Zusammenfassung
Husten ist ein häufiger Vorstellungsgrund in der allgemeinmedizinischen Praxis und oftmals Symptom einer pulmonalen Erkrankung. In der Anamnese gilt es zunächst zu klären, ob es sich um einen akuten oder einen chronischen (>8 Wochen) Verlauf handelt. Im Falle eines akut aufgetretenen Hustens ohne weitere Warnzeichen ist i.d.R. die körperliche Untersuchung mit Schwerpunkt auf der Lungenauskultation diagnostisch ausreichend. Liegen jedoch Warnzeichen wie bspw. starke Thoraxschmerzen, Dyspnoe oder Hämoptyse vor oder ist der Husten chronisch, sollten immer weitere Maßnahmen (z.B. Röntgen-Thorax, Lungenfunktionsuntersuchung) erfolgen. Zu den häufigsten Ursachen für einen akuten Husten zählen unspezifische Infekte der oberen Luftwege, Asthma bronchiale und eine akute kardiale Dekompensation. Chronischer Husten wird häufig durch obstruktive oder nicht-obstruktive Bronchitiden verursacht. Therapeutisch sollte immer die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund stehen.
Einteilung
- Nach zeitlicher Dauer (Definition nach DEGAM) [1][2]
- Akuter Husten: ≤3 Wochen
- Subakuter Husten: >3 und ≤8 Wochen
- Chronischer Husten: >8 Wochen
- Nach klinischer Charakteristik [2]: Produktiv vs. unproduktiv [2]
Pathophysiologie
Husten
- Definition: Kräftiger Exspirationsstoß, bei dem sich die zuvor geschlossene Glottis öffnet
- Auslöser: Reflektorisch (durch den Hustenreflex) oder willkürlich
- Ziel: Entfernung von Sekret oder Fremdkörpern aus den Atemwegen
Hustenreflex
- Definition: Reflex, der durch Irritationen von Hustenrezeptoren in der Nase, den Nasennebenhöhlen, den oberen oder den unteren Atemwegen ausgelöst wird
- Auslösende Reize
- Thermisch: Kalte Luft
- Mechanisch: Eingeatmete oder aspirierte Fremdpartikel (z.B. Rauch oder Staub), vermehrte Schleimbildung , forcierte Exspiration
- Chemisch
- Entzündungsmediatoren: Bradykinin, Tachykinin, Prostaglandin E2
- Weitere Stoffe: Capsaicin, Zitronensäure, destilliertes Wasser
- Reflexbogen: Fortleitung über den N. vagus zum Hustenzentrum im Hirnstamm
Diagnostik
Anamnese bei Husten
Besondere Aufmerksamkeit sollte auf die Red Flags bei Husten gelegt werden.
Die Red Flags sollten als Erstes evaluiert und behandelt werden!
- Patientenspezifische Faktoren: U.a. Raucheranamnese
- Raucher:innen >45 Jahre mit neu aufgetretenem Husten oder Änderung des Hustencharakters
- Personen im Alter von 55–80 Jahren mit mind. 30 Pack Years
- Dauer: Akuter/subakuter (≤8 Wochen) vs. chronischer Husten (>8 Wochen)
- Chronisch intermittierend vs. anhaltend
- Tageszeitlicher Verlauf
- Änderungen seit erstmaligem Auftreten
- Auswurf
- Auswurf vorhanden?
