Zusammenfassung
Die Allgemeinanästhesie (ugs. „Vollnarkose“) ist ein medizinisches Verfahren zur zeitlich begrenzten Ausschaltung von Bewusstsein, Schmerzempfindung sowie vegetativer Reaktion und wird v.a. im Rahmen operativer Eingriffe eingesetzt. Die Einleitung bzw. Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie erfolgt mit Inhalations- bzw. Injektionsanästhetika sowie intravenösen Opioiden. Um die Atemwege zu sichern, wird meist eine endotracheale Intubation durchgeführt.
Für begleitende bzw. weiterführende Inhalte siehe auch:
- Injektionsanästhetika
- Inhalationsanästhetika
- Opioide
- Muskelrelaxanzien
- Supraglottische Atemwegshilfen
- Maschinelle Beatmung
Für allgemeine Informationen zum Vorgehen bei Kindern siehe: Grundlagen der Kinderanästhesie
Definition
- Definition: Medizinisches Verfahren zur temporären und reversiblen Ausschaltung von Bewusstsein, Schmerzempfindung und vegetativer Reaktion, meist eingesetzt im Rahmen operativer Eingriffe (ugs. „Vollnarkose“)
- Komponenten einer Allgemeinanästhesie
Komponenten einer Allgemeinanästhesie und dafür verwendete Wirkstoffe | ||||
---|---|---|---|---|
Injektionsanästhetika | Inhalationsanästhetika | Opioide | Muskelrelaxanzien | |
Hypnose | ✓ | ✓ | (✓) | — |
Analgesie | (✓) | (✓) | ✓ | — |
Reflexdämpfung | ✓ | ✓ | (✓) [1] | ✓ |
Amnesie | ✓ | ✓ | (✓) [2] | — |
Muskelrelaxierung | — | (✓) [3] | — | ✓ |
✓ = Wirkstoffklasse beeinflusst diese Komponente, (✓) = Wirkstoffklasse beeinflusst z.T. diese Komponente, zielt jedoch hauptsächlich auf eine andere Komponente ab |
Bei einer Allgemeinanästhesie kommen i.d.R. Anästhetika, Opioide und Muskelrelaxanzien kombiniert zum Einsatz!
Eine Allgemeinanästhesie führt zu einer Einschränkung bzw. zum Aussetzen der Spontanatmung und erfordert daher immer die Sicherung der Atemwege!
Formen der Allgemeinanästhesie
Einteilung nach verwendeten Wirkstoffen [4]
Balancierte Anästhesie [5]
- Definition: Allgemeinanästhesie, bei der intravenöse Wirkstoffe und Inhalationsanästhetika kombiniert eingesetzt werden
- Wirkstoffe
- Injektionsanästhetika zur Hypnose bei Narkoseeinleitung, bspw. Propofol
- Inhalationsanästhetika zur Hypnose bei Aufrechterhaltung der Narkose, bspw. Sevofluran
- Opioide zur Analgesie, bspw. Fentanyl, Remifentanil
- Muskelrelaxanzien zur Relaxierung, bspw. Rocuronium
- Vorteile: Nutzung der spezifischen Eigenschaften verschiedener Substanzklassen
- Einleitung der Narkose mit Injektionsanästhetika siehe: Intravenöse Narkoseeinleitung
- Aufrechterhaltung der Narkose mit Inhalationsanästhetika
- Gute Steuerbarkeit der Anästhesietiefe
- Potenzierung der Wirkung von Muskelrelaxanzien
- Organunabhängige Pharmakokinetik
- Bronchodilatation (insb. Sevofluran) [6]
- Nachteile
- Insb. durch Nebenwirkungen der Inhalationsanästhetika
- Zudem klimaschädlicher Effekt der typischerweise verwendeten Flurane [7]
Totale intravenöse Anästhesie (TIVA)
- Definition: Allgemeinanästhesie, bei der ausschließlich intravenöse Wirkstoffe eingesetzt werden (kein Einsatz von Inhalationsanästhetika)
- Wirkstoffe
- Injektionsanästhetika zur Hypnose, typischerweise Propofol
- Opioide zur Analgesie, bspw. Remifentanil, Sufentanil, Fentanyl
- Muskelrelaxanzien zur Relaxierung, bspw. Rocuronium oder Mivacurium (insb. bei kürzeren Eingriffen)
- Vorteile
- Einleitung der Narkose mit Injektionsanästhetika siehe: Intravenöse Narkoseeinleitung
- Geringes PONV-Risiko
- Einsetzbar bei vermuteter oder bestätigter maligner Hyperthermie (sog. „triggerfreie Narkose“)
- Kombinierbar mit Jet-Ventilation, Bronchoskopie
- Nachteil: Plasma- und Gewebekonzentration von Propofol nicht direkt messbar (eingeschränkte Steuerbarkeit der Anästhesietiefe)
Propofol plus Opioid ist die Standardkombination für eine TIVA! [8]
Inhalationsanästhesie
- Definition: Allgemeinanästhesie, bei der ausschließlich Inhalationsanästhetika eingesetzt werden (kein Einsatz intravenöser Wirkstoffe)
- Wirkstoffe
- Inhalationsanästhetika zur Hypnose, bspw. Sevofluran
- Lachgas zur Analgesie
- Vor- und Nachteile siehe
Die Inhalationsanästhesie wird heutzutage nur noch selten angewendet!
Einteilung nach verwendeter Methode zur Atemwegssicherung
- Intubationsnarkose: Allgemeinanästhesie mit endotrachealer Intubation
- Narkose unter Verwendung einer Larynxmaske oder eines Larynxtubus: Allgemeinanästhesie mit Anwendung supraglottischer Atemwegshilfen
- Maskennarkose: Allgemeinanästhesie mit Maskenbeatmung
Sonderformen
Indikation
Allgemeinanästhesie zur Durchführung operativer Eingriffe
Eine Allgemeinanästhesie wird meist eingesetzt, um chirurgische Eingriffe unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen und auf etwaige Komplikationen (bspw. hoher Blutverlust, Volumenverschiebung) adäquat reagieren zu können.
- Allgemeine Indikationen bspw.
- Lange OP-Dauer
- Hohe Invasivität
- Notwendigkeit einer Muskelrelaxierung
- Patientenwunsch für eine Allgemeinanästhesie
- Unbequeme Lagerung
- Indikation zur Beatmung
- Alle laparoskopischen Eingriffe
- Kontraindikation für alternative Narkoseverfahren, bspw. aufgrund des OP-Gebiets
- Siehe auch: Auswahl des Narkoseverfahrens
- Indikationen für eine balancierte Anästhesie
- Standardverfahren
- Bevorzugt bei Atemwegserkrankungen (bronchodilatatorische Wirkung der Inhalationsanästhetika)
- Indikationen für eine TIVA
- Alternative zur balancierten Anästhesie
- Bevorzugt bei erhöhtem Risiko für PONV
- Disposition für maligne Hyperthermie
- Eingriffe mit verminderter Dichtigkeit des Beatmungssystems, bspw. Jet-Ventilation
Eine Allgemeinanästhesie ermöglicht operative Eingriffe unter kontrollierten Bedingungen!
Allgemeinanästhesie in der Notfallmedizin [9][10][11]
In der Notfallmedizin ist die Allgemeinanästhesie Voraussetzung für eine Sicherung der Atemwege mittels Intubation und eine kontrollierte maschinelle Beatmung.
- Mögliche Indikationen
- Therapierefraktärer Status epilepticus, siehe auch: Status epilepticus - AMBOSS-SOP
- Respiratorische Insuffizienz
- Erhöhter Hirndruck
- GCS <9, siehe auch: Intubationskriterien bei Polytrauma und Vigilanzminderung - AMBOSS-SOP
- Die Notfallnarkose zur Atemwegssicherung erfolgt i.d.R. als Rapid Sequence Induction
- Siehe auch: Rapid Sequence Induction - AMBOSS-SOP
Kontraindikation
- Absolute Kontraindikation: Keine (bis auf fehlende Einwilligung! )
- Relative Kontraindikationen
- Unverträglichkeit oder Allergie gegen bestimmte Medikamente
- Erhöhtes Risiko für medikamentöse Nebenwirkungen aufgrund schwerer Vorerkrankungen oder Lebensalter
- Kontraindikation für invasive Zugangswege
- Kontraindikation für bestimmte Atemwegshilfen
- Allgemein erhöhtes Narkoserisiko, siehe auch: Einschätzen des perioperativen Risikos
- Bei Vorliegen relativer Kontraindikationen: Ausweichen auf andere Medikamente bzw. Techniken
- Siehe auch: Auswahl des Narkoseverfahrens
Von ärztlicher Seite gibt es keine absoluten Kontraindikationen für eine Allgemeinanästhesie!
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Vorbereitung
Im Folgenden wird die anästhesiologische Vorbereitung im Einleitungsraum abgehandelt.
- Für weiter zurückliegende Vorbereitungen (Vorgespräch, anästhesiologische Aufklärung etc.) siehe: Prämedikationsambulanz bzw. medikamentöse Prämedikation
- Für chirurgische/interdisziplinäre Aspekte zur Vorbereitung siehe: Unmittelbar präoperatives Management
- Für die medikamentöse Prophylaxe von Infektionen bzw. allergischen Reaktionen siehe: Perioperative Antibiotikaprophylaxe bzw. perioperative Prophylaxe mit Antihistaminika
- Für die Tests zur Prüfung des Narkosegerätes siehe: Gerätecheck nach MPBetreibV bzw. Kurzcheck des Narkosegerätes
Material und Medikamente
Material zur Durchführung einer endotrachealen Intubation
- Basismaterial
- Laryngoskope und Spatel
- Endotrachealtuben
- Absaugung mit Absaugkathetern
- Material für das Management von Atemwegskomplikationen
- Hilfsmittel zum Freihalten der oberen Atemwege (Guedel-Tubus, Wendl-Tubus)
- Supraglottische Atemwegshilfen (Larynxmaske, Larynxtubus)
- Videolaryngoskop , Einführhilfe (Führungsstab, Bougie )
- Weiteres Material siehe auch
- Material und Medikamente zur Durchführung einer endotrachealen Intubation
- Material und Medikamente zur Durchführung einer Rapid Sequence Induction
- Material und Medikamente zur Durchführung einer fiberoptischen Wachintubation
- Anlage supraglottischer Atemwegshilfen - AMBOSS-SOP
- Koniotomie - AMBOSS-SOP
Material und Medikamente zur Durchführung einer Allgemeinanästhesie
Die Vollständigkeit des Materials im Narkosewagen liegt in pflegerischer Verantwortung. Vor Einleitung der Narkose sollte das bereitliegende Material ärztlicherseits auf Vollständigkeit geprüft werden.
