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Morbus Menière

Letzte Aktualisierung: 16.4.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Morbus Menière ist gekennzeichnet durch eine anfallsartig auftretende Symptomtrias bestehend aus Drehschwindel, Tinnitus und akuter Hörminderung. Die Anfälle dauern Minuten bis Stunden und können mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Zusätzlich wird oft von einem Druckgefühl im betroffenen Ohr berichtet. Während die Anfallshäufigkeit über die Jahre i.d.R. abnimmt, besteht eine zunächst fluktuierende Tieftonschwerhörigkeit auch im anfallsfreien Intervall, die progredient verläuft. Die Krankheitsursache ist nicht geklärt, allerdings geht die Krankheit fast immer mit einem endolymphatischen Hydrops einher und wird grundsätzlich auf eine Störung der Innenohrhomöostase zurückgeführt. Es bestehen therapeutische Ansätze, um die Häufigkeit, Dauer und Stärke der Attacken zu verringern, allerdings mit teilweise geringer Evidenz.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Prävalenz: Ca. 200 pro 100.000 Personen [1]
  • Inzidenz: Ca. 13 pro 100.000 pro Jahr in Mitteleuropa [2]
  • Häufigkeitsgipfel: 40.–50. Lebensjahr
  • Geschlechterverhältnis: >

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

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Pathophysiologietoggle arrow icon

Der Erkrankung liegt eine Störung der Innenohrhomöostase zugrunde, deren Pathophysiologie im Detail ungeklärt ist. Es existieren verschiedene Erklärungsansätze. Das angeborene Immunsystem, proinflammatorische Zytokine sowie der Transkriptionsfaktor NF-κB scheinen bei der Krankheitsentstehung eine Rolle zu spielen. [7][8][9]

  • Endolymphhydrops: Lässt sich bei nahezu allen Betroffenen nachweisen
  • Membranrupturtheorie
  • Akute Anfallsymptomatik: Depolarisation von Haarsinneszellen, führt insb. zur Übererregbarkeit des Vestibularorgans als Ursache des Schwindelanfalls sowie zur akuten Hörstörung
  • Chronische Symptomatik: Langfristige, durch chronisch-rezidivierende Elektrolytstörungen bedingte Schädigung der Haarsinneszellen im Innenohr, bewirkt insb. progrediente Hörstörung
  • Besserung des akuten Schwindelanfalls: Wahrscheinlich durch spontane Verklebung der gerissenen Reissner-Membran [10]

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Symptomatiktoggle arrow icon

Symptomtrias [1][7][11]

  • Drehschwindel mit Übelkeit/Erbrechen
    • Akut rezidivierende Attacken
    • Attackendauer: Minuten bis Stunden
  • Hörminderung
    • Erkrankungsbeginn: Fluktuierendes Hörvermögen
      • V.a. im tiefen bis mittleren Frequenzbereich
      • Mit Druckgefühl auf dem betroffenen Ohr
    • Im Verlauf: Pankochleäre Schwerhörigkeit bis zur Taubheit
  • Tinnitus: Einseitig, meist tieffrequent, rauschend

Weitere Charakteristika [7]

  • Meist ist zunächst nur ein Ohr betroffen, bei einem Teil der Patient:innen erkrankt im Verlauf auch das zweite Ohr
  • Die Anfallshäufigkeit kann nach längerer Erkrankungsdauer abnehmen
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Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Sonderformen

  • Lermoyez-Syndrom: Im Gegensatz zum klassischen Morbus Menière verbessertes Hörvermögen im Anfall [8]
  • Tumarkin-Krise: Im Gegensatz zum klassischen Morbus Menière häufige Stürze und reißende Kopfschmerzen [10][12]
    • Ätiologie: Vermutlich Ruptur der trennenden Membranen im Sakkulus und dadurch spontane Bewegungen der Otolithen
    • Therapie: Wie Morbus Menière
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Diagnostiktoggle arrow icon

Für das Notfallmanagement bei Schwindel unklarer Ursache siehe: Schwindel - AMBOSS-SOP

Diagnostische Kriterien der Bárány Society (2015) [1]

Wenn folgende Kriterien vorliegen, spricht das eindeutig für einen Morbus Menière

  • Mehr als zwei spontane Schwindelattacken über eine Dauer von 20 min bis 12 h
  • Fluktuierende Symptomatik des betroffenen Ohrs: Hörminderung, Tinnitus, Druckgefühl
  • Audiometrisch erfasste Hörminderung im tiefen bis mittleren Frequenzbereich: ≥30 dB Hörminderung im Vergleich zum anderen Ohr in zwei benachbarten Frequenzen <2000 Hz Knochenleitung
  • Ausschluss anderer Ursachen

Die klinische Hypothese beruht auf einer typischen Anamnese und einem passenden klinischen Untersuchungsbefund während der Attacke. Mittels Audiometrie wird die Hypothese untermauert und eine definitive Diagnose gestellt!

