesetzlichen Betreuung
- Notwendige Abwendung einer erheblichen Gefahr für
- Den Betreuten selbst und/oder
- Das Vermögen des Betreuten
- Maßnahme erfolgt nicht gegen den freien Willen des Betreuten
Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung
Reguläres Verfahren
- Anregung einer gesetzlichen Betreuung bei der Betreuungsbehörde des Amtsgerichts, wobei diese Anregung durch jede beliebige Person erfolgen kann
- Einleitung eines Betreuungsverfahrens durch das zuständige Gericht (Betreuungsgericht )
- Ziel: Prüfen, ob die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung gegeben sind
- Einholen eines Sachverständigengutachtens, das auf folgende Punkte eingehen muss [9] [10][11]
- Krankheitsbild und -entwicklung
- Aktueller körperlicher und psychischer Zustand des zu Begutachtenden
- Erfolgte Untersuchungen und zugrunde liegende aktuelle Forschungserkenntnisse
- Umfang des erforderlichen Unterstützungsbedarfs (Aufgabenfelder der gesetzlichen Betreuung)
- Zu erwartende Dauer der gesetzlichen Betreuung
- Bestellung eines Verfahrenspflegers für den zu Betreuenden
- Persönliche Anhörung des zu Betreuenden durch das Gericht
- Beschlussmitteilung durch das Gericht
- Bestellung eines gesetzlichen Betreuers durch das Gericht, wobei die Wünsche des zu Betreuenden berücksichtigt werden müssen (Betreuungsverfügung) [12]
Eilbetreuung
- Definition: Vorläufige gesetzliche Betreuung, die vom Betreuungsgericht durch eine einstweilige Anordnung eingerichtet wird [13]
- Voraussetzungen [14]
- Dringende Gründe für die Annahme der Notwendigkeit
- Zur Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung oder
- Zur Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts und vorliegender dringlicher Handlungsbedarf
- Vorliegen eines ärztlichen Zeugnisses über den aktuellen Zustand des zu Betreuenden
- Bestellen eines Verfahrenspflegers durch das Gericht
- Persönliche Anhörung des zu Betreuenden durch das Gericht
- Dringende Gründe für die Annahme der Notwendigkeit
- Sonderfall „Gefahr im Verzug“: Bestellung eines Betreuers durch das Gericht noch vor einer Anhörung des zu Betreuenden und vor der Bestellung eines Verfahrenspflegers möglich [15]
Dauer und Beendigung der gesetzlichen Betreuung [16][17]
- Dauer
- Anordnung für max. 7 Jahre
- Verlängerung möglich, wobei dieselben Voraussetzungen und Rahmenbedingungen wie bei der erstmaligen Einrichtung gelten
- Beendigung: Erfolgt durch das Gericht, sobald die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung nicht mehr vorliegen
Sterilisation eines Betreuten
Für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation des Betreuten ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen, auch wenn bereits eine gesetzliche Betreuung besteht. [7]
- Voraussetzungen für eine Sterilisation nach § 1830 BGB [18]
- Der Eingriff entspricht dem natürlichen Willen des Betreuten
- Dauerhafte Einwilligungsunfähigkeit des Betreuten
- Hohe Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft ohne den Eingriff, die mit anderen Maßnahmen nicht zu verhindern ist
- Im Falle einer Schwangerschaft: Voraussichtlich
- Gefahr für das Leben der Schwangeren oder
- Schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen/seelischen Gesundheit der Schwangeren
- Durchführung erst 2 Wochen nach Genehmigung durch das Betreuungsgericht
- Wahl einer Methode, die eine Refertilisierung ermöglicht
Ehegattenvertretungsrecht
- Definition: Gegenseitiges Vertretungsrecht von Ehepartnern im Bereich der Gesundheitssorge, insb. bei
- Entscheidung über
- Untersuchungen und Eingriffe
- Freiheitsentziehende Maßnahmen mit einer Dauer von max. 6 Wochen (nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts)
- Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen
- Entscheidung über
- Voraussetzungen für das Ehegattenvertretungsrecht nach § 1358 BGB
- Der vertretene Ehegatte
- Kann wegen Bewusstlosigkeit/Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht besorgen
- Hat keine Vorsorgevollmacht für den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“
- Hat keine gesetzliche Betreuung für den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“
- Lehnt die Vertretung durch den anderen Ehegatten nicht ab
- Ehegatten leben nicht getrennt
- Der vertretene Ehegatte
- Dauer: Max. 6 Monate
Zwangsmaßnahmen
Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie beinhalten alle Maßnahmen, die gegen den „natürlichen Willen“ des Patienten durchgeführt werden [20]
Mögliche Zwangsmaßnahmen
- Unterbringung des Patienten gegen dessen Willen auf einer geschützten Station
- Besondere Sicherungsmaßnahmen, u.a. [21]
- Freiheitsbeschränkende Maßnahmen
- Festhalten
- Isolierung in einem gesonderten Raum
- Ausgangsbeschränkung
- Freiheitsentziehende Maßnahmen: Mechanische Fixierung
- Freiheitsbeschränkende Maßnahmen
- Zwangsbehandlung
Indikation und Wahl der Zwangsmaßnahme [22]
- Indikation: Es sollte nur zu einer Zwangsmaßnahme gegriffen werden, wenn
- Vorher alle Deeskalationsversuche gescheitert sind
- Weniger restriktive Maßnahmen nicht zu einer Abwendung der Gefährdung führen
- Weniger restriktive Maßnahmen mit einer Gefährdung des Personals / des Patienten verbunden sind
- Wahl der Zwangsmaßnahme: Es sollte immer die Zwangsmaßnahme gewählt werden, die
- Geeignet ist, den Notstand zu beheben
- Mit dem geringsten Risiko für den Patienten verbunden ist
- Am wenigsten die Grundrechte des Patienten beschneidet
Zwangsmaßnahmen sollten immer als Mittel der letzten Wahl eingesetzt werden und nur, wenn zuvor alle anderen Deeskalationsversuche gescheitert sind!
Grundprinzipien bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen [21]
- Anordnung: Durch ärztliches Personal
- Durchführung: Nur durch fachlich speziell geschultes Personal
- Dauer: Nur so lange, bis die Voraussetzungen für die Zwangsmaßnahme nicht mehr vorliegen
- Erforderliche Dokumentation von Zwangsmaßnahmen
- Zeitpunkt: Unmittelbar nach der Umsetzung
- Inhalt: Anordnung, Art, Begründung, Beendigung und Nachbesprechung der Zwangsmaßnahme
- Information von verfahrensrelevanten Personen
- Zwangsmaßnahme nach BGB: Information an gesetzliche Betreuer und Verfahrenspfleger
- Zwangsmaßnahme nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen: Unterscheidet sich je nach Bundesland, i.d.R. Gericht und Verfahrenspfleger
- Nachbesprechung nach Beendigung der Maßnahme: Mit dem Patienten und dem Team, zusätzlich bei Bedarf auch mit Mitpatienten
Eine Zwangsbehandlung aufgrund einer von dem Patienten ausgehenden Fremdgefährdung ist nur im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung möglich!
Rechtliche Grundlage
Für die Durchführung einer Zwangsmaßnahme muss eine rechtliche Grundlage vorliegen. Je nach rechtlicher Grundlage unterscheiden sich die Verfahrensweisen und Voraussetzungen für die jeweiligen Zwangsmaßnahmen. In der Psychiatrie erfordert die Durchführung einer Zwangsmaßnahme i.d.R. eine Unterbringung, entweder nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen (Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen) oder nach dem Betreuungsrecht (betreuungsrechtliche Unterbringung). Alle weiteren Zwangsmaßnahmen erfolgen dann nach dem für die Unterbringung angewendeten Gesetz. In der Somatik wird sich bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen i.d.R. auf den rechtfertigenden Notstand berufen.
