Zusammenfassung
Aussackungen der Speiseröhre werden je nach Genese in Traktions- und Pulsionsdivertikel unterschieden. Traktionsdivertikel treten dabei im mittleren Abschnitt des Ösophagus auf, während im Bereich des oberen und unteren Sphinkters erhöhter intraluminaler Druck zur Ausbildung von Pulsionsdivertikeln führen kann. Die klinische Symptomatik hängt dabei von der Größe der Aussackung ab und äußert sich meist durch zunehmende Schluckstörungen, Aspiration und retrosternales Druckgefühl. Neben der typischen Symptomatik ist vor allem zur Abgrenzung eines Karzinoms sowie zur Einschätzung des Schweregrads weitere Diagnostik hilfreich (Röntgenkontrastdarstellung, Endoskopie). Divertikel des mittleren und distalen Ösophagus bleiben meist symptomarm und bedürfen keiner Therapie. In etwa 70 % aller Fälle liegt jedoch ein zumeist symptomatisches „Zenker-Divertikel“ im Bereich des oberen Ösophagussphinkters vor – dieses sollte unter anderem aufgrund der erhöhten Gefahr einer Aspirationspneumonie reseziert werden.
Definition
- Traktionsdivertikel = echtes Divertikel = Aussackung der gesamten Ösophaguswandschichten
- Pulsionsdivertikel = falsches Divertikel = durch endoluminale Druckerhöhung entstandene Aussackung der Schleimhaut (Mukosa und Submukosa) nach außen durch eine muskelschwache Stelle der Muskularis
Klassifikation
Einteilung nach Lokalisation
- Oberer Ösophagussphinkter: Pharyngoösophageales Pulsionsdivertikel
- Z.B. Zenker-Divertikel im muskelschwachen Killian-Dreieck zwischen Pars obliqua und Pars fundiformis des M. cricopharyngeus des dorsalen Hypopharynx (70 %)
- Vorsicht! Das Zenker-Divertikel wird zwar als Ösophagusdivertikel abgehandelt, anatomisch geht es aber vom Hypopharynx aus!
- Mittlerer Ösophagus: Bifurkationsdivertikel an der Aufteilung der Trachea (Traktionsdivertikel)
- Unterer Ösophagussphinkter: Epiphrenisches Pulsionsdivertikel
Pathophysiologie
Anatomische Grundlagen
- 3 physiologische Engen des Ösophagus
- Obere Enge: Übergang von Rachen in den Ösophagus (Ösophagusmund) → Engste Stelle mit Innendurchmesser von ca. 1 cm (ca. 15 cm ab Zahnreihe)
- Mittlere Ösophagusenge: Anlagerung des Aortenbogens (ca. 25 cm ab Zahnreihe)
- Untere Ösophagusenge: Durchtritt durch das Zwerchfell (ca. 38 cm ab Zahnreihe; der Eintritt in den Magen bei etwa 40 cm stellt keine Engstelle dar)
- Zahnreihe bis Ösophagusmund = 15 cm; Ösophaguslänge = 25 cm → 40 cm von Zahnreihe bis zum Magen
Einteilung nach Mechanismus
- Pulsionsdivertikel (unechte Divertikel)
- Aussacken der Wand durch erhöhte intraluminale Druckspitzen
- Ursache: Gestörte Entspannung der ösophagealen Schließmuskel
- Oberer Sphinkter → Pharyngoösophageales Pulsionsdivertikel (z.B. Zenker-Divertikel)
- Unterer Sphinkter → Epiphrenisches Pulsionsdivertikel
- Traktionsdivertikel (echte Divertikel)
- Mediastinale Entzündungsprozesse mit narbiger Einziehung
- Evtl. auch Motilitätsstörung an der Genese beteiligt
Symptomatik
- Klinik abhängig von der Größe des Divertikels
- Leitsymptom: Dysphagie
- Regurgitation unverdauter Speisen
- Aspiration
- Hustenreiz bei Nahrungsaufnahme
- Retrosternales Druckgefühl und Schmerzen
- Foetor ex ore
Diagnostik
- Anamnese
- Röntgenkontrastmitteldarstellung
- Divertikeldarstellung im Bariumsulfat-Ösophagusbreischluck oder Gastrografinschluck (wasserlöslich)
- Ein Zenker-Divertikel kann am besten im lateralen Strahlengang beurteilt werden. Dabei zeigt sich auf Höhe C5/C6 eine kontrastmittelgefüllte Aussackung des Hypopharynx nach dorsal.
- Ein Traktionsdivertikel stellt sich als zipfelige, dreiecksförmige Ausbuchtung der Ösophaguswand dar, wobei die Basis des Dreiecks zur Wand zeigt.
- Endoskopie
- Zenker-Divertikel liegen meist links dorsal
- Gefahr der Divertikelperforation durch häufig irregulären Ösophagusverlauf
Differenzialdiagnosen
- Andere Ursachen einer Dysphagie
- Entzündungen, z.B. Tonsillitis
- Tumoren, z.B. Ösophaguskarzinom oder Hypopharynxkarzinom
- Neurologische/neuromuskuläre Erkrankung, z.B. Schlaganfall oder Myasthenia gravis
- Verschlucken von Fremdkörpern
- Gefäßfehlbildungen, z.B. A. lusoria (Abgang der A. subclavia dextra aus der Aorta descendens)
- Funktionelle Dysphagie (anhaltendes Fremdkörpergefühl ohne objektivierbare Schluckbehinderung)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Operative Therapie
- Durchführung: Divertikelexzision und Myotomie
- Indikation
- Zenker-Divertikel
- Evtl. große und symptomatische epiphrenische Divertikel (selten)
Distale Divertikel (Traktionsdivertikel und epiphrenische Divertikel) bedürfen meist keiner Therapie!
Komplikationen
- Aspirationspneumonie bei größeren Zenker-Divertikeln relativ häufig
- Selten Perforation mit Mediastinitis, Fistelbildung
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K22.-: Sonstige Krankheiten des Ösophagus
- Exklusive: Ösophagusvarizen (I85.‑)
- K22.5: Divertikel des Ösophagus, erworben
- Ösophagustasche, erworben
- Exklusive: Ösophagusdivertikel (angeboren)(Q39.6)
- Q39.-: Angeborene Fehlbildungen des Ösophagus
- Q39.6: Ösophagusdivertikel (angeboren)
- Ösophagustasche
- Q39.6: Ösophagusdivertikel (angeboren)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.