Zusammenfassung
Die Schwangerschaft beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und dauert 40 Wochen post menstruationem (p.m.). Der Entbindungstermin kann rechnerisch mit der Naegele-Regel oder sonografisch bestimmt werden. Bis zu der Geburt wächst der Embryo bzw. Fötus (ab der 9. SSW p.c. wird er so bezeichnet) heran. Er ist von Fruchtwasser und den Eihäuten umgeben und über die Nabelschnur mit der Plazenta verbunden, die sich aus kindlichen und mütterlichen Anteilen bildet. Die Plazenta versorgt das Kind mit Sauerstoff und Nährstoffen, sorgt für den Abtransport von Stoffwechselprodukten und produziert Hormone. Diese Hormone sind für die Erhaltung und Entwicklung der Schwangerschaft und die physiologische Adaptation des mütterlichen Organismus an die Schwangerschaft verantwortlich. Einige dieser physiologischen Anpassungsvorgänge werden auch zu den unsicheren Schwangerschaftszeichen gezählt. Die sicheren Schwangerschaftszeichen weisen dagegen einen lebenden Fötus mittels sonografischer oder auskultatorischer Darstellung der Herzaktion und später die Wahrnehmung kindlicher Bewegungen nach.
Schwangerschaftsentstehung und -verlauf
Der Prozess der Schwangerschaftsentstehung wird in seiner zeitlichen Abfolge durch spezifische Begrifflichkeiten beschrieben .
Schwangerschaftsentstehung und -verlauf | |||
---|---|---|---|
Zeitpunkt | Entwicklung | Erklärung | Evtl. Störungen |
Tag 1 | Kapazitation | Reifungsprozess des Spermiums, der unter Östrogeneinfluss im weiblichen Genitaltrakt stattfindet und das Spermium dazu befähigt, in eine Eizelle einzudringen | Genopathien und Gametopathien |
Konzeption | Befruchtung der Eizelle durch das reife Spermium, dabei wird zwischen der Akrosomenreaktion (Auflösung der Zellmembran des Spermiums und der Zona pellucida der Eizelle) und der Imprägnation (Eindringen des Spermiums in die Eizelle) unterschieden | ||
Konjugation | Verschmelzung der Zellkerne von Spermium und Eizelle, Entstehung der Zygote | ||
Tag 2–5 | Morula → Blastozyste | Beginn der Zellteilung und gleichzeitigen Wanderung der Zygote entlang der Tube in das Uteruskavum; durch funktionelle Aufteilung der einzelnen Zellen entsteht die Blastozyste, die sich in den außen gelegenen Trophoblast und den innen gelegenen Embryoblast gliedert | Blastopathien |
Tag 6 | Implantation (Nidation) | Einnistung der Blastozyste durch Eindringen des Trophoblasten in das Endometrium meist an der Vorder- oder Hinterwand des Fundus uteri; in einigen Fällen erfolgt dabei ein leichter vaginaler Blutabgang (Nidationsblutung), der eine Menstruation vortäuschen kann | |
Der Trophoblast differenziert sich weiter in den Synzytiotrophoblast, der an der Entwicklung der Plazenta beteiligt ist, und den Zytotrophoblast, der die Chorionhöhle bildet, von der der Embryoblast umgeben ist | |||
Tag 10–12 | Uteroplazentarer Kreislauf | Anschluss an das mütterliche Gefäßsystem | |
bis 8. Woche | Embryogenese | Organanlage von (zeitliche Reihenfolge): ZNS > Herz > Ohr u. Auge, Arme u. Beine > Zähne u. Gaumen > äußere Genitalien | Embryopathien |
ab 9. Woche | Fetogenese | Ausreifung des Organismus | Fetopathien |
Schwangerschaftsdauer
Die Schwangerschaft dauert i.d.R 40 Wochen post menstruationem (p.m.) bzw. 38 Wochen post conceptionem (p.c.).
- Trimenone der Schwangerschaft [1]
- Die Schwangerschaftsdauer kann auf zwei verschiedene Weisen angegeben werden
- Menstrualalter (post menstruationem, p.m.) in Schwangerschaftswochen (SSW)
- Grundlage: 1. Tag der letzten Menstruationsblutung
- Schwangerschaftsdauer beträgt nach dieser Berechnung 280 Tage, d.h. ca. 40 Wochen
- Ovulationsalter (post ovulationem/conceptionem, p.c.) in Entwicklungswochen
- Grundlage: Tag des letzten Eisprungs (tatsächliches Schwangerschaftsalter)
- Tatsächliche Schwangerschaftdauer beträgt ca. 38 Wochen
- Menstrualalter (post menstruationem, p.m.) in Schwangerschaftswochen (SSW)
- Datierung: In der Geburtshilfe wird die Schwangerschaftsdauer post menstruationem (p.m.) datiert. Die gängige Schreibweise beinhaltet abgeschlossene Schwangerschaftswochen + abgeschlossene Tage (0–6) der laufenden Schwangerschaftswoche. Beispiele:
- 24+5 SSW: Die Patientin befindet sich am 6. Tag der 25. Schwangerschaftswoche
- 17+0 SSW: Die Patientin befindet sich am 1. Tag der 18. Schwangerschaftswoche (bzw. die 17. Schwangerschaftswoche ist abgeschlossen)
- 32+6 SSW: Die Patientin befindet sich am 7. Tag der 33. Schwangerschaftswoche (bzw. am Ende der 33. Schwangerschaftswoche)
- Frühgeburt: ≤36+6 SSW: Geburt vor der abgeschlossenen 37. SSW p.m.
- Übertragung: ≥42+0 SSW: Geburt ab vollendeter 42. SSW p.m.
- Zur Abschätzung des Entbindungstermins siehe → Ermittlung des Entbindungstermins
Das Verhältnis zwischen Datierung und Schwangerschaftswoche kann man sich analog zu Geburtstag und Lebensjahr merken: Ab dem zweiten Geburtstag befindet man sich im dritten Lebensjahr – Ab 2+0 SSW befindet man sich in der dritten Schwangerschaftswoche!