- Mögliche rechtliche Grundlage
- Öffentlich-rechtliche Landesgesetze
- Betreuungsrecht
- Rechtfertigender Notstand
- Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
- Beantragung der Zwangsmaßnahme beim zuständigen Gericht
- Benennung eines Verfahrenspflegers durch das Gericht [23]
- Einholen eines ärztlichen Gutachtens durch das Gericht [24]
- Anhörung des Betroffenen durch das Gericht [25]
- Beschlussmitteilung des Gerichts über Art und Dauer der Zwangsmaßnahmen [26]
- Genauere Informationen zur rechtlichen Grundlage der einzelnen Zwangsmaßnahmen siehe:
Zur Legitimation einer Zwangsmaßnahme muss immer eine entsprechende rechtliche Voraussetzung vorliegen!
Unterbringung
Die Zwangsunterbringung einer Person kann auf der Grundlage unterschiedlicher Gesetze erfolgen:
- Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen
- Betreuungsrechtliche Unterbringung und Unterbringung im Kindes- und Jugendalter nach bürgerlichem Gesetzbuch (BGB)
- Unterbringung nach dem Strafrecht
- Therapieunterbringungsgesetz
Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen [27]
- Zugrundeliegendes Gesetz: Öffentlich-rechtliche Landesgesetzgebung
- Definiert Regeln und Abläufe der Zwangseinweisung
- Bundeslandspezifisch geregelt und je nach Land bezeichnet als
- Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Kurzform: Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG))
- Unterbringungsgesetz
- Freiheitsentziehungsgesetz
- Zuständiges Gericht: Amtsgericht
- Gründe für eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlicher Landesgesetzgebung: Akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung
- Zeitlicher Ablauf
- Vorläufige Unterbringung
- Erste Unterbringung durch den Arzt
- Erfordert im Verlauf eine richterliche Prüfung auf Rechtmäßigkeit und der Dauer einer etwaigen weiteren Unterbringung
- Unterbringung nach richterlicher Prüfung
- Maximaldauer je nach Landesgesetz unterschiedlich geregelt (bis zu ca. 6 Wochen)
- Verlängerung nach Ablauf der initial richterlich bestätigten Dauer nach entsprechendem ärztlichem Attest und erneuter richterlicher Anhörung möglich
- Für Informationen zum Verfahrensablauf siehe auch: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
- Vorläufige Unterbringung
Voraussetzungen für eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen
Folgende Voraussetzungen müssen durch den einweisenden Arzt geprüft werden:
- Es liegt eine, in den jeweiligen Unterbringungsgesetzen definierte, psychische Erkrankung vor
- Aufgrund dieser Erkrankung liegt gegenwärtig eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vor [28]
- Die Gefährdung kann nur durch die Unterbringung des Betroffenen abgewendet werden
- Eine angebotene freiwillige stationäre Aufnahme wird verweigert und/oder die Bedeutung dieses Angebots kann krankheitsbedingt nicht erfasst werden
- Die Unterbringung ist verhältnismäßig [27]
Die fehlende Bereitschaft für eine Behandlung alleine rechtfertigt keine Unterbringung!
Einleitung einer Unterbringung (Checkliste: Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen)
- Praktisches Vorgehen
- Konkrete Gefährdungsaspekte der aktuellen Situation erfassen
- Auf die eigene Sicherheit achten, bei Fremdgefährdung ggf. frühzeitig zusätzliches Personal/Polizei hinzuziehen
- Psychopathologischen Befund erheben
- Ggf. Fremdanamnese einholen
- Verdachtsdiagnose stellen
- Freiwillige stationäre psychiatrische Behandlung anbieten
- Sind andere, weniger einschneidende Maßnahmen möglich?
