Zusammenfassung
Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse (BGA) sind diagnostische Basisverfahren mit einem großen Anwendungsspektrum. Beide geben Hinweise auf den aktuellen Zustand der Lungenfunktion (Ventilation und Gasaustausch) und sind somit bspw. bei akuter Dyspnoe indiziert. Die BGA liefert darüber hinaus weitere Informationen zur Homöostase des Körpers durch Analyse der Elektrolyte, des Säure-Basen-Haushaltes, des Blutzuckers sowie der Hämoglobin- und Lactatkonzentration.
Bei der Pulsoxymetrie handelt es sich um ein nicht-invasives Verfahren. Durch Anbringen eines Sensors (bspw. am Finger) wird die Haut durchleuchtet und spektralphotometrisch (also durch Messung der Absorption von Licht einer bestimmten Wellenlänge) die periphere kapilläre Sauerstoffsättigung bestimmt. Der ermittelte Wert (spO2) wird auch als partielle oder funktionelle Sauerstoffsättigung bezeichnet und entspricht in etwa der Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut (saO2). Zudem wird die Pulsfrequenz gemessen.
Für die Blutgasanalyse ist je nach Indikation eine arterielle, venöse oder kapilläre Blutentnahme erforderlich; es handelt sich dementsprechend um ein invasives Verfahren. Art und Umfang der bestimmten Werte sind geräteabhängig. Generell kann zwischen direkt gemessenen und abgeleiteten (d.h. berechneten) Parametern unterschieden werden.
Grundlagen
Gastransport im Blut
Sauerstofftransport
- Transportformen
- Physikalisch gelöst: Ca. 2%
- Chemisch gebunden (an Hämoglobin): Ca. 98% (= oxygeniertes Hämoglobin)
- Sauerstoff bindet reversibel an Hämoglobin
- Konformationsänderung des Hämoglobins
- Keine Oxidation des enthaltenen Eisens
- 1 Molekül Hämoglobin transportiert maximal 4 Moleküle Sauerstoff
- Siehe auch: Sauerstoffbindungskurve
- Sauerstoff bindet reversibel an Hämoglobin
- Wichtige Parameter des Sauerstofftransports
- Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut (caO2): Normwert = 180–230 mL O2 / 1 L Blut
- Berechnung u.a. anhand der Hämoglobinkonzentration und der Hüfner-Zahl [1]
- In vivo bindet 1 g Hämoglobin maximal 1,34 mL Sauerstoff = Hüfner-Zahl
- Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut (saO2): Normwert = 95–99%
- Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut (paO2): Normwert = 65–100 mmHg (8,7–13,3 kPa)
- Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut (caO2): Normwert = 180–230 mL O2 / 1 L Blut
Bei Atmung von Raumluft (pO2 ≈ 150 mmHg) beträgt die arterielle Sauerstoffsättigung (saO2) normalerweise >95%!
Kohlenstoffdioxid-Transport
- Transportformen
- Physikalisch gelöst: Ca. 5%
- Chemisch gebunden (an Hämoglobin): Ca. 5% (= Carbaminohämoglobin)
- Chemisch umgewandelt (in Bicarbonat): Ca. 90%
- Spontane chemische Reaktion: CO2 + H2O → H2CO3 → HCO3− + H+
- Katalyse der Reaktion durch Carboanhydrase in Erythrozyten
- Hamburger Shift: Austausch von HCO3− mit Cl– zur Abgabe von Bicarbonat ins Blutplasma
- Wichtige Parameter des Kohlenstoffdioxid-Transports
Der Transport der Gase im Blut erfolgt physikalisch gelöst, chemisch gebunden oder chemisch umgewandelt!
Sauerstoffbindungskurve
- Definition: Darstellung der Sauerstoffsättigung des Hämoglobins (sO2) abhängig vom Sauerstoffpartialdruck im Blut (pO2)
- Form: S-förmige Kurve
- Physiologischer Hintergrund
- Bindungsaffinität des Hämoglobins zu Sauerstoff nicht konstant → Kein linearer Zusammenhang zwischen Sauerstoffsättigung und Sauerstoffpartialdruck, orientierend gilt:
- Kooperativität der Sauerstoffbindung
- Günstiger Einfluss auf die Sauerstoffabgabe und -aufnahme im Körper
- Modulation der Sauerstoffbindungskurve
- Sauerstoffaffinität des Hämoglobins abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren, bspw. pCO2 (Bohr-Effekt)
- Folge: Links- bzw. Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
Die Kooperativität der Sauerstoffbindung erleichtert die Sauerstoffaufnahme in der Lunge und die Sauerstoffabgabe im Gewebe!