- Basismaterial („Narkosewagen“)
- Verbrauchsmaterial
- Infusionslösungen und -zubehör, ggf. Transfusionszubehör
- Magensonde in passender Größe
- Cuffdruckmessgerät
- Basismedikamente (aufgezogen und beschriftet!)
- Narkoseeinleitung
- Injektionsanästhetikum, bspw. Propofol
- Analgetikum
- Opioid zur Bolusgabe, bspw. Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil oder
- Opioid über Perfusor, bspw. Remifentanil
- Muskelrelaxans, bspw. Mivacurium
- Narkoseaufrechterhaltung
- Allgemeinanästhetikum
- Propofol als Perfusorspritze (TIVA) oder
- Inhalationsanästhetikum (balancierte Anästhesie)
- Analgetikum
- Opioid zur repetitiven Bolusgabe, bspw. Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil oder
- Opioid über Perfusor, bspw. Remifentanil
- Muskelrelaxans, bspw. Mivacurium
- Allgemeinanästhetikum
- Narkoseeinleitung
- Weitere Medikamente (fakultativ)
Material für Monitoring
- Blutdruckmessgerät für nicht-invasive Blutdruckmessung
- EKG-Elektroden
- Pulsoxymeter
- Ggf. Material für erweitertes Monitoring (bspw. TOF-Messung)
Material für sterile Arbeitsschritte
Wenn die Anlage eines ZVK, einer arteriellen Kanüle oder eine andere sterile Prozedur vorgesehen ist, sollte dies frühzeitig mit dem Pflegepersonal kommuniziert werden.
- Invasives Monitoring
- Schmerzkatheteranlage (bei Kombinationsanästhesie)
- Für Details siehe auch
Dieses Kapitel behandelt primär die Intubationsnarkose! Zur Verwendung supraglottischer Atemwegshilfen siehe: Anlage supraglottischer Atemwegshilfen - AMBOSS-SOP.
Laryngoskope und Spatel
- Laryngoskop
- Direkte Laryngoskopie: Intubationslaryngoskop
- Indirekte Laryngoskopie: Videolaryngoskop
- Spatel in verschiedenen Formen und Größen (je nach individuellem Bedarf)
- Macintosh-Spatel
- Form: Leicht gebogen
- Größen: Größe 0 (76 mm lang) bis Größe 5 (176 mm lang), Standardgröße für Erwachsene 3–4
- Miller-Spatel
- Form: Gerade
- Größen: Größe 0 (76 mm lang) bis Größe 5 (176 mm lang)
- McCoy-Spatel
- Form: Leicht gebogen mit beweglicher, klappbarer Spitze (um Epiglottis anzuheben)
- Größen: Standardgröße für Erwachsene 3–4
- Dörges-Spatel
- Form: Relativ gerade, nur vorderer Teil ist gebogen
- Größen: Einheitsgröße, passend für fast alle Patienten
- Macintosh-Spatel
Endotrachealtuben [13]
- Aufbau
- Durchsichtiger Plastikschlauch mit Öffnungen an beiden Enden
- Aufblasbarer Cuff (Blockmanschette bzw. Ballon) kurz über unterer Öffnung
- Typen
- Magill-Tubus
- Beschreibung: Tubus aus festem Kunststoff mit genormtem Krümmungsradius
- Besonderheit: Kann auch ohne Führungsstab zur orotrachealen Intubation verwendet werden
- Verwendung: Standardtubus
- Murphy-Tubus
- Beschreibung: Modifikation des Standardtubus mit zusätzlicher seitlicher Öffnung (sog. „Murphy-Auge“)
- Besonderheit: Beatmungsmöglichkeit auch dann gegeben, wenn die Tubusspitze der Trachealwand anliegt
- Verwendung: Standardtubus
- Woodbridge-Tubus (Spiraltubus)
- Doppellumige Tuben
- Beschreibung: Verschiedene Tuben (Carlens-, White- und Robertshaw-Tubus) zur beidseitigen und/oder einseitigen Beatmung der Lungen
- Besonderheit: Einseitige Beatmung möglich (Einlungenventilation)
- Verwendung: Bspw. bei OPs im Thoraxraum
- Vorgeformte Tuben
- RAE-Tubus
- Beschreibung: Anatomisch vorgeformter Tubus zur orotrachealen oder nasalen Intubation
- Besonderheit: Ausleitung über Stirn oder Unterkiefer
- Verwendung: Bspw. bei OPs im Kopf-Hals-Bereich
- Oxford-non-kinking-Tubus (ONK-Tubus)
- Beschreibung: Starrer, L-förmiger Tubus zur orotrachealen Intubation mit speziellem Führungsstab
- Besonderheit: Kurze Länge, dadurch keine versehentliche einseitige Beatmung möglich
- Verwendung: Heutzutage kaum mehr angewandt
- RAE-Tubus
- Microcuff-Tubus [14]
- Beschreibung: Tubus mit kurzstreckigem Hochvolumen-Niederdruck-Cuff
- Besonderheit: Geringere Beeinträchtigung der Mikrozirkulation der trachealen Schleimhaut
- Verwendung: Hauptsächlich in der Kinderanästhesie
- Magill-Tubus
- Anwendung: Siehe
Auswahl der Tubusgröße
- Bei Kindern
- Berechnung anhand des Alters, bspw. für Kinder >18 Monate
- Abschätzung anhand des kindlichen Kleinfingers: Außendurchmesser des Tubus entspricht in etwa der Dicke des Kleinfingers
- Bereitlegen von Alternativen: Nächstgrößere und -kleinere Größe griffbereit, insb. bei Tuben ohne Cuff
- Siehe auch: Atemwegsmanagement im Kindesalter
Auswahl der Tubusgröße mit Cuff [13][16] | ||||
---|---|---|---|---|
Größe (Innendurchmesser in mm) | Alter | Körpergewicht | Insertionstiefe in cm | |
ab Mundwinkel | ab Nasenloch | |||
2 | Frühgeborene | <0,7 kg | 5 | 6 |
2,5 | <1 kg | 5,5 | 7 | |
3 | Neugeborene | 1 kg | 6 | 7,5 |
2 kg | 7 | 9 | ||
3 kg | 8,5 | 10,5 | ||
3,5 | 3,5 kg | 9 | 11 | |
Säuglinge | 6 kg | 10 | 12 | |
4 | Kleinkinder | 10 kg | 11 | 14 |
4,5 | 12 kg | 12 | 15 | |
14 kg | 13 | 16 | ||
5 | 16 kg | 14 | 17 | |
5,5 | Kinder | 20 kg | 15 | 19 |
6 | 24 kg | 16 | 20 | |
6,5 | 30 kg | 17 | 21 | |
7 | 38 kg | 18 | 22 | |
7,5 | 50 kg | 19 | 23 | |
7–8 | Erwachsene (♀) | 60 kg | 20 | 24 |
7,5–8,5 | Erwachsene (♂) | 70 kg | 21 | 25 |
Diese beispielhafte Auswahl der Tubusgrößen gilt für Tuben mit Cuff; je nach Krankenhaus und verwendetem Material kann dies gerade bei Kindern variieren!
Abschätzung der Intubationsbedingungen
Tests und Scores
- Ziel: Vorhersage einer schwierigen Laryngoskopie bzw. Intubation
- Limitation: Sichere Vorhersage nicht anhand eines einzelnen Tests bzw. Scores möglich
Es gibt keinen Test oder Score, der für sich allein genommen eine schwierige Laryngoskopie bzw. Intubation sicher vorhersagt!
Modifizierte Klassifikation nach Mallampati [18]
- Durchführung bei wachen, aufrecht sitzenden Personen (Kopf in Neutralposition)
- Beurteilung: Eingeschränkte Sichtbarkeit der Uvula (Mallampati Grad III oder IV) gilt als möglicher Prädiktor für eine schwierige Intubation
Modifizierte Klassifikation nach Mallampati | |
---|---|
Grad | Befund |
I | Uvula und weicher Gaumen komplett einsehbar |
II | Uvulaspitze wird durch Zunge verdeckt; weicher Gaumen komplett einsehbar |
III | Uvula wird von Zunge nahezu vollständig verdeckt; weicher Gaumen weitestgehend einsehbar |
IV | Nur harter Gaumen einsehbar [19] |
Die Klassifikation nach Mallampati liefert eine hohe Zahl falsch-positiver Ergebnisse, ihr Vorhersagewert beträgt insgesamt nur ca. 50%!
Thyreomentaler Abstand (Test nach Patil) [18]
- Durchführung bei maximaler Streckung des Kopfes
- Messung des Abstands zwischen Prominentia laryngea und Kinnspitze
- Abstand beträgt normalerweise >6,5 cm
- Beurteilung: Werte ≤6,5 cm gelten als möglicher Prädiktor für eine schwierige (bis unmögliche) direkte Laryngoskopie
Upper Lip Bite Test [20][21][22]
- Durchführung bei wachen, sitzenden Personen
- Vorschieben der unteren Zahnreihe über die Oberlippe (Protrusion des Unterkiefers)
- Prüfung der durch die unteren Schneidezähne verdeckten Anteile der Oberlippe
- Beurteilung: Eingeschränkte Erreichbarkeit der Oberlippe mit den unteren Schneidezähnen (Klasse II und III) gilt als möglicher Prädiktor für eine schwierige Intubation
Upper Lip Bite Test | |
---|---|
Klasse | Befund |
I | Untere Schneidezähne bedecken vollständig die Oberlippe. |
II | Untere Schneidezähne erreichen die Oberlippe, Lippenrot nicht vollständig verdeckt. |
III | Untere Schneidezähne erreichen nicht die Oberlippe. |
Der Upper Lip Bite Test hat eine gute Vorhersagbarkeit für eine schwierige Intubation, muss aber immer in Zusammenschau mit anderen klinischen Hinweisen bewertet werden!
Risikoindex nach Arné [23]
Risikoindex nach Arné | ||
---|---|---|
Parameter | Punkte | |
Erschwerte Intubation in der Anamnese | 10 | |
Pathologien im Kopf- und Halsbereich | 5 | |
Klinische Symptome einer Atemwegserkrankung | 3 | |
Eingeschränkte Mundöffnung (MÖF) und mandibuläre Subluxation (SLux) | MÖF 3,5–5 cm, SLux = 0 | 3 |
MÖF <3,5 cm, SLux <0 | 13 | |
Thyreomentaler Abstand <6,5 cm | 4 | |
Max. Kopf-Hals-Beweglichkeit | 90° +/- 10° | 2 |
<80° | 5 | |
II | 2 | |
III | 6 | |
IV | 8 | |
Beurteilung: Max. 48 Punkte, Grenzwert = 11 Punkte |
Alternativ zum Risikoindex nach Arné können auch der Wilson-Score [24] oder der Airway-Risk-Index nach El Ganzouri [25] verwendet werden!
Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg
Prädiktoren für eine schwierige Maskenbeatmung
- Verletzungen oder Pathologien im Hals- und/oder Gesichtsbereich
- Pathologische Zungenveränderungen (insb. Makroglossie)
- Maroder Zahnstatus oder Zahnlosigkeit
- Mallampati III oder IV
- Thyreomentaler Abstand <6–7 cm
- Deutliche Einschränkung der Protrusion des Unterkiefers
- Pathologische Veränderungen von Pharynx, Larynx und Trachea
- Adipositas (BMI >30 kg/m2)
- Anamnestisch Schnarchen bzw. OSAS
- Unzureichende Narkosetiefe
- Tragen eines Vollbarts
Prädiktoren für eine schwierige direkte Laryngoskopie
- Anamnestisch schwierige Intubation
- Pathologien im Kopf-, Hals- oder Mediastinalbereich
- Voroperationen im Bereich des Larynx bzw. Pharynx
- Subglottische Stenose, Trachealstenose, Trachealverlagerung
- Kurzer oder umfangreicher Hals
- Eingeschränkte Reklination des Kopfes (bspw. bei Morbus Bechterew) [26]
- Kieferfehlstellungen (Progenie, Dysgnathie)
- Mandibulo- und maxillofaziale Dysostosen
- Pathologischer Upper Lip Bite Test
- Mallampati Grad III oder IV
- Thyreomentaler Abstand <6–7 cm
- Eingeschränkte Mundöffnung
- Makroglossie
- Inspiratorischer Stridor
- Schwangerschaft
- OSAS
- Unzureichende Narkosetiefe oder fehlende Muskelrelaxierung
Prädiktoren für eine schwierige Videolaryngoskopie
- Anamnestisch schwierige indirekte Laryngoskopie
- Hochgradige Einschränkung von HWS-Beweglichkeit oder Mundöffnung
- Blut, Schleim oder Mageninhalt im Mund bzw. Rachen (Verschmutzung der Optik)
- Mangelnde Erfahrung oder ungünstige Umgebungsbedingungen
- Pathologien im Halsbereich, kurzer oder umfangreicher Hals, Makroglossie
- Pathologischer Upper Lip Bite Test
- Thyreomentaler Abstand <6–7 cm
- Unzureichende Narkosetiefe oder fehlende Muskelrelaxierung
Prädiktoren für eine schwierige Platzierung einer supraglottischen Atemwegshilfe
- Einschränkung von HWS-Beweglichkeit oder Mundöffnung
- Maroder Zahnstatus oder Zahnlosigkeit
- Adipositas permagna
- Halsumfang >44 cm
- Mallampati Grad III oder IV
- Unzureichende Narkosetiefe
Prädiktoren für eine erschwerte Seitentrennung der Lunge
- Aortenaneurysma
- Tumorbedingte Veränderung der tracheobronchialen Anatomie
- Trachealstenose
- Tracheoösophageale Fistel
- Tracheostoma
Die meisten Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg haben für sich allein genommen eine begrenzte Aussagekraft. Zur Abschätzung der Intubationsbedingungen sollten daher möglichst viele Prädiktoren berücksichtigt werden! [20]
Das Fehlen von Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg schließt einen schwierigen Atemweg nicht aus!
Auch atemwegsunabhängige Beeinträchtigungen (bspw. kardiopulmonale Dekompensation, schwere metabolische Azidose) können die Atemwegssicherung erschweren oder von einem schwierigen Atemweg ablenken!
Patientenübernahme in Einleitungsraum
Allgemeine Maßnahmen [27][28]
- Umlagerung auf OP-Liege
- Wärmemanagement, bspw. mit Decken, Warm Touch®, Bair Hugger®
- Kontrolle der medikamentösen Prämedikation: Ausreichende Beruhigung?
- Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters, bevorzugt
- Größe: 18 G (grün)
- Punktionsort: Handrücken
- Infusionsbeginn mit kristalloider Infusionslösung
Anästhesiologisches Monitoring
- Basismonitoring
- Pulsoxymetrie: Position des Clips am Finger (selten: Ohr oder Zeh)
-
Nicht-invasive Blutdruckmessung
- Position der Blutdruckmanschette am Oberarm (selten: Bein)
- Position nicht im OP-Gebiet
- Falls vorhanden: Shuntarm schonen (keine Blutdruckmessung oder i.v. Zugänge)
- Bei Z.n. nach Lymphknotenresektion (Axilla): Gegenseite oder Bein wählen
- 3-Kanal-EKG oder 7-Kanal-EKG (bei kardialem Risiko)
- Position der Elektroden bei 3-Kanal-EKG: Rechte Schulter, linke Schulter, V5
- Position der Elektroden bei 7-Kanal-EKG: Extremitäten, V5
- Beurteilung der Vitalparameter
- Im Verlauf ggf. erweitertes Monitoring, bspw.
- Verwendung eines neuromuskulären Monitorings (Relaxometrie): Bei Verwendung von Muskelrelaxanzien obligat! [27]
- Temperaturmessung: Kontinuierlich oder alle 15 min, bei Kindern obligat durchzuführen, bei Erwachsenen empfohlen [29]
- Abhängig vom OP-Gebiet bspw.
- Sublingual
- Oro- oder nasopharyngeal
- Ösophageal
- Vesikal (über Blasenkatheter)
- Tympanisch
- Abhängig vom OP-Gebiet bspw.
- Blasenkatheter mit Urimeter, siehe auch: Anlage eines Blasenkatheters
- Erweitertes hämodynamisches Monitoring, siehe auch: ZVK-Anlage und Anlage eines arteriellen Katheters
- Messung der Narkosetiefe (BIS-Monitoring)
Im Einleitungsraum sollten eine ruhige Atmosphäre herrschen und Arbeitsschritte nachvollziehbar kommuniziert werden!
Dokumente
- Narkoseprotokoll prüfen
- Besonderheiten vermerkt (bspw. erschwerte Intubationsbedingungen, Allergien, erhöhtes Aspirationsrisiko)?
- Schwerwiegende Vorerkrankungen (bspw. Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz)?
- Surgical Safety Checklist prüfen
- Klinikinterne Standards beachten!
- Relevante Aspekte der Checklist nochmals verifizieren, bspw. Identität, Allergien oder Nüchternheit
- Beispielhafte Checklist siehe: Surgical Safety Checklist
Zur Sicherheit sollte die Checklist eher doppelt abgefragt werden als gar nicht!
Ablauf/Durchführung
Die Durchführung einer Allgemeinanästhesie ist eine ärztliche und pflegerische Teamleistung, die eingespielte Abläufe und eine gute Kommunikation erfordert. Der genaue Ablauf kann situationsabhängig variieren, vereinfacht dargestellt umfasst er typischerweise jedoch die folgenden Aspekte:
- Präoxygenierung
- Narkoseeinleitung
- Maskenbeatmung
- Atemwegssicherung
- Endotracheale Intubation
- Anlage einer supraglottischen Atemwegshilfe
- Narkoseführung
- Narkoseausleitung
- Extubation
- Entfernung der supraglottischen Atemwegshilfe
Ein kurzes Innehalten des ärztlichen und pflegerischen Teams nach Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen, gefolgt von einem kurzen Durchsprechen des weiteren Vorgehens, kann zur Erhöhung der perioperativen Sicherheit beitragen! [8]
Präoxygenierung
Grundlagen [17][30][31][32]
- Definition: Aufbau einer Sauerstoffreserve zur Erhöhung der Apnoetoleranz
- Indikation
- Obligat bei spontan atmenden Patienten vor Narkoseeinleitung (verfügbare Zeit bis zur Atemwegssicherung↑)
- Optional vor geplanter Unterbrechung der Beatmung
- Allgemeines Prinzip: Gabe von 100% Sauerstoff mit hohem Frischgasfluss → Auffüllen der Sauerstoffspeicher des Körpers
- Denitrogenisierung und Oxygenierung der funktionellen Residualkapazität (FRC)
- Maximale Sättigung des Hämoglobins mit Sauerstoff
- Erhöhung des physikalisch gelösten Sauerstoffs im Blut
Durch eine Präoxygenierung verlängert sich der Zeitraum bis zum Auftreten einer Hypoxie in einer Apnoephase!
Sauerstoffspeicher des Körpers [31] | |||
---|---|---|---|
Kompartiment | Vorliegen des Sauerstoffs | Sauerstoffvorrat [mL] in Abhängigkeit von der FiO2 | |
FiO2 0,21 | FiO2 1,0 | ||
Lunge |
|
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|
Blut |
|
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Muskel |
|
|
|
Extrazellularflüssigkeit |
|
|
|
- Mögliche Vorteile
- Verlängerung der verfügbaren Zeit zur Atemwegssicherung
- Vermeidung von Komplikationen durch Hypoxie
- Mögliche Nachteile
- Verzögerte Detektion einer (ösophagealen oder bronchialen) Fehlintubation
- Ausbildung von Resorptionsatelektasen und reaktiven Sauerstoffverbindungen
- Unerwünschte hämodynamische Effekte, insb.
- Herzfrequenz und Herzzeitvolumen↓
- Koronarer und zerebraler Blutfluss↓
- Einflussfaktoren auf die Effektivität der Präoxygenierung
- Patientenlagerung
- Dauer der Durchführung
- Einstellungen von FiO2 und Frischgasfluss
- Grad der Dichtigkeit der Beatmungsmaske
- Qualität der Spontanatmung bzw. Verwendung einer NIV
- Einflussfaktoren auf das Ausmaß der erreichbaren Apnoetoleranz
- Größe der funktionellen Residualkapazität (FRC)
- Höhe des Sauerstoffverbrauchs
- Verwendetes Muskelrelaxans
Im Rahmen der Präoxygenierung hat die Denitrogenisierung und Oxygenierung der funktionellen Residualkapazität den größten Einfluss auf eine mögliche Erhöhung der Apnoetoleranz!
Das Unterlassen einer Präoxygenierung im Rahmen einer geplanten Narkoseeinleitung bei spontan atmenden Patienten kann im Schadensfall als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden! [8]
Durchführung einer Präoxygenierung
- Lagerung: 25–30° Oberkörperhochlagerung anstreben (insb. bei Adipositas)
- Geeignete Beatmungsmaske auswählen und möglichst dicht auflegen [8]
- Maskengröße 4–5 als „Standard“ für Erwachsene
- Kontrolle der Dichtigkeit bspw. über Kapnometrie bzw. Kapnografie möglich [9][28]
- Gabe von 100% Sauerstoff mit einem Frischgasfluss von 10 L/min [17]
- Dauer der Präoxygenierung individuell anpassen
- Idealerweise bis zum Erreichen einer FeO2 >0,9 [8]
- Mindestdauer von 3–4 min bei normaler Atmung [17]
- Bei hypoxiegefährdeten Personen verlängerte Präoxygenierung von 5 min erwägen [17]
- Unterbrechungen vermeiden [8]
- Erschwerte Bedingungen ggf. bei
- Prädiktoren für eine erschwerte Maskenbeatmung
- Einliegender Magensonde
- Subjektivem Unwohlsein („Maskenangst“)
- Bei erhöhter Hypoxiegefährdung
- Präoxygenierung über eine NIV erwägen (individuelle Indikationsstellung) [17]
- Für das allgemeine anästhesiologische Management bei typischen Risikogruppen siehe:
Bei der Präoxygenierung auf einen dichten Sitz der Beatmungsmaske achten und zwischenzeitliche Unterbrechungen vermeiden!