- Ärztliches Zeugnis ausstellen
- Unterbringende Behörde informieren
- Zuständige psychiatrische Klinik kontaktieren
- Transport des Patienten in Arztbegleitung, ggf. durch die Polizei auf eine meist geschützte Station der psychiatrischen Klinik
- Gliederung des ärztlichen Zeugnisses [24]
- Name und Geburtsdatum des Patienten
- Wohnort des Patienten
- Datum und Ort der Untersuchung
- Schilderung des Sachverhaltes
- Genaue Erhebung des psychopathologischen Befundes
- (Verdachts‑)Diagnose
- Konkrete Darlegung der Gefährdungsaspekte
- Unterschrift des Erstellenden
Betreuungsrechtliche Unterbringung
- Zugrunde liegendes Gesetz: § 1831 BGB [29]
- Zuständiges Gericht: Betreuungsgericht
- Gründe für eine betreuungsrechtliche Unterbringung
- Gefahr der Selbsttötung oder erheblichen gesundheitlichen Schädigung oder
- Notwendige Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens der betreuten Person
- Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1831 BGB: Folgende Voraussetzungen müssen vom einweisenden Arzt geprüft werden
- Es liegt eine psychische Erkrankung vor
- Diese Erkrankung bedingt eine fehlende Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit der Unterbringung
- Es besteht eine gesetzliche Betreuung (bescheinigt durch eine entsprechende Betreuungsurkunde) für das Aufgabenfeld „Aufenthaltsbestimmung“ [30]
- Eine Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts möglich
- Ablauf: Siehe Checkliste: Betreuungsrechtliche Unterbringung
§ 1831 BGB: „Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie erforderlich ist, weil 1. aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.“ [29]
Liegt eine krankheitsbedingte Fremdgefährdung vor, so ist eine Unterbringung nach dem Betreuungsrecht nicht möglich, sondern muss nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen erfolgen!
Ablauf des Verfahrens (Checkliste: Betreuungsrechtliche Unterbringung) [27]
- Allgemein
- Begrenzung der Dauer auf längstens 2 Jahre [31]
- Beendigung der Unterbringung durch den gesetzlichen Betreuer, sobald die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen
- Für Informationen zum regelhaften Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
- Ablauf des Verfahrens bei akuter Gefährdung
- Möglichkeit der Unterbringung durch den Betreuer ohne Erlaubnis des Gerichts bei unmittelbarer Gefährdung
- Verpflichtung des Betreuers, dem Antrag ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betreuten beizufügen [32]
- Verpflichtung des Gerichts, die Anhörung unverzüglich nachzuholen [29]
Die mögliche Chronifizierung einer psychischen Erkrankung bei ausbleibender Behandlung reicht als alleiniges Kriterium für eine betreuungsrechtliche Unterbringung nicht aus!
Unterbringung im Kindes- und Jugendalter
Neben einer Unterbringung nach § 1631b BGB ist auch eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen möglich.
- Zugrunde liegendes Gesetz: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1631b [33]
- Zuständiges Gericht: Familiengericht
- Gründe für eine Unterbringung mit Freiheitsentzug
- Zum Wohl des Kindes, insb. zur Abwendung erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung
- Gefahr kann nicht durch andere Maßnahmen abgewendet werden
Unterbringung nach dem Strafrecht
Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit
Liegt Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB vor, so hat das Gericht von einer Strafe abzusehen. Bei einer verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB kann die Strafe gemildert werden. Besteht die Gefahr einer Deliktwiederholung, so kann das Gericht in beiden Fällen eine psychiatrische Behandlung in einem Maßregelvollzug veranlassen.
- Definitionen
- Schuldunfähig nach § 20 StGB: Liegt vor, wenn die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit aufgrund eines der unten aufgeführten Eingangsmerkmale zum Tatzeitpunkt aufgehoben war [34]
- Verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB: Liegt vor, wenn die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit aufgrund eines der unten aufgeführten Eingangsmerkmale zum Tatzeitpunkt vermindert war [35]
- Eingangsmerkmale des § 20 StGB
- Krankhafte seelische Störung, bspw. [30][36]
- Psychotisches Erleben
- Demenzen
- Intoxikation mit psychotropen Substanzen
- Tiefgreifende Bewusstseinsstörung, bspw. [37]
- Affektdelikt
- Somnambulismus
- Hypnotische Zustände
- Intelligenzminderung
- Schwere andere seelische Störung, bspw.
