Zusammenfassung
Die Laboratoriumsmedizin befasst sich mit der Untersuchung und Bewertung von Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Liquor; ihre Ergebnisse sind wichtig für Vorsorge, Diagnose und Stadieneinteilung von Erkrankungen. Der Untersuchungsablauf kann klassischerweise in eine präanalytische, analytische und postanalytische Phase eingeteilt werden. Zu beachten ist, dass die Laboratoriumsmedizin zwar eines der wichtigsten Hilfsmittel des klinischen Alltags ist, die Bewertung der Ergebnisse allerdings immer im Kontext mit den Erkenntnissen aus Anamnese sowie körperlicher und apparativer Untersuchung gesehen werden muss. Neben den Grundlagen der Laboratoriumsmedizin befasst sich dieses Kapitel auch mit wichtigen Laborparametern wie den Leberwerten oder dem Eisenstoffwechsel. Weitere klinisch relevante Werte finden sich auch in anderen Kapiteln wieder und werden in der „Übersicht wichtiger Laborwerte“ zusammengefasst. Eine aktuelle IMPP-Laborreferenzliste findest du unter „Tipps & Links“ am Ende dieses Kapitels.
Biologische Sicherheit in Laboren
Wird in Laboren mit Biostoffen wie Erregern oder Toxinen gearbeitet, so müssen sowohl die Mitarbeiter als auch die Bevölkerung vor diesen Biostoffen ausreichend geschützt werden. Die Biostoffverordnung (BioStoffV) teilt die Biostoffe nach § 3 anhand ihrer Gefährlichkeit in Risikogruppen von 1–4 . Damit Labore mit diesen Biostoffen arbeiten können, werden sie entsprechend der Risikogruppen in vier Schutzstufen eingeteilt. Mit steigender Stufe steigen auch die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen, sodass Hochsicherheitslabore der Stufe 4 sehr teuer und selten sind.
- Risikogruppe 1 (benötigt Schutzstufe 1)
- Definition: „Biostoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Krankheit hervorrufen“[1]
- Erregerbeispiele: Saccharomyces cerevisiae (bspw. als Backhefe), Lactobacillus acidophilus (bspw. zur Joghurtherstellung)
- Risikogruppe 2 (benötigt Schutzstufe 2)
- Definition: „Biostoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen könnten; eine Verbreitung in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich.“[1]
- Erregerbeispiele: Cryptococcus neoformans, Candida albicans, Varizella-Zoster-Virus, versch. Clostridienarten (perfringens, botulinum, tetani), versch. Salmonellenarten, Vibrio cholerae
- Risikogruppe 3 (benötigt Schutzstufe 3)
- Definition: „Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich.“[1]
- Erregerbeispiele: Bacillus anthracis, Mycobacterium tuberculosis, EHEC, Influenza-A-Virus H5N1, Hanta-Virus, Prionen der BSE, Plasmodium falciparum
- Risikogruppe 4 (benötigt Schutzstufe 4)
- Definition: „Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung ist unter Umständen groß; normalerweise ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung nicht möglich.“[1]
- Erregerbeispiele: Variola-Viren (Pocken), Ebola-Virus, Lassavirus, Marburg-Virus
Prinzipiell gilt: Je gefährlicher ein Biostoff ist, desto höher ist seine Risikogruppe und desto höher muss die Schutzstufe des damit arbeitenden Labors sein!
„Schutzstufe“ ist nicht gleich „Sicherheitsstufe“ – die Bezeichnung Schutzstufe bezieht sich auf die Labore, die mit Biostoffen arbeiten, während die Bezeichnung Sicherheitsstufe sich auf die Arbeit mit gentechnischem Material bezieht!
Zur Einteilung der Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten in die unterschiedlichen Schutzstufen gemäß der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, siehe auch: Tipps & Links.
Grundlagen der Laboranalyse
Präanalytische Phase
Die präanalytische Phase umfasst die Auswahl des richtigen diagnostischen Tests sowie die Gewinnung und den Transport der Proben.
- Zur Auswahl eines Tests ist es wichtig, dessen Spezifität und Sensitivität zu kennen
- Häufige Untersuchungsmaterialien sind:
- Blut
- Urin (siehe → Diagnostik von Erkrankungen der Niere und der ableitenden Harnwege)
- Liquor (siehe → Liquorpunktion, Differenzialdiagnose Meningitis)
- Punktionsflüssigkeiten (z.B. Aszites)
- Störfaktoren → Beeinflussung der Probenqualität
- Fehler bei der Probengewinnung: z.B.:
- Zu lange Venenstauung bei Blutentnahme
- Falsche Reihenfolge der Röhrchen bei der Blutentnahme
- Siehe auch: Venöse Blutentnahme, arterielle Blutentnahme
- Fehler beim Probentransport, z.B.:
- Starke Lichteinwirkung
- Schütteln von Blutproben
- Fehler bei der Probengewinnung: z.B.:
Fehler, die zu starken Veränderungen in den Ergebnissen führen, finden sich am häufigsten in der präanalytischen Phase!
