Zusammenfassung
Schwindel ist ein fächerübergreifend häufiges Symptom und stellt insb. in der Notaufnahme und in der Allgemeinmedizin eine große Herausforderung dar. Grundsätzlich bezeichnet er eine mindestens subjektiv empfundene Störung des Gleichgewichts, also der Körperstabilität im Raum. Dabei wird der Begriff im Alltag oft unspezifisch für ein breites Spektrum an Beschwerden und Symptomen verwendet (vom Benommenheitsgefühl bis hin zu gerichtetem Drehschwindel). Außerdem reichen die Differenzialdiagnosen von relativ harmlosen, gut zu behandelnden Zuständen bis hin zu akut lebensbedrohlichen Erkrankungen wie z.B. einem Hirnstamminfarkt oder schweren Herzrhythmusstörungen. Daher gilt es, die entscheidenden Warnhinweise möglichst sicher zu erkennen.
Für die weitere Differenzialdiagnostik muss zunächst ein systematisch-gerichteter Schwindel (weist eher auf eine vestibuläre Ursache hin) von einem unsystematischen ungerichteten Schwindelgefühl (spricht eher für eine nicht-vestibuläre Ursache) unterschieden werden. Begleitsymptome sind oft wegweisend und sollten daher immer gründlich erfragt und untersucht werden.
Neben der Anamnese spielt die körperliche Untersuchung die wichtigste Rolle, die eine internistische, neurologische und insb. auch vestibuläre Untersuchung beinhalten sollte. Der Einsatz weiterführender apparativer Diagnostik richtet sich dann nach der so gewonnenen Hypothese.
Definition
Schwindel bezeichnet ganz allgemein eine Störung des räumlichen Empfindens, gekennzeichnet durch eine Unsicherheit des Gleichgewichts, die als unangenehm bis beängstigend wahrgenommen wird und oft mit einer relevanten Fallneigung verbunden ist. Unabhängig von der Ätiologie wird unterschieden zwischen:
- Systematisch-gerichteter Schwindel (engl. „vertigo“)
- Definition: Bewegungsillusion der Umwelt oder des eigenen Körpers (d.h. Schwindel im engeren Sinne)
- Entstehung: Dissoziation von vestibulärer und visueller Wahrnehmung durch vestibulär generierte Störung der Okulomotorik
- Ursache: Weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine vestibuläre Störung hin
- Ungerichtetes Schwindelgefühl (engl. „dizziness“)
- Definition: Unsicherheits- oder Benommenheitsgefühl ohne Bewegungsillusion
- Entstehung: Meist systemische Störung oder Störung nicht-vestibulärer Afferenzen des Gleichgewichtssystems
- Ursache: Weist eher auf eine nicht-vestibuläre Störung hin
Der Begriff „Schwindel“ wird oft unscharf für verschiedene Beschwerden verwendet! Es ist daher sehr wichtig zu klären, was genau im Einzelfall gemeint ist – dabei kommen einer genauen Terminologie und der Frage nach einer Bewegungsillusion besondere Bedeutung zu!
Ätiologie
Vestibuläre Störung
Bezeichnet eine Funktionsstörung im vestibulären System, also entweder des Vestibularorgans, des vestibulären Anteils des N. vestibulocochlearis oder zentraler Strukturen (insb. Hirnstamm, Kleinhirn), die an der Verarbeitung der vestibulären Afferenzen beteiligt sind. Sie führt zu einer Störung der durch das vestibuläre System direkt beeinflussten Okulomotorik und damit zu einer Dissoziation zwischen vestibulärer und visueller Information, die als zumeist gerichteter Schwindel wahrgenommen wird.
Systematisch-gerichteter Schwindel
- Peripher-vestibuläre Ursache
- Funktionsstörung des Vestibularorgans, z.B.
- Funktionsstörung des N. vestibulocochlearis, z.B.
- Zentral-vestibuläre Ursache, z.B.
- Läsionen des Hirnstamms oder des Kleinhirns (insb. Ischämien, Tumoren)
Ungerichteter Schwindel
- Peripher-vestibuläre Ursache, z.B.