Neuro-otologische Untersuchungsbefunde [7]

Apparative Diagnostik [7][13][14]

Es existiert kein einzelner pathognomonischer Testbefund für die Diagnose eines Morbus Menière. Entscheidend ist das Zusammentreffen von typischer Anamnese, passenden klinischen Untersuchungsbefunden und wegweisender Zusatzdiagnostik, allen voran der Tonschwellenaudiometrie.

Kochleäre Funktionsprüfung

Vestibuläre Funktionsprüfung

  • Videonystagmografie
    • Kalorische Prüfung: Untererregbarkeit oder Ausfall des betroffenen Labyrinths
    • Kopfimpulstest: Objektivierung von Overt- und Covert-Sakkaden
  • Ableitung der vestibulär evozierten myogenen Potenziale (VEMPs)
    • Primär zur Frühdiagnostik und Verlaufskontrolle
    • VEMPs fehlen in 35–54% der Fälle bei Morbus Menière [15]

Weitere (Ausschluss‑)Verfahren

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Differenzialdiagnosen des Morbus Menière [10][18]
Erkrankung Schwindel und Begleitsymptomatik Hörminderung Tinnitus

Morbus Menière

  • Im Mittel- bis Tieftonbereich
  • Rauschen oder Zischen
  • Kein Pulsieren

Neuropathia vestibularis

  • Keine
  • Nein

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel

  • Keine
  • Nein

Vestibuläre Migräne [19][20][21][22]

  • Selten bzw. allenfalls gering
  • Häufig Lärmempfindlichkeit evtl. in Kombination mit Photophobie
  • Selten

Vestibularisparoxysmie

  • Drehschwindel häufig abhängig von der Kopfposition
  • Sekunden bis Minuten Attackendauer
  • Selten
  • Selten

Perilymphfistel [23][24]

  • Dreh- oder Schwankschwindel
  • Spontannystagmus
  • Anamnestisch nach starkem Pressen, dem Tragen schwerer Lasten, posttraumatisch oder postoperativ
  • Sekunden bis Tage Attackendauer
  • Ja, Piepen oder Rauschen
Syndrom des dehiszenten Bogenganges [25][26][17]
  • Drehschwindel ausgelöst durch
    • Geräusche
    • Druckerhöhung (bspw. Schnäuzen)
    • Körperliche Belastung
  • Teilweise
  • Gelegentlich Ohrendruck oder Autophonie
  • Teilweise

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Akuttherapie [27]

Langfristige Therapie

  • Ziele
    • Reduktion von Häufigkeit, Dauer und Stärke der Attacken
    • Verhinderung des progredienten Hörverlusts
    • Eindämmung des Tinnitus
  • Individueller Therapieansatz insb. unter Einbeziehung möglicher Komorbiditäten wie Migräne oder Autoimmunerkrankungen
  • Aufklärung und Beratung der Patient:innen und ggf. physiotherapeutisches Schwindeltraining

Anfallsprophylaxe

Prophylaktische Therapie des Morbus Menière [9][14]
Stufe 1
  • Medikamentös
  • Diät: Salzarme Kost, Kaffee- und Nikotinverzicht
Stufe 2
  • Glucocorticoid-Applikation: Wiederholte Applikation transtympanal [9]
Stufe 3
  • Sakkotomie: Eröffnung des Schädelknochens im Bereich des Saccus (Teil des Gleichgewichtsorgans), sodass dieser sich ausdehnen kann
Stufe 4
  • Gentamicin-Applikation: Wiederholte Applikation transtympanal in das Mittelohr im Abstand von mehreren Wochen [29]
Stufe 5
  • Operativ in Einzelfällen: Neurektomie des N. vestibularis im inneren Gehörgang; Labyrinthektomie

Im Spätstadium nach ca. 9–10 Jahren lassen die Anfälle meist deutlich nach (sog. „Ausbrennen“), sodass in diesem Stadium oft keine Therapie notwendig ist!

Berufe, die einen intakten Gleichgewichtssinn erfordern (bspw. Dachdecker:in, Taucher:in, Gerüstarbeiter:in) oder bei denen Personen befördert werden (bspw. Busfahrer:in oder Pilot:in), dürfen nicht ausgeübt werden! Eventuell muss über eine generelle Fahruntauglichkeit aufgeklärt werden!

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Prognosetoggle arrow icon

  • Schwindelattacken: Verminderung um 60–70% innerhalb von 2–8 Jahren [9]
  • Hörverlust [7]
    • Durchschnittlich 50 dB innerhalb der ersten 10 Jahre mit Fluktuation
    • Evtl. bds. kompletter Hörverlust
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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