Zusammenfassung
Die bilaterale Vestibulopathie ist eine chronische Erkrankung beider Gleichgewichtsorgane und/oder -nerven. Sie zeichnet sich beim Gehen durch Schwankschwindel mit Oszillopsien, einer Zunahme im Dunkeln sowie auf unebenem Untergrund und einer Beschwerdefreiheit in Ruhe aus. Die Diagnose erfolgt weitgehend klinisch. Therapeutische Grundlage ist die Physiotherapie, die je nach Ätiologie ggf. noch um einen anderen Ansatz ergänzt wird.
Ätiologie
Der bilateralen Vestibulopathie liegt eine beidseitige reduzierte oder fehlende Funktion der Gleichgewichtsorgane und/oder -nerven unterschiedlicher Ätiologie zugrunde. [1]
- Idiopathisch (30–50% der Fälle)
- Iatrogen durch Therapie mit ototoxischen Substanzen
- Beidseitiger Morbus Menière
- Beidseitige Neuropathia vestibularis
- Infektiös (Meningitis)
- CANVAS
- Neoplastisch
- Autoimmun
Symptomatik
- Schwankschwindel und Oszillopsien beim Gehen
- Zunahme im Dunkeln und auf unebenem Untergrund
- Beschwerdefreiheit in Ruhe
- Bei längerer Erkrankung: Störung des räumlichen Gedächtnisses
Diagnostik
Klinische Diagnosekriterien nach Bárány Society [2][3]
Die Diagnose erfolgt i.d.R. klinisch, alle der folgenden Kriterien A–D müssen erfüllt sein:
- A: Chronisches Schwindelsyndrom mit mind. 2 der folgenden Symptome
- Bewegungsinduziertes unscharfes Sehen oder Oszillopsien beim Gehen oder schnellen Kopfbewegungen
- Verschlechterung des Schwankschwindels in der Dunkelheit und/oder auf unebenem Boden
- Bewegungsabhängiger Schwankschwindel und Gangunsicherheit
- B: Keine Symptome in Ruhe
- C: Bilateral ausgefallener vestibulo-okulärer Reflex und/oder bilateral reduzierte Erregbarkeit in der kalorischen Prüfung
- Ist keine quantitative Testung des Kopfimpulstests oder der Kalorik möglich, kann anhand des Bedside-Kopfimpulstests nur die Diagnose „wahrscheinliche bilaterale Vestibulopathie“ gestellt werden
- D: Nicht besser durch eine andere Krankheit erklärbar
- Siehe für eine vergleichende Übersicht verschiedener Schwindelformen: Schwindel - Klinische Differenzialdiagnostik
Bildgebung
- cMRT
- Zum Ausschluss einer zentralen Genese
- Bei CANVAS: Zerebelläre Atrophie
Therapie
- Optimale Behandlung der Grunderkrankung, sofern bekannt
- Bei V.a. autoimmune Genese: Ggf. Therapieversuch mit Steroiden
- Aufklärung über das Krankheitsbild
- Tägliche physiotherapeutische Gleichgewichtsübungen
- Aktive Kopfbewegungen in allen drei Ebenen
- Kontrollierte Augenbewegungen
- Geh- und Balanceübungen
- Sturzprophylaxe bei Älteren
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- H81.-: Störungen der Vestibularfunktion
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.