Sonderfall: Apnoische Oxygenierung [33][34]
- Definition: Fortgeführte Diffusion von Sauerstoff aus den Alveolen in das Blut während einer Apnoephase
- Physiologie der Apnoe [35][36]
- O2-Verbrauch und CO2-Produktion bei Apnoe primär unverändert, aber
- O2-Aufnahme aus den Alveolen übersteigt deutlich CO2-Abgabe in die Alveolen → Alveolärer Volumenverlust → Erzeugung eines alveolären Unterdrucks → Sogwirkung bei offenen Atemwegen → Passiver Einstrom von Atemgas in die Lunge (sog. aventilatorischer Massenfluss) → O2-Vorrat in der FRC↑
- Klinische Anwendung: Insufflation von Sauerstoff mit hohem Frischgasfluss während Apnoephase → Verlängerung der Zeit bis zu einem signifikanten Sättigungsabfall [30]
- Indikation: Temporäre Unterstützung der Oxygenierung, bspw. bei
- Erwartet oder unerwartet schwierigem Atemweg [37]
- Rapid Sequence Induction [34]
- Bronchoskopien oder kleinen otolaryngealen Eingriffen [30]
- Geplanter intraoperativer Apnoephase zur Verbesserung der OP-Bedingungen
- Typische Applikationswege
- Vorteile
- Sauerstoff gelangt auch ohne Ventilation in die Alveolen
- Verbesserung der apnoischen Oxygenierung → Erhöhung der Apnoetoleranz (verlängerte Zeit bis zu signifikantem Sättigungsabfall) [30]
- Nachteil: Kohlenstoffdioxid wird nicht abgeatmet und sammelt sich daher im Körper an → Respiratorische Azidose
- Indikation: Temporäre Unterstützung der Oxygenierung, bspw. bei
Grundvoraussetzung für die apnoische Oxygenierung ist ein ungestörter aventilatorischer Massenfluss bei offenen Atemwegen!
Eine Insufflation von Sauerstoff mit hohem Frischgasfluss während einer Apnoephase kann die Dauer einer Sauerstoffversorgung des Körpers durch die apnoische Oxygenierung verlängern!
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Techniken der Narkoseeinleitung
- Routinemäßig angewendete Techniken
- Intravenöse Narkoseeinleitung
- Standardverfahren
- Elektive und notfallmäßige Narkoseeinleitung
- Inhalative Narkoseeinleitung
- Anwendung insb. in der Kinderanästhesie
- Nur elektive Narkoseeinleitung
- Intravenöse Narkoseeinleitung
- Alternative Techniken
- Intraossäre oder intramuskuläre Narkoseeinleitung (Anwendung insb. im Notfall)
- Rektale Narkoseeinleitung (historisches Verfahren) [38][39]
Die Kombination verschiedener Applikationswege zur Narkoseeinleitung ist ebenso möglich wie der Wechsel des Applikationsweges für die Aufrechterhaltung der Narkose!
Intravenöse Narkoseeinleitung
- Allgemeine Hinweise
- Große Auswahl an verwendbaren Medikamenten mit vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten
- Konkrete Durchführung sehr variabel (abhängig von klinischer Situation und lokalen Gegebenheiten)
- Prinzipiell hochdosierte Gabe eines Opioid-Analgetikums oder eines Injektionsanästhetikums ausreichend
- Typischerweise sequenzielle Gabe eines Opioid-Analgetikums und eines Injektionsanästhetikums
- Meist zusätzliche Gabe eines Muskelrelaxans zur Verbesserung der Intubations- bzw. OP-Bedingungen
- Individuelle Dosierung der verwendeten Wirkstoffe erforderlich [40], siehe auch:
- Vorteile
- Gute Steuerbarkeit und Kontrolle über die applizierte Substanzmenge
- Rasches, meist angenehmes Einschlafen ohne relevante exzitatorische Phänomene
- Erhöhte Sicherheit in der Einleitungsphase durch obligaten Gefäßzugang
- Verwendete Wirkstoffe
Die intravenöse Narkoseeinleitung erfolgt i.d.R. durch sequenzielle Gabe eines Opioid-Analgetikums und eines Injektionsanästhetikums! Eine Muskelrelaxierung ist nicht zwingend erforderlich, wird aber meistens zur Verbesserung der Intubations- bzw. OP-Bedingungen zusätzlich durchgeführt!
Hinweise zum Opioid-Analgetikum für die intravenöse Narkoseeinleitung [1][8][41][42]
- Typische Medikamente
- Besonderheiten bei der Narkoseeinleitung
- Große therapeutische Breite (gering ausgeprägte kardiovaskuläre Effekte)
- Gute Reflexdämpfung (Stressreaktion bei der Atemwegssicherung↓)
- Synergismus mit anderen Einleitungsmedikamenten (erforderliche Dosis des verwendeten Injektionsanästhetikums↓)
- Grundlage der intraoperativen Analgesie bzw. postoperativen Schmerztherapie
- Gefahr der Muskel- bzw. Thoraxrigidität bei rascher Gabe hoher Dosen
Als Analgetikum für die intravenöse Narkoseeinleitung kommen nahezu ausschließlich stark agonistische Opioide mit kurzer Zeit bis zum Erreichen des analgetischen Wirkmaximums zum Einsatz!
Hinweise zum Injektionsanästhetikum für die intravenöse Narkoseeinleitung [8][39][41][42][43][44][45][46]
- Typische Medikamente
- Besonderheiten bei der Narkoseeinleitung
- Häufig relevante Beeinträchtigung der Hämodynamik (insb. bei rascher Gabe hoher Dosen)
- Ausnahme: Ketamin bzw. Esketamin (sympathomimetische Wirkung mit HZV↑)
- Relative Ausnahme: Etomidat (gering ausgeprägte kardiovaskuläre Effekte)
- Häufig relevante Beeinträchtigung der Hämodynamik (insb. bei rascher Gabe hoher Dosen)
Bei nicht-invasiver Blutdruckmessung kann es sinnvoll sein, das Messintervall nach der Gabe des Injektionsanästhetikums auf eine Minute zu stellen, um relevante Blutdruckabfälle frühzeitig zu detektieren und behandeln zu können!
Hinweise zum Muskelrelaxans für die intravenöse Narkoseeinleitung [8][41][47]
- Typische Medikamente
- Rocuronium
- Atracurium
- Cis-Atracurium
- Mivacurium
- Succinylcholin (bis auf wenige Ausnahmen für elektive Eingriffe kontraindiziert) [48]
- Besonderheiten bei der Narkoseeinleitung
- Verwendung eines neuromuskulären Monitorings (Relaxometrie) obligat [27][49][50]
- Keinerlei analgetische bzw. hypnotische Wirkung → Gabe erst bei tiefer Bewusstlosigkeit
- Verkürzung der Anschlagszeit durch Erhöhung der Dosis möglich
- Prüfung der Durchführbarkeit einer Maskenbeatmung vor der Gabe normalerweise nicht erforderlich [17][51]
- Gefahr der verlängerten Wirkdauer von Mivacurium und Succinylcholin bei quantitativem oder qualitativem Mangel an Butyrylcholinesterase
- Sonderfall: Verzicht auf Muskelrelaxierung
- Muskelrelaxierung bei geplanter endotrachealer Intubation typisch, aber nicht zwingend erforderlich
- Verwendung von Adjuvanzien zur potenziellen Verbesserung der Intubationsbedingungen möglich, bspw.
- Magnesiumsulfat [52]
- Lidocain [53]
Die Verwendung von Succinylcholin ist bis auf wenige Ausnahmen für elektive Eingriffe kontraindiziert!
Inhalative Narkoseeinleitung
- Allgemeine Hinweise
- Etabliertes Verfahren insb. in der Kinderanästhesie [54][55]
- Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters insb. bei Säuglingen und Kleinkindern häufig schwierig [56]
- Möglicherweise emotional weniger belastend für Kinder im Vergleich zur intravenösen Narkoseeinleitung [57]
- Durchführung auch bei Erwachsenen gut möglich (individuelle Indikationsstellung) [58][59]
- Etabliertes Verfahren insb. in der Kinderanästhesie [54][55]
- Vorteile
- Kein Punktionsschmerz
- Geringe Beeinträchtigung der Hämodynamik [60]
- Nachteile
- Vermehrt exzitatorische Phänomene (Husten, Würgen, unwillkürliche Bewegungen bzw. Myoklonien) [54][61]
- Höheres Risiko für das Auftreten eines Laryngospasmus bei Kindern [62]
- Umgebungsbelastung durch Inhalationsanästhetikum (insb. bei nicht dicht sitzender Beatmungsmaske) [63][64]
- Verminderte Sicherheit in der Einleitungsphase durch fehlenden Gefäßzugang
- Kontraindikationen
- Nicht-nüchterne Patienten bzw. Vorliegen von Risikofaktoren für eine Aspiration
- Bekannter oder vermuteter schwieriger Atemweg [65]
- Schwerwiegende Vorerkrankungen
- Besonderheiten
- Maskenbeatmung und Anlage eines Gefäßzugangs (i.d.R. peripherer Venenverweilkatheter) erfolgt erst nach inhalativer Narkoseeinleitung
- Bei geplanter endotrachealer Intubation typischerweise zusätzliche intravenöse Gabe eines Injektionsanästhetikums und Muskelrelaxans
- Verwendete Wirkstoffe
- Kinder und Erwachsene: Sevofluran, Lachgas
- Nur Erwachsene: Desfluran, Isofluran
Sevofluran ist das Inhalationsanästhetikum der Wahl für die inhalative Narkoseeinleitung!