Bei einer gemessenen Sauerstoffsättigung ≥98% beträgt der Sauerstoffpartialdruck orientierend ≥100 mmHg!
Verschiebungen der Sauerstoffbindungskurve [2]
Verschiebungen der Sauerstoffbindungskurve [2] | ||
---|---|---|
Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve | Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve | |
Interpretation |
|
|
Ursachen |
|
|
Sauerstoffbindungskurve von Myoglobin
- Definition: Darstellung der Sauerstoffsättigung des Myoglobins (sO2) abhängig vom Sauerstoffpartialdruck im Blut (pO2)
- Form: Hyperbel-förmige Kurve
- Physiologischer Hintergrund
- Bindungsaffinität des Myoglobins zu Sauerstoff nicht konstant → Logarithmischer Zusammenhang zwischen Sauerstoffsättigung und Sauerstoffpartialdruck
- Myoglobin besitzt nur eine Sauerstoffbindungsstelle (kein kooperativer Effekt)
- Günstiger Einfluss auf die Sauerstoffabgabe ins Gewebe bei Sauerstoffmangel (bspw. durch sportliche Aktivität)
CO2-Bindungskurve
- Definition: Darstellung der Kohlenstoffdioxidkonzentration (cCO2) in Abhängigkeit vom Kohlenstoffdioxidpartialdruck im Blut (pCO2)
- Form: Hyperbel-förmige Kurve
- Physiologischer Hintergrund
- Gehalt von Kohlenstoffdioxid im Blut unabhängig von einem spezifischen Transportprotein
- Kein Sättigungsplateau vorhanden
- Verlauf ansteigend, solange Bicarbonatkonzentration im Blut gesteigert werden kann
- Haldane-Effekt: Beeinflussung der CO2-Aufnahme von Hämoglobin durch pO2
Säure-Basen-Haushalt
- Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes des Blutes
- Bildet die Voraussetzung für viele Stoffwechselvorgänge im Körper
- Geschieht mithilfe von Regulationssystemen
- Langfristige Regulation des pH-Wertes
- Respiratorisches System (Lunge)
- Metabolisches System (v.a. Niere, außerdem Leber und Muskelgewebe)
- Kurzfristige Regulation des pH-Wertes
- Puffersysteme im Blut
- Bicarbonatpuffer
- Proteinpuffer
- Phosphatpuffer (geringfügig)
- Puffereigenschaften von Säure-Basen-Paaren, siehe: Henderson-Hasselbalch-Gleichung
- Puffersysteme im Blut
- Siehe auch: Folgen bei pH-Abweichung
Wichtige Parameter des Säure-Basen-Haushaltes
- pH-Wert des Blutes
- Interpretation: Eingeschränkte Aussagekraft
- Normwert: 7,35–7,45
- Kohlenstoffdioxidpartialdruck im arteriellen Blut
- Interpretation: Erlaubt Aussage über das respiratorische System
- Normwert: 32–45 mmHg (4,3–6,0 kPa)
- Basenabweichung (Base Excess, BE)
- Definition: Unter Standardbedingungen (Temperatur = 37 °C, pCO2 = 40 mmHg) gemessene Menge an Basen, die einer Blutprobe theoretisch zugeführt oder entzogen werden müsste, um wieder einen pH-Wert von 7,4 zu erhalten
- Interpretation: Erlaubt Aussage über das metabolische System
- Normwert: -2 bis +3 mmol/L
- Bicarbonat (HCO3−): Messung von zwei verschiedenen Parametern möglich mittels Blutgasanalyse
- Standardbicarbonat
- Definition: Unter Standardbedingungen (Temperatur = 37 °C, pCO2 = 40 mmHg) gemessene Bicarbonatkonzentration
- Interpretation: Erlaubt Aussage über das metabolische System
- Normwert: 22–26 mmol/L
- Aktuelles Bicarbonat
- Definition: Unter den aktuell im Blut vorherrschenden Bedingungen gemessene Bicarbonatkonzentration
- Interpretation: Eingeschränkte Aussagekraft
- Normwert: 22–26 mmol/L