Schwangerschaftswochen werden ab dem ersten Tag der letzten Regel gerechnet. Entwicklungswochen werden dagegen ab dem Tag des letzten Eisprungs berechnet!
Ermittlung des Entbindungstermins
Die Schwangerschaft beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und dauert ca. 40 Wochen post menstruationem (p.m.). Die Schwangerschaftsdauer und das Schwangerschaftsalter können rechnerisch oder sonografisch bestimmt werden. Bei natürlicher Befruchtung sollte die Scheitel-Steiß-Länge, bei IVF sollte der Konzeptionszeitpunkt verwendet werden. [2]
Rechnerische Bestimmung des Entbindungstermins
Um einen eindeutigen und von Interpretationen unabhängigen Fixpunkt zur Berechnung zu haben, wird der erste Tag der letzten Regelblutung als Berechnungsgrundlage genutzt:
- Einfache Naegele-Regel : Erster Tag der letzten Regelblutung + 7 Tage − 3 Monate + 1 Jahr
- Erweiterte Naegele-Regel: Erster Tag der letzten Regelblutung + 7 Tage − 3 Monate + 1 Jahr +/− Abweichung vom regulären 28-Tage-Menstruationszyklus
Sonografische Bestimmung des Schwangerschaftsalters
Siehe auch: Sonografie-Screenings in der Schwangerschaft
- Durchführung: Transvaginale Sonografie (1. Screening) / transabdominelle Sonografie (2. + 3. Screening)
- Zeitpunkt: I.d.R. im Rahmen des 1. Screenings (9.–12. SSW p.m.)
- Methoden
- Größte Länge (GL): Längste Ausdehnung der Embryonalanlage (ausschließlich in frühen Stadien, bspw. Frühultraschall)
- Scheitel-Steiß-Länge (SSL): Ab der 6. SSW und bis zum Ende des ersten Trimenons
- Scheitel-Fersen-Länge (SFL): Ab dem 3. Monat, jedoch aufgrund von Ungenauigkeiten durch Gelenkstellungen unzuverlässiger als die SSL
- Entspricht annähernd dem Quadrat des Lebensmonats in cm
- Fetale Biometrie: Messung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen (z.B. Kopfmaße, Femurlänge, Abdomenumfang) mit Bestimmung des Schätzgewichtes
Schwangerschaftszeichen
Sichere Schwangerschaftszeichen
- Schwangerschaftstest: HCG-Bestimmung
- Quantitative Messung im Serum
- Positiver Nachweis ca. ab dem 6.–9. Tag nach Befruchtung (p.c.)
- Verdopplung der HCG-Konzentration in den ersten 10 Wochen alle 2–2,5 Tage, anschließend Abfall
- Niedrige Werte oder geringer Anstieg: Möglicher Hinweis auf Extrauteringravidität, Abort
- Hohe Werte oder übermäßiger Anstieg: Möglicher Hinweis auf HCG-bildende Tumoren (Blasenmole, Chorionkarzinom), Zwillingsschwangerschaft
- Qualitative Messung (Urinschnelltest): Ca. ab dem 14. Tag nach Befruchtung Nachweis möglich
- Quantitative Messung im Serum
- Sonografische Bestimmung: Ab 5.–6. SSW: Embryonachweis in der transvaginalen Sonografie
- Sicherstes Zeichen: Nachweis fetaler Herzaktion in transvaginaler Sonografie (ab 7. SSW) [3]
- Ab 12. SSW: Doppler-sonografischer Nachweis fetaler Herztöne (siehe hierzu: Doppler-Sonografie in der Schwangerschaft)
- Weitere sichere Zeichen
Unsichere Schwangerschaftszeichen
- Ausbleiben der Menstruation
- Übelkeit, Erbrechen, Spannungsgefühl in den Brüsten
- Hyperpigmentation der Areola mammae und der Linea nigra
- Livide Verfärbung des Introitus vaginae
- Manuelle Tastuntersuchung des Uterus: Hegar-, Gauss-, Pschyrembel-, Osiander-, Piskacekzeichen
Physiologische Anpassung an die Schwangerschaft
Damit die Schwangerschaft erfolgreich ausgetragen werden kann und das Kind gut versorgt ist, sind einige Anpassungsvorgänge im mütterlichen Organismus notwendig. Hierzu gehört neben der Hormonumstellung auch die physiologische Anpassung der Organe und des Kreislaufs an die Schwangerschaft.
