Zusammenfassung
Die Sarkoidose (Morbus Boeck) ist eine Multisystemerkrankung mit der Lunge als Hauptmanifestationsort. Sie kann jedoch auch zahlreiche andere Organe befallen. Typisch ist der histopathologische Nachweis von nicht-verkäsenden Granulomen mit mehrkernigen Riesenzellen. Das sog. Löfgren-Syndrom, eine akute, meist selbstlimitierende Form der Sarkoidose, geht mit Fieber und der Trias aus Gelenkschmerzen, Erythema nodosum sowie bihilärer Lymphadenopathie einher und betrifft hauptsächlich junge Frauen. Die häufigere chronische Sarkoidose (selten Folge der akuten Form) verläuft anfangs häufig symptomarm (ggf. Reizhusten, Belastungsdyspnoe). Schon früh zeigen sich radiologisch jedoch Veränderungen in der Lunge sowie eine Verschlechterung der Vital- und Diffusionskapazität. Im Verlauf kann es zu einer Lungenfibrose kommen. Diagnostisch stehen die histologische Sicherung von betroffenem Gewebe sowie eine bronchoalveoläre Lavage (typischerweise erhöhter CD4/CD8-Quotient) im Vordergrund. Bei akuter Sarkoidose kann aufgrund der hohen Spontanheilungsrate eine symptomatische Therapie mit NSAR ausreichend sein. Progrediente Verlaufsformen der akuten und chronischen Sarkoidose werden ebenso wie extrapulmonale Manifestationen immunsuppressiv (Glucocorticoide, Kombinationstherapien mit anderen Immunsuppressiva) behandelt.
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Epidemiologie
- Alter: Häufigkeitsgipfel 20.–40. Lebensjahr [1]
- Geschlecht
- Verbreitung
Vom Löfgren-Syndrom sind v.a. junge Frauen betroffen!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Pathophysiologie
- Systemische Erkrankung mit Störung der T-Lymphozyten-Funktion (Th1-gewichtete T-Helfer-Antwort) bei gleichzeitig erhöhter B-Lymphozyten-Aktivität [4][5]
- Lokale immunologische Überaktivität mit charakteristischer Bildung nicht-verkäsender Granulome, insb. im Lungengewebe und lymphatischen System
- Tumornekrosefaktor (TNF) sowie TNF-Rezeptoren erhöht
- Dysregulierte Immunreaktion mit erhöhtem CD4/CD8-Quotienten in der bronchoalveolären Lavage
Symptomatik
- Zwei Verlaufsformen
- Nur sehr selten geht die akute Sarkoidose in eine chronische Sarkoidose über!
Akute Sarkoidose (ca. ⅓ der Fälle)
- Allgemeinsymptome: Hohes Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme
- Pulmonale Symptome: Dyspnoe, Husten, thorakale Schmerzen
- Weitere Manifestationen: Ggf. Polyarthritis
- Sonderformen
- Löfgren-Syndrom : Hochakutes Krankheitsbild mit Fieber und folgender Symptomtrias
- Polyarthritis, insb. der Sprunggelenke (Sprunggelenksarthritis)
- Erythema nodosum, insb. an Streckseiten der Unterschenkel
- Bihiläre Lymphadenopathie
- Heerfordt-Syndrom : Seltenes Krankheitsbild mit Fieber und Symptomtrias aus Parotitis, Uveitis (Iridozyklitis) und Fazialisparese
- Löfgren-Syndrom : Hochakutes Krankheitsbild mit Fieber und folgender Symptomtrias
- Prognose: Heilt i.d.R. folgenlos aus, sehr selten Übergang in chronische Form