- Krankhafte seelische Störung, bspw. [30][36]
- Einsichtsfähigkeit: Reichen die kognitiven Funktionen nicht aus, das Unrecht der Tat zu erfassen, liegt Einsichtsunfähigkeit vor
- Steuerungsfähigkeit: Einschränkungen der voluntativen (willentlichen) Fähigkeiten führen zu einer verminderten Steuerungsfähigkeit
Unterbringung im Maßregelvollzug
Ziele bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug sind immer Sicherung und Besserung. Es muss zwischen folgenden Unterbringungsformen unterschieden werden:
- Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
- Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
- Einstweilige Unterbringung (§ 126a StPO)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB (forensisch-psychiatrische Unterbringung)
- Voraussetzungen für die Anwendung des § 63 StGB [38]
- Die Voraussetzungen für die §§ 20 oder 21 StGB sind erfüllt
- Die psychische Störung ist nicht nur vorübergehend
- Es besteht die begründete Gefahr für rechtswidrige Taten in der nahen Zukunft
- Die stattgefundene Tat und die zu erwartenden Taten sind erheblich und stellen eine Gefährdung der Allgemeinheit dar
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
- Voraussetzungen für die Anwendung des § 64 StGB [39]
- Im Rahmen einer Substanzkonsumstörung besteht ein Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke oder anderer Rauschmittel
- Die rechtswidrige Tat ist überwiegend auf den o.g. Hang zurückzuführen
- Infolge des o.g. Hanges besteht auch in Zukunft die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten
- Es besteht eine konkrete Aussicht auf Besserung infolge der Behandlung in einer Entziehungsanstalt
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist i.d.R. auf 2 Jahre begrenzt! [30]
Einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO
Der § 126a StPO regelt die sofortige Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Entziehungsanstalt mit dem Ziel einer möglichst frühzeitigen Behandlung.
- Voraussetzungen für die Anwendung des § 126a StPO [40]
- Es besteht die dringende Annahme, dass die Voraussetzungen für die §§ 63 oder 64 StGB erfüllt sind
- Es liegt ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten vor
- Es besteht weiterhin eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
Eine einstweilige Anordnung nach § 126a StPO dauert bis zur Urteilsverkündung oder bis die Unterbringungskriterien nicht mehr gegeben sind!
Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB [41]
Die Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit vor besonders gefährlichen Straftätern sowie der Besserung des Täters. Sie erfolgt im Anschluss an die Freiheitsstrafe.
- Grundprinzipien [27]
- Anordnung der Sicherheitsverwahrung zusätzlich zu einer Verurteilung
- Vollzug in einer Strafvollzugsanstalt
- Individuelle psycho- und soziotherapeutische Behandlung mit dem Ziel der Besserung [42]
- Unbefristete Anordnung der Sicherungsverwahrung
- In den ersten 10 Jahren jährliche Überprüfung durch einen Gutachter, ob die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Sicherungsverwahrung weiter gegeben sind [43]
- Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 StGB
- Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mind. 2 Jahren wegen bestimmter im Gesetzestext definierter Delikte
- In der Vergangenheit bereits Verurteilung zu zwei Freiheitsstrafen von mind. 1 Jahr aufgrund der im Gesetzestext definierten Delikte
- In der Vergangenheit Verbüßen einer Freiheitsstrafe von mind. 2 Jahren in einer Haftanstalt oder im Maßregelvollzug aufgrund der im Gesetzestext definierten Delikte
- Hohe Wahrscheinlichkeit, dass von dem Täter zum Zeitpunkt der Verurteilung eine erhebliche Gefährdung für die Allgemeinheit ausgeht
- Nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung: Nach § 66b StGB kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch nachträglich anordnen. Dies wurde jedoch 2011 vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für menschenrechtswidrig erklärt. Am 01. Juni 2013 ist deshalb das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung in Kraft getreten.