Physiologische Anpassung an die Schwangerschaft | |||
---|---|---|---|
Organsystem | Veränderung | ↑↓ | Erklärung |
Herz-Kreislauf | Herzfrequenz | ↑ | Physiologische Reaktion auf Abfall des peripheren Gefäßwiderstands |
Herzminutenvolumen | ↑ | Physiologische Reaktion auf Abfall des peripheren Gefäßwiderstands | |
Peripherer Gefäßwiderstand | ↓ | Progesteron senkt den Tonus der Gefäßmuskulatur | |
Arterieller Mitteldruck | ↓ | Aufgrund des Abfalls des peripheren Gefäßwiderstands fällt auch der mittlere arterielle Druck ab | |
Lunge | Atemminutenvolumen | ↑ | Glucocorticoide und Progesteron bewirken eine Hyperventilation |
Totalkapazität | ↓ | Der intraabdominelle Druck steigt aufgrund des Uteruswachstums → Dyspnoe | |
Blut | Plasmavolumen | ↑ | Die Abnahme des peripheren Widerstands führt zur RAAS-Aktivierung und zu vermehrter Wasserretention
|
Hämatokrit, Hämoglobin | ↓ | Erhöhtes Plasmavolumen bedeutet einen relativen Abfall der Erythrozytenzahl und damit des Hämatokrits und Hämoglobins (Grenzwert ist ein Hb von 11 g/dl) | |
Absolute Erythrozytenzahl | ↑ | Reaktive Steigerung der Erythrozytenproduktion (EPO↑) | |
Thrombozyten | ↑ | Reaktive Steigerung der Thrombozytenproduktion → Erhöhte Gerinnungsneigung | |
Leukozyten | ↑ | Reaktive Steigerung der Leukozytenproduktion (Grenzwert: 15.000/μl) | |
Albumin | ↓ | Relative Erniedrigung aufgrund des erhöhten Plasmavolumens → + Progesteron senkt die Spannung der Venenwände → Ödeme | |
Fibrinogen | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung, erhöhte Leberaktivität | |
Faktor VII, VIII | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung, erhöhte Leberaktivität | |
Alkalische Phosphatase | ↑ | Plazentares Isoenzym | |
Niere | GFR | ↑ | Erhöhtes Herzminutenvolumen führt zu vermehrter Nierenperfusion → + erhöhter abdomineller Druck auf die Harnblase → Pollakisurie |
Aldosteron | ↑ | Die Abnahme des peripheren Widerstands führt zur RAAS-Aktivierung mit Aldosteronfreisetzung | |
Glucose im Urin | ↑ | Vermehrte Filtration führt zu Überlastung der Carrier, die Glucose rückresorbieren | |
Darm | Motilität | ↓ | Progesteron senkt die Darmmotilität → Verstopfung |
Vulva und Vagina | Fluor vaginalis | ↑ | Progesteron und Östrogen erhöhen die Vaginaldurchblutung und steigern die Bartholin-Drüsentätigkeit |
Ausbildung von Varizen | Druck des Uterus auf die Beckenvenen und die Vena cava mit gestörtem venösem Rückfluss | ||
Mamma | Mastodynie, Größenzunahme | Differenzierung und Größenzunahme der Brust | |
Stoffwechsel | Insulin | (↑)↓ | Der Bedarf an anabolem Insulin steigt erst im 2./3. Trimenon an, wenn das Wachstum des Kindes deutlich zunimmt. Im 1. Trimenon kann der Bedarf sogar etwas erniedrigt sein. |
Triglyzeride | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung | |
Cholesterin | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung | |
Haut | Spider-Nävi | Erweiterung, Instabilität und Verstopfung von Blutgefäßen | |
Palmarerythem | |||
Striae gravidarum | Mechanische Dehnung der Haut und hormonelle Beeinträchtigung durch vermehrte Glucocorticoidsynthese | ||
Hyperpigmentierung (Chloasma, Linea fusca/nigra, Hyperpigmentierung der Brustwarze) | Erhöhte Melaninproduktion | ||
Varizen und Ödeme an den Beinen | Druck des Uterus auf die Beckenvenen und die Vena cava mit gestörtem venösem Rückfluss | ||
Hämorrhoiden | |||
Uterus | Gewichtszunahme bis auf 1.000 g am Ende der Schwangerschaft | Progesteron-/Östrogenwirkung |
In der Schwangerschaft steigt das Thromboserisiko aufgrund einer physiologischen Hyperkoagulabilität!
Patientinnen mit Thrombophilie sollten während der Schwangerschaft gegebenenfalls eine Thromboseprophylaxe erhalten!
Hormonelle Situation vor und während der Schwangerschaft
Der weibliche Körper macht im Rahmen der Schwangerschaft zahlreiche Veränderungen durch. Hauptverantwortlich hierfür sind die hormonellen Umstellungen durch die Implantation des Embryos und die Entwicklung des uteroplazentaren Kreislaufs.
Hormonelle Situation vor der Schwangerschaft
Wenn keine Schwangerschaft vorliegt, unterliegt der geschlechtsreife weibliche Organismus dem regulären monatlichen Menstruationszyklus. Dieser dauert normalerweise 25–31 Tage und kann in die östrogendominierte Follikelphase und die progesterondominierte Lutealphase unterteilt werden.
Hormonelle Situation während der Schwangerschaft
Für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft ist vor allem das Hormon Progesteron verantwortlich. Progesteron wird während jedes Zyklus vom Corpus luteum gebildet, welches nach dem Eisprung aus dem Follikel des gesprungenen Eis entsteht. Es sorgt dafür, dass sich die Gebärmutter auf die mögliche Einnistung eines Embryos vorbereitet. Wird nun die Eizelle tatsächlich befruchtet, produziert der entstehende Synzytiotrophoblast das Hormon HCG. Dieses Hormon stimuliert das Corpus luteum, das nun Corpus luteum graviditatis genannt wird, zur weiteren Progesteronproduktion. Parallel kommt es zu vielen weiteren hormonellen Umstellungen, über die die folgende Tabelle einen Überblick geben soll.
Hormonelle Situation während der Schwangerschaft | ||||
---|---|---|---|---|
Hormon | Bildungsort | Verlauf | Bedeutung für Schwangere und Kind | |
HCG (Humanes Choriongonadotropin) |
| |||
HPL (Humanes Plazentalaktogen) |
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CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) |
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Steroidhormone | Östrogen |
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Progesteron |
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Aldosteron |
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Schilddrüsenhormone |
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Prolaktin |
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Oxytocin |
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Bis zur 10. SSW wird die Schwangerschaft durch das Corpus luteum graviditatis aufrechterhalten, ab der 10. SSW übernimmt die Plazenta diese Funktion!
