Zusammenfassung
Gewebe und Zellverbände reagieren auf äußere Einflüsse und passen sich diesen an. Eine wichtige Unterscheidung hierbei liegt beispielsweise in der Reaktion auf eine verstärkte Inanspruchnahme des Gewebes, der entweder durch Hypertrophie (Vergrößerung der einzelnen Zellen) oder Hyperplasie (Vermehrung der Zellzahl) begegnet wird. Dabei hat jeder Gewebetyp eine unterschiedliche Fähigkeit zur Anpassung und zur Regeneration. So kann sich bspw. labiles Gewebe (wie die Schleimhäute) sehr schnell vermehren und somit auch abheilen, wohingegen dies bei Ruhegewebe (wie Nervengewebe) praktisch ausgeschlossen ist. Darüber hinaus kann es auch zu schädigenden Einflüssen kommen, die zu einem Absterben der Zelle (Zelltod) führen können.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten Begriffe.
Zelluläre Anpassungsreaktionen (Adaptation)
Definition | Formen | |
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Atrophie |
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Hypertrophie |
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Hyperplasie |
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Metaplasie |
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Dysplasie |
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Proliferation |
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Regeneration |
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Ursachen der Zellschädigung
- Ischämischer Zellschaden
- Frühstadium (reversibel): Mitochondrienschädigung (Zellödem)
- Spätstadium (irreversibel): Membranschädigung
- Zelltod (Point of no return): Irreversible Schäden an Mitochondrien und Membranen
- Variable Vulnerabilität: Die verschiedenen Organe sind unterschiedlich anfällig für hypoxische Schäden.
- Physikalische Noxen
- Mechanisch
- Abschürfung
- Lazeration
- Kontusion
- Schnitt-, Stich-, Schusswunde
- Fraktur
- Thermisch
- Hypothermie (Erfrierung)
- Hyperthermie (Verbrennung)
- siehe auch Zeichen thermischer Schädigungen
- Elektrisch
- Strahlung
- Luftdruck
- Explosionen
- Dekompressionskrankheit bei Tauchern
- Mechanisch
- Immunologische Faktoren
- Genetische Defekte
- Zystische Fibrose (CFTR-Gen), Hämophilie A (Xq28-Gen), α1-Antitrypsin-Mangel
- Medikamentöse und chemische Schädigung
- Vorhersehbare Reaktionen: Durch die pharmakologische Wirkung oder chemische Struktur einer Substanz erklärbar
- Nicht vorhersehbare Reaktionen: Schädigungen, die nicht auf Grundlage der Wirkmechanismen, Dosis oder durch Tierversuche reproduzierbar sind. Die Schädigungen können toxischer, genetischer oder immunologischer Natur sein.
- Biologische Noxen
Zelltod
Eine irreversible Zellschädigung, ob nun hypoxischer, toxischer, physikalischer, immunologischer, genetischer oder mikrobieller Natur, führt entweder zur Apoptose oder zur Nekrose.
Apoptose
- Kurzbeschreibung: Programmierter Zelltod der Zelle (physiologische Zellmauserung)
- Charakteristika
- Genetisch festgelegt
- Betrifft meist einzelne Zellen und keinen Zellverband
- Keine Entzündungsreaktion (DD: Nekrose!)
- Gründe für eine Apoptoseinduktion
- DNA-Schäden
- Hypoxie und andere exogene Zellschädigungen (Radikale, Bestrahlung, Toxine)
- Entzug von Wachstumsfaktoren
- Spezifische Signale, wie Tumornekrosefaktor α (TNF-α) und Liganden (TRAIL, Fas-Ligand) aktivieren über Bindung an Todesrezeptoren („death-receptors“: DR 4/5, Fas-Rezeptor, TNF-R) das Apoptoseprogramm der Zelle
- Zytotoxische T-Zellen, die ein Pathogen auf der Zielzelle erkannt haben
- Ablauf
- Jede Apoptose wird intrazellulär mittels Cytochrom-C-Freisetzung aus dem Mitochondrium eingeleitet → Cytochrom-C aktiviert Caspasen → Die Apoptose beginnt
- Die Zellhaftung löst sich → Das Chromatin im Zellkern kondensiert → Zelle wird kleiner und verlässt den Zellverband → Fragmentierung der apoptotischen Zelle
- Phagozytose durch Makrophagen
Nekrose
- Kurzbeschreibung: Sammelbegriff für irreversible Gewebsuntergänge
- Charakteristika