- Zentral-vestibuläre Ursache, z.B.
- Unerwünschte Wirkung zentral wirksamer Substanzen
- Vestibuläre Migräne
Nicht-vestibuläre Störung
Bezeichnet eine systemische Störung oder eine Störung der nicht-vestibulären Afferenzen des Gleichgewichtssystems
Ungerichtetes Schwindelgefühl
- Kardiovaskuläre Ursache (mit Störung der Sauerstoffversorgung aller beteiligten Systeme)
- Visuelle oder primäre okulomotorische Störung
- Somatosensible, insb. propriozeptive Afferenzstörung
- Funktionelles HWS-Syndrom („zervikogener Schwindel“) bei degenerativen muskulären und knöchernen Veränderungen der Hals- und Nackenregion oder vorübergehend nach Schleudertrauma infolge Distorsionen der HWS
- Psychogenes Schwindelgefühl (phobischer Schwankschwindel)
Multimodaler Altersschwindel
Kombination aus mehreren degenerativ bedingten vestibulären und nicht-vestibulären Störungsmechanismen, z.B.:
- Neuronale Degeneration im vestibulären und propriozeptiven System
- Nachlassender Visus
- Nachlassende kardiovaskuläre Adaptationsfähigkeit
- Häufigere Störungen der Homöostase etc.
- Erschwerte psychologische Anpassung, gesteigerte Angst
Der multimodale Altersschwindel kann nur diagnostiziert werden, wenn eine andere Ätiologie ausgeschlossen wurde!
Physiologische Reaktionen
- Kinetosen
- Ursache: Verlust visueller Referenzpunkte aufgrund ungewohnter Beschleunigungen → Dissoziation vestibulärer und visueller Information
- Symptome: Bewegungsillusion der Umwelt mit oft starken vegetativen Begleitreaktionen wie Übelkeit und Erbrechen
- Höhenschwindel
- Ursache: Verlust visueller Referenzpunkte aufgrund von Aufenthalten in Höhe → Dissoziation vestibulärer und visueller Information
- Symptome: Bewegungsillusion der Umwelt mit ggf. Übelkeit und Erbrechen
Epidemiologie
Zur Epidemiologie des Schwindels existieren insb. für den deutschsprachigen Raum kaum verlässliche Zahlen aus repräsentativen Erhebungen [1]
- Häufige Beschwerde: Lebenszeitprävalenz für starken Schwindel 20–30%
- Geschlecht: ♀ > ♂
- Angaben aus der allgemeinmedizinischen Praxis
- Ältere sind häufiger betroffen: Ca. 50% sind ≥70 Jahre alt
- Prävalenz: Bis zu 4% ohne genaue Spezifizierung des Schwindels
- Schwindel zählt zu den 20 häufigsten Behandlungsanlässen
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Diagnostik
Die differenzialdiagnostische Aufarbeitung der Beschwerde Schwindel hat zum Ziel, gefährliche von weniger gefährlichen Schwindelursachen zu unterscheiden, Warnhinweise für akut behandlungsbedürftige Verläufe zu erkennen und die korrekte Therapie zu ermöglichen. Wichtigste Werkzeuge dafür sind eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung, durch die i.d.R. bereits eine differenzialdiagnostische Einordnung der Ursache erfolgen kann. Nach der Anamnese erfolgt zur Abklärung des Schwindels mindestens eine internistische Untersuchung der Herz-Kreislauf-Funktionen und eine symptomfokussierte neurologische Untersuchung, um alle beteiligten Funktionssysteme beurteilen zu können.
- Siehe für ein strukturiertes Vorgehen im Notfall: Schwindel - AMBOSS-SOP
Eine gründliche Anamnese und Untersuchung beim Leitsymptom Schwindel ermöglicht oft bereits eine gute differenzialdiagnostische Eingrenzung, sodass auf ggf. aufwändige Zusatzdiagnostik verzichtet werden kann!