Hinweise zum Inhalationsanästhetikum für die inhalative Narkoseeinleitung
- Inhalationsanästhetikum der Wahl: Sevofluran [8][66]
- Kein klarer Vorteil für eine spezifische Einleitungstechnik (hohe vs. niedrige initiale Sevoflurankonzentration) [67]
- Tiefe Inspiration bei der Einleitung möglicherweise vorteilhaft [58]
- Kombination mit Lachgas möglich [66]
- Besonderheiten bei der Narkoseeinleitung: Mutterschutzgesetz beachten [64]
Maskenbeatmung [8][68][69]
- Definition: Assistierte oder kontrollierte Beatmung über eine Maske bei insuffizienter oder ausgeschalteter Spontanatmung
- Typischerweise manuell mit einem Beatmungsbeutel
- Optional maschinell als NIV oder druckkontrollierte Beatmung
- Indikation: Sicherstellung der Oxygenierung und Decarboxylierung, bspw. im Rahmen der
- Atemwegssicherung
- Maskennarkose
- Grundvoraussetzung: Keine Verlegung der oberen Atemwege vorhanden
- Kontraindikationen (elektive Anwendung)
- Nicht-nüchterne Patienten bzw. Vorliegen von Risikofaktoren für eine Aspiration
- Frontobasale Verletzungen
- Komplikationen
- Gastrale Luftinsufflation (insb. bei Anwendung hoher Beatmungsdrücke) → Regurgitation, Aspiration von Mageninhalt
- Hypoxie und Hyperkapnie bei schwieriger Maskenbeatmung
- Zahnschäden bei lockeren Zähnen bzw. marodem Zahnstatus
Durch eine Maskenbeatmung mit dicht anliegender Beatmungsmaske lässt sich die Sauerstoffzufuhr (FiO2) effektiv erhöhen!
Kontraindikationen der Maskenbeatmung sind in der Notfallsituation immer als relativ zu betrachten! Im Zweifel ist die akute Sicherstellung einer adäquaten Oxygenierung wichtiger als mögliche Komplikationen, welche sich im Verlauf ergeben können!
Durchführung einer Maskenbeatmung [8][9]
- Vorbereitende Maßnahmen im Notfall
- Obere Atemwege freimachen
- Immobilisierung bzw. Schienung der HWS erwägen
- Optimierung der Bedingungen
- Adäquate Narkosetiefe und ggf. Muskelrelaxierung (falls bisher noch nicht durchgeführt) [17]
- Verbesserte Jackson-Position („Schnüffelposition“) des Kopfes [70][71][72][73]
- Anatomisch passende Beatmungsmaske (Maskengröße 4–5 als „Standard“ für Erwachsene)
- Ausreichenden O2-Frischgasfluss
- Verwendung von Reservoirbeutel oder Demand-Ventil zur Erhöhung der FiO2
- Positionierung: Am Kopfende der flach auf dem Rücken liegenden Person
- Fixierung der Beatmungsmaske mittels C-Griff
- Beatmungsmaske mit Daumen und Zeigefinger c-förmig umfassen und auf Mund und Nase aufsetzen
- Kleine Finger im Kieferwinkel, Ring- und Mittelfinger auf der Unterseite des Corpus mandibulae positionieren
- Unterkiefer sanft mit Klein-, Ring- und Mittelfinger anheben und Gegendruck über Daumen und Zeigefinger ausüben
- Druck auf Weichteile (Mundboden, Augen) vermeiden
- Manuelle bzw. maschinelle Beatmung
- Sauerstoffzufuhr (FiO2) so hoch wie möglich
- Inspirationsdruck (pinsp) so gering wie möglich
- Tidalvolumen (VT) 6 mL/kgKG anstreben
- Atemfrequenz (AF) 10–15/min anstreben
- Bei maschineller Beatmung optional PEEP von 5 mbar einstellen
- Erfolgskontrolle und Überwachung
- Kapnometrie bzw. Kapnografie verwenden
- Klinische Zeichen beachten, bspw.
- Sichtbare Thoraxexkursionen
- Kein hörbares Entweichen von Luft
Je dichter eine Beatmungsmaske anliegt (bspw. durch korrekte Anwendung des C-Griffs), desto effektiver kann eine Maskenbeatmung durchgeführt werden!
Aufgrund der Gefahr einer gastralen Luftinsufflation sollte der Inspirationsdruck (pinsp) bei der Maskenbeatmung deutlich <20 mbar (im Idealfall ≤15 mbar) liegen!
Schwierige Maskenbeatmung [9][17][74]
- Definition: Keine einheitliche Definition vorhanden, häufig genannte Kriterien sind bspw.
- Sauerstoffsättigung kann mit Maskenbeatmung nicht auf Ausgangsniveau gebracht werden
- Ventilation nur eingeschränkt bzw. nicht durchgehend möglich
- Hilfsmittel zum Offenhalten der oberen Atemwege erforderlich
- Unterstützung durch eine zweite Person erforderlich
- Inzidenz
- Schwierige Maskenbeatmung: 6%
- Unmögliche Maskenbeatmung: 0,04–0,15%
- Risikofaktoren
- Unerfahrenheit in der Durchführung
- Durchführung unter Notfallbedingungen
- Inadäquate Narkosetiefe, fehlende Muskelrelaxierung
- Thoraxrigidität nach rascher bzw. hochdosierter Opioidgabe
- Für allgemeine Risikofaktoren siehe: Prädiktoren für eine schwierige Maskenbeatmung
- Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Maskenbeatmung
- Allgemeine Maßnahmen
- Frühzeitige Anforderung von personeller Unterstützung
- Vertiefung der Narkose [8]
- Muskelrelaxierung [51]
- Öffnen der oberen Atemwege (mögliches HWS-Trauma bedenken!)
- Reklination des Kopfes
- Esmarch-Handgriff
- Mit Kleinfingern beidseits in den Kieferwinkel greifen
- Unterseite des Unterkiefers jeweils mit Ring-, Mittel- und Zeigefinger umfassen
- Beide Daumen auf dem Kinn platzieren und Mund durch sanften Druck öffnen
- Unterkiefer mit beiden Händen vorsichtig nach vorne schieben (subluxieren)
- Offenhalten der oberen Atemwege (mögliche orale bzw. frontobasale Verletzungen bedenken!)
- Anlage eines oropharyngealen Guedel-Tubus
- Anlage eines nasopharyngealen Wendl-Tubus
- Siehe auch: Einlage von Guedel- und Wendltubus - AMBOSS-SOP
- Fixierung der Beatmungsmaske mit beiden Händen (zweite Person oder maschinelle Beatmung erforderlich!) [75][76][77]
- Doppelter C-Griff
- Anheben des Unterkiefers beidseits mit Klein-, Ring- und Mittelfinger
- Hochschieben der Wangen an den seitlichen Maskenrand mit Handinnenflächen
- Nasale Maskenanteile mit beiden Daumen andrücken
- VE-Griff [78]
- Beatmungsmaske wird mit beiden Daumen und Daumenballen auf Mund und Nase gepresst
- Andere Finger heben den Unterkiefer an und üben gleichzeitig einen Gegendruck aus
- Doppelter C-Griff
- Allgemeine Maßnahmen
- Bei unmöglicher Maskenbeatmung: Vorgehen nach Algorithmus zum unerwartet schwierigen Atemweg
- Alternative: Pharyngeale Ventilation (individuelle Indikationsstellung!) [77][79]
Bei schwieriger oder unmöglicher Maskenbeatmung sollte frühzeitig personelle Unterstützung angefordert werden!
Maßnahmen zum Öffnen bzw. Offenhalten der oberen Atemwege können beim Vorliegen eines HWS-Traumas sowie oraler bzw. frontobasaler Verletzungen zu einer weiteren Schädigung führen!
Intubation
Endotracheale Intubation [8][80]
- Definition: Einbringen eines Endotrachealtubus in die Luftröhre mittels direkter oder indirekter Laryngoskopie [81]
- Typischerweise über den Mund (orotracheal)
- Situationsabhängig über die Nase (nasotracheal)
- Sonderfälle
- Transtracheale Einlage eines Endotrachealtubus im Rahmen einer Koniotomie
- Sekundäre endotracheale Intubation über eine Intubationslarynxmaske
- Standardverfahren der Atemwegssicherung, insb. bei
- Vorliegen eines erhöhten Aspirationsrisikos
- Notwendigkeit hoher Beatmungsdrücke
- OPs an den Atemwegen bzw. geplanter Einlungenventilation
- Langen bzw. komplexen Eingriffen bzw. Interventionen
- Intraoperativ schlecht zugänglichen Atemwegen
- Notwendigkeit zur regelmäßigen endotrachealen Absaugung
Eine endotracheale Intubation bietet einen relativ sicheren Aspirationsschutz und erlaubt eine Beatmung mit hohen Drücken!
Schwerwiegende Komplikationen durch die endotracheale Intubation sind insgesamt sehr selten! Die häufigsten Komplikationen sind Halsschmerzen, Heiserkeit und Schluckbeschwerden!
Cormack-Lehane-Klassifikation
- Definition: Weltweit gebräuchlichste Klassifikation des Laryngoskopiebefundes [82][83]
- Ursprünglich nur auf die direkte Laryngoskopie bezogen
- Anwendung (bzw. Dokumentation) auch bei indirekter Laryngoskopie empfohlen [17]
- Vorteile
- Befund wird routinemäßig während der endotrachealen Intubation erhoben
- Gut geeignet zur Vorhersage einer schwierigen Intubation
- Nachteile [82][84]
- Klassifikation kaum durch Studien validiert
- Eingeschränkte Reliabilität der Ergebnisse
- Hoher Stellenwert der Dokumentation [85]
- Grundlage zukünftiger Behandlungen mit erforderlicher Atemwegssicherung
- Immer angeben, unter welchen Bedingungen der Laryngoskopiebefund erhoben wurde
Für die Cormack-Lehane-Klassifikation wird nicht die initiale, sondern die bestmöglich einstellbare Sicht während der Laryngoskopie bewertet!
Die Dokumentation der Cormack-Lehane-Klassifikation muss immer die Bedingungen (bspw. Art der Laryngoskopie, Anwendung einer externe Manipulation des Larynx) beinhalten, unter denen der Laryngoskopiebefund erhoben wurde!
Ursprüngliche Cormack-Lehane-Klassifikation [86]
Cormack-Lehane-Klassifikation | |
---|---|
Grad | Laryngoskopiebefund |
I | Glottis komplett bzw. größtenteils sichtbar |
II | Nur posteriore Kommissur der Glottis bzw. nur Aryknorpel sichtbar |
III | Nur Epiglottis sichtbar |
IV | Keine laryngealen Strukturen sichtbar |
Ein Laryngoskopiebefund Grad III oder IV der Cormack-Lehane-Klassifikation ist ein Prädiktor für eine schwierige Intubation und geht entsprechend mit einem erhöhtem Risiko für das Auftreten von Atemwegskomplikationen und Intubationsschäden einher!