- Farbe [3]
- Konsistenz
- Blutbeimengungen
- Auslösende Faktoren
- Kardiale Belastung
- Umgebung
- Beruf
- Soziale Situation
- Medikamenteneinnahme
- Genussmittelkonsum (insb. Rauchen )
- Tageszeit
- Jahreszeit
- Reiseanamnese
- Impfstatus
- Kontakt zu positiv getesteten Personen mit SARS-CoV-2
- Begleitsymptome
- Dyspnoe
- Schmerzen
- Fieber
- Riech- oder Geschmacksverlust
- Schluckbeschwerden
- Ungewollte Gewichtsveränderung
- B-Symptomatik
- Vorerkrankungen: Insb. kardiovaskuläre, pulmologische, rheumatologische und neoplastische Vorerkrankungen
Körperliche Untersuchung bei Husten
Folgende Aspekte und mögliche Hinweise sollten besonders berücksichtigt werden:
- Allgemein
- Fieber: Hinweis auf Pneumonie, Bronchiektasen oder Pleuritis sicca
- B-Symptomatik: Hinweis auf Malignom oder Lungentuberkulose
- Zyanose: Hinweis auf COPD, Asthma bronchiale oder Herzinsuffizienz
- Zeichen der chronischen Hypoxie : Hinweis auf COPD oder Asthma bronchiale
- Beinödeme: Hinweis auf Herzinsuffizienz
- Reduzierter Ernährungszustand: Hinweis auf Mukoviszidose oder Malignome
- Untersuchung der Lunge bzw. des Thorax
- Inspektion
- Fassthorax: Hinweis auf lange bestehende COPD oder Asthma bronchiale
- Asymmetrische Thoraxbewegungen: Hinweis auf Pneumothorax
- Perkussion
- Gedämpfter Klang: Hinweis auf Pneumonie oder Lungenödem
- Hypersonorer Klang: Hinweis auf Asthma bronchiale oder Pneumothorax
- Auskultation
- Tachypnoe: Hinweis auf Pneumonie oder Herzinsuffizienz
- Feuchte Atemnebengeräusche: Hinweis auf Pneumonie , Bronchitis , Lungenödem oder Bronchiektasen
- Trockene Atemnebengeräusche: Hinweis auf COPD , Asthma bronchiale oder Pertussis
- Inspektion
- Untersuchung des Herzens bzw. des Kreislaufsystems
- Inspektion
- Stauung der Halsvenen: Hinweis auf Rechtsherzinsuffizienz
- Palpation/Auskultation
- Tachykardie: Hinweis auf Pneumonie oder Lungenembolie
- Arterielle Hypotonie: Hinweis auf Linksherzinsuffizienz
- Inspektion
- Untersuchung von Kopf und Hals
- Inspektion
- Gerötete Schleimhäute, vergrößerte Tonsillen, Schleimauflagerungen: Hinweis auf Infektion der oberen Atemwege
- Konjunktivitis: Hinweis auf Inhalation von Reizstoffen
- Palpation
- Vergrößerte Lymphknoten: Hinweis auf Entzündungen/Infektionen oder Malignome
- Inspektion
Für weitere Informationen zur klinischen Untersuchung siehe: Ablauf einer allgemeinen körperlichen Aufnahmeuntersuchung
Bei akutem Husten und Fehlen von Red Flags bei Husten sind Anamnese und körperliche Untersuchung zur Diagnosestellung ausreichend! [1][2]
Weiterführende Diagnostik [1][2]
Sowohl chronischer Husten als auch Red Flags bei Husten sollten in Kooperation mit Pneumologie/HNO durch folgende Untersuchungen abgeklärt werden:
- Pulsoxymetrie
- Röntgen-Thorax
- Lungenfunktionsdiagnostik
- Blutuntersuchung
- Ggf. Sputumuntersuchung, Bronchoskopie, CT
- Siehe auch: Husten - Differenzialdiagnosen
Red Flags
Red Flags bei (sub)akutem Husten [1]
- Stridor
- Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose
- Relevanter Abfall der Sauerstoffsättigung (neu aufgetreten)
- Tachykardie
- Thoraxschmerz
- Hämoptysen
- Schaumiger Auswurf
- Z.n. Thoraxtrauma (zeitnah)
- Inhalation von Rauch oder reizenden Substanzen
- Schwere Immunsuppression mit Infekt
- Gebrechlichkeit (Frailty)
Bei Vorliegen von Red Flags ist ein sofortiger Handlungsbedarf zu prüfen und adäquate (ggf. stationäre) Diagnostik ohne Verzögerung durchzuführen! [2]
Erkrankungen mit sofortigem Handlungsbedarf [1][2][4][5][6][7]
Die nachfolgende Tabelle listet häufige ursächliche Erkrankungen auf, die mit bestimmten Red Flags einhergehen und einen sofortigen Handlungsbedarf anzeigen.