- Nachträgliche Sicherheitsverwahrung ist möglich, sollte jedoch bereits bei der Urteilsverkündung angeordnet werden (ggfs. unter Vorbehalt)
- Die nachträgliche Sicherheitsverwahrung im Jugendstrafrecht wurde abgeschafft
Besondere Sicherungsmaßnahmen
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen
- Festhalten („physical restraint“)
- Definition: Fixieren eines Patienten durch aktives Festhalten durch Personal als kurzfristige Krisenintervention [22]
- Durchführung
- Durch mind. 3 Mitarbeitende bei stehendem oder sitzendem Patienten unter besonderer Berücksichtigung von verletzbaren Körperpartien (u.a. Kopf, Hals, Finger) [22]
- Hebeltechniken sind aufgrund des hohen Verletzungsrisikos zu vermeiden [22]
- Dauer: Empfohlene Maximaldauer: 10 Minuten [22]
- Mögliche Komplikationen
- Direkte Verletzungen der Beteiligten (Personal und Patient)
- Plötzlicher Tod
- Lactatazidose mit vegetativer Instabilität und Herzrhythmusstörungen [44]
- Isolierung in einem gesonderten Raum [22]
- Definition: Unterbringung eines Patienten in einem geschlossenen Raum
- Durchführung
- Betreuung/Überwachung durch ein Sichtfenster oder eine Kamera
- Sicherstellung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (Essen, Trinken, Pflege etc.)
- Aufklärung über Dauer der Maßnahme und über die Voraussetzungen zur Beendigung der Maßnahme
- Dauer: Empfohlene Maximaldauer: 1 Stunde [22]
- Besonderheiten: Kontaktabbruch zum therapeutischen Team [22]
- Mögliche Komplikationen
- Traumatisierung von Patienten insb. bei längerer Isolationsdauer
- Selbstverletzung von Patienten
- Ausgangsbeschränkung
- Definition: Jede Maßnahme (außer Fixierung, Festhalten und Isolation), die den Patienten in seiner Freiheit auf Station einschränkt [22]
- Durchführung: Bspw.
- Beschränkung des Ausgangs im Freien (Stationsgarten, Einzelausgang)
- 1:1-Betreuung
- Dauer: Keine zeitliche Begrenzung
- Besonderheiten: Möglichkeit eines intensiven Beziehungsaufbaus insb. bei 1:1-Betreuung
Auch bei einer Isolierung sollte unbedingt ein angemessener zwischenmenschlicher Kontakt aufrechterhalten werden!
Freiheitsentziehende Maßnahmen
- Mechanische Fixierung [21]
- Definition: Festbinden eines liegenden Patienten mit Gurten i.d.R. an einem Bett
- Durchführung [45]
- 1-Punkt- (Bauchgurt) bis 11-Punkt-Fixierung möglich
- Wenn möglich in einem separaten Raum, der für andere Patienten nicht einsehbar ist
- Dauerhafte 1:1-Betreuung immer zusätzlich erforderlich
- Sicherstellung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (Essen, Trinken, Pflege etc.)
- Aufklärung über Dauer der Maßnahme und über die Voraussetzungen zur Beendigung der Maßnahme [22]
- Thromboseprophylaxe bei einer längerfristigen Fixierung
- Dauer: So kurz wie möglich, längerfristige Fixierungen sollten unbedingt vermieden werden
- Besonderheiten: Invasivste Form der Sicherungsmaßnahme [46]
- Mögliche Komplikationen [22]
- Hohes Risiko für somatische Komplikationen durch Fixierung
- Verletzungen von Patienten bei der Fixierung/bei dem Versuch, sich zu befreien
- Aspiration (sekundäre Komplikation: Aspirationspneumonie)
- Thrombose
- Tod als Folge der Fixierung [47]
- Verletzungen des Personals bei der Fixierung
- Gefahr des Auftretens psychischer Folgeerkrankungen durch die Fixierung bei Betroffenen und Durchführenden bis hin zur Traumatisierung [48]
- Hohes Risiko für somatische Komplikationen durch Fixierung
Eine mechanische Fixierung sollte immer erst dann erfolgen, wenn zuvor alle anderen Sicherungsmaßnahmen nicht zu einer Deeskalation geführt haben!