Ernährung in der Schwangerschaft
Durchschnittliche empfohlene Kalorienanzahl pro Tag
- Bei nicht-schwangeren Frauen: 2.000–2.100 kcal
- Bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats: 2.200 kcal
- Ab dem 4. Schwangerschaftsmonat: 2.500 kcal
Vitamine und Spurenelemente
- Während der Schwangerschaft hat der mütterliche Organismus einen erhöhten Bedarf an folgenden Vitaminen und Spurenelementen:
Ernährung in der Schwangerschaft – Vitamine und Spurenelemente | |||
---|---|---|---|
Grund für erhöhten Bedarf | Folgen eines Mangels | Prophylaxe | |
Folsäure | Vermehrte Zellteilung und gesteigerte Erythropoese | Erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte (Anenzephalie, Meningomyelozele, etc.) | Folsäuresubstitution 400 μg/d (ab Kinderwunsch) |
Vitamin B12 | Anämie bei Mutter und Kind | Ggf. Vitamin B12-Substitution | |
Eisen | Gesteigerte Erythropoese | Anämie bei Mutter und Kind (häufigste Anämie bei Schwangeren) Erhöhtes Risiko einer Plazentainsuffizienz | 30–60 mg/d für Schwangere mit Eisenreserven 120–240 mg/d für Schwangere ohne Eisenreserven |
Iod | Höherer Grundumsatz und vermehrte Ausscheidung | Hypothyreose bei Mutter und Kind | Tägliche Aufnahme von 250 μg Iod, je nach Ernährung Substitution von ca. 150 μg Iod täglich (WHO-Empfehlung) |
Calcium | Erhöhter Bedarf | Knochen- und Zahnbeschwerden bei der Mutter | Ggf. Calciumsubstitution |
Allen Schwangeren soll eine Iodsupplementation angeboten werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
RKI-Empfehlungen zur Toxoplasmose- und Listerioseprävention
- Grundsätzlich sollten alle ungewaschenen oder ungegarten Lebensmittel vermieden werden
- Erhöhtes Risiko bei
- Rohmilchprodukten, rohem Fisch: Listeriose
- Rohem Fleisch: Toxoplasmose
Vegetarische und vegane Ernährung in der Schwangerschaft [4]
- Auf ausgewogene Ernährung achten
- Ärztliche und Ernährungsberatung
- Regelmäßige labormedizinische Kontrollen von Ferritin, Zink, Vitamin D und Holo-Transcobalamin im Blut sowie Iod im Urin
- DHA-Zuführung mittels Supplementen oder angereicherten Ölen
- Bei veganer Ernährung zusätzlich: Vitamin-B12-Substitution und Verzehr von mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherten Milchersatzprodukten
Generell wird eine ausgewogene omnivore Ernährung empfohlen, da hiermit eine adäquate Nährstoffversorgung am einfachsten möglich ist. Bei ausgewogener pflanzenbasierter Ernährung mit Substitution von Risikonährstoffen kann jedoch eine normale Entwicklung des Ungeborenen erreicht werden.
Empfohlene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (Institute of Medicine, 2008)
Die Empfehlungen sind nicht als absolut zu werten, sondern richten sich grob nach dem vorher bestehenden BMI der schwangeren Frau.
Empfohlene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft | ||
---|---|---|
Zustand | BMI vor der Schwangerschaft | Gewichtszunahme in kg |
Untergewicht | <18,5 | 12,5–18 |
Normalgewicht | 18,5–24,9 | 11,5–16 |
Präadipositas | 25,0–29,9 | 7–11,5 |
Adipositas | ≥30 | 5–9 |
Die durchschnittliche Gewichtszunahme liegt am Ende der Schwangerschaft bei 10–12 kg. Sie setzt sich wie folgt zusammen: [5]
- Uterus ca. 1.000 g
- Kind ca. 3.500 g
- Fruchtwasser ca. 1.000 g
- Plazenta ca. 500 g
- Mammae ca. 500 g
- Blut ca. 1.000 g
- Interstitium ca. 3.000–4.000 g
Risikoschwangerschaft
Um Schwangerschaftsrisiken frühzeitig zu erkennen, wurden anamnestische Faktoren bestimmt, die ein erhöhtes Risiko für Komplikationen darstellen.
- Generelle anamnestische Risikofaktoren, bspw.
- Alter bei Erstschwangerschaft <18 Jahre oder >35 Jahre
- Psychische, soziale oder berufliche Belastungen
- Medikamenten- oder Drogeneinnahme
- Familiäre Belastungen: U.a. Fehlbildungen, genetische Erkrankungen, Hypertonie, Diabetes mellitus, Häufung von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
- Vorerkrankungen der Mutter: U.a. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Malignome, Infektionen, neurologische Erkrankungen, CED [6][7][8]
- Adipositas [9]
- Uterusanomalien: Myome, Z.n. Uterusoperation, Z.n. Sectio caesarea
- Schwangerschaftsanamnese, bspw.
- >5 Geburten
- >2 Aborte oder Abruptios
- Z.n. Frühgeburt, Totgeburt oder Geburt eines geschädigten Kindes
- Z.n. Geburt eines hyper- oder hypotrophen Kindes
- Z.n. Mehrlingsschwangerschaft
- Z.n. Geburtskomplikationen
- Z.n. Sectio caesarea oder anderen Uterusoperationen
- Z.n. Sterilitätsbehandlung
- Z.n. Rhesusinkompatibilität
- Rasche Schwangerschaftsfolge (<1 Jahr)
- Mit der Schwangerschaft in Verbindung stehende Risiken, bspw.
- Poly- oder Oligohydramnion
- Mehrlingsschwangerschaft
- Blutungen während der Schwangerschaft
- Intra- und postpartale Blutungen
- Drohende Früh- oder Fehlgeburt, Zervixinsuffizienz
- Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Gestationsdiabetes
- Placenta praevia
- Blutgruppeninkompatibilität
- Übertragung
- Missverhältnis zwischen Kind und mütterlichem Becken
- Generell: Im Schwangerschaftsverlauf entstehende Erkrankungen der Mutter
Beschwerden in der Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft kann begleitet werden von leichteren Beschwerden bis hin zu schweren Symptomen, die eine Therapie indizieren. Dabei sind verschiedenste Organe betroffen.