- Standardbicarbonat
- Siehe auch: Chemische Grundlagen zu Säuren und Basen
Störungen des Säure-Basen-Haushaltes | ||||
---|---|---|---|---|
Respiratorische Azidose | Respiratorische Alkalose | Metabolische Azidose | Metabolische Alkalose | |
pH-Wert | ↓ | ↑ | ↓ | ↑ |
pCO2 | ↑ | ↓ | Normwertig oder ↓ (Kompensation) | Normwertig oder ↑ (Kompensation) |
HCO3− | Normwertig oder ↑ (Kompensation) | Normwertig oder ↓ (Kompensation) | ↓ | ↑ |
Beispielhafte Ursachen | Hypoventilation | Hyperventilation | Gewebehypoxie bzw. -minderperfusion , erhöhte Ketogenese , chronische Nierenerkrankung | Erbrechen (Magensaftverlust), Hyperaldosteronismus |
Pulsoxymetrie
- Definition: Nicht-invasives diagnostisches Verfahren zur
- Oxymetrie: Kontinuierliche Messung der peripheren kapillären Sauerstoffsättigung (spO2)
- Plethysmografie: Darstellung der Pulsfrequenz und Pulskurve
- Ggf. Darstellung weiterer Parameter, siehe: Perfusionsindex und Plethysmografie-Variabilitätsindex
- Prinzip und physikalische Grundlagen
- Transkutane Durchleuchtung von Körpergewebe mithilfe eines speziellen Spektralphotometers (Pulsoxymeter)
- Messung der Absorption von Lichtwellen gemäß Lambert-Beer-Gesetz
- Oxygeniertes Hämoglobin (HbO2) absorbiert Licht anders als desoxygeniertes Hämoglobin (Hb)
- Messung des absorbierten/remittierten Lichts erlaubt Rückschluss auf den Anteil von HbO2 am Gesamthämoglobin des Blutes
Die Pulsoxymetrie dient v.a. zur kontinuierlichen Messung der partiellen Sauerstoffsättigung und des Pulses!
Indikation
- Anästhesiologisches Basismonitoring
- Intensivmedizinisches Basismonitoring
- Akute Dyspnoe oder respiratorische Störungen [7], bspw. in der
- Schlafmedizin: Diagnostik einer Schlafapnoe
- Akut- und Notfallmedizin: Verdacht auf Lungenarterienembolie, Pneumothorax, exazerbierte COPD [8]
- Neonatologie: Screening auf Herzfehler [9] und Überwachung der Oxygenierung von Frühgeborenen
- Ersteinschätzung und Steuerung einer Akuttherapie in der Notaufnahme
- Kontinuierliche Überwachung bei möglicher Atemdepression
Ablauf/Durchführung
- Pulsoxymeter
- Medizinisches Gerät in Form eines Clips oder Klebesensors
- Zwei gegenüberliegende Teile: Lichtquelle und Lichtsensor
- Praktische Durchführung
- Anbringen des Sensors an einem Bereich mit hoher Gefäßdichte
- Typischerweise Verwendung eines (beliebigen) Fingers oder einer Zehe
- Alternativ Signalableitung am Ohrläppchen oder an der Stirn
- Kontrolle des Signals und ggf. Optimierung der Bedingungen
- Für die Anwendung der Pulsoxymetrie im Rahmen des hämodynamischen Monitorings siehe: Perfusionsindex bzw. Plethysmografie-Variabilitätsindex
- Anbringen des Sensors an einem Bereich mit hoher Gefäßdichte
- Beurteilung der Messwerte: Anzeige am Gerät selbst oder am Überwachungsmonitor
Interpretation/Befund
- Normwert: Partielle Sauerstoffsättigung (spO2) 95–99%
- Abhängig vom Sauerstoffpartialdruck
- spO2 von 100% kann unter Raumluft nicht erreicht werden
- Abweichungen vom Normwert
- Mäßige Hypoxygenation: spO2 = 90–94%, paO2 ≈ 80 mmHg (10,7 kPa)
- Mittelgradige Hypoxygenation: spO2 = 85–89%, paO2 ≈ 60 mmHg (8 kPa)
- Hochgradige Hypoxygenation: spO2 <85%, paO2 <50 mmHg (<6,7 kPa)
- Zu beachten bei der Interpretation