Chronische Sarkoidose (ca. ⅔ der Fälle)
- Sarkoidose der Lunge (häufig)
- Oftmals symptomlos/-arm
- Ggf. Reizhusten, Belastungsdyspnoe
- Extrapulmonale Sarkoidose
- Auge: Bspw. Iridozyklitis, chronische Konjunktivitis
- Haut: In ca. 20–50% der Fälle
- Erythema nodosum
- Lupus pernio: Flächenhafte, livide Infiltration meist von Nase und Wangen mit sog. „nackten histiozytären Granulomen“ in der Dermis
- Narbensarkoidose: Entzündliche, livide Veränderung einer alten Narbe im Rahmen einer systemischen Sarkoidose
- Weitere Manifestationsorte
- Lymphknoten (häufigster Manifestationsort)
- Nervensystem (Neurosarkoidose)
- Herz (kardiale Sarkoidose)
- Leber, Milz, Niere
- Gelenke, Skelettmuskulatur
- Sonderform
Diagnostik
Blutuntersuchung
- Akute Sarkoidose
- Entzündungsparameter
- Die für die chronische Sarkoidose charakteristischen Laborbefunde finden sich eher selten bei der akuten Verlaufsform
- Chronische Sarkoidose
- Entzündungsparameter
- ACE als Aktivitätsparameter und zur Therapiekontrolle
- IgG↑ (ca. 50%)
- Calcium↑ (Epitheloidzellen produzieren Vitamin D): Prognostisch ungünstig, da eine Erhöhung zu Niereninsuffizienz führen kann
- Löslicher Interleukin-2-Rezeptor (S-IL-2R), Neopterin: Parameter korrelieren ebenfalls mit der Krankheitsaktivität und werden daher auch zum Therapiemonitoring eingesetzt
Bei Sarkoidosepatienten mit Hyperkalzämie soll keine Osteoporoseprophylaxe mittels Calcium- und Vitamin-D-Substitution durchgeführt werden!
Konventionelles Röntgen-Thorax [5]
Die chronische Sarkoidose wird häufig als Zufallsbefund entdeckt. Die Stadieneinteilung der chronischen Sarkoidose erfolgt nach radiologischem Thoraxbefund.
Stadieneinteilung der chronischen Sarkoidose | ||
---|---|---|
Typ | Befund im Röntgen-Thorax | Remissionsrate |
0 | Normalbefund | / |
I | Bihiläre Lymphadenopathie (reversibel) | ca. 70% |
II | Bihiläre Lymphadenopathie mit Lungenbefall → Disseminierte, retikulonoduläre Zeichnungsvermehrung | ca. 50% |
III | Lungenbefall ohne Lymphadenopathie | ca. 20% |
IV | Lungenfibrose | Irreversibel |
Typisch ist die Divergenz zwischen den ausgeprägten radiologischen Lungenbefunden und der mäßigen klinischen Symptomatik!
Weiterführende Diagnostik
Die histologische Sicherung von betroffenen Geweben (bspw. Lymphknoten, Lunge, Haut) mit Nachweis von nicht-verkäsenden Granulomen stellt den Goldstandard dar (siehe: Pathologie).
- CT des Thorax: Bspw. bei unklaren Röntgenbefunden
- Bronchoskopie [5][6]
-
Bronchoalveoläre Lavage
- CD4/CD8-Quotient bei Sarkoidose i.d.R. erhöht (häufig >5)
- Lymphozytäre Alveolitis
- Transbronchiale Biopsie: I.d.R. als Feinnadelaspiration (FNA) aus Lymphknoten in frühen Stadien unter endobronchialer Ultraschallsteuerung (EBUS)
- In Stadium I und II bei hilärer Lymphadenopathie (Spezifität 100%, Sensitivität 83–93%)
- In höheren Stadien auch transbronchiale Biopsie des Lungengewebes aussagekräftig
-
Bronchoalveoläre Lavage