- Gastrointestinaltrakt und Abdomen
- Schwangerschaftsübelkeit mit oder ohne Erbrechen (Nausea gravidarum bzw. Emesis gravidarum)
- Sodbrennen
- Obstipation
- Bewegungsapparat
- Rückenschmerzen
- Ischiasschmerzen
- Haut- und Gefäßsystem
- Vena-cava-Kompressionssyndrom
- Psyche
- Schwangerschaftsdepression: Depressive Episode mit Beginn in der Schwangerschaft
- Multifaktorielle Ätiologie, insb. körperliche, hormonelle und soziale Umstellung während der Schwangerschaft
- Symptome wie bei Depression
- Therapie: Psychoedukation, Psychotherapie, Antidepressiva nur nach strenger individueller Risiko-Nutzen-Abwägung
- Schwangerschaftspsychose
- Schwangerschaftsdepression: Depressive Episode mit Beginn in der Schwangerschaft
Gastrointestinaltrakt und Abdomen
Übelkeit und Erbrechen
- Möglicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden und dem HCG-Spiegel im Serum
- Maximum um die 8.–12. SSW, i.d.R. maximale Ausprägung der Symptome um die 9. SSW.
Nausea gravidarum
- Definition: Schwangerschaftsübelkeit ohne Erbrechen
- Inzidenz: 80% aller Schwangerschaften [10]
Emesis gravidarum
- Definition: Schwangerschaftsübelkeit mit gelegentlichem Erbrechen
- Inzidenz: 30% aller Schwangerschaften [10]
Hyperemesis gravidarum
- Definition: Erbrechen >5×/d, Gewichtsabnahme >5 % des Körpergewichts und Ketonurie [11][12]
- Einteilung
- Grad 1: Ohne Stoffwechselentgleisung
- Grad 2: Stoffwechselentgleisung, Dehydratation und Elektrolytentgleisung
- Inzidenz: Ca. 0,5–2% aller Schwangerschaften
- Risikofaktoren für eine Hyperemesis gravidarum [10][11][13]
- Schwangerschaftsbezogene Faktoren
- Junges Alter in der ersten Schwangerschaft
- Hyperemesis in vorausgegangener Schwangerschaft
- Mehrlingsschwangerschaften
- Nullipara
- Weiblicher Embryo
- Trophoblastenstörung, bspw. Blasenmole [14]
- Maternale Faktoren
- Psychiatrische Erkrankungen
- Metabolische Ursachen (z.B. Hyperthyreose in der Schwangerschaft)
- Adipositas
- Migrationshintergrund [15][16][17]
- Genetische Komponenten
- Helicobacter-pylori-Infektion
- Vorübergehende Hyperthyreose
- Reiseübelkeit
- Migräne
- Hyperemesis gravidarum in der Familienanamnese
- Schwangerschaftsbezogene Faktoren
- Diagnostik
- Körperliche Untersuchung
- Allgemeinzustand (Zeichen einer Dehydratation?)
- Körpergewicht bzw. Gewichtsverlauf bestimmen
- Palpation des Abdomens
- Blutentnahme: Mögliche Befunde sind
- Blutbild: Hkt↑
- Elektrolyte (K↓, Na↓)
- Gesamteiweiß (↓ bei kataboler Stoffwechsellage oder ↑ bei Hämokonzentration)
- Transaminasen (GOT und GPT) (↑ bis 200 IE/L), Bilirubin↑
- Kreatinin↑, Harnstoff↑
- fT4↑, TSH↓
- Urin-Stix: Ketone, spezifisches Gewicht↑
- Sonografie: Kontrolle einer regelrechten Schwangerschaft
- PUQE-Score (Pregnancy-unique Quantification of Emesis and Nausea): Validiertes Instrument zur Beurteilung des Schweregrades und des Behandlungssettings von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft [18][19]
- Körperliche Untersuchung
PUQE-Score bei Hyperemesis gravidarum | |||||
---|---|---|---|---|---|
Frage | 1 Punkt | 2 Punkte | 3 Punkte | 4 Punkte | 5 Punkte |
Wie lange war Ihnen in den letzten 24 h übel? | Nie | ≤1 h | 2–3 h | 4–6 h | >6 h |
Haben Sie in den letzten 24 h erbrochen? | Nein | 1–2× | 3–4× | 5–6× | ≥7× |
Wie oft hatten Sie Brechreiz in den letzten 24 h? | Nie | 1–2× | 3–4× | 5–6× | ≥7× |
Schweregrad |
| ||||
Prozedere |
|
- Differenzialdiagnosen einer Hyperemesis gravidarum
- Gastrointestinale Ursachen
- Urogenitale Ursachen, bspw. Pyelonephritis
- Endokrine/metabolische Ursachen
- Neurologische Ursachen
- Schwangerschaftsassoziierte Ursachen
- Schwangerschaftsfettleber
- Präeklampsie (in späteren Schwangerschaftswochen)
- Psychiatrische Ursachen, bspw. Essstörungen
- Weitere Ursachen
- Medikamentennebenwirkungen
- OHSS (nach Kinderwunschbehandlung)
Therapie bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft
- Ernährungsberatung: Kleine Mahlzeiten, reichlich Flüssigkeit, kohlenhydratreich, fett- und säurearm
- Lebensstilberatung: Stressreduktion, Entspannungstechniken
- Medikamentös [10][20]
- Vitamin B6 [20]
-
Antiemetika
- Doxylamin/Pyridoxin [21][22]
- Dimenhydrinat (Off-Label Use) [20][23]
- Meclozin [24]
- Metoclopramid [20][25]
- Ondansetron (Off-Label Use) , siehe hierzu auch: Rote-Hand-Brief zu Ondansetron [20][26]
- Glucocorticoide, z.B. Methylprednisolon (bei therapierefraktärem Verlauf) [13]
- Alternative Ansätze: Akupressur, Ingwer
- Bei Hyperemesis und PUQE-Score ≥13
- Stationäre Aufnahme
- Infusionstherapie
- Vitaminsubstitution
- Vitamin B1 (Thiamin) [27]
- Fakultativ: Vitamin B12 und Vitamin C
- Ggf. Thromboseprophylaxe [28]
Eine Hyperemesis gravidarum geht für die betroffene Schwangere oft mit einem massiven Verlust der Lebensqualität einher!