Rechtliche Grundlage
Besondere Sicherungsmaßnahmen nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen
Die besonderen Sicherungsmaßnahmen werden rechtlich in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt, wobei sich hier je nach Land Unterschiede ergeben.
- Voraussetzungen
- Vorliegen einer erheblichen Eigengefährdung und/oder
- Vorliegen einer erheblichen Fremdgefährdung
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer mit B) [49] | |||||
---|---|---|---|---|---|
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen | Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung | Bei Gefahr im Verzug | Erforderliche Dokumentation | Weitere Besonderheiten | |
Baden-Württemberg [50] |
|
|
|
|
|
Bayern [51] |
|
|
|
|
|
Berlin [52] |
|
|
|
|
|
Brandenburg [53] |
|
|
|
|
|
Bremen [54] |
|
|
|
|
|
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer H–N) [49] | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen | Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung | Bei Gefahr im Verzug | Erforderliche Dokumentation | Weitere Besonderheiten | ||
Hamburg [55] |
|
|
|
|
| |
Hessen [56] |
|
|
|
|
| |
Mecklenburg-Vorpommern [57] |
|
|
|
|
| |
Niedersachsen [58] |
|
| — |
|
| |
Nordrhein-Westfalen [59] |
|
|
|
|
|
Besonderheiten der einzelnen Landesgesetze (Bundesländer R–T) [49] | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Aufgeführte besondere Sicherungsmaßnahmen | Ärztliche Anordnung und richterliche Genehmigung | Bei Gefahr im Verzug | Erforderliche Dokumentation | Weitere Besonderheiten | ||
Rheinland-Pfalz [60] |
|
|
|
|
| |
Saarland [61] |
|
|
|
|
| |
Sachsen [62] |
|
|
|
|
| |
Sachsen-Anhalt [63] |
|
|
|
|
| |
Schleswig Holstein [64] |
|
|
|
|
| |
Thüringen [65] |
|
|
|
|
|
Für Informationen zum Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
Besondere Sicherungsmaßnahmen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung [29]
- Voraussetzung
- Gefahr der Selbsttötung oder erheblichen gesundheitlichen Schädigung oder
- Notwendige Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens der betreuten Person
- Genehmigung durch das Gericht erforderlich
- Bei regelmäßigem oder über längeren Zeitraum anhaltendem Freiheitsentzug durch
- Mechanik, bspw. mechanische Fixierung [66]
- Medikamente
- Sonstige Maßnahmen
- Siehe auch: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
- Bei regelmäßigem oder über längeren Zeitraum anhaltendem Freiheitsentzug durch
Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung sind nicht bei einer krankheitsbedingten Fremdgefährdung möglich! In einem solchen Fall müssen die öffentlich-rechtlichen Landesgesetze angewendet werden!
Antragsteller für Zwangsmaßnahmen ist bei einer Unterbringung nach dem Betreuungsrecht nicht der Arzt, sondern immer der gesetzliche Betreuer!
