Zusammenfassung
Die klinische Pathologie ist ein fester Bestandteil der Medizin und dient der Abklärung von Tumorerkrankungen, bestimmten Entzündungen (z.B. Sarkoidose) sowie unklaren Gewebeveränderungen und Befunden. Ein zentrales Element hierbei ist die mikroskopische Untersuchung von Gewebe und Zellen. Die Histologie zeigt Zellverbände in einem Gewebsschnitt, die Zytologie einzelne Zellen oder sehr kleine Zellverbände ohne Zusammenhang zur Umgebung.
Die Erkenntnisse aus der Befundung von Biopsien und Resektaten stellt dabei oftmals die Basis für die weitere Behandlung des Patienten dar. Intraoperativ ist der Pathologe zudem oft der Lotse des Chirurgen. Innerhalb von wenigen Minuten und noch während der Operation muss er Stellung bezüglich konkreter Diagnosen (maligne / nicht maligne?) und Resektionsrändern (Tumor vollständig entfernt?) nehmen. Die Aussagen des Pathologen bestimmen somit oft maßgeblich den Verlauf einer Operation.
Mit diesem Kapitel soll eine Systematik geschaffen werden, mit deren Hilfe auch dem noch nicht geschulten Betrachter die Herangehensweise an ein pathologisches Präparat gelingen kann. Mittels der virtuellen Mikroskopie ist die differenzierte Betrachtung verschiedener Präparate möglich – genauso detailliert wie in einem echten Präparat, dabei aber wesentlich leichter zu bedienen. Zudem finden sich innerhalb des Präparates Annotationen, die helfen, anatomische Strukturen und pathologische Veränderungen zu erkennen.
Grundlagen
Vom klinischen Verdacht zum mikroskopischen Präparat
Ergeben sich im Rahmen des klinischen Alltages Fragestellungen, die durch die Entnahme einer Gewebeprobe beantwortet werden sollen, so wird der Pathologe aktiv. Nach Gewinnung von Material (Zangenbiopsie, Feinnadelpunktion, Operationspräparat, Abstrich) wird dieses mit einer konkreten Fragestellung zur Begutachtung zum Pathologen gesandt .
- Bei Gewebe (Histologie)
- Definition: Die Histopathologie bezeichnet die mikroskopische Beurteilung von (krankhaft veränderten) Gewebeverbänden
- Ablauf
- Materialgewinnung
- Endoskopie
- Operation
- Stanzbiopsie
- Aufbereitung des Gewebes
- Färbung
- H.E.-Färbung (Standardfärbung)
- Weitere Färbungen bei speziellen Fragestellungen (bspw. PAS-Färbung , Elastica-van Gieson , Kongorot )
- Materialgewinnung
- Bei Zellen (Zytologie)
- Definition: Die Zytopathologie bezeichnet die mikroskopische Beurteilung von (krankhaft veränderten) einzelnen Zellen oder kleineren Gewebeverbänden
- Ablauf
- Materialgewinnung
- Mechanische Abschilferung (bspw. mittels Bürste, Spatel)
- Feinnadelpunktion
- Zentrifugation (bspw. von Urin, Aszites)
- Aufbereitung des Gewebes: Ausstrich und Alkoholfixierung oder Lufttrocknung auf Objektträger
- Färbung
- Fixiertes Material: Papanicolaou-Färbung und/oder H.E.-Färbung
- Luftgetrocknetes Material: Pappenheim-Färbung bzw. May-Grünwald-Giemsa
- Materialgewinnung
- Siehe auch: "Präparatformen in der Pathologie"
Vom mikroskopischen Präparat zur Diagnose
Kleine Zell- oder Gewebeproben können wie oben beschrieben aufbereitet werden. Größere Proben oder ganze Organe (bspw. durch eine Gastrektomie oder Kolektomie) werden zuerst makroskopisch begutachtet und zugeschnitten. Dabei gilt genau zu beachten, woher die Probe entnommen wurde, da i.d.R. nicht das gesamte Präparat mikroskopisch aufbereitet wird.
- Beispielhafter Ablauf der pathologischen Diagnostik
- Allgemeine Betrachtung
- Überblick (i.d.R. in H.E.-Färbung)
- Überblick über die Gewebestruktur → Verdachtsdiagnose
- Spezialfärbungen
- Beantwortung von Fragestellungen, für die die H.E.-Färbung nicht geeignet ist
- Beispiele: Darstellung von Schleim (PAS-Färbung); Darstellung von Blutgefäßen (Elastica-van Gieson)
- Siehe auch: "Färbeverfahren in der Pathologie"
- Überblick (i.d.R. in H.E.-Färbung)
- Klassifizierung der Läsion (Staging und Grading) (bspw. bei Tumoren)
- Begutachtete Kriterien
- Dignität (benigne vs. maligne)
- Morphologischer Phänotyp (bspw. epithelial)
- Differenzierung des veränderten Gewebes (Grading)
- Ausdehnung und ggf. Metastasierung anhand von Klassifikationssystemen wie dem TNM-System (Staging)
- Begutachtete Kriterien
- Weiterführende Untersuchungsmethoden
- Enzymhistochemie und Immunhistologie
- Durchflusszytometrie
- Molekularbiologische Methoden (bspw. DNA-Sequenzierung und -Amplifizierung, FISH)
- Elektronenmikroskopie
- Allgemeine Betrachtung
Beispiele möglicher Zell- und Gewebeveränderungen
- Sind Zellen Stress ausgesetzt, können Anpassungsreaktionen und/oder reversible bis hin zu irreversiblen Zellschädigungen die Folge sein.