Sodbrennen
- Inzidenz [29]
- 40–85% der Schwangeren
- Ätiologie
- Gestagenbedingter Abfall des Sphinktertonus und gestörte Motilität des Ösophagus
- Gestörte Druckverhältnisse: Erhöhter intraabdominaler Druck, erniedrigter intraösophagealer Druck → gaströsophagealer Reflux von Mageninhalt
- Rezidivierendes Erbrechen
- Symptome/Klinik
- Retrosternaler brennender Schmerz, Aufstoßen usw.
- Zunahme der Beschwerden durch Erhöhung des intraabdominalen Drucks
- Für weitere Informationen siehe auch: Klinik der gastroösophagealen Refluxkrankheit
- Therapie
- Ernährungsberatung
- Nach dem Essen aufrechte Haltung des Oberkörpers
- Siehe auch: Therapie bei Übelkeit und Erbrechen
- Medikamentös [10][29]
- 1. Wahl: Antazida/Alginate, z.B. Gaviscon Advance oder Gelusil Lac
- Alternativ: Protonenpumpeninhibitoren: Omeprazol
- Bei Persistenz der Beschwerden trotz Therapie sollte eine endoskopische Abklärung erfolgen!
- Ernährungsberatung
Obstipation
- Definition: Stuhlfrequenz <3×/Woche, weitere Symptome siehe auch: Chronische Obstipation
- Schwangerschaftsspezifische Ursachen
- Verringerte Flüssigkeitsaufnahme (v.a. bei Nausea und/oder (Hyper‑)Emesis)
- Verzögerte Dickdarmpassage durch progesteronbedingt herabgesetzte Peristaltik
- Aldosteronbedingte verstärkte Wasserresorption aus dem Darm
- Mangelnde Bewegung
- Iatrogen: Einnahme von Eisenpräparaten
- Therapie
- Ernährungsberatung: Ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
- Lebensstilberatung: Körperliche Bewegung
- Medikamentös
- Mittel der 1. Wahl in der Schwangerschaft sind Makrogole, Natriumpicosulfat, Bisacodyl und Probiotika
- Für Dosierungen siehe: Obstipation - Wirkstoffe und Dosierungen
Differenzialdiagnosen Unterbauchschmerzen in der Schwangerschaft
- Ätiologie
- Schwangerschaftsassoziiert
- (Vorzeitige) Wehentätigkeit
- Hydronephrose
- Uterusdehnungsschmerz bzw. Bänderdehnungsschmerz
- Vorzeitige Plazentalösung
- Uterusruptur
- Differenzialdiagnosen
- Schwangerschaftsassoziiert
- Diagnostik
- CTG: Ausschluss vorzeitiger Wehentätigkeit
- Urinstatus, ggf. Urinkultur: Abklärung einer Urozystitis
- Nierenklopfschmerz: Hinweis auf Pyelonephritis oder Nierenstau
- Sonografie: Fetometrie , Inspektion der Adnexregion soweit möglich, Nierenstau
- Ggf. Bestimmung der Laborwerte
- Therapie [10]
- Je nach Ursache
- Hydronephrose in der Schwangerschaft
- Konservativ: Lagerung auf der kontralateralen Seite
- Medikamentös
- Interventionell: Ggf. Einlage einer Harnleiterschiene
Bewegungsapparat
Rückenschmerzen
- Inzidenz: Etwa die Hälfte aller Schwangeren
- Ätiologie
- Gewichtszunahme und Veränderung der Wirbelsäulenstatik, Hyperlordose
- Reduzierter Flüssigkeitsgehalt der Bandscheiben und Knochen
- Hormonell bedingt erhöhte Beweglichkeit im Iliosakralgelenk
- Symptome/Klinik: Im Becken- oder Lumbalbereich paravertebral lokalisierte Schmerzen
- Diagnostik
- Anamnese: Schmerz i.d.R. diffus, bei bandscheibenbedingten Schmerzen hingegen eher punktuell
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion der Muskulatur: Hartspann
- Wirbelsäulenklopfschmerz, Symphysendruckschmerz
- Ggf. orthopädische Untersuchung der Hüfte und des Iliosakralgelenkes
- Neurologischer Status
- Apparative Diagnostik: Ausschluss vorzeitiger Wehentätigkeit (CTG, Zervixlängenmessung)
- Scheint eine harmlose schwangerschaftsassoziierte Ursache unwahrscheinlich und/oder bestehen neurologische Defizite: Ausführliche Diagnostik, siehe auch: Diagnostisches Vorgehen bei Kreuzschmerz
- Therapie
- Physikalische Therapie: Wärmeanwendung, Massage
- Physiotherapie
- Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur
- Vorsichtige manuelle Therapie
- Hilfsmittel: Bei Schmerzen im dorsalen knöchernen Bereich der iliosakralen Instabilität: Evtl. Beckengürtel
- Analgetika
- Paracetamol
- Ibuprofen (nur im 1. und 2. Trimenon)
Symphysenlockerung
- Ätiologie
- Symptome/Klinik
- Symphysenschmerzen
- Auftreten in der Schwangerschaft oder postpartal
- Einbeinstand schwierig, Treppensteigen schmerzhaft
- „Watschelnder“ Gang
- Diagnostik
- Sonografie des Symphysenspaltes: >10 mm pathologisch
- Therapie
- Physiotherapie: Kräftigung der Hüftabduktoren
- Hilfsmittel: Stützgürtel
- Medikamentös: Analgesie
- Paracetamol
- Ibuprofen (nur im 1. und 2. Trimenon)
- Komplikationen und Prognose
- In seltenen Fällen Symphysensprengung
- I.d.R. spontane Rückbildung (kann nach der Geburt einige Wochen andauern)
Ischiasschmerzen
- Ätiologie
- Kompression der Nervenfasern des N. ischiadicus durch kindlichen Kopf
- Kompression der Wirbelsäule im Iliosakralbereich
- Symptome/Klinik
