Zusammenfassung
Das Ulcus molle (auch „Weicher Schanker“) ist eine sexuell übertragbare Infektionskrankheit, bei der es zur Ausbildung von schmerzhaften, weichen Ulzerationen an den Geschlechtsorganen kommt. Erreger ist das Bakterium Haemophilus ducreyi. Die Erkrankung tritt vor allem in den Tropen und Subtropen auf; in Ländern des Globalen Nordens wie Deutschland kommt sie nur noch selten vor. Die antibiotische Therapie erfolgt z.B. mit Ceftriaxon; die Prognose bei Behandlung ist gut.
Epidemiologie
- Verbreitung
- In Deutschland selten
- In tropischen und subtropischen Gebieten (Afrika, Südostasien, Mittel- und Südamerika) verbreitet
- Über die letzten zwei Jahrzehnte kam es in zahlreichen Ländern zu einem starken Abfall der Inzidenz von Haemophilus-ducreyi-Infektionen
- Geschlecht: ♂ > ♀
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger und Erregerreservoir
- Haemophilus ducreyi, Bakterium der Gattung Haemophilus (gramnegatives Stäbchen, fakultativ anaerob)
- Mensch ist einziger Wirt
- Infektionsweg
- Übertragung durch infektiöses Sekret aus Ulzerationen beim Geschlechtsverkehr
Ein Ulcus molle begünstigt die Infektion mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen!
Symptomatik
- Inkubationszeit: 3–7 Tage, gelegentlich bis zu 2 Wochen
- Verlauf
- Meist mehrere schmerzhafte, erythematöse, weiche Papeln im Genitalbereich (insb. Vorhaut, Frenulum, Labien)
- Im Verlauf Pustelbildung und Ulzeration mit zerklüftetem Randwall
- Regionale, meist einseitige und schmerzhafte Lymphknotenschwellung in 50 % der Fälle
- Bei Frauen: Gelegentlich schmerzlose Verläufe (oberflächliche Ulzera in Vagina oder an Zervix)
- Durch Autoinokulation: Ulzerationen außerhalb des Genital- und Analbereichs
- Komplikationen
- Perforation entzündeter Lymphknoten
- Superinfektion der Ulzera
- Phimose
- Doppelinfektionen mit anderen Erregern (etwa Treponema pallidum)
Das Ulcus molle ist im Gegensatz zum Ulcus durum oft schmerzhaft → Der Erreger ist Haemophilus du-creyi = „do cry“ = schmerzhaft
Diagnostik
- Anamnestische Hinweise (Auslandsaufenthalte in Risikogebieten inkl. Sexualkontakten zu Einheimischen)
- Klinisches Bild (schmerzhafte Genitalulzera)
- Erregernachweis
- PCR aus Abstrichmaterial
- Mikroskopischer Nachweis (Gramfärbung) aus Abstrichen von Ulkusrand und -basis oder Lymphknotenpunktat: Gramnegative Stäbchen in „fischzugartiger Anordnung“
- Kultureller Erregernachweis: Schwierig (benötigt Spezialmedium)
- Zusatzdiagnostik
- Ausschluss einer Infektion mit Treponema pallidum (Syphilis, siehe: Diagnostik der Syphilis) und HSV (Herpes genitalis)
- HIV-Test
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnose müssen andere Erkrankungen in Betracht gezogen werden, bei denen genitale Ulzerationen auftreten.
- Syphilis (Primärstadium)
- Herpes genitalis
- Lymphogranuloma venereum
- Granuloma inguinale
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Granuloma inguinale
- Synonyme: Donovanosis, Granuloma venereum
- Epidemiologie
- Endemische Verbreitung in Low Income Countries, insb. in Südafrika, Teilen Südostasiens und auf den karibischen Inseln
- Geschlecht: ♂>♀ = 10:1
- Erreger: Klebsiella granulomatis (Calymmatobacterium granulomatis)
- Infektionsweg: Enger Hautkontakt, Geschlechtsverkehr
- Inkubationszeit: Einige Tage bis 12 Wochen
- Klinik
- Meist schmerzlose solitäre oder multiple ulzerierende Effloreszenzen im Genitalbereich, die sich peripher ausbreiten und großflächige, ulzerogranulomatöse Läsionen bilden
- Im Verlauf ggf. inguinale, subkutane Granulome (sog. Pseudobubonen)
- Komplikationen: Bakterielle Sekundärinfektion
- Diagnostik
- Reiseanamnese mit Aufenthalt in Endemiegebiet
- Mikroskopischer Nachweis von kurzen, gramnegativen bekapselten Stäbchen
- Giemsa-Färbung von Gewebeausstrichen oder von Biopsiematerial
- Differenzialdiagnosen
- Lymphogranuloma inguinale (durch Chlamydia trachomatis)
- Ulcus durum (bei Syphilis)
- Therapie: Tetracycline, Makrolide oder Cotrimoxazol
Das Granuloma inguinale (Erreger: Klebsiella granulomatis) ist leicht zu verwechseln mit dem Lymphogranuloma inguinale (Erreger: Chlamydia trachomatis Serotyp L1-L3)!
Therapie
Antibiotische Therapie [1]
- 1. Wahl: Ceftriaxon als Einmaldosis i.m. (auch bei Kindern sowie in Schwangerschaft und Stillzeit) oder Azithromycin
- 2. Wahl: Ciprofloxacin oder Erythromycin
- Bei Abszessen der Leistenregion („Bubonen“): Antibiotische Therapie über mind. 2 Wochen [2]
- Eine begleitende Therapie gegen Syphilis oder Herpes genitalis kann bei genitalen Ulzera angezeigt sein (Mischinfektionen kommen vor)
Weitere Therapieoptionen
- Entlastung inguinaler Abszesse (Nadelaspiration, ggf. wiederholt)
Prognose
- Gute Prognose bei antibiotischer Therapie: Abheilung mit Narbenbildung
- Unbehandelt: Fistelbildung möglich
Prävention
- Aufklärung von Risikogruppen (Sexarbeiter:innen insb. in Ländern des globalen Südens)
- Kondome senken das Infektionsrisiko
- Sexuelle Enthaltsamkeit während der Erkrankung
- Untersuchung und Behandlung von Sexualpartnern (bis 10 Tage vor Symptombeginn), auch wenn diese asymptomatisch sind [1]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A57: Ulcus molle (venereum)
- Inklusive: Weicher Schanker
- A58: Granuloma venereum (inguinale)
- Inklusive: Donovanosis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.