Analytische Phase
Die analytische Phase umfasst die Bearbeitung der Proben und Freigabe der Messergebnisse.
- Qualitative Methoden: Mit ihnen ist nur eine Aussage über positiven oder negativen Stoffnachweis möglich
- Klassische Beispiele: Schwangerschaftstest, Urin-Stix
- Quantitative Methoden: Mit ihnen lassen sich genaue Aussagen über Konzentrationen treffen, Beispiele sind:
- Immunchemie: Bspw. ELISA zur Bestimmung von PSA
- Photometrie: Bspw. indirekte Konzentrationsmessung von Glucose
- Mikroskopie: Bspw. manuelle Erstellung eines Differenzialblutbildes
Postanalytische Phase
Die postanalytische Phase umfasst die Befundung und Bewertung der Messergebnisse. Wichtige Punkte umfassen dabei:
- Einwandfreie Zuordnung der Werte zu einem Patienten
- Plausibilitätskontrolle
- Übermittlung kritischer Ergebnisse
- Am Ende steht die ärztliche Interpretation unter Zusammenführung aller Erkenntnisse
Laborergebnisse dürfen nie isoliert betrachtet werden, sondern müssen immer in Zusammenhang mit den anderen klinischen Erkenntnissen wie z.B. Anamnese und körperliche Untersuchung beurteilt werden!
Übersicht wichtiger Laborwerte
Eine aktuelle IMPP-Laborreferenzliste findest du unter „Tipps & Links“ am Ende dieses Kapitels!
In diesem Kapitel werden behandelt
- Leberwerte
- Nierenwerte
- Pankreaswerte: Amylase, Lipase, Elastase
- Elektrolyte: Chlorid, Magnesium, Phosphat
- Eisenstoffwechsel: Eisen, Ferritin, Transferrin
Laborwerte in anderen Kapiteln
Eine klassische Trennung der klinischen Chemie von den anderen Bereichen der Laboratoriumsmedizin und den Disziplinen der direkten Patientenversorgung ist aufgrund zunehmender Verflechtungen nicht möglich. Entsprechend werden folgende Themen in anderen Kapiteln behandelt:
- Herz
- Schilddrüsenparameter
- Urinuntersuchungen
- Entzündung
- Parameter des Kohlenhydratstoffwechsels: HbA1c, OGTT, C-Peptid
- Lipide
- Proteine
- Tumormarker
- Blutgasanalyse
Leberwerte
Die Leberwerte können in drei Unterklassen eingeteilt werden:
Parameter der Leberzellschädigung
- Bedeutung: Bei Schädigung der Hepatozyten werden verschiedene Enzyme frei, die im Blut nachgewiesen werden können und zum Teil eine Aussage über den Schweregrad der Schädigung zulassen. Die ebenfalls bei Schädigung freiwerdende γ-Glutamyltransferase (γGT) wird im Abschnitt Cholestaseparameter mitbehandelt.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufige Ursachen einer Erhöhung | |
---|---|---|---|---|
Transaminasen | Alanin-Aminotransferase (ALT) |
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Aspartat-Aminotransferase (AST) |
| |||
Glutamatdehydrogenase (GLDH) |
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Cholestaseparameter
- Bedeutung: Bei Cholestase ist klinisch häufig Ikterus und Juckreiz feststellbar. Laborchemisch finden sich typische Parameter, die zum Teil einen Rückschluss auf die Ursache und Form (obstruktiv/nicht-obstruktiv) einer Cholestase erlauben und deswegen häufig als Cholestaseparameter zusammengefasst werden. Eine Veränderung der Werte ist aber auch aus anderen Gründen möglich.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufige Ursachen einer Erhöhung | |
---|---|---|---|---|
γ-Glutamyltransferase (γGT) |
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Alkalische Phosphatase (AP) |
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| |
Bilirubin | Indirektes Bilirubin |
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Direktes Bilirubin |
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Syntheseparameter der Leber
- Bedeutung: Die Leber ist eines der bedeutendsten Organe der Proteinsynthese. Die Synthesekapazität der Leber kann durch Untergang von Leberzellen (z.B. bei Leberzirrhose) oder bei einem Mangel an Ausgangsstoffen (z.B. bei Malnutrition) vermindert sein. Parameter, die Rückschlüsse auf die Synthesefunktion der Leber geben, sind neben den in der Tabelle aufgeführten Werten auch Gerinnungsfaktoren. Hierbei sind vor allem die Vitamin-K-abhängigen Faktoren relevant, deren Funktion sich auch indirekt im sogenannten Quick-Wert (INR) widerspiegelt. Sie werden mit den anderen Gerinnungsfaktoren gemeinsam behandelt.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufiger Grund einer Erhöhung | Häufiger Grund einer Erniedrigung |
---|---|---|---|---|
Albumin |
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| ||
Cholinesterase (ChE) |
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Nierenwerte
Parameter der Nierenfunktion