- (Sub‑)Akute Schmerzen im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, evtl. mit Ausstrahlung in Gesäß und Bein
- Therapie
- Schwangere auf kontralaterale Seite lagern
- Bei persistierenden, starken Schmerzen, neurologischen Defiziten oder gehäuftem Auftreten weitere orthopädische Abklärung
Karpaltunnelsyndrom
Durch Ödembildung in der Schwangerschaft kommt es zu einer Einengung des Karpaltunnels mit Kompression des N. medianus (siehe Kapitel: Karpaltunnelsyndrom)
Haut und Gefäßsystem
Acne gravidarum
- Symptome/Klinik: Akne-ähnliches Exanthem im Gesicht, Auftreten etwa ab dem 3. Monat
- Prognose: Spontane Rückbildung nach dem Wochenbett
Striae distensae (Striae gravidarum)
- Inzidenz: 60–90% aller schwangeren Frauen
- Symptome/Klinik: Gerötete Streifen v.a. an Brüsten, Abdomen und Hüften
- Prophylaxe: Regelmäßiges Eincremen und Massieren
- Prognose: Im Verlauf abblassend
Hyperpigmentierung
- Symptome/Klinik
- Hyperpigmentierung insb. der Brustwarzen, Genitalregion, Nävi und Linea alba
- Melasma: Symmetrische Hyperpigmentierung im Gesicht
- Prophylaxe: Sonnenschutz
- Prognose: Meist Rückbildung postpartal
Pruritus
Pruritus gravidarum ohne Schwangerschaftscholestase
- Ätiologie: Unklar
- Lokalisation: Generalisierter Pruritus; umschriebene Variante: Abdomen, Vulva, Analregion
- Auftreten: Meist im 1. Trimenon
- Therapie [30]
- Lokal: Körperpuder , Antihistamin-Gel
- Systemisch: Antihistaminika
- Prognose
- Kein Risiko für Mutter und Kind
- Eventuell frühzeitige Entbindung bei hohem Leidensdruck der Mutter
- Rückbildung postpartal
- Häufig verstärktes Rezidiv bei erneuter Schwangerschaft oder Einnahme oraler Kontrazeptiva
Prurigo gestationis
- Ätiologie: Unklar
- Lokalisation: Pruritus an den Extremitätenstreckseiten und Abdomen, gruppierte, verkrustete Papeln
- Auftreten: Frühe und späte Manifestation möglich
- Therapie [30]
- Lokal: Kühlende Lotion oder Hydrocortison-Creme
- Systemisch: Antihistaminika
- Prognose
- Kein Risiko für Mutter und Kind
- Spontane Abheilung postpartal
Herpes gestationis (Pemphigoid gestationis)
- Ätiologie: Autoimmun
- Lokalisation: Pruritus v.a. periumbilikal, an den Extremitäten, Handinnenflächen und Fußsohlen; bläschenbildend
- Auftreten: 2. und 3. Trimenon
- Therapie [30]
- Lokal: Kühlende Lotion , Antihistamin-Gel
- Systemisch: Antihistaminika und/oder Cortison
- Prognose
- Fetale Mortalität erhöht
Impetigo herpetiformis [31]
- Ätiologie: Sehr seltene Unterform der Psoriasis pustulosa generalisata
- Auftreten: Meist im 2. Trimenon
- Therapie [30] [32]
- Lokal: Austrocknend z.B. Zinklotion
- Systemisch: Glucocorticoide Vitamin D2 ggf. Calciumsubstitution
- Komplikation: Schwere Hypokalzämie mit tetanischen Krämpfen
- Prognose
- Risiko für fetale Komplikationen stark erhöht
- Abheilung postpartal
- Rezidive in Folgeschwangerschaften möglich
Polymorphe Exantheme in der Schwangerschaft (z.B. pruriginöse und urtikarielle Papeln und Plaques (PUPP)) [30]
- Ätiologie: Unklar
- Lokalisation
- Auftreten: Meist im 3. Trimenon
- Therapie
- Lokal: Kühlende Lotion Glucocorticoide
- Systemisch: Selten notwendig: Antihistaminika
Hautpflege in der Schwangerschaft
- Rückfettende Lotionen, Cremes und Salben verwenden
- Heiße Bäder vermeiden, Duschen bevorzugen
- Natürliche Textilien tragen
- Stress, Alkohol und Hitze meiden
Varikosis in der Schwangerschaft
- Inzidenz
- 20–30% der Erstgebärenden
- 50% der Mehrgebärenden
- Ätiologie
- Erhöhter intravenöser Druck durch Zunahme des Blutvolumens, Herzminutenvolumens und Kompression der Beckenvenen
- Zunahme der Wandelastizität der Venen
- Genetische Disposition
- Therapie und Prophylaxe
- Während der Schwangerschaft: Prophylaxe und konservative Therapie (Kompressionsstrümpfe, viel Bewegung, wenig sitzende Tätigkeit)
- 6–12 Monate postpartal: Bei Persistenz empfiehlt sich eine Therapie wie außerhalb der Schwangerschaft, ggf. chirurgische Therapie (siehe auch: Therapie der Varikosis und CVI)
Hämorrhoiden in der Schwangerschaft [33]
- Ätiologie
- Abnahme des venösen Zuflusses durch Kompression der Beckenvenen
- Zunahme des arteriellen Zuflusses durch das gesteigerte Blutvolumen
- Verstärktes Pressen bei Obstipationen
- Symptome/Klinik: Siehe Klinisches Erscheinungsbild von Hämorrhoiden
- Therapie
- Konservativ
- Stuhlaufweichende Kost, ausreichend Flüssigkeit und Bewegung
- Schmerzlindernde Salben
- Kühlung
- Kamillosan-Sitzbäder
- Chirurgisch
- Hämorrhoiden Grad 3: Stapler-Hämorrhoidopexie
- Hämorrhoiden Grad 4: Sklerosierung
- Konservativ
- Prognose: Häufig spontane Remission innerhalb von 6 Monaten postpartal
- Differenzialdiagnose: Analvenenthrombose