Anamnese
Ausprägungsform des Schwindels
- Systematisch-gerichteter Schwindel → „Die Welt um mich herum bewegt sich!“
- Drehbewegungsillusion (Drehschwindel) → „Wie im Karussell“
- Vertikal gerichtete Bewegungsillusion (Liftschwindel) → „Wie in einem hinauf-/hinabfahrenden Aufzug“
- Ungerichtetes Schwindelgefühl , Unsicherheitsgefühl, häufig als Schwankschwindel bezeichnet → „Wie auf einem schwankenden Schiff“
- Benommenheitsgefühl → „Drieseligkeit“, „Schwummerigkeit“, „Duseligkeit“
- Stand- und Gangunsicherheit, explizite Unsicherheit auf den Beinen
Zeitliche Charakteristik
- Charakteristik des Beginns: Plötzliche oder sich aufbauende Beschwerden, langsam-progredienter Beginn
- Dauer der Beschwerden, Zeitpunkt des Beginns
- Dauerhafte Beschwerden oder episoden-/attackenhaftes Auftreten
Auslöser, Verstärker oder mildernde Faktoren
- Lage- oder Lagerungsabhängigkeit
- Besserung in einer bestimmten Kopf- oder Körperposition oder in Ruhe
- Besserung durch visuelle Kompensation
- Auftreten beim Stehen und Gehen
- Situationsabhängiges Auftreten
Begleitsymptome, Grunderkrankungen
- Übelkeit und Erbrechen
- Vorausgegangener Bewusstseinsverlust
- Präsynkopale Beschwerden
- Begleitende Hörstörung
- Stand- und Gangstörung, gerichtete oder ungerichtete Fallneigung
- Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen
- Neurologische Ausfallsymptome
- Begleitende Angst oder Panik, Hyperventilation oder Herzrasen
- Vorangegangene Infekte
- Kopf-/HWS-Traumen
- Grunderkrankungen
- Medikamenteneinnahme und Drogenanamnese
Körperliche Untersuchung
Herz-Kreislauf-Untersuchung
- Vitalparameter
- 12-Kanal-EKG mit Rhythmusstreifen
- Auskultation des Herzens und der Karotiden
- Ggf. Schellong-Test
Visus- und Gehörprüfung
- Orientierende Visusprüfung
- Orientierende Gehörprüfung
Vestibuläre, zerebelläre und okulomotorische Untersuchung
- Bulbusstellung
- Blickbewegungen
- Blickfolgebewegungen
- Willkürsakkaden
- Vestibulo-okulärer Reflex
- Extremitätenkoordination
- Finger-Nase-Versuch
- Knie-Hacke-Versuch
- Prüfung der Diadochokinese
Wenn bis hier kein Nystagmus gesehen wurde, sollten Lagerungsproben durchgeführt werden! Außerdem sollte zumindest einmal in Kopfhängelage überprüft werden, ob ein Lagenystagmus vorliegt!
Nystagmusbeurteilung
Hier müssen alle folgenden Aspekte (ohne eine bestimmte Reihenfolge) beurteilt werden:
- Geometrie/Schlagrichtung
- Konjugierter oder dissoziierter Nystagmus ?
- Schnelle Nystagmusphase erkennbar oder Pendelnystagmus?
- (Ausschließlich oder hauptsächlich) horizontaler Nystagmus, Upbeat-Nystagmus oder Downbeat-Nystagmus ? Besteht eine torsionale Komponente?
- Zeitliche Dynamik
- Auslösbarkeit
- Spontan beim Geradeausblick vorhanden (Spontannystagmus)?
- Nystagmus erst bei Änderung der Blickrichtung (Blickrichtungsnystagmus)?
- Nystagmus provozierbar durch Kopfschütteln (Kopfschüttelnystagmus)?
- Nystagmus nur in einer bestimmten Kopfposition (Lagenystagmus)?
- Nystagmus nur nach Lagerungsmanövern (Lagerungsnystagmus)?
- Testung mit z.B. Dix-Hallpike-Manöver bds. und Kopfdrehung im Liegen (Supine-Roll-Manöver)
- Siehe bei V.a. Lagerungsnystagmus: BPLS - AMBOSS-SOP
- Supprimierbarkeit
- Unterdrückbarkeit durch Fixation bzw. Verstärkung durch Aufhebung der Fixation mittels Frenzel-Brille?