Modifizierte Cormack-Lehane-Klassifikation [87][88]
Modifizierte Cormack-Lehane-Klassifikation | |||
---|---|---|---|
Grad | Laryngoskopiebefund | Bewertung | Konsequenz |
I |
|
|
|
IIa | |||
IIb |
|
|
|
IIIa |
| ||
IIIb |
|
|
|
IV |
|
Im Gegensatz zur ursprünglichen Version erlaubt die modifizierte Cormack-Lehane-Klassifikation eine differenziertere Beurteilung des Laryngoskopiebefundes, welcher zudem optional mit einer Bewertung sowie einer Konsequenz für das unmittelbare Atemwegsmanagement verknüpft werden kann!
Durchführung einer endotrachealen Intubation
Abhängig von der klinischen Gesamtsituation sollte die endotracheale Intubation auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen.
- Für das generelle Vorgehen im Regelfall siehe: Endotracheale Intubation - AMBOSS-SOP
- Für das Vorgehen in dringlichen Fällen bzw. bei erhöhtem Aspirationsrisiko siehe: Rapid Sequence Induction - AMBOSS-SOP
- Für das Vorgehen bei bekanntem schwierigen Atemweg siehe: Fiberoptische Wachintubation - AMBOSS-SOP
- Für das Vorgehen bei Kindern siehe: Atemwegsmanagement im Kindesalter und Rapid Sequence Induction im Kindesalter
Im Notfall bzw. bei erhöhtem Aspirationsrisiko sollte die endotracheale Intubation primär im Rahmen einer Rapid Sequence Induction erfolgen!
Bei bekanntem schwierigen Atemweg sollte eine fiberoptische Wachintubation als primäres Verfahren zur endotrachealen Intubation erwogen werden!
Videolaryngoskopie [17][89][90]
- Grundprinzip: Indirekte Darstellung der Stimmbandebene auf einem Monitor
- Indikationen
- Primär empfohlen bei
- Erwartet schwieriger Intubation mit direkter Laryngoskopie (siehe: Prädiktoren für eine schwierige direkte Laryngoskopie)
- Notfällen (bspw. Reanimation, Anästhesie bei Notsectio)
- Sekundär bei unerwartet schwierigem Atemweg
- Primär empfohlen bei
- Vorteile
- Höhere Erfolgsrate im ersten Intubationsversuch
- Kürzere Dauer bis zur erfolgreichen Intubation
- Steilere Lernkurve
- Nachteile
- Verlernen oder Nicht-Erlernen der direkten Laryngoskopie
- Behinderung der Sicht bei verschmutzter Optik (Blut, Sekrete oder Erbrochenes)
- Unmöglichkeit der Tubusplatzierung trotz guter Sicht
- Besonderheiten [89][91]
- Einführen des Spatels in der Mittellinie (unter Sicht auf den Mund)
- Vorschieben des Spatels mit Blick auf den Monitor (bis Epiglottis und Stimmbandebene im Sichtfeld sind) [89]
Grundformen gängiger Videolaryngoskope [17][89] | |||
---|---|---|---|
Spatelform | Beispiele [92][93] | Besonderheit | Verwendung |
Macintosh-Spatel |
|
|
|
Hyperangulierter Spatel |
|
|
|
Spatel mit Tubusführung |
|
|
|
Schwierige Intubation [9][17][88][94][95][96][97]
- Definition gemäß DGAI
- Schwierige Intubation: >2 Intubationsversuche notwendig
- Unmögliche Laryngoskopie: Keine Visualisierung der Glottis möglich (Grad III oder IV nach der Cormack-Lehane-Klassifikation)
- Inzidenz
- Abhängig von untersuchter Population , verwendeter Definition und Erfahrung der durchführenden Person
- Orientierende Werte für den innerklinischen Bereich
- Schwierige direkte Laryngoskopie: 1,5–8%
- „Cannot ventilate, cannot intubate“: 0,004–0,008%
- Risikofaktoren
- Wichtigster Prädiktor: Schwierige Intubation bzw. schwierige direkte Laryngoskopie in der Vorgeschichte
- Für allgemeine Risikofaktoren siehe: Prädiktoren für eine schwierige direkte Laryngoskopie
- Algorithmusbasiertes Vorgehen empfohlen [37], siehe auch: Algorithmus zum
- Erwartet schwierigen Atemweg
- Unerwartet schwierigen Atemweg
- Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Intubationsbedingungen
- Allgemeine Maßnahmen
- Optimierung der Lagerung (insb. Kopfposition) [98]
- Externe Manipulation des Larynx, bspw.
- Wechsel auf einen anderen Spatel bzw. Endotrachealtubus
- Verwendung einer Einführhilfe (bspw. Führungsstab, Bougie )
- Indirekte Laryngoskopie (Videolaryngoskopie)
- Ausführliche Dokumentation obligat
- Optional Hinweise für die Extubation und eine potenziell erforderliche Reintubation geben
- Ausstellen eines Anästhesieausweises erwägen
- Adäquate Überwachung nach der Extubation gewährleisten [99][100]
- Unmittelbar: Vermeidung von sekundären Atemwegskomplikationen
- Im Verlauf: Frühzeitige Detektion von Folgekomplikationen
Eine schwierige Intubation bzw. schwierige direkte Laryngoskopie in der Vorgeschichte ist der wichtigste Prädiktor für das Auftreten einer schwierigen Intubation!
Sowohl für die erwartet als auch die unerwartet schwierige Intubation wird ein algorithmusbasiertes Vorgehen empfohlen!
Lagekontrolle des Endotrachealtubus [9][17][101][102][103][104][105][106]
Sichere und unsichere Intubationszeichen | ||
---|---|---|
Methode | Befund | |
Sicher |
|
|
|
| |
| ||
|
| |
Unsicher |
|
|
|
| |
|
Zur Erhöhung der Sicherheit sollten im besten Fall mehrere Methoden zur Lagekontrolle des Endotrachealtubus kombiniert werden!
Eine Auskultation des Thorax und des Epigastriums sollte im Rahmen der endotrachealen Intubation standardmäßig durchgeführt werden, auch wenn es sich beim Nachweis eines Atemgeräusches um kein sicheres Intubationszeichen handelt!
Mögliche Komplikationen einer endotrachealen Intubation
- Häufigste Komplikationen: Halsschmerzen, Heiserkeit und Schluckbeschwerden [107][108]
- Rate an schwerwiegenden Komplikationen insg. niedrig
- Probleme entstehen eher durch einen unerwartet schwierigen Atemweg
Komplikationen einer endotrachealen Intubation | ||
---|---|---|
Mechanismus | Typische Beispiele | Mögliche Folgekomplikationen |
Schädigung anatomischer Strukturen |
|
|
Fehllage des Endotrachealtubus |
|
|
Reflexsteigerung bei inadäquater Narkosetiefe |
|
|
Langzeitbeatmung |
|
|
Narkoseführung
Bei der Narkoseführung handelt es sich um eine ärztlich-anästhesiologische Leistung, die während ihres gesamten Verlaufs nach Facharztstandard erbracht werden muss. Sie beschränkt sich keinesfalls auf eine passive Überwachung von Vitalwerten und Medikamentendosierungen, sondern stellt vielmehr einen aktiven bzw. interaktiven Prozess dar, welcher der Aufrechterhaltung der Homöostase und der Gewährleistung der perioperativen Sicherheit der behandelten Person dient [110]. Im Detail richtet sich die Narkoseführung nach der klinischen Situation und lokalen Gegebenheiten bzw. Standards. Welche Werte dabei als „normal“ gelten, wird anhand orientierender Referenzbereiche individuell festgelegt.
Neben der Gewährleistung einer adäquaten Narkosetiefe ist das übergeordnete Ziel der Narkoseführung stets die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Homöostase des Körpers!
Allgemeine Hinweise
Grundregeln der Narkoseführung
- Lokale Gegebenheiten bzw. Standards beachten
- Individuelle Behandlungsstrategie und Zielwerte nach klinischer Gesamtsituation festlegen
- PONV-Prophylaxe und perioperative Antibiotikaprophylaxe erwägen
- Alarmgrenzen adäquat einstellen und Vitalparameter regelmäßig evaluieren
- Probleme durch Kenntnis typischer „kritischer Schritte“ eines Eingriffs nach Möglichkeit frühzeitig antizipieren
- Regelmäßige Kontrolle der Lagerung durchführen
- Auskühlen der behandelten Person durch geeignete Maßnahmen verhindern [111]
- Bei Bedarf personelle Ressourcen und Monitoring rechtzeitig aufstocken
- Auf gute Kommunikation mit dem Rest des Teams achten
- Postoperative Schmerztherapie schon intraoperativ planen und einleiten
- Maßnahmen und Verlauf sorgfältig und nachvollziehbar dokumentieren
Aufrechterhaltung der Allgemeinanästhesie
- Für die Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie siehe:
- Für die Durchführung und das Monitoring einer Muskelrelaxierung siehe:
Maschinelle Beatmung
- Für grundlegende Einstellungen und Überwachung siehe:
Kreislaufmanagement
- Für Behandlungsoptionen und Überwachung siehe:
Therapie mit Blutprodukten
- Für fremdblutsparende Maßnahmen siehe: Patient Blood Management
- Für die Durchführung einer Transfusion siehe:
Intraoperatives Blutzuckermanagement
- Für den präoperativen Umgang mit Antidiabetika und Insulin siehe: Perioperativer Umgang mit Vormedikation
- Für das prä- und postoperative Vorgehen siehe: Diabetes mellitus - Stationäres Blutzuckermanagement
- Indikation: Operativer Eingriff bei Diabetes mellitus Typ 1 und 2
- Ziel- und Grenzwerte [112][113]
- Perioperativer Zielwert: 80–180 mg/dL (4,4–10 mmol/L)
- Grenzwert für Insulingabe: ≥180 mg/dL (≥10 mmol/L)
- Zielwert nach Beginn der Insulintherapie: 140–180 mg/dL (7,8–10 mmol/L)
- Grenzwert fürs Verschieben einer elektiven OP: >300 mg/dL (16,7 mmol/L) [114]
- Kontrollen des Blutzuckers [113]
- Mind. stündliche Messung
- Durchführung mittels Blutzuckermessung oder Blutgasanalyse
- Intraoperative Insulintherapie
- Vorgehen bei kurzen, unkomplizierten Eingriffen [113][115][116]
- Spritzenpumpe: Glucose 5% i.v. mit Laufrate 100 mL/h
- Kurzwirksames Insulin nach Insulinkorrekturschema
- Weiterhin mind. stündliche Kontrollen des Blutzuckers
- Vorgehen bei längeren, komplizierten Eingriffen [115][117]
- Spritzenpumpe: Glucose 10% i.v. mit Laufrate 50 mL/h
- Intravenöse Gabe von Insulin mittels Insulinperfusor
- Weiterhin mind. stündliche Kontrollen des Blutzuckers
- Regelmäßige Elektrolytkontrollen für die Dauer der intraoperativen Insulintherapie : Gabe von Kalium bei <4 mmol/L
- Vorgehen bei kurzen, unkomplizierten Eingriffen [113][115][116]
- Für das Vorgehen im Kindes- und Jugendalter siehe: Perioperatives Management bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1
Intraoperativ erfolgt die Insulingabe nicht subkutan, sondern immer intravenös! [117]
Intraoperatives Blutzuckermanagement bei intravenöser Insulingabe [115][116][117] | |
---|---|
Blutglucose in mg/dL | Beispielhaftes Vorgehen |
<70 | |
70–100 |
|
101–140 |
|
141–180 |
|
181–220 |
|
221–270 |
|
Für den prä- und postoperativen Umgang mit Antidiabetika und Insulin siehe: Perioperativer Umgang mit Vormedikation und Diabetes mellitus - Stationäres Blutzuckermanagement!