- Therapie siehe: Therapie der Analvenenthrombose unter der Beachtung, dass die dort aufgeführten Medikamente in der Schwangerschaft in Abhängigkeit von der SSW teilweise kontraindiziert sind
Vena-cava-Kompressionssyndrom
- Definition: Kompression der V. cava und der Beckenvenen in der Schwangerschaft
- Ursache: Rückenlage der Mutter im 3. Trimenon
- Pathophysiologie: Gestörter venöser Rückfluss zum Herzen → Herzminutenvolumen sinkt → Fetale Hypoxie
- Symptome
- Mutter: Tachykardie, Schwindel, Übelkeit, gelegentlich Synkope
- Darstellung im CTG: Abfall der FHF in Form einer prolongierten Dezeleration („Badewanne“)
- Maßnahmen: Umlagerung (in Linksseitenlage), ggf. Beine hochlagern
Psyche
Schwangerschaftsdepression [34][35][36][37][38]
Viele Schwangerschaftsdepressionen bleiben undiagnostiziert und unbehandelt, da die Symptome für die betroffenen Frauen einerseits mit Schuld- und Schamgefühlen behaftet sind und andererseits teilweise schwer von den physiologischen körperlichen und psychischen Veränderungen in der Schwangerschaft abgegrenzt werden können. Etwa 30% der Frauen mit einer Schwangerschaftsdepression entwickeln auch eine Wochenbettdepression [35]
- Definition: Depressive Episode mit Beginn in der Schwangerschaft (Diagnosekriterien einer unipolaren depressiven Episode sind erfüllt)
- Epidemiologie: Ca. 10%
- Ätiologie: Multifaktoriell, insb. körperliche, hormonelle und soziale Umstellung während der Schwangerschaft
- Risikofaktoren: Wie bei Wochenbettdepression
- Symptome/Klinik
- Wie bei Depression
- Oftmals zusätzlich Übelkeit/Erbrechen, Bauchschmerzen, Dyspnoe, sexuelle Funktionsstörungen
- Diagnostik
- Screening, z.B. mittels EPDS – auch in der Schwangerschaft anwendbar [39]
- Bei V.a. psychische Erkrankung: Weitere psychiatrische Diagnostik indiziert (siehe auch: Diagnosekriterien einer unipolaren depressiven Episode)
- Therapie durch Fachpersonal
- Psychoedukation, Psychotherapie , Lichttherapie [35]
- Bei schwerer oder rezidivierender depressiver Episode: Zusätzlich Antidepressiva
- Off-Label Use! (Aufklärung der Patientin)
- Nur nach strenger individueller Risiko-Nutzen-Abwägung, da alle Antidepressiva die Plazentaschranke passieren und eine potenzielle Gefährdung für das ungeborene Kind darstellen!
- Insb. im 1. Trimenon erhöhtes Risiko für bspw. kardiale Fehlbildungen
- Monotherapie mit niedrigster wirksamer Dosis anstreben
- Risiken/Komplikationen: U.a.
- Frühgeburtsrisiko↑
- Fetales Geburtsgewicht↓
- Vorzeitige Wehentätigkeit
- Risiko für Präeklampsie↑
- Kognitive und emotionale Entwicklungsstörung des Kindes
- Bindungsstörungen
- Wochenbettdepression
Schwangerschaftspsychose [40][41]
- Definition: Psychotische Erkrankung in der Schwangerschaft
- Epidemiologie: Selten (häufiger im 2. und 3. Trimenon)
- Ätiologie: Multifaktoriell, u.a.
- Genetische Prädisposition
- Hormonelle und soziale Umstellung während der Schwangerschaft
- Rezidiv einer vorbestehenden psychotischen Erkrankung
- Symptome/Klinik: Wie bei anderen psychotischen Störungen
- Therapie
- Stationäre Aufnahme
- Psychoedukation, Psychotherapie, sozialpsychiatrische Beratung
- Ggf. Unterbringung, (vorübergehende) gesetzliche Betreuung erwägen
- Medikamentöse Behandlung
- Strenge individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung
- Im 1. Trimenon: Möglichst keine Medikation
- Möglichst Verzicht auf Benzodiazepine
- Wenn nötig: Antipsychotika einsetzen [42]
- Niedrigste wirksame Dosis wählen
- Risiken/Komplikationen: U.a.
- Langer Krankheitsverlauf (über das Schwangerschaftsende hinaus)
- Schwangerschaftsdepression
- Suizidalität
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 266-2023-3/3: Folsäuresubstitution zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten
- Studientelegramm 254-2023-2/3: Kardiale Biomarker in der Schwangerschaft
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- O09.-:! Schwangerschaftsdauer
- O09.0!: Weniger als 5 vollendete Wochen
- Weniger als 35 vollendete Tage
- O09.1!: 5 bis 13 vollendete Wochen
- 35 bis 91 vollendete Tage
- O09.2!: 14. Woche bis 19 vollendete Wochen
- 92. Tag bis 133 vollendete Tage
- O09.3!: 20. Woche bis 25 vollendete Wochen
- 134. Tag bis 175 vollendete Tage
- O09.4!: 26. Woche bis 33 vollendete Wochen
- 176. Tag bis 231 vollendete Tage
- O09.5!: 34. Woche bis 36 vollendete Wochen
- 232. Tag bis 252 vollendete Tage
- O09.6!: 37. Woche bis 41 vollendete Wochen
- 253. Tag bis 287 vollendete Tage
- O09.7!: Mehr als 41 vollendete Wochen
- Mehr als 287 vollendete Tage
- O09.9!: Nicht näher bezeichnet
- O09.0!: Weniger als 5 vollendete Wochen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.