Liegt kein Nystagmus vor und ist auch in den Lagerungsproben kein Nystagmus auslösbar, handelt es sich bei anhaltenden Beschwerden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen nicht-vestibulären Schwindel!
Sensibilitätsprüfung
- Prüfung der Oberflächen- und Tiefensensibilität, insb. an den Beinen
Stand- und Gangprüfung
- Beurteilung des freien Stehens und Gehens, wenn möglich
- Romberg-Stehversuch mit Frage nach gerichteter oder ungerichteter Fallneigung
- Unterberger-Tretversuch
Klinische Differenzialdiagnostik
Das hier dargestellte differenzialdiagnostische Vorgehen orientiert sich an den verlässlichsten Unterscheidungsfaktoren aus Anamnese und körperlicher Untersuchung. Es kann dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern soll als Orientierung dienen.
Es gibt keinen Einzelbefund aus Anamnese oder körperlicher Untersuchung, der verlässlich zwischen verschiedenen Schwindelursachen unterscheiden kann. Es kommt daher immer auf die Kombination möglichst vieler Befunde an, um zwischen vergleichsweise harmlosen und schwerwiegenden, akut therapiebedürftigen Ursachen unterscheiden zu können!
Ausgehend von der zeitlichen Charakteristik
Schwindel mit gerichteter Bewegungsillusion der Umwelt
Plötzlicher Beginn
- Anhaltend + Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung (insb. im HINTS-Protokoll) → Verdacht auf Schlaganfall
- Attackenartig
- Lageabhängig + Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung (insb. im HINTS-Protokoll oder in Form eines Lagenystagmus) → Verdacht auf jedwede zentral-vestibuläre Störung
- Sekunden bis Stunden andauernd, insb. bei kardio-vaskulären Risikofaktoren + ggf. Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung (insb. im HINTS-Protokoll) → Verdacht auf vertebro-basiläre TIA
- Sekunden bis Minuten andauernd + salvenartig, ohne Auslöser auftretend → Verdacht auf Vestibularisparoxysmie
Nicht-plötzlicher Beginn
- Anhaltend
- Minuten bis Stunden andauernd + Hörstörung → Verdacht auf Attacke eines Morbus Menière
- Minuten bis Stunden andauernd ohne Hörstörung, aber häufig mit begleitenden/folgenden Kopfschmerzen → Verdacht auf vestibuläre Migräne
- Stunden bis Tage andauernd ohne Hörstörung → Verdacht auf Neuropathia vestibularis
- Minuten bis Tage andauernd, z.T. mit Hörstörung → Verdacht auf Perilymphfistel, Bogengangsdehiszenz
- Attackenartig
- Sekunden bis Minuten andauernd + lagerungsabhängig → Verdacht auf BPLS
- Sekunden bis Minuten andauernd, ohne Auslöser auftretend, z.T. mit Hörstörung → Verdacht auf Perilymphfistel, Bogengangsdehiszenz
Schwindelgefühl ohne gerichtete Bewegungsillusion der Umwelt
Plötzlicher Beginn
- Anhaltendes Schwindelgefühl + Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung (insb. im HINTS-Protokoll) → Verdacht auf Schlaganfall
Nicht-plötzlicher Beginn
- Anhaltendes Schwindelgefühl
- Bspw. kardio-vaskuläre Ursache
- Hypotonie, Hypertonie und deren Ursachen
- Anhaltende bradykarde Herzrhythmusstörung, Breitkomplextachykardie, Schmalkomplextachykardie
- Bspw. metabolische Störung
- Bspw. Intoxikation mit zentral oder vestibulär/kochleär wirksamen Substanzen
- Alkohol-/Drogenintoxikation oder -entzug
- Medikamentenintoxikation
- Bspw. bilaterale Vestibulopathie
- Bspw. multimodaler Altersschwindel
- Bspw. kardio-vaskuläre Ursache
- Episodenhaft auftretendes Schwindelgefühl
- Bspw. kardio-vaskuläre Ursache
- Hypotonie, Hypertonie und deren Ursachen, orthostatische Dysregulation
- Intermittierende bradykarde Herzrhythmusstörung, Schmalkomplextachykardie
- Bspw. Polyneuropathie mit sensibler Ataxie
- Bspw. Fehlsichtigkeit, primäre Okulomotorikstörung mit Diplopie/Oszillopsien
- Bspw. phobischer Schwankschwindel → Psychiatrische/psychosomatische Abklärung nach Ausschluss anderer Ursachen
- Bspw. kardio-vaskuläre Ursache
Ausgehend von Auslösern/Verstärkern
- Lageabhängiger Schwindel
- Verdacht auf zentral-vestibuläre Störung → Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung (insb. im HINTS-Protokoll) überprüfen!