- Lungenfunktion: Frühe Verminderung der Diffusionskapazität und der Vitalkapazität, diese werden als Parameter zur Aktivitätsbestimmung und Verlaufsbeurteilung genutzt [7]
- Beim Fibrosestadium kann zudem die Lungencompliance bestimmt werden
- (Langzeit)-EKG und Echokardiografie: Hinweise auf eine kardiale Sarkoidose (AV-Blockierungen, Rhythmusstörungen, Kardiomyopathie)
- Augenärztliche Untersuchung: Vergrößerung der Tränendrüsen, periphere chorioretinale Läsionen, Bindehautgranulome
- Ausschluss einer Lungentuberkulose: Quantiferon-Test
- (Ganzkörper‑)MRT: Suche nach Organbeteiligungen
- F-FDG-PET: Suche nach entzündlich aktiven Organen
Veraltet: Nur noch selten verwendete Diagnostik
- Tuberkulin-Test
- Mögliche Durchführung zur Abgrenzung der Tuberkulose
- Wird aufgrund von falsch-positiven und falsch-negativen Werten verlassen
- Kveim-Test
- Intrakutane Injektion von Granulom-Material
- Bei positiv ausfallendem Test: Körpereigene Ausbildung von Granulomen
- Wird aufgrund fehlender Validität nicht mehr verwendet
Pathologie
Histologie [5][8]
-
Nachweis von nicht-verkäsenden Granulomen
- Epitheloidzellige Granulome mit Langhans-Riesenzellen und Lymphozytenwall
- Keine zentrale Nekrose (= nicht-verkäsend)
- Granulomatöse Reaktion insb. entlang der Lymphwege des bronchovaskulären Bündels, der interlobären Septen und der Pleura
- Nachweis von Schaumann-Körperchen (Synonym: Conchoidal Bodies) in Langhans-Riesenzellen bei fast 90% der Sarkoidosen, können jedoch auch bei der Berylliose vorkommen
Zum Vergleich: Normalbefunde
Differenzialdiagnosen
- Tuberkulose und atypische Mykobakteriosen
- Maligne Geschehen
- Morbus Hodgkin
- Durch die histopathologische Untersuchung eines Lymphknotens kann das Vorliegen eines Morbus Hodgkin überprüft und bei negativem Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
- Non-Hodgkin-Lymphome
- Lymphangiosis carcinomatosa (bspw. bei Lungenkarzinom)
- Morbus Hodgkin
- Pneumokoniosen
- Chronische Berylliose: Berufsanamnese (Beryllium-verarbeitende Industriezweige (Flugzeugindustrie, Kernkraftwerke))
- Silikose, Anthrakose
- Exogen-allergische Alveolitis
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Indikationen für eine immunsuppressive Therapie bei Sarkoidose
- Chronische Sarkoidose ab Typ II mit Einschränkung der Lungenfunktion [7]
- Hyperkalzämie
- Extrapulmonale Sarkoidose (insb. bei kardialer, ophthalmologischer, hepatischer und/oder zentralnervöser Beteiligung)
-
Akute Sarkoidoseformen (Löfgren-Syndrom): Keine unmittelbare Glucocorticoidtherapie – wegen hoher Spontanremissionsrate (ca. 85%) zunächst antiphlogistische und symptomatische Therapie mit NSAR ausreichend
- Bei nicht beherrschbaren Arthralgien und/oder progredientem Verlauf: Glucocorticoid-Monotherapie wie bei chronischer Sarkoidose, jedoch mit Auslassversuch nach Ausschleichen binnen 4–8 Wochen
Je akuter die Erstmanifestation der Sarkoidose, desto höher ist i.d.R. die Remissionsrate!