- Bedeutung: Die hier aufgeführten Nierenwerte umfassen Stoffe, die einen indirekten Rückschluss auf die glomeruläre Filtrationsrate ermöglichen. Sie werden normalerweise im Blut bestimmt.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufiger Grund einer Erhöhung |
---|---|---|---|
Kreatinin |
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Cystatin C |
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Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR ) [2]
- CKD-EPI-Formel
- MDRD-Formel
- Berücksichtigte Faktoren
- Bewertung
- Weiterhin verbreitete Alternative zur CKD-EPI-Formel
- Störanfälliges Ergebnis insb. bei geringer Einschränkung der GFR
MDRD-Formel (Rechner)
CKD-EPI-Formel (Rechner)
Weitere nierengängige Stoffe
- Bedeutung: Harnstoff und Harnsäure sind zwar zum Großteil von der renalen Ausscheidung abhängig, dennoch lassen sie nur eine ungenaue Aussage über die Nierenfunktion zu.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufiger Grund einer Erhöhung | Häufiger Grund einer Erniedrigung |
---|---|---|---|---|
Harnstoff (Urea) |
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| ||
Harnsäure |
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Pankreaswerte
- Bedeutung: Die im Blut bestimmbaren Pankreaswerte Lipase und Amylase sind vorwiegend im Rahmen der Pankreatitis-Diagnostik relevant. Elastase ist ein Parameter der exokrinen Pankreasfunktion und wird meistens aus mehreren aufeinander folgenden Stuhlproben (während einer akuten Pankreatitis auch im Serum) bestimmt.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufiger Grund einer Erhöhung | Häufiger Grund einer Erniedrigung | |
---|---|---|---|---|---|
Lipase |
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| |||
Amylase |
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| |
Elastase | im Blutserum |
| |||
im Stuhl |
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Elektrolyte
Bedeutung: Elektrolyte sind chemische Verbindungen, die in wässriger Lösung in Ionen zerfallen; unterschieden werden dabei Kationen (positiv geladen) und Anionen (negativ geladen). Die wichtigsten Vertreter sind Natrium-, Kalium-, Chlorid-, Calcium-, Magnesium-, Phosphat- und Hydrogencarbonat-Ionen. Im Rahmen unterschiedlicher Prozesse kann es zu einer Verschiebung der Elektrolyte im Blut mit unterschiedlichen Konsequenzen kommen. Die standardmäßig bestimmten und häufig von pathologischen Veränderungen betroffenen Werte Natrium, Kalium und Calcium werden ausführlich in eigenen Kapiteln besprochen (siehe: Elektrolytstörungen Natrium; Elektrolytstörungen Kalium; Elektrolytstörungen Calcium).
Chlorid, Magnesium, Phosphat
Laborparameter | Physiologische Funktion | Häufiger Grund einer Erhöhung | Häufiger Grund einer Erniedrigung | Konsequenzen von Verschiebungen |
---|---|---|---|---|
Chlorid |
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| |
Magnesium |
| |||
Phosphat |
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Eisenstoffwechsel
Bedeutung: Der Eisenstoffwechsel ist eng mit der Blutbildung und dem Krankheitsbild der Anämie verbunden. Neben den hier aufgeführten Parametern sind auch die Werte der Hämatologie wie Hämoglobin, MCV oder MCH wichtig, um den Eisenstoffwechsel beurteilen und Ursachen von Anämien erkennen zu können. Der Mangel an Eisen wird ausführlich in dem Kapitel Eisenmangel behandelt.
Laborparameter | Physiologische Funktion | Charakteristika | Häufiger Grund einer Erhöhung | Häufiger Grund einer Erniedrigung |
---|---|---|---|---|
Serumeisen |
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Ferritin |
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Transferrin* |
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Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR) |
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*es gibt zwei weitere Transferrinformen, deren Nachweis diagnostisch genutzt wird:
- β2-Transferrin (zum Nachweis von Liquoraustritt bei Schädelfrakturen)
- Carbohydrate-Deficient Transferrin (Labormarker für chronischen Alkoholismus)
Eine Ferritin-Erniedrigung bei erniedrigter Hämoglobinkonzentration ist für eine Eisenmangelanämie praktisch beweisend!
Eine Erhöhung des Ferritins schließt eine Eisenmangelanämie aber nicht aus. Bei gleichzeitiger chronischer Entzündung kann der Parameter erhöht sein!
Studientelegramme zum Thema
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- Studientelegramm 250-2023-3/3: Next Generation Estimation? Die eGFR-Formeln des EKFC
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