Zusammenfassung
Mithilfe der Lungenfunktionsuntersuchung (umgangssprachlich auch „Lufu“) werden die verschiedenen Lungenvolumina gemessen, um eine pathologische Lungenventilation detektieren zu können. Dabei gilt es, obstruktive von restriktiven Ventilationsstörungen zu unterscheiden. Die meist mit einem Pneumotachografen durchgeführte Spirometrie misst am Mund partielle und maximal mobilisierbare Lungenvolumina sowie die Atemflussgeschwindigkeiten. Die Untersuchung ist zwar einfach und kostengünstig, bedarf aber der aktiven Mitarbeit des Patienten.
Die Ganzkörperplethysmografie ist eine Spirometrie in einem abgeschlossenen Raum und liefert errechnete Werte wie das Residualvolumen und die totale Lungenkapazität. Besteht der Verdacht auf eine Gasaustauschstörung wie beispielsweise bei Lungenfibrose durch Verlängerung der Diffusionsstrecke für CO2 und O2 zwischen Alveole und Kapillare, wird zusätzlich der sogenannte Transferfaktor bestimmt.
Lungenvolumina
Die Lungenvolumina sind abhängig von Geschlecht, Körpergröße und Alter. Angegeben sind näherungsweise die Messwerte eines jungen, gesunden Erwachsenen.
- Totalkapazität/Totale Lungenkapazität (TC/TLC): Volumen in der Lunge nach maximaler Inspiration; Normwert: ca. 6,0–6,5 L
- Vitalkapazität (VC): Volumendifferenz zwischen maximaler Ein- und Ausatmung; maximale Kapazität der Lunge, die ausgeschöpft werden kann (z.B. bei körperlicher Aktivität); Normwert: ca. 4,5–5,0 L
- Residualvolumen (RV): Volumen, das nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt; Normwert: ca. 1,0–1,5 L
- Atemzugvolumen (AZV bzw. Tidalvolumen VT): Volumen, das während eines Atemzyklus ein- und wieder ausgeatmet wird; Normwert ca. 0,5 L
- Inspiratorisches Reservevolumen (IRV): Volumen, das nach normaler Inspiration zusätzlich maximal inspiriert werden kann; Normwert: ca. 3,0–3,5 L
- Inspiratorische Reservekapazität (IRC): Volumen, das nach normaler Exspiration maximal inspiriert werden kann (IRV + Tidalvolumen); Normwert: ca. 3,5–4,0 L
- Exspiratorisches Reservevolumen (ERV): Volumen, das nach normaler Exspiration zusätzlich maximal exspiriert werden kann; Normwert: ca. 1,5 L
- Exspiratorische Reservekapazität (ERC): Volumen, das nach normaler Inspiration maximal exspiriert werden kann (ERV + Tidalvolumen); Normwert: ca. 2 L
- Funktionelle Residualkapazität (FRC): Summe aus Residualvolumen und exspiratorischem Reservevolumen; d.h. Volumen, das nach normaler Ausatmung noch in der Lunge verbleibt; Normwert: ca. 2,5–3,0 L
Spirometrie (Ruhespirometrie)
Routineuntersuchung mit einem handlichen Pneumotachografen zur Bestimmung der Atemvolumina und Luftflussgeschwindigkeiten
Diagnostisch relevante Werte der Spirometrie | |||
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Parameter | Abkürzung | Definition der Atemvolumina | Normwerte |
Peak expiratory Flow | PEF | Maximale Atemstromstärke bei forcierter Exspiration (in L/s) | ≥90% des alters- und geschlechtsspezifischen Normwertes |
Einsekundenkapazität | FEV1 | Das Atemvolumen, das nach maximaler Inspiration mit voller Kraft innerhalb der ersten Sekunde ausgeatmet werden kann | ≥90% des alters- und geschlechtsspezifischen Normwertes |
|
| Volumendifferenz zwischen maximaler Ein- und Ausatmung; Messung als:
| Alters- und geschlechtsabhängig; bei jungen, gesunden Erwachsenen ca. 4,5–5,0 L |
Tiffeneau-Index | Verhältnis von Einsekundenkapazität zu forcierter Vitalkapazität = (FEV1 / FVC) × 100% [1] | ≥70% | |
Mean expiratory Flow 75/50/25% | MEF 75/50/25% | Mittlere Atemstromstärke, wenn noch 75/50/25% der Vitalkapazität in der Lunge sind. | ≥90% des alters- und geschlechtsspezifischen Normwertes |
Spiroergometrie
Vor allem in der Leistungsdiagnostik eingesetztes spezielles Verfahren zur objektiven Messung der körperlichen kardio-pulmonalen Leistungsfähigkeit bei Belastung. Neben den durch ein Spirometriegerät gemessenen Ventilationsgrößen werden Sauerstoffaufnahme, Kohlenstoffdioxidabgabe und Atemminutenvolumen gemessen
Ganzkörperplethysmografie (Bodyplethysmografie)
- Definition: Routineverfahren zum Ausschluss einer pulmonalen Funktionseinschränkung
- Mögliche Indikationen
- Bei mangelnder Kooperation/Mitarbeit des Patienten bzw. zur Objektivierung der spirometrischen Befunde
- Verdacht auf ein Emphysem
- Bestimmung von
- Allen Parametern der Ruhespirometrie
- Resistance (R, Atemwegswiderstand)
- Residualvolumen
- Totaler Lungenkapazität
- Funktioneller Residualkapazität (FRC)
- Intrathorakalem Gasvolumen (ITGV)
- Mit einer zusätzlichen Ösophagusdrucksonde: Compliance
- Interpretation der Atemschleife
- Normalbefund: Gerade, schmale und homogene Schleifen
- Restriktive Ventilationsstörungen: Weitestgehend normwertige Form bei reduzierter Vitalkapazität
- Obstruktive Ventilationsstörungen: Abgeflachte Schleife durch erhöhten Atemwiderstand
Restriktive Ventilationsstörungen
- Definition: Verminderung der totalen Lungenkapazität
- Beispiele
- Pulmonal: Lungenfibrose
- Pleural: Pneumothorax, pleurale Verwachsungen
- Thoraxdeformation/mechanische Behinderung: Skoliose, Adipositas
- Neuromuskuläre Störungen: Lähmungen der Atemmuskulatur
- Befunde in der Spirometrie
- Vitalkapazität↓
- FEV1 normal/↓
- Tiffeneau-Index normal
Restriktive Ventilationsstörungen führen erst spät zu Blutgasveränderungen!
