Zusammenfassung
Als Ertrinken bezeichnet man den innerhalb von 24 h eintretenden Tod infolge einer lebensbedrohlichen Submersion. Todesursache ist dabei die Asphyxie infolge einer Verlegung der Atemwege durch Wasser oder andere Flüssigkeiten. Aus rechtsmedizinischer Sicht wird i.d.R. zwischen typischem (Ertrinkungstod) und atypischem Ertrinken unterschieden. Das typische Ertrinken geschieht bei vollem Bewusstsein und ist vereinfacht durch den Kampf gegen das Ertrinken und die Aspiration von Flüssigkeit geprägt. Charakteristische Zeichen für diese Form sind Paltauf-Flecken, das Fritz-Zeichen und das Wydler-Zeichen. Das atypische Ertrinken zeichnet sich durch eine rasche Erstickung unter der Wasseroberfläche aus. Hierdurch sind charakteristische Zeichen des Ertrinkens sehr viel geringer ausgeprägt. Kenntnisse über die rechtsmedizinischen Merkmale des Ertrinkungstodes sind wichtig, um nachträglich ins Wasser verbrachte Leichen identifizieren zu können (Leichen-Dumping).
Typisches Ertrinken (Ertrinkungstod)
Das typische Ertrinken geschieht bei zunächst vollem Bewusstsein und erhaltenen Schutzreflexen. Bei einem Überlebenskampf gegen das Untertauchen findet ein Wechsel zwischen Inspiration von Luft und Aspiration von Wasser statt, wodurch sich postmortal charakteristische Ertrinkungszeichen nachweisen lassen.
- Pathophysiologie [1][2]
- Typisches bzw. klassisches Ertrinken: Submersion → Reflektorisches Luftanhalten → Schlucken größerer Flüssigkeitsmengen, wenn Atemreflex nicht mehr unterdrückt werden kann → Erbrechen und/oder unwillkürliche Inspiration → Mikroaspiration → Laryngospasmus → Zunehmende Hypoxie mit Bewusstlosigkeit → Lösen des Laryngospasmus mit weiterer Aspiration und Schaumbildung ODER anhaltender Laryngospasmus ohne weitere Aspiration → Zunehmende Hypoxie/Hypoxämie, Konvulsionen, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufstillstand
- Todesursache: Asphyxie infolge einer Verlegung der Atemwege durch Wasser oder andere Flüssigkeiten
- Ursachen bspw.
- Ungeübter Schwimmer
- Körperliche Erschöpfung im Wasser
- Befunde
- Schaumpilz
- Fritz-Zeichen (alt: Sehrtsche Magenschleimhautrisse)
- Wydler-Zeichen
- Wasser im Magen-Darmtrakt
- Lungenbefund
- Verminderung der Elastizität des Lungengewebes
- Emphysema aquosum: Überblähte trockene Lunge
- Oedema aquosum: Massiv aufgequollene Lunge
- Überblähte und aufgequollene Lungenlappen können sich mediastinal berühren oder sogar überlappen
- Paltauf-Flecken (Erstickungsblutungen)
- Klinischer Hinweis zum Ertrinkungsunfall: Art und Dauer der Überwachung richten sich nach der klinischen Symptomatik [3][4]
Atypisches Ertrinken
Das atypische Ertrinken zeichnet sich durch einen schnellen Erstickungsvorgang aus, ohne dass die betroffene Person wiederholt Luft an der Wasseroberfläche holen kann. Durch eine fehlende inspiratorische Phase und dem Dominieren einer Aspiration von Wasser sind die "typischen" Befunde des Ertrinkens (Paltauf-Flecken, Wydler-Zeichen, Schaumpilz u.a.) sehr viel geringer ausgeprägt.
- Ursachen bspw.
- Betroffene Person wird gewaltsam unter Wasser gehalten
- Bewusstlosigkeit durch Schädel-Hirn-Trauma (z.B. Kopfsprung)
- Todesursache: Asphyxie infolge einer Verlegung der Atemwege durch Wasser oder andere Flüssigkeiten
- Befund
- Typische Ertrinkungszeichen (z.B. Paltauf-Flecken, Wydler-Zeichen) können fehlen oder nur gering ausgeprägt sein
- Ggf. Hinweise auf eine spezifische Ursache des Ertrinkens
Badetod
Beim Badetod kommt es i.d.R. zu einem plötzlichen Bewusstseinsverlust, aufgrund dessen der oder die Betroffene lautlos untergeht. Es handelt sich um eine seltene Form des Todes im Wasser, bei der postmortale Charakteristika des typischen Ertrinkens wie z.B. Flüssigkeit in den Lungen häufig völlig fehlen.
- Ursachen
-
Badetod im engeren Sinne
- Reflektorischer Kreislaufstillstand durch z.B. Kälte des Wassers, Disposition (pathologische Reflexe ) und/oder Intoxikation (z.B. Alkohol)
-
Badetod im weiteren Sinne
- Tod natürlicher Ursache (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall), der sich zufällig im Wasser ereignet
-
Badetod im engeren Sinne
- Befund
- Typische Ertrinkungszeichen (z.B. Paltauf-Flecken, Wydler-Zeichen) können fehlen oder nur gering ausgeprägt sein
- Ggf. Hinweise auf eine spezifische Ursache des Ertrinkens
Wasserleichen
- Treibverletzungen
- Waschhautbildung; Fettwachsbildung (Adipocire); Verletzung der Leiche durch Leichenfraß, Schiffsschrauben etc.
Nur weil eine Leiche im Wasser gefunden wurde, muss die Todesursache nicht zwangsläufig Ertrinken sein, da Leichen mitunter nach ihrem Tod an andere Orte verbracht werden (sog. Dumping)!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- T75.-: Schäden durch sonstige äußere Ursachen
- T75.1: Ertrinken und nichttödliches Untertauchen
- Schwimmkrampf
- Untertauchen
- T75.1: Ertrinken und nichttödliches Untertauchen
- X59.-:! Akzidentelle Exposition gegenüber sonstigen und nicht näher bezeichneten Faktoren
- X59.9!: Sonstiger und nicht näher bezeichneter Unfall
- Ertrinken und Untergehen
- X59.9!: Sonstiger und nicht näher bezeichneter Unfall
Unfälle durch Ertrinken und Untergehen (W65–W74)
- Exkl.: Ertrinken und Untergehen durch:
- Naturkatastrophe (X34–X39)
- Transportmittelunfälle (V01–V99)
- Wasserfahrzeugunfall (V90.-, V92.‑)
- W65: Ertrinken und Untergehen in der Badewanne
- W66: Ertrinken und Untergehen nach Sturz in die Badewanne
- W67: Ertrinken und Untergehen im Schwimmbecken
- W68: Ertrinken und Untergehen nach Sturz ins Schwimmbecken
- W69: Ertrinken und Untergehen in natürlichem Gewässer
- Inkl.: Fluss, Offene See, See, Strom
- W70: Ertrinken und Untergehen nach Sturz in natürliches Gewässer
- W73: Sonstiges näher bezeichnetes Ertrinken und Untergehen
- Inkl.: Löschwasserbehälter, Staubecken
- W74: Nicht näher bezeichnetes Ertrinken und Untergehen
- Inkl.: Ertrinken o.n.A., Sturz ins Wasser o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.