Zusammenfassung
Die Ösophagusatresie ist eine Entwicklungsstörung des Septum oesophagotracheale, bei der die Kontinuität des Ösophagus unterbrochen ist. In den meisten Fällen endet dabei der obere Anteil des Ösophagus blind, während der untere in der Trachea endet (Typ 3b nach Vogt). Die betroffenen Kinder fallen unmittelbar nach der Geburt durch Zyanoseanfälle, schaumiges Sekret vor dem Mund und Husten auf. Beim Legen einer Magensonde fällt typischerweise ein federnder Widerstand im Ösophagus auf. An weiterführender Diagnostik sollte immer ein Röntgen von Thorax und Abdomen erfolgen, um Lage und Ausmaß der Malformation abschätzen zu können. Therapeutisch steht die Operation im Vordergrund: Sie sollte zeitnah durchgeführt (meist innerhalb der ersten 48 Lebensstunden) und die Kinder so lange parenteral ernährt werden. Häufig ist die Ösophagusatresie mit weiteren Organfehlbildungen assoziiert.
Klassifikation
Einteilung der Ösophagusatresie nach Vogt
Vogt I | Vollständig fehlender Ösophagus (Ösophagusaplasie) | <1% |
---|---|---|
Vogt II | Langstreckige Ösophagusatresie ohne Fistelbildung | Ca. 8% |
Vogt IIIa | Ösophagusatresie mit oberer ösophagotrachealer Fistelbildung | <1% |
Vogt IIIb | Ösophagusatresie mit unterer ösophagotrachealer Fistelbildung | Ca. 85% |
Vogt IIIc | Ösophagusatresie mit oberer und unterer ösophagotrachealer Fistelbildung | Ca. 4% |
H-Fistel | Ösophagotracheale Fistel ohne Atresie | Ca. 2% |
Bei etwa 50% der Betroffenen weitere Fehlbildungen, z.B. VACTERL-Syndrom: Vertebral-anorectal-cardiac-tracheo-esophageal-renal-limb
Pathophysiologie
Normalerweise werden Ösophagus und Trachea durch die Ausbildung des Septum oesophagotracheale während der Embryonalzeit vollständig getrennt. Kommt es hierbei in der 4.–6. Schwangerschaftswoche zu Entwicklungsstörungen, entstehen Fehlbildungen von Ösophagus und Trachea.
Symptomatik
Pränatal
- Polyhydramnion → Risiko einer Frühgeburt↑
Postnatal
- Zyanoseanfälle
- Rasselnde Atmung
- Hustenanfälle
- "Herauswürgen" schaumiger Flüssigkeit
Diagnostik
- Anlegen einer Magensonde
- Sonde trifft auf federnden Widerstand und lässt sich nicht weiter vorschieben
- Röntgen-Thorax/Abdomen
- Blindsack (außer bei H-Fistel)
- Bei Vogt I+II+IIIa keine Gasfüllung des Magens
- Ggf. Fisteldarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel
- Weitere Diagnostik bezüglich (häufig) assoziierter Fehlbildungen
- Abdomensonografie
- Echokardiografie
Differenzialdiagnosen
- Z.n. Sectio caesarea
- Choanalatresie
- Ösophagusstenose
- Achalasie
- Gestörter Schluckreflex
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Präoperativ
Postnatal steht zunächst die Verhinderung einer Aspirationspneumonie im Vordergrund. Dazu werden folgende Maßnahmen empfohlen.
- Nüchtern lassen
- Anlage einer doppellumigen Schlürfsonde im oberen Blindsack
- Oberkörperhochlagerung (30°)
- Antibiotikaprophylaxe
Kinder mit Verdacht auf Ösophagusatresie dürfen unter keinen Umständen gefüttert werden!
Operativ
- Allgemein
- Operative Versorgung erfolgt meistens innerhalb der ersten 48 Lebensstunden
- Notfalloperation nur bei Vorliegen eines Atemnotsyndroms oder einer drohenden Magenruptur bei Überblähung
- Vorgehen
- Bei Vorliegen einer tracheoösophagealen Fistel: Operativer Verschluss mit Übernähung
- Verbinden der beiden atretischen Ösophagusenden (mithilfe einer End-zu-End-Anastomose )
Postoperativ
- Intensivmedizinische Betreuung
- Frühzeitige enterale Ernährung anstreben
- Radiologische Kontrolle mit Kontrastmittel nach ca. 10 Tagen
- Aufgrund häufiger Probleme im Verlauf (bspw. Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, höheres Risiko für Refluxerkrankung und Metaplasien) lebenslange Nachsorge empfohlen
Bei Versagen der operativen Therapie
-
Bougierungsbehandlung mit Anlage eines Gastrostomas
Komplikationen
- Aspirationsgefahr → Pneumonie
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
I.d.R. gute Prognose, jedoch häufig operationsbedingte Komplikationen
- Gastroösophagealer Reflux (40%)
- Anastomosenstenose (30–40%)
- Anastomoseninsuffizienz (10–15%)
- Rezidiv der ösophagotrachealen Fistel
- Ösophagusstriktur
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- Q39.-: Angeborene Fehlbildungen des Ösophagus
- Q39.0: Ösophagusatresie ohne Fistel
- Ösophagusatresie o.n.A.
- Q39.1: Ösophagusatresie mit Ösophagotrachealfistel
- Ösophagusatresie mit Ösophagobronchialfistel
- Q39.2: Angeborene Ösophagotrachealfistel ohne Atresie
- Angeborene Ösophagotrachealfistel o.n.A.
- Q39.3: Angeborene Ösophagusstenose und -striktur
- Q39.4: Angeborene Ösophagusmembran
- Exklusive: Ösophagusmembran (erworben)(K22.2)
- Q39.5: Angeborene Dilatation des Ösophagus
- Q39.6: Ösophagusdivertikel (angeboren)
- Ösophagustasche
- Q39.8: Sonstige angeborene Fehlbildungen des Ösophagus
- Angeborene Verlagerung
- Duplikatur
- Fehlen
- Q39.9: Angeborene Fehlbildung des Ösophagus, nicht näher bezeichnet
- Q39.0: Ösophagusatresie ohne Fistel
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.