Red Flags mit sofortigem Handlungsbedarf bei Husten | ||||||||
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Kardiale Dekompensation | Lungenödem | Status asthmaticus | Pneumonie | Aspiration | ||||
Zeitlicher Verlauf der aktuellen Symptomatik |
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Dyspnoe | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Auswurf | — | — | — | (✓) | ✓ | — | (✓) | — |
Hämoptysen | (✓) | — | — | — | — | — | (✓) | — |
Thoraxschmerzen | ✓ | ✓ | (✓) | (✓) | (✓) | (✓) | (✓) | — |
Fieber | (✓) | — | — | — | — | — | ✓ | — |
Weitere häufige Befunde und Risikofaktoren |
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Weiterführende Links |
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Legende: ✓ Häufig vorkommend, (✓) Gelegentlich vorkommend, — Nicht typisch |
Red Flags bei chronischem Husten [1]
- Stridor
- Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose
- Relevanter Abfall der Sauerstoffsättigung (neu aufgetreten)
- Tachykardie
- Fieber
- Hämoptysen
- Nachtschweiß, Gewichtsverlust
- Dysphagie, Mangelernährung, Exsikkose
- Schwere Immunsuppression mit Infekt
Bei Vorliegen von Red Flags ist ein sofortiger Handlungsbedarf zu prüfen und adäquate (ggf. stationäre) Diagnostik ohne Verzögerung durchzuführen! [2]
Red Flags für einen abwendbar gefährlichen Verlauf
Die nachfolgende Tabelle listet häufige ursächliche Erkrankungen auf, die auf einen abwendbar gefährlichen Verlauf bei Husten hindeuten, jedoch keinen unmittelbaren Notfall darstellen.
Red Flags für einen abwendbar gefährlichen Verlauf bei Husten | |||
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Lungenkarzinom | Lungentuberkulose | Bronchiektase | |
Zeitlicher Verlauf der aktuellen Symptomatik |
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Dyspnoe | ✓ | (✓) | ✓ |
Auswurf | ✓ | (✓) | ✓ |
Hämoptysen | (✓) | (✓) | ✓ |
B-Symptomatik | ✓ | (✓) | — |
Heiserkeit | (✓) | — | — |
Weitere häufige Befunde und Risikofaktoren |
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Weiterführende Links | |||
Legende: ✓ Häufig vorkommend, (✓) Gelegentlich vorkommend, — Nicht typisch |
Differenzialdiagnosen
Akuter Husten
Differenzialdiagnosen bei akutem Husten | |||
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Ursache | Charakteristika | Wegweisende Diagnostik | Therapie |
Unspezifischer Virusinfekt der Luftwege |
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Asthma bronchiale |
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Kardiale Dekompensation |
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Aspiration |
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Lungenembolie |
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Pneumonie |
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Pneumothorax |
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Pertussis |
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Pleuritis sicca |
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Inhalation von Reizstoffen |
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Chronischer Husten
Differenzialdiagnosen bei chronischem Husten | |||
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Ursache | Charakteristika | Wegweisende Diagnostik | Therapie |
Chronische, nicht-obstruktive Bronchitis |
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COPD |
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Asthma bronchiale | |||
Sinubronchiales Syndrom |
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Lungentuberkulose |
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Herzinsuffizienz |
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Bronchiektasen |
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Medikamentös bedingt |
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Lungentumoren |
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Interstitielle Lungenparenchymerkrankungen |
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Mukoviszidose |
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Psychogener Husten |
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Chronisch idiopathischer Husten [2] |
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AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Akuter und subakuter Husten [1]
Allgemein
- Überversorgung vermeiden
- Kausale Therapie sollte immer im Vordergrund stehen (abhängig von der Grunderkrankung)
- Siehe auch: Akuter Husten - Differenzialdiagnosen
- Patientenaufklärung über Spontanverlauf bei Erwachsenen ohne Red Flags