Obstruktive Ventilationsstörungen
- Definition: Durch intra- und/oder extrathorakale Einengung der Atemwege bedingte Erhöhung der Strömungswiderstände mit Verminderung der Einsekundenkapazität und des Tiffeneau-Index
- Beispiele
- Intrathorakale Atemwegsstenosen: Asthma bronchiale, COPD, Tumoren
- Extrathorakale Atemwegsstenosen: Larynxtumor, Stimmbandparese
- Befunde in der Spirometrie
- Vitalkapazität normal oder↓
- FEV1↓
- Tiffeneau-Index↓
- MEF75/50/25%: Eine Verringerung von MEF50% und MEF25% spricht für eine Obstruktion der peripheren kleinen Atemwege (z.B. bei Asthma bronchiale)
- Air Trapping: Treppenartiger Anstieg der Atemmittellage in der Spirometrie durch einen exspiratorischen Bronchiolenkollaps, der zu eingefangener Luft in den Alveolen führt (bspw. nach Pneumektomie) = relative Lungenüberblähung
Der Tiffeneau-Index ist der entscheidende Wert für obstruktive Ventilationsstörungen!
- Ergänzende Untersuchungen bei Verdacht auf eine Obstruktion
- Bronchospasmolysetest (Reversibilitätstest)
- Kurzbeschreibung: Die Untersuchung erlaubt die Unterscheidung zwischen reversibler und irreversibler Atemwegsobstruktion. Dabei werden 10 min vor und nach der Inhalation von schnell wirksamen Bronchodilatatoren FEV1 und der Atemwegswiderstand bestimmt.
- Interpretation: Ein Anstieg des FEV1 um 200 mL und 12% des Ausgangswertes weist auf eine reversible Atemwegsobstruktion (Asthma bronchiale) hin
- Bei Kindern kann die Spirometrie normal sein: Daher zur Beurteilung den z-Wert des FEV1 bzw. des Tiffeneau-Index nutzen!
- Methacholin-Provokationstest
- Kurzbeschreibung: Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität mit Obstruktion durch Applikation von Methacholin . Es wird vor und nach Applikation eine Lungenfunktionstestung durchgeführt.
- Interpretation: FEV1-Abfall ≥20% bzw. Verdopplung des spezifischen Atemwegswiderstandes (≥2,0 kPa×sec) gibt einen Hinweis auf das Vorliegen eines Asthma bronchiale
- Bronchospasmolysetest (Reversibilitätstest)
Der Methacholin-Provokationstest kann einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall auslösen! Deshalb muss immer(!) eine Bronchodilatation im Anschluss erfolgen.
Differenzialdiagnose obstruktive/restriktive Ventilationsstörung
Obstruktion | Restriktion | |
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FEV1 | ↓ | n/↓ |
Tiffeneau-Index (FEV1%VC) | ↓ | n(!) |
Vitalkapazität | n/↓ | ↓ |
Residualvolumen | n/↑ | ↓ |
Totale Lungenkapazität | n/↑ | ↓ |
Resistance | ↑ | n |
Compliance | n | ↓ |
Diffusionskapazität
- Kurzbeschreibung: Die Diffusionskapazität ist ein Maß für das Austauschvermögen der Lunge zwischen Alveolarraum und Hämoglobin. Gasaustauschstörungen betreffen meist nur den Sauerstoff, da Kohlenstoffdioxid eine 23-mal höhere Diffusionskapazität aufweist. Für die Messung wird Kohlenstoffmonoxid (CO) verwendet.
- Mögliche Indikationen
- Bei unklaren Hypoxämien, die nicht mittels Spirometrie oder anderer Diagnosen (z.B. Nachweis einer Lungenembolie) erklärt werden können
- Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle interstitieller Lungenerkrankungen
- Gemessene Werte
- Diffusionskapazität = CO-Transferfaktor (DLCO ): CO-Gasmenge, die pro Zeiteinheit und Partialdruckdifferenz zwischen Alveolarluft und kapillärem Blut der Lunge durch die alveolokapilläre Membran hindurch tritt
- Transferkoeffizient (DLCO/VA oder KCO ): Verhältnis der pro Zeiteinheit aufgenommenen CO-Gasmenge zum ventilierten Volumen
- Interpretation
- Diffusionskapazität↓, Transferkoeffizient↓ → Diffusionsstörung (bspw. Lungenfibrose)
- Diffusionskapazität↓, Transferkoeffizient normal → Verteilungsstörung: Verminderung der Diffusionsfläche ohne Diffusionsstörung (bspw. nach Pneumektomie, bei Lungenembolie oder bei Lungenemphysem)
- Beispiele für verminderte Diffusionskapazität
- Lungenfibrose: Verlängerung der alveolokapillären Diffusionsstrecke
- COPD: Reduktion der Gasaustauschfläche durch Strukturverlust der Lunge bei Emphysem
- Anämie: Fehlende CO-Transporter (Erythrozyten)
- Nikotinabusus: Höherer CO-Hämoglobin-Gehalt des Blutes