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Schädel-Hirn-Trauma

Letzte Aktualisierung: 6.12.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine Verletzung des Schädels mit konsekutiver Funktionsstörung und/oder struktureller Schädigung des Gehirns. Mittels der Glasgow Coma Scale (GCS) erfolgt die Ersteinschätzung der Patient:innen und die Einteilung in ein leichtes, mittelschweres oder schweres SHT. Je nach Schweregrad kann sich die Verletzung klinisch durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Vigilanzminderungen bis hin zum lebensbedrohlichen Koma zeigen. Neben Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung stellt die notfallmäßige CT-Bildgebung den diagnostischen Goldstandard dar.

Zur frühzeitigen Abwendung von Komplikationen ist eine engmaschige klinische Überwachung notwendig. Therapeutisch kann bei intrakraniellen Blutungen oder Schädelfrakturen eine operative Therapie notwendig sein. Je nach Schwere der intrakraniellen Verletzung sind Verläufe mit kompletter Remission neurologischer Defizite bis hin zu Verläufen mit schweren bleibenden Behinderungen möglich.

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Definitiontoggle arrow icon

  • Schädel-Hirn-Trauma: Verletzung des Schädels mit konsekutiver Funktionsstörung und/oder struktureller Schädigung des Gehirns
    • Ggf. verbunden mit einer Prellung bzw. Verletzung der Kopfschwarte, des Schädelknochens, der intra- und extrakraniellen Gefäße oder der Dura mater
  • Einteilung nach Zustand der Dura mater

Schweregrad-Einteilung des SHT nach GCS

Anhand der Summe aus den 3 Teilscores (Augenöffnen, verbale und motorische Reaktion) der GCS werden 3 Schweregrade definiert: [1]

  • Leichtes SHT: GCS 13–15 Punkte
  • Mittelschweres SHT: GCS 9–12 Punkte
  • Schweres SHT: GCS ≤8 Punkte

Klinische Kriterien des leichten SHT nach WHO [2][3]

Veraltete Bezeichnungen

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Inzidenz: 332/100.000 Einwohner:innen pro Jahr [4]
  • Häufigkeitsgipfel [6]
    • Frühe Kindheit
    • Späte Jugend bis frühes Erwachsenenalter [4]
    • Geriatrische Patient:innen ab ca. 75 Jahren

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

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Pathophysiologietoggle arrow icon

Die Schädigung, die ein Schädel-Hirn-Trauma im Hirngewebe verursacht, lässt sich pathophysiologisch in eine primäre und eine sekundäre Hirnschädigung unterteilen, je nachdem ob sie direkt durch das Trauma oder als Folgeerscheinung auftritt.

Primärer Hirnschaden [6][8][9]

Sekundärer Hirnschaden [6][8][9]

Die sekundäre Hirnschädigung ist prinzipiell vermeidbar. Neuroprotektive Maßnahmen sollten bei Patient:innen mit neurologischer Schädigung daher frühstmöglich begonnen werden!

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Symptomatiktoggle arrow icon

Begleitverletzungen

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Präklinisches Managementtoggle arrow icon

Erstmaßnahmen [4]

Bei unklarem Befund muss die HWS bis zum radiologischen Ausschluss einer Verletzung immobilisiert bleiben!

Die Vitalparameter bei SHT können sich schnell verschlechtern, sodass jederzeit ein Eingreifen nach dem cABCDE-Schema nötig werden kann!

Anamnese [4]

Als Notfall-Anamnese (bspw. mit dem SAMPLE-Schema) mit Fokus auf:

  • Informationen zum Unfall
  • Aktuelle Beschwerden inkl. Symptomverlauf und Schmerzanamnese
  • Medizinische Vorgeschichte und Medikamentenanamnese

Körperliche Untersuchung [4]

Allgemeine und internistische Untersuchung

  • Äußere Verletzungszeichen des Kopfes, z.B. Schwellung, Riss- oder Platzwunden, Prellmarken oder Schädeldeformitäten, Hämatome , Austritt von Blut, Liquor oder Hirngewebe aus Mund, Nase oder Ohren
  • Hinweise auf weitere Verletzungen oder kardiopulmonale Instabilität

Neurologische Untersuchung

Als neurologische Notfalluntersuchung mit Fokus auf:

Alle Befunde der Anamnese und körperlichen Untersuchung sorgfältig erheben und nach Versorgung des:der Patient:in mit der jeweiligen Uhrzeit dokumentieren!

Notfallversorgung

Entscheidung zur Krankenhausaufnahme bzw. CT-Bildgebung

  • Grundregel: Jedes SHT sollte weiter abgeklärt werden, außer es handelt sich um ein leichtes SHT ohne jegliche Hinweise auf eine intrakranielle Verletzung
  • Patientenaufklärung bei ambulanter Therapie [3]
    • Informationen zu möglichen Warnhinweisen einer Verschlechterung
    • Entlassung in die Häuslichkeit unter Gewährleistung einer Beobachtung durch Angehörige für 24 h
    • Körperliche Schonung für 24–72 h, ausreichend Schlaf
    • Herantastende Wiederaufnahme von Alltagstätigkeiten unter Vermeidung einer Symptomexazerbation, inkl. leichter körperlicher Bewegung
    • Vermeidung von Aktivitäten mit erhöhter Unfallgefahr (bspw. Kontaktsportarten) bis zur Symptomfreiheit
    • Ambulante Kontrolle innerhalb von 14 Tagen

Bei einer ambulanten Therapie eines leichten Schädel-Hirn-Traumas sollte eine engmaschige Überwachung des:der Patient:in über mind. 24 h durch Angehörige oder Bekannte gewährleistet sein!