-
Lagerungsschwindel
- Verdacht auf BPLS
- Episodenhaft nach Aufrichten aus dem Liegen oder Sitzen
- Verdacht auf orthostatische Dysregulation → Intermittierende Hypotonie/Hypertonie und deren Ursachen abklären!
- Beim Heben des Arms oder bei Arbeiten über Kopf
- Bspw. Subclavian-Steal-Syndrom
- Anhaltend nur in aufrechter Körperposition
- Verdacht auf Polyneuropathie mit (peripher‑)sensibler Ataxie → Klinisch-neurologische und elektrophysiologische Diagnostik sowie Ursachenabklärung
- Bei Dunkelheit oder verstärkt durch Dunkelheit
- Verdacht auf Polyneuropathie mit (peripher‑)sensibler Ataxie → Klinisch-neurologische und elektrophysiologische Diagnostik sowie Ursachenabklärung
- Seltener: Fehlsichtigkeit
- Seltener: Bilaterale Vestibulopathie
- Beim Pressen oder Heben
- Verdacht auf Perilymphfistel
- Bei lauten Geräuschen
- Verdacht auf Perilymphfistel, Bogengangsdehiszenz
- Bevorzugt oder ausschließlich in speziellen (belastenden) Situationen
- Verdacht auf phobischen Schwankschwindel → Psychiatrische/psychosomatische Abklärung nach Ausschluss anderer Ursachen
Ausgehend vom klinischen Befund
-
Hypotonie, Bradykardie, (Brady‑)Arrhythmie
- Verdacht auf kardio-vaskuläre Ursache
- Bspw. orthostatische Dysregulation, Hypotonie, Hypertonie und deren Ursachen
- Bspw. bradykarde Herzrhythmusstörung, Breitkomplextachykardie, Schmalkomplextachykardie
- Verdacht auf kardio-vaskuläre Ursache
- Warnhinweise für eine zentral-vestibuläre Störung
- Zentral-vestibuläre Störung
-
Spontannystagmus
- Verdacht auf Neuropathia vestibularis
- Auch: Morbus Menière
- Seltener: Perilymphfistel
-
Lagerungsnystagmus
- Verdacht auf BPLS
- Gestörter vestibulo-okulärer Reflex
- Eher peripher-vestibuläre Störung
- Ausgeprägte Übelkeit, Erbrechen
- Eher peripher-vestibuläre Störung
- Neu aufgetretene oder akzentuierte Hörstörung
- Verdacht auf Morbus Menière
- Seltener: Perilymphfistel, Bogengangsdehiszenz
- Visusstörung
- Verdacht auf okulär bedingtes Schwindelgefühl → Augenärztliche Abklärung nach Ausschluss anderer Ursachen
- Begleitende oder nachfolgende migränetypische Kopfschmerzen
- Verdacht auf vestibuläre Migräne
-
Sensible Ataxie, Propriozeptionsstörung
- Polyneuropathie → Klinisch-neurologische und elektrophysiologische Diagnostik sowie Ursachenabklärung
Weiterführende Diagnostik
- Verdacht auf kardiale/vaskuläre Erkrankungen
- Langzeit‑EKG
- Langzeit-Blutdruckmessung und Schellong-Test
- Echokardiografie
- Duplex-Sonografie der hirnversorgenden Gefäße
- Verdacht auf zentral-vestibuläre Störung
- Bei Symptombeginn innerhalb des Lysezeitfensters oder bei hochdynamischer klinischer Präsentation Vorgehen gemäß: Bildgebung bei V.a. akuten Schlaganfall - AMBOSS-SOP
- Ansonsten: cMRT (inkl. DWI, FLAIR, T2* und TOF-MR-A)
und weiteres Vorgehen dann je nach Befund
- Hörstörungen
- Sehstörungen
- Einfache Visusprüfung
- Ggf. weitere speziell augenärztliche Untersuchungen
- Unklare klinische Zuordnung von Nystagmen
- Verdacht auf multimodalen Altersschwindel
- Laboruntersuchung (inkl. Elektrolyt-, Leber-, Nieren- und Schilddrüsenparametern, Vitamin B12 etc.)