Insb. bei sehr hohen und sehr niedrigen Werten ist eine zeitnahe Wiederholung der Blutzuckerkontrolle unter laufender Therapie erforderlich!
Besondere Patientengruppen
- Für Besonderheiten der Narkoseführung bei besonderen Patientengruppen siehe:
Monitoring der Narkosetiefe
Das Monitoring der Narkosetiefe dient insb. der Vermeidung von Komplikationen, welche durch eine zu flache bzw. zu tiefe Narkose entstehen können (bspw. Awareness, postoperatives Delir). Klassisch erfolgt die Überwachung in Anlehnung an das Guedel-Schema über die klinische Einschätzung durch die narkoseführende Person. Apparative Verfahren zur Messung der Narkosetiefe (bspw. EEG-basiertes Monitoring) können zusätzlich eingesetzt werden und bei einer objektivieren Beurteilung helfen, sind aber in Bezug auf ihren klinischen Nutzen umstritten.
Historische Einteilung der Narkosestadien einer Äthernarkose nach Guedel [8][118] | ||
---|---|---|
Stadium | Wesentliche Merkmale | |
I | Analgesiestadium |
|
II | Exzitationsstadium |
|
III | Toleranzstadium |
|
IV | Paralysestadium |
|
Klinische Einschätzung [119]
- Intraoperative Basismaßnahme
- Grundprinzip: Interpretation von Surrogatparametern, bspw.
- Vitalparameter
- Inspektionsbefund
- Vorteil: Leicht durchführbar
- Nachteil: Unsicheres Verfahren
Mögliche klinische Zeichen einer inadäquaten Narkosetiefe | |
---|---|
Zustand | Klinische Zeichen |
Narkose zu flach |
|
Narkose zu tief |
|
Die Narkosetiefe kann durch klinische Surrogatparameter (Vitalparameter, Inspektionsbefund) nicht sicher bestimmt werden!
Apparative Messung [120][121][122]
- Optionale Zusatzmaßnahme zur objektivieren Bestimmung der intraoperativen
- Sedierung bzw. Hypnose
- EEG-basiertes Monitoring, bspw. mittels
- Bispectral Index™ (Fa. Covidien)
- Narcotrend® (Fa. MT MonitorTechnik)
- Patient State Index™ (Fa. Masimo)
- E-Entropy™ (Fa. GE Healthcare)
- Mögliche Indikationen [123]
- Eingriffe in TIVA oder mit tiefem hypothermen Kreislaufstillstand
- Vorliegen von Risikofaktoren für das Auftreten von Awareness
- EEG-basiertes Monitoring, bspw. mittels
- Nozizeption bzw. Analgesie [124]
- Monitoring mit diversen Messmethoden, bspw.
- Analgesia Nociception Index™ (Fa. MDoloris)
- Composite Variability Index™ (Fa. Covidien)
- Surgical Pleth Index™ (Fa. GE Healthcare)
- Nozizeptiver Flexorenreflex (Fa. Dolosys)
- Pupillen-Dilatationsreflex (Fa. IDMed, Fa. Synapsys)
- Individuelle Indikationsstellung
- Monitoring mit diversen Messmethoden, bspw.
- Sedierung bzw. Hypnose
- Vorteil: Potenziell bessere bzw. individuellere Narkosesteuerung
- Nachteil: Klinischer Nutzen umstritten
Eine apparative Messung der Narkosetiefe ist objektiver als eine rein klinische Einschätzung, der klinische Nutzen ist jedoch umstritten!
Extubation
Ein Drittel aller schwerwiegenden Atemwegskomplikationen (bspw. mit hypoxischer Hirnschädigung oder Tod) tritt im Rahmen der Extubation auf. Entsprechend wichtig ist es, potenzielle Risikofaktoren für eine schwierige Extubation zu identifizieren und geeignete Strategien zum Umgang mit möglichen Problemen zu entwickeln. [17][125][126][127]
Allgemeine Extubationskriterien
- Suffiziente Spontanatmung
- Ventilation (Beurteilung bspw. über Frequenz-Volumen-Atemindex) [125]
- Oxygenierung (Beurteilung bspw. über Horovitz-Quotient)
- Vorhandene Schutzreflexe (Aspirationsschutz), insb.
- Schluck- und Würgereflex
- Hustenreflex
- Ausschluss einer neuromuskulären Restblockade (TOF-Ratio >0,9)
- Stabile Kreislaufverhältnisse
- Keine oder minimale medikamentöse Kreislaufunterstützung
- Adäquater Volumenstatus
- Ausreichende Wachheit
- Ausschluss eines Medikamentenüberhangs (Opioide, Injektionsanästhetika) bei adäquater Analgesie
- Kein Hinweis auf erhöhten intrakraniellen Druck
- Weitgehend normale Körperkerntemperatur (≥35 °C bzw. ≤38 °C)
- Ausgeglichener Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt
- Kein Hinweis auf schwerwiegende Gerinnungsstörung
Eine vorausschauende Narkoseführung kann dazu beitragen, dass die genannten Kriterien zum Ende eines operativen Eingriffs erfüllt werden!
Durchführung einer Extubation
Nach aktueller Datenlage existiert keine Extubationsstrategie, die auf alle Patienten passt. In Fachkreisen ist es jedoch Konsens, dass eine gute Vorbereitung und das Vorhandensein einer individuellen Strategie von zentraler Bedeutung zum erfolgreichen Atemwegsmanagement ist. Siehe auch: Algorithmus zum Vorgehen bei geplanter Extubation.
Vorbereitung
- Aufbau einer Sauerstoffreserve
- Beatmung mit FiO2 von 1,0 vor der Extubation [128]
- Ziel: FeO2 >0,9 (bzw. so nah an FiO2 wie möglich)
- Absaugen von Magen und Mund-Rachen-Raum
- Auf ausreichende Narkosetiefe achten
- Reduziertes Risiko für Aspiration und Laryngospasmus
- Verbesserung der Atemmechanik durch gastrale Dekompression
- Durchführung unter Sicht erwägen (direkte Laryngoskopie)
- Lagerung: Oberkörperhochlagerung anstreben (ca. 30°)
Optionale Maßnahmen
- Endotracheales Absaugen
- Einlage eines Beißschutzes (bspw. Guedel-Tubus)
- Durchführen eines Recruitmentmanövers
- Fixierung des Endotrachealtubus lockern
- Hinzuziehen von erfahrenen Personen
Durchführung und Nachsorge
- Personalschutz beachten
- Umgebungskontamination durch Aushusten von Sekret möglich
- Tragen von Handschuhen sowie eines Augen- und Mund-Nasen-Schutzes empfehlenswert
- Extubation
- Inspiration ggf. manuell mit Beatmungsbeutel unterstützen
- Cuff entblocken und Endotrachealtubus in der Exspiration entfernen (gleichzeitiges „Abhusten“ von Sekret)
- Atemwegsmanipulation minimieren (erhöhtes Risiko für Laryngospasmus bzw. Bronchospasmus)
- Applikation von Sauerstoff
- Initial typischerweise mit (locker aufgelegter) Beatmungsmaske
- Alternativ: Sauerstoffmaske oder Nasenbrille
- Kontrolle von Spontanatmung und Wachheit
- Hinweis auf Laryngospasmus bzw. Bronchospasmus (bspw. Stridor)?
- Atemfrequenz und periphere Sauerstoffsättigung im Normbereich?
- Schutzreflexe weiterhin vorhanden?
- Patient wach bzw. erweckbar?
- Anwendung von Atemwegshilfen erforderlich (bspw. Guedel-Tubus, Wendl-Tubus)?
- Verwendung einer Kapnometrie sinnvoll?
- Kontrolle der Vitalparameter und Analgesie
- Herzfrequenz und Blutdruck im Normbereich?
- Patient entspannt und schmerzfrei?
- Adäquate Überwachung nach der Extubation gewährleisten
- Warnhinweise für Atemwegskomplikationen frühzeitig erkennen, bspw.
- Neu aufgetretene Heiserkeit oder Schluckbeschwerden nach initialer Symptomlosigkeit
- Zunehmende Schwellung oder Emphysembildung im Bereich der oberen Atemwege
- Warnhinweise für Atemwegskomplikationen frühzeitig erkennen, bspw.
Sonderfall: Extubation des schlafenden Patienten [69][126]
- Hintergrund
- Starke Atemwegsreizung durch Endotrachealtubus beim wachen (bzw. erwachenden) Patienten
- In der Folge ausgeprägte Stressreaktion möglich mit Anstieg von
- Herzfrequenz und Blutdruck
- Intraabdominellem, intrakraniellem und intraokulärem Druck
- Ziel: Vermeidung möglicher Folgekomplikationen, bspw.
- Dekompensation bei kardialer Vorerkrankung (insb. bei ischämischer Kardiomyopathie)
- Laryngospasmus bzw. Bronchospasmus (insb. bei bronchialer Hyperreagibilität)
- Beeinträchtigung des operativen Ergebnisses, bspw. durch
- Wunddehiszenz
- Blutung bzw. Nachblutung
- Voraussetzungen
- Suffiziente Spontanatmung bei ausreichender Narkosetiefe
- Keine Risikofaktoren für die schwierige Extubation vorhanden
- Mund-Rachen-Raum frei von Sekret
- Besonderheit: Erhöhte Inzidenz von Obstruktionen der oberen Atemwege nach Entfernung des Endotrachealtubus
- Vorbereitung und Durchführung analog zur wachen Extubation, allerdings
- Prophylaktische Einlage eines Guedel- oder Wendl-Tubus erwägen
- Verzicht auf manuelle Unterstützung der Inspiration vor der Extubation
- Häufig kurze Atempause unmittelbar nach der Extubation
- Maskenbeatmung nur bei längerer Apnoe erforderlich
- Ggf. Esmarch-Handgriff zum Offenhalten der oberen Atemwege
- Rückkehr der Schutzreflexe erst im Verlauf zu erwarten
Eine Extubation des schlafenden Patienten sollte nur durch Personen mit ausreichender klinischer Erfahrung im Atemwegsmanagement durchgeführt werden!