- Ablauf: Zellschädigung → Verlust RNA → Zellkernschrumpfung (Kernpyknose) → Auflösung (Karyolyse) oder Zerfall (Karyorrhexis) des Zellkerns → Zellschwellung, Zellwandausbuchtungen, Zerstörung der Zellorganellen → Platzen der Zelle → Entzündung → Abbau des nekrotischen Gewebes durch Leukozyten → Organisation des Granulationsgewebes
Nekroseformen
Koagulationsnekrose
- Ursachen: Ischämie, Organschädigung durch Säuren
- Sonderformen
- Fibrillo-granuläre („käsige“) Nekrose durch spezielle Mikroorganismen wie Mycobacterium tuberculosis (verkäsende Nekrose) mit grau-gelbem Gewebe
- Gangrän ist eine ischämische Nekrose aufgrund eines Gefäßverschlusses
- Trockene Gangrän: Eintrocknen des Gewebes durch Wasserverlust
- Feuchte Gangrän: Verflüssigung des Gewebes mit bakterieller Besiedelung und fauligem Geruch
Kolliquationsnekrose
- Ursachen: Wirkung hydrolytischer Enzyme während der Autolyse oder Heterolyse
- Gewebserweichung → Flüssige Nekrose → Bildung von Pseudozysten
- Vorkommen insbesondere bei Schädigung von fetthaltigem Gewebe wie Hirn und Pankreas
- Bsp.: Schlaganfall , Pankreatitis, eitrige Infektion, Organschädigung durch Laugen
Fibrinoide Nekrose
- Ursachen: Kollagene und elastische Fasern fragmentieren
- Fragmente sind in Zelldetritus, Serum und Fibrin eingebettet
- Bsp.: Peptisches Magenulkus , rheumatoide Arthritis
Zelleinschlüsse
Verfettung
- Kurzbeschreibung: Erhöhte Einlagerung von Triglyzeriden (Neutralfette), Cholesterin und komplexeren Lipiden
- Vorkommen: Leber, Herz, Muskeln, Niere
- Nachweis: Sudan- oder Ölrotfärbung unfixierter oder Formalin-fixierter Gefrierschnitte
- Formen
- Intrazellulär
- Dystrophische Verfettung: Durch Hypoxie und Ischämie
- Ernährungsbedingt: Sowohl Über- als auch Unterernährung können zu zellulärer Verfettung führen.
- Stoffwechselbedingt: Chronischer Alkoholismus (Steatohepatitis), Diabetes mellitus
- Lipidspeicherkrankheiten, wie z.B. Morbus Niemann-Pick, Morbus Tay-Sachs, Morbus Gaucher
- Extrazellulär
- Ernährungsbedingt: z.B. Lipomatosis cordis
- Intrazellulär
Kalzifikation
- Metastatische Kalzifikation
- Ursache: Verkalkung von vitalem Gewebe meist durch tumorbedingte oder hormonelle Hyperkalzämie
- Tumorbedingt: Knochenmetastasen und erhöhter Knochenabbau
- Hormonell-bedingt: Hyperparathyreoidismus, Vitamin-D-Überdosis, Knochendemineralisation bei langer Immobilität
- Blutuntersuchung: I.d.R. Hyperkalzämie nachweisbar
- Ursache: Verkalkung von vitalem Gewebe meist durch tumorbedingte oder hormonelle Hyperkalzämie
- Dystrophische Kalzifikation
- Ursache: Verkalkung eines alten Entzündungsherdes oder nekrotischen Gewebes, z.B. bei Tuberkulose, Arteriosklerose, Herzklappen oder traumabedingt
- Blutuntersuchung: I.d.R. Normokalzämie nachweisbar
Hyalinisierung
- Definition von Hyalin: Hyalin ist kein spezifischer Körperbestandteil, sondern ein rein deskriptiver Begriff für Proteine, die im Lichtmikroskop homogen transparent erscheinen und sich in der H.E.-Färbung eosinophil (sowie in Gieson-Färbungen rot) darstellen. Es wird unter anderem zwischen intrazellulärem und extrazellulärem Hyalin unterschieden.
Intrazelluläres Hyalin
Intrazelluläres Hyalin | Morphologie | Vorkommen |
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Mallory-Körperchen | Hirschgeweihartige eosinophile Anfärbung | Hepatozyten, v.a. bei Alkoholabusus |
Councilman-Körperchen | Geschrumpfte, stark eosinophile Hepatozyten mit Zellkernpyknose | Apoptotische Hepatozyten, v.a. bei Virushepatitis (z.B. Hepatitis B) |
Schaumann-Körperchen | Rundliche Calcium-Proteineinschlüsse im Zytoplasma mit laminärer Schichtung | Granulome bei Sarkoidose |
Russell-Körperchen | Ansammlungen von Immunglobulinen | Plasmazellen beim Plasmozytom oder chronischen Entzündungen |
Extrazelluläres Hyalin
- Vaskuläres Hyalin
- Vorkommen: Gefäßveränderungen bei Diabetes mellitus und Hypertonie → Gefäßbrüchigkeit → Kann zu Hirnblutungen führen
- Fibrin
- Vorkommen: In Thromben und hyalinen Membranen
- Amyloid
- Vorkommen: Verschiedene Syndrome und Krankheiten (z.B. Amyloidose, Alzheimer-Krankheit)