- Langzeit‑EKG
- Langzeit-Blutdruckmessung und Schellong-Test
- Echokardiografie
Therapie
Die Therapie richtet sich grundsätzlich nach der Ursache des Schwindels (siehe Kapitel der einzelnen Erkrankungen). Im Folgenden wird lediglich eine Übersicht gegeben über symptomatische Behandlungsansätze für Akutsituationen sowie zur langfristigen Unterstützung bei Schwindel, der nicht kausal therapierbar/heilbar ist (z.B. multimodaler Altersschwindel). Die Abklärung der Störungsursache darf auch bei erfolgreicher symptomatischer Therapie nicht vernachlässigt werden.
Medikamentöse Therapie [1]
Der noch gebräuchliche Begriff „Antivertiginosa“ bezeichnet Medikamente, die zur symptomatischen Therapie bei Schwindel eingesetzt werden. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um antiemetische und ggf. sedierende Wirkstoffe zur Behandlung quälender Begleiterscheinungen – die Bewegungsillusion selbst lässt sich pharmakologisch nicht beheben!
- Antihistaminika mit sedierender Wirkung
- Anticholinergika: Scopolamin
- Bei spezieller Indikation
- Bei Morbus Menière: Betahistin
- Insb. bei vestibulärer Migräne: Flunarizin
Benzodiazepine wie Lorazepam oder Clonazepam sollten nicht standardmäßig eingesetzt werden, können aber im Einzelfall in der Akutphase einer ausgeprägten Schwindelerkrankung zur kurzfristigen Behandlung quälender Unruhezustände hilfreich sein. Wegen ihrer Nebenwirkungen (Hypotonie etc.) muss ihr vorsichtiger Einsatz jedoch Notaufnahme und Krankenhaus vorbehalten sein, von einem ambulanten Einsatz wird dringend abgeraten!
Physio- und Ergotherapie [1]
Insb. bei älteren Menschen mit chronischem Schwindel sollte ein Gleichgewichtstraining mit Physio- und ggf. Ergotherapie an erster Stelle stehen!
Ziel ist das Einüben von Bewegungsabläufen und Verhaltensregeln zur Vermeidung der Entstehung von Schwindel sowie zur Sturzprophylaxe.
- Gleichgewichtstraining
- Gangschulung
- Bei zervikogenem Schwindel ggf. Versuch einer physikalischen Therapie mit Massagen, Wärmeanwendungen, Training der Muskulatur
AMBOSS-Podcast zum Thema
Schwindel – zwischen Schlaganfall und Psychosomatik (März 2023)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- H81.-: Störungen der Vestibularfunktion
- Exklusive: Schwindel: epidemisch (A88.1), o.n.A. (R42)
- H81.0: Ménière-Krankheit
- H81.1: Benigner paroxysmaler Schwindel
- H81.2: Neuropathia vestibularis
- H81.3: Sonstiger peripherer Schwindel
- Lermoyez-Syndrom
- Schwindel:
- Ohr-
- otogen
- peripher o.n.A.
- H81.4: Schwindel zentralen Ursprungs
- Zentraler Lagenystagmus
- H81.8: Sonstige Störungen der Vestibularfunktion
- H81.9: Störung der Vestibularfunktion, nicht näher bezeichnet
- Schwindelsyndrom o.n.A.
- H82*: Schwindelsyndrome bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.