Ersetzen des Endotrachealtubus durch eine Larynxmaske (Bailey-Manöver)
- Individuelle Indikationsstellung
- Kontraindikationen: Schwieriger Atemweg und erhöhtes Aspirationsrisiko
- Adäquate Narkosetiefe zur Durchführung zwingend erforderlich
- Vorbereitung analog zur Extubation beim wachen Patienten
- Einlage einer Larynxmaske bei liegendem Endotrachealtubus
- Entblocken und Entfernen des Endotrachealtubus
- Ventilation über Larynxmaske bis zum Erreichen einer suffizienten Spontanatmung
- Entfernen der Larynxmaske bei suffizienter Spontanatmung oder bei ausreichender Wachheit
Remifentanil-Extubationstechnik
- Individuelle Indikationsstellung
- Ziel: Erhöhung der Tubustoleranz
- Vorbereitung analog zur Extubation beim wachen Patienten
- Zufuhr des Allgemeinanästhetikums beenden, Remifentanil-Gabe starten bzw. fortsetzen
- Dosis nach Wirkung titrieren
- Husten: Dosis zu niedrig
- Tiefe Sedierung oder Apnoe: Dosis zu hoch
- Extubation bei suffizienter Spontanatmung oder bei ausreichender Wachheit
Patienten sollten entweder wach oder schlafend extubiert werden! Die Extubation in einem Zwischenstadium ist mit einem erhöhten Risiko für einen Laryngospasmus assoziiert!
Risikofaktoren für die schwierige Extubation [125]
- Schwieriger Atemweg (erwartet oder unerwartet)
- Hohes Aspirationsrisiko (siehe auch: Beurteilung des perioperativen Aspirationsrisikos)
- Vorerkrankungsprofil, bspw.
- Adipositas (siehe auch: Anästhesie bei Adipositas permagna)
- OSAS (siehe auch: Anästhesie bei OSAS)
- COPD (siehe auch: Anästhesie bei pulmonaler Vorerkrankung)
- Morbus Parkinson
- Postoperative Atemwegsbeeinträchtigung
- Veränderte Atemwegsanatomie (bspw. nach Unterkieferresektion)
- Blutung, Hämatom oder Ödem (bspw. nach Neck dissection)
- Eingeschränkte Reklination (bspw. nach HWS-Spondylodese)
- Eingeschränkter Atemwegszugang (bspw. nach Anlage eines Halofixateurs oder mandibulärer Verdrahtung)
Generell sollte bei Eingriffen im Bereich der Atemwege von einer potenziell schwierigen Extubation ausgegangen werden!
Vorgehen bei erwartet schwieriger Extubation [17][125][126]
Bei Patienten mit Risikofaktoren für die schwierige Extubation sollte eine individuelle Strategie zum Umgang mit möglichen Atemwegskomplikationen entwickelt werden.
- Prophylaktische Glucocorticoidgabe erwägen
- Reduktion von Atemwegsödemen (bedingt durch anästhesiologische bzw. chirurgische Manipulation)
- Kein Effekt auf sekundäre Ödembildung (bspw. durch venöse Abflussstauung bei zervikalem Hämatom)
- Adäquate Dosis wichtiger als spezifisches Präparat
- Gabe so früh wie möglich starten und für mind. 12 h fortsetzen
- Einzeldosisgabe kurz vor Extubation ineffektiv
- Bedingungen optimieren
- Material zum Atemwegsmanagement unmittelbar vorhanden
- Ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden
- Ggf. Koniotomie- bzw. Tracheotomiebereitschaft → Chirurgie (HNO, MKG) hinzuziehen
- Evaluation des supraglottischen Bereichs vor der Extubation (Detektion von Atemwegsödemen)
- Direkte Laryngoskopie oder Videolaryngoskopie
- Rücksprache mit Operateur (nach Atemwegseingriffen)
- Nebenatmungsversuch (Cuff Leak Test) erwägen
- Ziel: Klinische Beurteilung einer schwellungsbedingten Atemwegsverlegung (bspw. durch Larynxödem)
- Voraussetzung: Spontanatmung vorhanden
- Qualitativer Nebenatmungsversuch
- Durchführung: Entblocken des Cuffs und Verschluss des Endotrachealtubus mit dem Daumen
- Beurteilung: Hörbares Entweichen von Ausatemluft = positives Extubationskriterium
- Quantitativer Nebenatmungsversuch
- Durchführung: Entblocken des Cuffs (ohne Diskonnektion vom Beatmungsgerät), Bestimmung des Nebenluftvolumens innerhalb der ersten sechs Atemzüge
- Beurteilung: Geringes Risiko eines klinisch signifikanten Larynxödems bei einem Nebenluftvolumen >110 mL
- Tubuswechselkatheter (Airway Exchange Catheter) erwägen
- Funktionen [129]
- Führungsschiene für eine ggf. erforderliche Reintubation
- Tracheale Applikation von Sauerstoff (Insufflation, manuelle oder Jet-Ventilation) [130]
- Überwachung der Spontanatmung (durch Anschluss an eine Kapnometrie)
- Anwendung
- Vorsichtiger Vorschub über einliegenden Endotrachealtubus
- Auf tracheale Lage achten (bspw. anhand der Zentimetermarkierung)
- Dislokation während der Extubation vermeiden
- Einliegender Tubuswechselkatheter wird i.d.R. auch durch wache Patienten gut toleriert
- Individuelle Entscheidung zur Entfernung bei stabilen Atemwegsverhältnissen
- Besonderheit: Tracheale bzw. bronchiale Verletzung möglich → Sorgsame Indikationsstellung
- Funktionen [129]
- Nachbeatmung bzw. elektive Tracheotomie erwägen
Für extubierte Patienten sollte nach einer schwierigen Extubation eine dokumentierte Strategie für eine Reintubation im Notfall bestehen! Das Dienstpersonal sollte über Risikopatienten informiert werden!
Akzidentelle Extubation
- Umgehend Hilfe anfordern (ärztlich bzw. pflegerisch)
- Chirurgische Manipulation nach Möglichkeit beenden (Information des chirurgischen Personals)
- Wichtigste Ziele: Oxygenierung sicherstellen, Aspiration vermeiden
- Notwendigkeit zur Reintubation prüfen
- Maskenbeatmung ausreichend?
- Supraglottische Atemwegshilfen sinnvoll?
- Falls Reintubation erforderlich
- Auf ausreichende Narkosetiefe achten
- Erneute Muskelrelaxierung erwägen
- Siehe auch: Algorithmus zum unerwartet schwierigen Atemweg
Komplikationen
Das Komplikationsrisiko einer Allgemeinanästhesie ist insg. gering und abhängig vom betrachteten Patientenkollektiv und der Art des operativen Eingriffs. Beispielhafte Komplikationen umfassen:
Komplikationen der Atemwegssicherung bzw. der maschinellen Beatmung
- Intubationsschaden
- Laryngospasmus
- Bronchospasmus
- Bronchopulmonale Aspiration
- Cannot ventilate, cannot intubate
- Akzidentelle Extubation
Kardiovaskuläre Komplikationen
Neurologische Komplikationen
Systemische Komplikationen
- „Narkoseüberhang“ bzw. neuromuskuläre Restblockade
- Perioperative Hypothermie und Shivering
- Anaphylaxie und anaphylaktoide Reaktionen
- Systemische Lokalanästhetika-Intoxikation
- Maligne Hyperthermie
- PONV
Sonstige Komplikationen
- Katheterassoziierte Komplikationen
- Korneale Schädigung, Visusverlust
- Akzidenteller Verlust des Gefäßzugangs
- Technischer Defekt des Narkosegeräts bzw. des Monitors
Das Komplikationsrisiko einer Allgemeinanästhesie ist abhängig vom betrachteten Patientenkollektiv und der Art des operativen Eingriffs! [8]
Schwere Komplikationen bzw. Todesfälle durch oder im Zusammenhang mit einer Allgemeinanästhesie sind insg. sehr selten (insb. bei Personen ohne schwere Vorerkrankungen)! [132]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Anästhesie-Ausweis (Anaesthesia Problem Card)
Der Anästhesie-Ausweis ist ein standardisiertes Dokument von der DGAI/BDA zur Aushändigung an Risikopatienten .
- Ziel
- Schnelle Identifikation von Risikopatienten
-
Prävention von Komplikationen im Rahmen einer Anästhesie
- Insb. schwerwiegende Narkosekomplikationen
- Inhalt
- Erschwerte Intubationsbedingungen, inkl. Laryngoskopiebefund
- Sonstige Intubationsprobleme
- Maskenbeatmung möglich?
- Problemlösung/Empfehlungen für künftige Intubationen
- Bei Medikamenten-Unverträglichkeit: Name des Wirkstoffs und Handelsname
- Schweregrad der Reaktion
- Leichte Reaktion
- Mittelgradige Reaktion
- Schwere Reaktion
- Problemlösung/Empfehlung für künftige Anästhesien
- Schweregrad der Reaktion
- Bei Disposition zur malignen Hyperthermie: Keine Anästhesie mit Triggersubstanzen
- In-vitro-Kontrakturtest
- MH-assoziierte Mutation
- Anästhesierelevante Stoffwechselerkrankungen [135]
- Weitere Hinweise
- Aushändigung an den Patienten
- Persönlich durch ausstellenden Anästhesisten
- Aufklärung über Inhalt und Konsequenzen
Besondere Patientengruppen
Bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung einer Allgemeinanästhesie müssen je nach Risikokonstellation bestimmte Maßnahmen getroffen werden. Für Details siehe:
- Anästhesie bei kardiovaskulärer Vorerkrankung
- Anästhesie bei pulmonaler Vorerkrankung
- Anästhesie bei chronischer Nierenerkrankung
- Anästhesie bei OSAS
- Anästhesie bei Adipositas permagna
- Anästhesie bei Schwangeren
- Anästhesie bei MH-Disposition
Für weitere anästhesierelevante Themengebiete siehe auch:
- Epileptische Anfälle und Epilepsien
- Triggerfaktoren epileptischer Anfälle
- Medikamentöse Prophylaxe epileptischer Anfälle
- Status epilepticus - AMBOSS-SOP
- Arzneimittelallergie, Auslöser und Unterformen der Typ-I-Allergie
- Prinzipien der Medikamentenverordnung im Alter
- Substanzgebundene Abhängigkeiten
- Perioperatives Management bei bestehender Antikoagulation
- Diabetes mellitus
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 164-2021-2/3: Intubationen auf der Intensivstation – nicht nur im Nachtdienst ein Albtraum?
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