- Reaktionszeit auf Änderung ca. 10–20 s
- Abfall der spO2 erst bei paO2 <100 mmHg (<13,3 kPa)
- Messung möglichst in Ruhelage ausführen
- Messung bei manifestem Schock nicht möglich
- Messverfahren mit hoher Sensitivität, aber geringer Spezifität zur Diagnostik einer Hypoxämie [7]
- Zahlreiche Einflussfaktoren berücksichtigen
- Sauerstoffzufuhr berücksichtigen: Raumluft, Sauerstoffinsufflation (Flow in L/min) oder maschinelle Beatmung (FiO2)
Mögliche Fehlerquellen bei der Pulsoxymetrie [1][4] | ||
---|---|---|
Beschreibung | Effekt auf die gemessene spO2 | |
Anämie | Hb↓ und Hypoxämie | ↓ |
Sichelzellanämie | ↑ | |
Methämoglobin↑ | Met-Hb↑ und Normoxie | ↓ |
Met-Hb↑↑ und Normoxie | ↓, Messplateau bei ca. 85% | |
Met-Hb↑ und Hypoxämie | ↑ | |
Carboxyhämoglobin↑ | Rauchen, CO-Intoxikation | ↑ |
Farbstoffe | Methylenblau, Indocyaningrün | ↓ |
Nagellack (insb. blau, lila oder schwarz) [10] | ↓ | |
Periphere Vasokonstriktion bzw. verminderte Perfusion | Hypotonie, Hypothermie, Hypovolämie, Vasopressoren, nicht-invasive Blutdruckmessung (Druck der Blutdruckmanschette) | ↓, intermittierende oder unmögliche Messung |
Hautfarbe | Dunkle Haut | ↑ [11][12] |
Veränderungen der Nägel | Künstliche Fingernägel aus Acryl | Geräteabhängiger Effekt [10][13] |
Onychomykose | ↓ | |
Weitere Einflussfaktoren | Venöse Pulsation | ↓ |
Starke Bewegungen | ↓ | |
Sepsis | ↑ oder ↓ | |
Suboptimale Platzierung des Sensors | ↑ oder ↓ |
Bei kritischer Erkrankung spiegelt die pulsoxymetrisch gemessene spO2 nicht zuverlässig die tatsächlich vorhandene arterielle Sauerstoffsättigung (saO2) wider! [14]
Bei Kohlenstoffmonoxidvergiftung zeigen konventionelle Pulsoxymeter falsch-hohe Werte an, da CO-Hämoglobin nicht vom oxygenierten Hämoglobin unterschieden werden kann!
Blutgasanalyse
- Definition: Invasives diagnostisches Verfahren zur Beurteilung der Lungenfunktion (Ventilation und Gasaustausch), das i.d.R. zusätzliche Analysen erlaubt von
- Elektrolythaushalt
- Säure-Basen-Haushalt
- Lactatkonzentration
- Glucosekonzentration
- Hämoglobinkonzentration und Hämatokrit
- Möglichkeit zur Aufdeckung einer osmolalen Lücke
- Prinzip: Zusammenschau von Laborparametern einer (arteriellen, kapillären oder venösen) Blutprobe
Ermittlung der Messparameter einer Blutgasanalyse [2][16] | |
---|---|
Direkte Messparameter | Abgeleitete (berechnete) Messparameter |
|
|
Die Blutgasanalyse dient als Zusammenschau von Laborwerten v.a. zur Beurteilung der Lungenfunktion und des Säure-Basen-Haushaltes!
Indikation
Allgemeine Indikationen
- Anästhesiologisches Monitoring
- Intensivmedizinisches Monitoring
- Akute Dyspnoe oder respiratorische Störungen
- Ersteinschätzung und Steuerung einer Akuttherapie in der Notaufnahme
- Akutdiagnostik zum Ausschluss reversibler Ursachen eines Kreislaufstillstands
Spezielle Indikationen
Indikationen der Blutgasanalyse je nach Entnahmeort des Blutes | ||
---|---|---|
Entnahmeort | Typische Indikationen | Kontraindikationen bzw. ungeeignete Situationen |
Arterielle Blutgasanalyse |
|
|
Kapilläre Blutgasanalyse |
|
|
Venöse Blutgasanalyse |
|
|
Zentralvenöse Blutgasanalyse |
|
|
Eine venöse Blutgasanalyse ist ungeeignet zur Beurteilung der Oxygenierung!