Zwangsbehandlung
Medikamentöse Zwangsbehandlung [67]
Grundlagen
Eine medikamentöse Zwangsbehandlung steht in Widerspruch zu dem im Grundgesetz garantierten Recht auf eine körperliche Unversehrtheit und Freiheit. [68]
- Gründe für eine Zwangsbehandlung
- Wiederherstellung der freien Selbstbestimmung
- Abwendung einer erheblichen gesundheitlichen Gefahr für den Patienten
- Abwendung einer erheblichen gesundheitlichen Gefahr für Dritte
- Generelle Voraussetzungen
- Krankheitsbedingt aufgehobene Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit einer Maßnahme
- Nicht ausreichende weniger invasive Maßnahmen
- Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
- Aussicht auf Erfolg durch die Zwangsmaßnahme
- Im Vorfeld erfolglose Überzeugungsversuche für eine freiwillige Behandlung
- Zustimmung des zuständigen Gerichts
- Durchführung der Zwangsbehandlung
- Die Zwangsbehandlung ist ausschließlich durch ärztliche Mitarbeitende durchzuführen und zu überwachen
- Vor der Zwangsbehandlung
- Müssen die Patienten aufgeklärt werden
- Muss den Patienten eine alternative Darreichungsform der Medikation angeboten werden
- Es muss eine Dokumentation erfolgen über
- Umsetzungsweise der Zwangsbehandlung
- Gründe für die Zwangsbehandlung
- Wirkungsnachweis der Zwangsbehandlung
- Dauer der Zwangsbehandlung: Erstmalige Anordnung durch das Gericht für max. 6 Wochen [31]
Für Informationen zur medikamentösen Krisenintervention bei fremdaggressivem Verhalten siehe: Rapid Tranquilisation
Eine medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte eines Menschen dar!
Eine wirksame Patientenverfügung ist i.d.R. zu berücksichtigen („Freiheit zur Krankheit“). Ausnahmen können gelten, bspw. zum Schutz Dritter! [69]
Rechtliche Grundlagen
Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung [29][70]
- Voraussetzungen
- Vorliegen einer krankheitsbedingten akuten Eigengefährdung oder
- Vorliegen einer krankheitsbedingten Einsichtsunfähigkeit in die Notwendigkeit einer Untersuchung oder Behandlung, die der Abwendung eines erheblichen gesundheitlichen Schadens dient
- Aufgaben des gesetzlichen Betreuers
- Antragstellung bei Gericht auf die Durchführung einer Zwangsbehandlung
- Fortwährende Überprüfung über die weitere Notwendigkeit der Zwangsbehandlung
- Beendigung der Zwangsbehandlung, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind
- Berücksichtigung einer Patientenverfügung, sofern vorhanden
Zwangsbehandlung nach öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen
Im Rahmen der Erneuerung der Zwangsbehandlung nach BGB wurden in fast allen Bundesländern auch die Vorgaben für eine Zwangsbehandlung nach den öffentlich-rechtlichen Landesgesetzen angepasst. In Thüringen wurde die Novellierung bis jetzt noch nicht durchgeführt. [71]
- Voraussetzungen
- Vorliegen einer erheblichen Eigengefährdung und/oder
- Vorliegen einer erheblichen Fremdgefährdung
- Besonderheiten einzelner Landesgesetze
- Baden-Württemberg: Eine mögliche Patientenverfügung muss bei akuter Fremdgefährdung nicht beachtet werden [72]
- Bayern: Bei akuter Fremdgefährdung muss [73]
- Eine mögliche Patientenverfügung nicht beachtet werden
- Einsichtsunfähigkeit in die Notwendigkeit der Maßnahme nicht als Voraussetzung für die Zwangsbehandlung bestehen
- Mecklenburg-Vorpommern: Eine mögliche Patientenverfügung wird im Gesetzestext nicht berücksichtigt [74]
- Thüringen [71]
- Einzige Voraussetzung für eine Zwangsbehandlung: Akute Eigen- oder Fremdgefährdung
- Keine Informations-/Genehmigungspflicht an/durch das Gericht
- Eine mögliche Patientenverfügung wird im Gesetzestext nicht berücksichtigt
Für Informationen zum Verfahrensablauf siehe: Verfahrensablauf bei Beantragung einer Zwangsmaßnahme bei Gericht
Sonderfall: Einstweilige Anordnung [32]
Das Gericht kann eine vorläufige Zwangsbehandlung für einen Zeitraum von 2 Wochen per einstweiliger Anordnung unter folgenden Voraussetzungen bestimmen [75]
- Eine sofortige Behandlung ist dringend erforderlich
- Die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt
- Ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen und die Gründe der Notwendigkeit für die Zwangsbehandlung liegt vor
- Der Betroffene und der Verfahrenspfleger sind durch das Gericht angehört worden [76]