Zusammenfassung
Beim Priapismus handelt es sich um einen akuten urologischen Notfall, der innerhalb eines Zeitfensters von spätestens 12 Stunden behandelt werden muss. Meist ist die Ursache idiopathisch: andere Gründe für Priapismen sind eine Medikation mit PDE-5-Hemmern, eine Schwellkörperautoinjektions-Therapie sowie neurologische oder tumoröse Erkrankungen. Diagnostisch wird über eine Blutgasanalyse des Schwellkörpers zwischen ischämischen und nicht-ischämischen Formen des Priapismus unterschieden. Die Therapie des ischämischen Priapismus besteht in der Punktion des Schwellkörpers, Extraktion von bis zu 500ml Blut sowie einer Injektion von verdünnten Sympathomimetika. Bei Behandlung innerhalb von 12 Stunden ist eine restitutio ad integrum möglich, während eine spätere Therapie über fortschreitende Fibrosierung des Schwellkörpergeflechts zu irreparablen Schäden und möglichem dauerhaften Verlust der Erektionsfähigkeit führen kann. Ein nicht-ischämischer Priapismus muss nicht therapiert werden.
Epidemiologie
- Inzidenz ca. 1-3/100.000
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Idiopathisch ca. 30% (insuffiziente Detumeszenz)
-
Exogene Einflüsse
- Medikamente und Drogen ca. 20% (z.B. Kokain, Alkohol, Psychopharmaka usw.)
- SKAT (Schwellkörperautoinjektions-Therapie)
- Neurologisch (z.B. Rückenmarkskompression)
- Einschränkung des venösen Abflusses
- Tumorinfiltration
- Schwellung bei perinealem Trauma
- Leukämischer Priapismus bei chronisch myeloischer Leukämie (CML)
- Risikofaktor: Sichelzellkrankheit
Klassifikation
Low-flow-Priapismus
- Ischämie durch Versagen der physiologischen Detumeszenz
- Schwellkörperdruckerhöhung über diastolischem Druck ⇒ somit keine Perfusion mehr ⇒ venöse Stase in den Corpora cavernosa (Corpus spongiosum nicht betroffen)
- Das Corpus spongiosum ist unpaarig angelegt, umgibt die Harnröhre und verhindert, dass es während der Erektion zu einer Komprimierung des Harnröhrenlumens kommt. Bezüglich der Bildung einer Erektion spielt es eine untergeordnete Rolle.
- Lähmung der glatt-muskulären Schwellkörpermuskeln durch Ischämie
- Verstärkung des Priapismus ⇒ Circulus vitiosus
High-flow-Priapismus
- Übermäßiger arterieller Einstrom bei suffizientem Abfluss
- Keine Ischämie
Pathophysiologie
Symptomatik
- Pralle, schmerzhafte Dauererektion über mehrere Stunden
Diagnostik
- Anamnese (Drogen, Injektionen, Vorerkrankungen)
- Blutuntersuchung
- Blutgasanalyse aus dem Schwellkörper (Hypoxie, Hyperkapnie und Azidose bei low-flow-, reguläre Werte bei high-flow-Priapismus)
- Evtl. Doppler-Sonografie
Therapie
Low-flow-Priapismus
Eine Therapie muss innerhalb eines Zeitfensters von 12 Stunden erfolgen, da ansonsten mit dauerhaften Schäden (Fibrosierung der Corpora cavernosa mit irreversibler Impotenz) zu rechnen ist!
- Konservativ
- Monitoring
- Evtl. Analgosedierung
- Schwellkörperpunktion mit großlumiger Venenverweilkanüle: Blutgasanalyse und Aspiration von bis zu 500ml Blut
-
Injektion von α-Adrenozeptor-Agonisten
- Adrenalin
- Etilefrin
- Bei Sichelzellkrankheit: Vermeidung einer weiteren Verklumpung der Erythrozyten
- Operativ
- Notwendigkeit bei Versagen der konservativen Therapie
- Möglichkeit mehrerer Shunts mit Eröffnung des Corpus cavernosum über die Glans penis (Winter-,Ebbehoj-,Al-Ghorab-Shunt)
High-flow-Priapismus
- In der Regel keine Therapie notwendig
Prognose
- Bei konservativer Therapie innerhalb des Zeitfensters meist restitutio ad integrum
- Bei Notwendigkeit einer operativen Therapie (frustrane konservative Therapie): Impotenz zwischen ca. 50-90%
- Ultima Ratio: Penisprothese
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N48.-: Sonstige Krankheiten des Penis
- N48.3-: Priapismus (Schmerzhafte Dauererektion)
- N48.30: Priapismus vom Low-Flow-Typ
- N48.31: Priapismus vom High-Flow-Typ
- N48.38: Sonstiger Priapismus
- N48.39: Priapismus, nicht näher bezeichnet
- N48.3-: Priapismus (Schmerzhafte Dauererektion)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.