Ablauf/Durchführung
Blutentnahme
- Material zur Abnahme
- Spezielle Spritze zur Blutentnahme
- Kapillarröhrchen (bei kapillärer BGA)
- Abnahmetechnik und -ort: Je nach Indikation
- Arterielle Blutgasanalyse
- Arterielle Punktion
- Anlage eines arteriellen Katheters
- Blutentnahme aus einem liegenden arteriellen Katheter
- Kapilläre Blutgasanalyse: Blutentnahme aus einem Ohrläppchen [15][16]
- Ohrläppchen mit hyperämisierender Salbe einreiben
- 10 min warten
- Punktion mit einer Lanzette
- Austretendes Blut mit Kapillarröhrchen aufnehmen
- Venöse Blutgasanalyse
- Venöse Blutentnahme aus einer peripheren Vene
- Anlage eines periphervenösen Zugangs
- Blutentnahme aus einem liegenden periphervenösen Zugang
- Zentralvenöse Blutgasanalyse: Blutentnahme aus einem liegenden ZVK
- Sonderfall: Mikroblutuntersuchung in der Geburtshilfe
- Arterielle Blutgasanalyse
- Analyse der Probe: Einsetzen des Abnahmeröhrchens ins Blutgasanalysegerät
Blutgasanalysegerät [16][19]
- Medizinisches Gerät zur vollautomatischen Analyse von Blutproben
- Point-of-Care-Messung
- Standort: Auf der Intensivstation und im OP-Bereich
- Ausdruck der Ergebnisse in Papierform
Maßnahmen zur Prävention von Messfehlern [2][17]
- Vor der Blutentnahme
- Wache Personen: Angemessene Aufklärung über die Prozedur
- Beatmete Personen: Nach Änderung von Beatmungsparametern 20 min abwarten vor Blutentnahme (Äquilibrierungsphase)
- Venöse Blutgasanalyse: Keine längere venöse Stauung
- Während der Blutentnahme
- Luftbeimengung in der Probe vermeiden
- Dilution der Probe bei Blutentnahme aus einem liegenden Gefäßkatheter vermeiden
- Unmittelbar nach der Blutentnahme
- Luftbläschen aus dem Röhrchen sofort entfernen, falls vorhanden
- Probe sorgfältig durchmischen: Für mind. 20 s nach der Blutentnahme sowie vor der Analyse im BGA-Gerät
- Transport und Analyse der Probe
Mögliche Fehlerquellen in der Präanalytik der Blutgasanalyse [17][20][21] | ||
---|---|---|
Fehlerquelle | Effekt | |
Vor der Blutentnahme |
| |
|
| |
|
| |
Während der Blutentnahme |
| |
| ||
|
| |
Nach der Blutentnahme |
| |
|
| |
| ||
|
|
Eine Blutgasanalyse muss bei Raumtemperatur innerhalb von 15 min untersucht werden! [15]
Interpretation/Befund
Orientierende Normwerte [2][15][25]
Orientierende Normwerte der Blutgasanalyse bei Erwachsenen (abhängig von der Blutentnahme) | ||||
---|---|---|---|---|
Arterielle Blutgasanalyse / Kapilläre Blutgasanalyse [15] | Venöse Blutgasanalyse | |||
Sauerstoffpartialdruck |
|
| ||
Kohlenstoffdioxidpartialdruck |
|
| ||
Sauerstoffsättigung |
|
| ||
Sauerstoffgehalt |
|
| ||
Orientierende Normwerte der Blutgasanalyse bei Erwachsenen (unabhängig von der Blutentnahme) | ||||
pH-Wert |
| |||
Aktuelles Bicarbonat (HCO3−) |
| |||
Standardbicarbonat (HCO3−) |
| |||
Basenabweichung (BE) |
| |||
Elektrolyte | ||||
Glucose (nüchtern) |
| |||
Lactat |
| |||
Hämoglobin | ||||
Hämatokrit | ||||
Osmolalität |
|
Die Werte einer kapillären Blutgasanalyse stimmen größtenteils mit denen einer arteriellen Blutgasanalyse überein, nur der kapilläre pO2 ist im Mittel um ca. 5 mmHg niedriger! [15]
Die Normwerte der Blutgasanalyse sind nicht einheitlich definiert und zudem häufig von patientenspezifischen Charakteristika wie bspw. Alter oder Geschlecht abhängig!