Rettung und Transport

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Vorgehen in der Notaufnahme (AMBOSS-SOP)toggle arrow icon

Erstmaßnahmen [4]

Bei unklarem Befund muss die HWS bis zum radiologischen Ausschluss einer Verletzung immobilisiert bleiben!

Die Vitalparameter bei SHT können sich schnell verschlechtern, sodass jederzeit ein Eingreifen nach dem cABCDE-Schema nötig werden kann!

Anamnese [4]

Als Notfallanamnese (bspw. mit dem SAMPLE-Schema) – ggf. als Vervollständigung der Angaben im Rettungsschein – mit Fokus auf:

  • Informationen zum Unfall
  • Aktuelle Beschwerden inkl. Symptomverlauf und Schmerzanamnese
  • Medizinische Vorgeschichte und Medikamentenanamnese

Körperliche Untersuchung [4]

Zeichen einer möglichen transtentoriellen Herniation: Dilatierte, nicht auf Licht reagierende Pupille, Beuge- oder Strecksynergismen und abnehmende Wachheit mit sinkendem GCS-Punktwert in der Verlaufstestung!

Notfallversorgung

Steril verbundene Wunden abgedeckt lassen!

Bildgebung

Weitere Versorgung [3][12]

Leichtes SHT

  • Engmaschige klinische Kontrollen
  • Regelmäßige Reevaluation des GCS alle 0,5–2 h
  • Entlassungsmanagement
    • Entlassungskriterien
    • Patientenaufklärung [3]
      • Informationen zu möglichen Warnhinweisen einer Verschlechterung
      • Entlassung in die Häuslichkeit unter Gewährleistung einer Beobachtung durch Angehörige für 24 h
      • Körperliche Schonung für 24–72 h, ausreichend Schlaf
      • Herantastende Wiederaufnahme von Alltagstätigkeiten unter Vermeidung einer Symptomexazerbation, inkl. leichter körperlicher Bewegung
      • Vermeidung von Aktivitäten mit erhöhter Unfallgefahr (bspw. Kontaktsportarten) bis zur Symptomfreiheit
      • Ambulante Kontrolle innerhalb von 14 Tagen

Eine Entlassung kann nur erwogen werden, wenn kein erhöhtes Risiko für einen gefährlichen Verlauf und damit gleichbedeutend auch keine Indikation zur Bildgebung besteht. Liegen Risikofaktoren vor, sollte aber auch bei unauffälligem CT-Befund eine mind. 24-stündige stationäre Überwachung erfolgen (die CT liefert nur eine Momentaufnahme!)!

Bei einer ambulanten Therapie eines SHT sollte eine engmaschige Überwachung des Patienten über min. 24 h durch Angehörige oder Bekannte gewährleistet sein!

Alle weiteren Fälle

Spezifische Therapie je nach klinischem und radiologischem Befund, z.B.:

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Diagnostiktoggle arrow icon

Zum praktischen diagnostischen und therapeutischen Management je nach Setting siehe:

Anamnese und körperliche Untersuchung

Bildgebende Diagnostik [4][13]

  • Indikationen für eine cCT bei isoliertem SHT: Grundsätzlich großzügige Indikationsstellung (außer bei leichtem SHT ohne jegliche Hinweise auf eine intrakranielle Verletzung)
  • Indikationen für eine cCT bei SHT im Rahmen eines Polytraumas siehe: Polytrauma-CT
  • Gründe zum Verzicht auf eine Bildgebung nach leichtem SHT: Alle Kriterien müssen erfüllt sein! [12][14][15]
  • Wiederholung der cCT
    • Bei neu auftretenden oder sich verschlechternden neurologischen Symptomen
    • Bei bewusstlosen Patient:innen
    • Bei Blutungszeichen im initialen cCT

Die Indikation zur CT-Bildgebung sollte großzügig gestellt werden! Zum Verzicht auf eine Bildgebung müssen alle oben genannten Kriterien erfüllt sein!