- Anpassungsreaktionen unter dem Mikroskop
- "Gewebeverkleinerung"
- "Gewebevergrößerung"
- "Veränderte Gewebestruktur"
- Metaplasie und/oder Dysplasie
- Neoplasie (für weitere Einzelheiten siehe auch: "Allgemeine Onkologie")
- Maligne vs. benigne
- "Einlagerungen in Gewebe oder Zellen"
- Zellschädigung unter dem Mikroskop
- Ursachen: Vielfältig (Ischämie, chemische/biologische/physikalische Noxen etc.)
- Folgen: Vielfältig und meist abhängig von der Ursache und dem betroffenen Gewebe
- Beispiel: Zellveränderungen bei Ischämie
- (Hydropische) Zellschwellung
- Zelleinschlüsse
- Verfall zellulärer Strukturen
- Aufquellen der Mitochondrien mit Zelltrübung ("Tyndall-Effekt" ) und Eosinophilie
- Verlust der Querstreifung bei Muskelzellen
- Veränderungen oder Verlust des Zellkerns
- Karyopyknose (Schrumpfung des Zellkerns und Chromatinverdichtung: kleiner und hyperchromatischer Zellkern) → Karyorrhexis (Zellkern fragmentiert in mehrere Einzelteile) → Karyolysis (Zellkernfragmente lösen sich auf: Zellkern verblasst)
- Beispiel: Zellveränderungen bei Ischämie
- Siehe auch: "Zelluläre Veränderungen und Anpassungsreaktionen"
Vorgehen bei der Betrachtung
Im Regelfall werden Informationen zum Organ sowie eine Verdachtsdiagnose zusammen mit dem Präparat übersendet. Trotzdem (und insb. im Studium) ist die Fähigkeit zur Zuordnung des vorliegenden Gewebes erforderlich
Nur durch Kenntnis der physiologischen Histologie können die pathologischen Veränderungen im Gewebe gut beurteilt werden!
- Makroskopische Betrachtung
- Art des Präparats (Zellen oder Gewebe)
- Orientierung (Wie ist das Gewebe angeschnitten? Wo ist "oben und unten"? )
- Färbung
- Mikroskopische Betrachtung mit geringster Vergrößerung
- Mikroskopische Betrachtung von auffälligen Arealen mit starker Vergrößerung
- Einzelne Zellveränderungen
- Auffälligkeiten hinsichtlich Malignität, Zellansammlungen, Art der Zellen usw.
- Welcher Zelltyp zeigt die Veränderungen? Woher stammt er physiologisch?
- Veränderungen der Interzellularmatrix
- Kollagenanreicherung, Pigmentablagerungen usw.
- Wie könnten diese Veränderungen entstanden sein?
- Zu welcher Erkrankung passen diese Veränderungen?
- Veränderungen der Architektur mit Überschreitung von physiologischen Gewebegrenzen
- Bspw. Überschreiten der Basallamina von Epithelien
- Welche Eigenschaften der Veränderung (Ätiologie, Dignität) lassen sich hieraus ableiten?
- Einzelne Zellveränderungen
Präparate zum Üben
Die nachfolgenden Beispiele sollen eine Hilfe zur strukturierten Begutachtung von histopathologischen Präparaten sein. Zur Selbstkontrolle werden Fragen gestellt, deren Antworten im Erklärungskommentar verborgen sind.
Beispielpräparat
Betrachte das folgende Präparat mit dem Mikroskopier-Modus und verschaffe dir einen ersten Überblick. Folge anschließend den aufgeführten Fragen, die dich systematisch zur Befundung führen. Zur Beantwortung der Fragen kannst du immer wieder in die mikroskopische Betrachtung des Präparats wechseln. Viel Spaß und Erfolg!
1. Orientierung in kleinster Vergrößerung
Was erkennst du? Zellen oder Gewebe (von welchem Organ)?
Welche Färbung liegt hier vor?
Fallen dir Unregelmäßigkeiten auf?
2. Betrachtung auffälliger Areale
Welche Gewebeveränderungen kannst du erkennen? Welchem Gewebetyp würdest du sie zuordnen?
Vermutest du eine benigne oder maligne Veränderung?
3. Verdachtsdiagnose
Nenne deine Verdachtsdiagnose! Beachte dabei die Zusammenschau der Befunde und die Ausbreitung der Veränderung!
4. Erneute Betrachtung mit Annotationen
- Weitere Präparate zum Selbststudium :