- Allgemeinmaßnahmen: Körperliche Schonung, Rauchverzicht, Befeuchtung der Atemwege
- Mögliche Strategien zur Reduzierung von Antibiotikaverordnungen
- Mitgabe des Rezepts zur Einnahme bei Verschlechterung
- Partizipative Entscheidungsfindung
- Bestimmung von CRP oder Procalcitonin
- Ggf. supportiv: Atemphysiotherapie [2]
Medikamentöse Therapie (symptomatisch)
Erkältungskrankheit und akute Bronchitis Erwachsener ohne Red Flags sollen nicht mit Antibiotika behandelt werden! [1]
Chronischer Husten [1][2]
- Bei Rauchern: Rauchstopp empfehlen
- Therapie der Grunderkrankung
- Siehe auch: Chronischer Husten - Differenzialdiagnosen
- Bei ungeklärtem, therapierefraktärem Husten [1]
- Interdisziplinäre Behandlung
- Logopädie, Physiotherapie erwägen
- Ggf. Gabapentin oder niedrig dosiertes Morphin erwägen (bei hohem Leidensdruck)
- Regelmäßige Reevaluation empfohlen [1]
(Sub)akuter Husten: Symptomatische medikamentöse Therapie
Expektoranzien [1]
- Wirkmechanismen: Sekretolytisch , mukolytisch , sekretomotorisch
- Indikation: Schleimiger, festsitzender Husten
- Hinweis: Wirksamkeit nicht sicher belegt, Einsatz umstritten , keine Kombination mit Antitussiva
- Wirkstoffe: Ambroxol, Bromhexin, Clenbuterol und Ambroxol, Guaifenesin, N-Acetylcystein (ACC)
Expektoranzien | ||
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Wirkstoff | Darreichungsformen und Zulassung | Anmerkungen |
Ambroxol |
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Bromhexin |
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Guaifenesin |
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N-Acetylcystein |
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Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist bei Verwendung von Expektoranzien unverzichtbar!
Die gleichzeitige Anwendung von Expektoranzien und Antitussiva ist kontraproduktiv! Ein ungedämpfter Hustenreflex ist die Grundvoraussetzung für das Abhusten des Schleims!
Antitussiva[1]
- Wirkmechanismus [8]
- Zentral: Inhibition des Hustenreflexes
- Peripher: Hemmung sensibler Rezeptoren in den Bronchien
- Indikation
- Kurzfristige Behandlung von Reizhusten bzw. unproduktivem Husten, insb. zur Nacht
- Strenge Indikationsstellung!
- Hinweise
- Einsatz umstritten [2]
- Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens möglich
- Wirkstoffe: Codein , Dextromethorphan, Dihydrocodein, Levodropropizin, Noscapin, Pentoxyverin
Antitussiva | ||
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Wirkstoff | Zulassung und Darreichungsformen | Anmerkungen |
Codein |
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Dextromethorphan |
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Dihydrocodein |
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Levodropropizin |
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Noscapin |
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Pentoxyverin |
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Bei produktivem Husten ist die Unterdrückung des Hustenreizes nicht sinnvoll. Wenn eine bronchoobstruktive Komponente (Asthma, obstruktive Bronchitis) vorliegt, sind Hustenstiller nur in Kombination mit Salbutamol bzw. vergleichbaren bronchienerweiternden Medikamenten zu verwenden!
Phytotherapeutika bei Husten[1][9]
- Hinweis: Evidenz insg. gering
- Wirkstoffe (Beispiele): Efeublätter-Trockenextrakt, Thymiankraut- und Efeublätter-Fluidextrakt, Thymiankraut- und Primelwurzel-Extrakt, Pelargonium, Echinacea, ätherische Öle
Phytotherapeutika bei Husten | ||
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Wirkstoff (Beispiele) | Zulassung und Darreichungsform | Anmerkungen |
Efeublätter-Trockenextrakt |
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Thymiankraut- und Efeublätter-Fluidextrakt |
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Thymiankraut- und Primelwurzel-Extrakt |
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Pelargonium |
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Echinacea |
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Ätherische Öle |
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β2-Sympathomimetika und inhalative Glucocorticoide [2]
- Indikation: Subakuter postinfektiöser Husten (im Sinne einer bronchialen Hyperreagibilität)
- Wirkstoffe
- Kurzwirksame β2-Sympathomimetika (SABA), bspw. Salbutamol
- Inhalative Glucocorticoide (ICS), bspw. Budesonid
- Bei Kindern und Jugendlichen siehe:
Prävention
Patienteninformationen
- Husten
- Ungeklärter, chronischer Husten