Notfall-CT: Goldstandard

CT-Befunde häufiger intrakranieller Komplikationen bei SHT
CT-Befund
Kontusionsblutung
  • Heterogene Läsion mit
    • Einblutungen
    • Nekrotischen und/oder ödematösen Anteilen
    • Im Verlauf Entwicklung eines umgebenden Hirnödems
Epidurales Hämatom
Subarachnoidalblutung (SAB)
Akutes subdurales Hämatom
  • Hyperdensität in Subduralraum: Klassisch halbmondförmig
  • Ggf. Mittellinienverschiebung im fortgeschritteneren Stadium
Chronisches subdurales Hämatom
Hirnödem

Diffuser Axonschaden

Erweiterte Bildgebung bei SHT

  • MRT: Bei Kindern, unauffälligem CT-Befund, V.a. Kompression des zervikalen Rückenmarks, V.a. diffusen axonalen Schaden oder zur Abklärung neurologischer Störungen bei nicht-pathologischem CT-Befund
  • FAST (Sonografie): Bei V.a. Mehrfachverletzung, Polytrauma, Hochrasanztrauma

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Therapietoggle arrow icon

Das Ziel der Therapiemaßnahmen liegt in der Eingrenzung bzw. Vermeidung eines sekundären Hirnschadens sowie in der Herstellung der optimalen Voraussetzung zur neuronalen Regeneration.

Zum praktischen diagnostischen und therapeutischen Management je nach Setting siehe:

Erst- und Basismaßnahmen

Es erfolgt immer eine Therapie der aktuellen klinisch-neurologischen Situation! Der neurologische Status sollte regelmäßig kontrolliert werden, da beim SHT Verläufe mit hoher Dynamik möglich sind!

Konservative Therapie [4]

  • Indikation
    • Keine sichtbare Raumforderung
    • In Einzelfällen: Nicht raumfordernde Blutung und stabiler neurologischer Befund
  • Maßnahmen
    • Engmaschige klinische und radiologische Kontrollen, ggf. intensivstationäre Überwachung
    • Bei erhöhtem ICP: Hirndrucksenkung
      • Ziel-CPP: 50–70 mmHg
    • Reduktion von Stress und Stressoren
    • Thromboseprophylaxe mittels physikalischer Maßnahmen
    • Ggf. medikamentöse Prophylaxe epileptischer Anfälle: Für 1–2 Wochen
    • Bei klinischer Verschlechterung oder Progress einer Raumforderung: Kontroll-CT und ggf. operative Entlastung

Operative Therapie [4]

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Komplikationentoggle arrow icon

Akutkomplikationen

Langzeitkomplikationen

  • Posttraumatische Kopf- und Nackenschmerzen: Sehr häufig nach SHT
    • Auftreten: Innerhalb von 14 Tagen nach Trauma
    • Verlauf
      • Akut: ≤8 Wochen nach Trauma
      • Chronisch: >8 Wochen nach Trauma
    • Klinik: Meist okzipital betonte Kopfschmerzen
      • Dumpf-drückend oder ziehender Charakter
      • Oft Schmerzpeak am Abend
      • Ggf. Übelkeit und Schwindel
  • Postkommotionelles Syndrom
  • Hypophyseninsuffizienz: Häufig übersehen!
  • Posttraumatische Epilepsie
  • Dezerebration: Ausfall von Gehirnfunktionen bis hin zum Syndrom der reaktionslosen Wachheit

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Prognosetoggle arrow icon

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Studientelegramme zum Thematoggle arrow icon

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Patienteninformationentoggle arrow icon

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Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Glasgow Coma Scale (GCS)

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • S06.-: Intrakranielle Verletzung
  • S06.0: Gehirnerschütterung
  • S06.1: Traumatisches Hirnödem
  • S06.2-: Diffuse Hirnverletzung
    • S06.20: Diffuse Hirn- und Kleinhirnverletzung, nicht näher bezeichnet
    • S06.21: Diffuse Hirnkontusionen
    • S06.22: Diffuse Kleinhirnkontusionen
    • S06.23: Multiple intrazerebrale und zerebellare Hämatome
    • S06.28: Sonstige diffuse Hirn- und Kleinhirnverletzungen
      • Multiple Rissverletzungen des Groß- und Kleinhirns
  • S06.3-: Umschriebene Hirnverletzung
    • S06.30: Umschriebene Hirn- und Kleinhirnverletzung, nicht näher bezeichnet
    • S06.31: Umschriebene Hirnkontusion
    • S06.32: Umschriebene Kleinhirnkontusion
    • S06.33: Umschriebenes zerebrales Hämatom
  • S06.34: Umschriebenes zerebellares Hämatom
  • S06.38: Sonstige umschriebene Hirn- und Kleinhirnverletzungen
  • S06.4: Epidurale Blutung
  • S06.5: Traumatische subdurale Blutung
  • S06.6: Traumatische subarachnoidale Blutung
  • S06.7-!: Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma
    • S06.70!: Weniger als 30 Minuten
    • S06.71!: 30 Minuten bis 24 Stunden
    • S06.72!: Mehr als 24 Stunden, mit Rückkehr zum vorher bestehenden Bewusstseinsgrad
    • S06.73!: Mehr als 24 Stunden, ohne Rückkehr zum vorher bestehenden Bewusstseinsgrad
    • S06.79!: Dauer nicht näher bezeichnet
  • S06.8: Sonstige intrakranielle Verletzungen
  • S06.9: Intrakranielle Verletzung, nicht näher bezeichnet
    • Hirnstammverletzung o.n.A.
    • Hirnverletzung o.n.A.
    • Intrakranielle Verletzung o.n.A.
    • Exklusive: Verletzung des Kopfes o.n.A. (S09.9)

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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