Therapieprinzip
- Eskalationsschema abhängig von der Wirksamkeit der Therapieoptionen
- Glucocorticoid-Monotherapie: Als immunsuppressive Therapieeinleitung
- Kombination aus Glucocorticoiden in reduzierter Dosierung + alternatives Immunsuppressivum (wie bspw. Methotrexat oder Azathioprin): Bei Reaktivierung unter Dosisreduktion einer Glucocorticoid-Monotherapie
- Kombination aus Glucocorticoid in reduzierter Dosierung + Anti-TNF-α-Antikörper: Bei Versagen der Kombinationstherapie aus Glucocorticoiden + Methotrexat oder Azathioprin
- Lungentransplantation (Ultima Ratio)
- Kriterien zur Vorstellung in einem Transplantationszentrum: NYHA-Stadium III, Hypoxämie in Ruhe, pulmonale Hypertonie
- Wiederauftreten der Sarkoidose im Transplantat in bis zu 66% der Fälle möglich
Supportive und symptomatische Therapie
- In allen Stadien indiziert: NSAR, bspw. Ibuprofen
- Ulkusprophylaxe beachten: Insb. bei hohem Risiko für gastrointestinale Blutung und/oder Komedikation mit Glucocorticoiden zusätzlich PPI-Gabe (bspw. Pantoprazol )
Therapieoptionen bei Sarkoidose [5][7]
- Glucocorticoide: Bspw. Prednison
- Therapieeinleitung: Als Monotherapie mit Prednison für 2–6 Wochen
- Erhaltungstherapie: Fortführung unter schrittweise reduzierter Prednisondosierung für weitere 5–9 Monate
- Therapieende: Ausschleichendes Absetzen über bis zu 6 Monate, beachte Glucocorticoid-Ausschleichschemata
- Kombinationstherapie: Glucocorticoide initial wieder höher dosiert zur Eindämmung der Krankheitsaktivität, mit zunehmendem Wirkungseintritt der alternativen Immunsuppression kann dann wieder eine kleinschrittige Dosisreduktion der Glucocorticoide erfolgen, die Zieldosierung entspricht der Erhaltungstherapie
- Glucocorticoide + alternatives Immunsuppressivum (bspw. Methotrexat oder Azathioprin): Wirkungsmaximum von Methotrexat und Azathioprin wird meistens nach 3–9 Monaten erreicht
- Methotrexat
- Azathioprin
- Alternativen bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation für Methotrexat bzw. Azathioprin
- Leflunomid
- Mycophenolat Mofetil
- Hydroxychloroquin, v.a. bei Hautsarkoidose
- Glucocorticoide + Anti-TNF-α-Antikörpertherapie: Ein Wirkungseintritt ist i.d.R. binnen 2–4 Wochen zu erwarten
- Glucocorticoide + alternatives Immunsuppressivum (bspw. Methotrexat oder Azathioprin): Wirkungsmaximum von Methotrexat und Azathioprin wird meistens nach 3–9 Monaten erreicht
Verlaufskontrolle
- Neben dem klinischen Beschwerdebild müssen die organspezifischen Veränderungen (bspw. Röntgen-Thorax zur Beurteilung der Rückbildung der bihilären Lymphknotenschwellung, EKG für Hinweise auf myokardialen Befall etc.) und die Lungenfunktion kontrolliert werden
Komplikationen
- Pulmonale Komplikationen
- Bronchiektasen
-
Lungenfibrose: Durch den irreversiblen fibrotischen Umbau kommt es zu einem erhöhten pulmonalen Widerstand und zu pulmonaler Hypertonie
- Respiratorische Insuffizienz durch Einschränkung der O2-Diffusionskapazität
- Cor pulmonale
- Extrapulmonale Komplikationen: Chronische Niereninsuffizienz (weitere Komplikationen, siehe: Symptome/Klinik)
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Spontanheilungsraten | |
---|---|
Akute Sarkoidose |
|
Chronische Sarkoidose |
|
- Patienten mit Sarkoidose weisen ein erhöhtes Risiko für Malignome auf (vor allem der Lunge und der Lymphknoten)
Die Spontanheilungsrate der akuten Sarkoidose ist sehr hoch, während sie bei chronischem Verlauf vom Typ der Erkrankung abhängig ist!
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Sarkoidose
Sarkoidose – Teil 1
Sarkoidose – Teil 2
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- D86.-: Sarkoidose
- D86.0: Sarkoidose der Lunge
- D86.1: Sarkoidose der Lymphknoten
- D86.2: Sarkoidose der Lunge mit Sarkoidose der Lymphknoten
- D86.3: Sarkoidose der Haut
- D86.8: Sarkoidose an sonstigen und kombinierten Lokalisationen
- Iridozyklitis bei Sarkoidose† (H22.1*)
- Febris uveoparotidea [Heerfordt-Syndrom]
- Multiple Hirnnervenlähmung bei Sarkoidose† (G53.2*)
- Sarkoid:
- Arthropathie† (M14.8-*)
- Myokarditis† (I41.8*)
- Myositis† (M63.3-*)
- D86.9: Sarkoidose, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.