Besonderheiten der arteriellen Blutgasanalyse bei Kindern
Orientierende Normwerte der Blutgasanalyse bei Kindern | |||||
---|---|---|---|---|---|
Neugeborene nach der Geburt [26] | Ältere Neugeborene, Säuglinge, Klein- und Schulkinder [27] | ||||
0 min | 10 min | 60 min | 24 h | ||
Sauerstoffpartialdruck | 16 mmHg (2,1 kPa) | 50 mmHg (6,7 kPa) | 63 mmHg (8,4 kPa) | 73 mmHg (9,7 kPa) | 80–108 mmHg (10,7–14,4 kPa) |
Kohlenstoffdioxidpartialdruck | 49 mmHg (6,5 kPa) | 46 mmHg (6,1 kPa) | 36 mmHg (4,8 kPa) | 33 mmHg (4,4 kPa) | 32–47 mmHg (4,3–6,3 kPa) |
pH-Wert | 7,24 | 7,21 | 7,33 | 7,37 | 7,35–7,45 |
Standardbicarbonat (HCO3−) | 19 mmol/L | 17 mmol/L | 19 mmol/L | 20 mmol/L | 22–28 mmol/L |
Basenabweichung (BE) | -7 mmol/L | -10 mmol/L | -7 mmol/L | -5 mmol/L | -3,5 bis +2,5 mmol/L |
Besonderheiten der arteriellen Blutgasanalyse bei Schwangeren [16]
Orientierende Normwerte der Blutgasanalyse bei Schwangeren | ||
---|---|---|
Vor der Schwangerschaft | Am Ende des 3. Trimesters | |
Sauerstoffpartialdruck | 100 mmHg (13,3 kPa) | 103 mmHg (13,7 kPa) |
Kohlenstoffdioxidpartialdruck | 40 mmHg (5,3 kPa) | 30 mmHg (4 kPa) |
pH-Wert | 7,4 | 7,44 |
Standardbicarbonat (HCO3−) | 24 mmol/L | 20 mmol/L |
Praktisches Vorgehen bei der Interpretation einer Blutgasanalyse [17]
Schritt 1: Vermeidung von Fehlerquellen
- Zuordnung der Probe
- Patientenidentität korrekt?
- Art der Probe: Arteriell, kapillär oder venös?
- Plausibilität der gemessenen Werte
- Messwerte vereinbar mit aktueller klinischer Präsentation?
- Hinweise auf Dilution vorhanden?
- Sauerstoffzufuhr prüfen: Raumluft, Sauerstoffinsufflation (Flow in L/min) oder maschinelle Beatmung (FiO2)
Schritt 2: Beurteilung des respiratorischen Systems
- Beurteilung des pH-Wertes
- Beurteilung von pCO2 (Normwerte altersunabhängig)
- pCO2 <32 mmHg (<4,3 kPa): Hypokapnie
- pCO2 >45 mmHg (>6 kPa): Hyperkapnie
- Zusammenschau von pH-Wert und pCO2
- pH-Wert <7,35 und pCO2 >45 mmHg (>6 kPa): Respiratorische Azidose
- pH-Wert >7,45 und pCO2 <32 mmHg (<4,3 kPa): Respiratorische Alkalose
- pH-Wert <7,35 und pCO2 normal oder <32 mmHg (<4,3 kPa): Metabolische Azidose
- pH-Wert >7,45 und pCO2 normal oder >45 mmHg (>6 kPa): Metabolische Alkalose
Schritt 3: Beurteilung des metabolischen Systems
- Beurteilung der Basenabweichung und des Bicarbonats
- BE Normwert: -2 bis +3 mmol/L
- Bicarbonat Normwert: 22 bis 26 mmol/L
- Zusammenschau von pH-Wert, Basenabweichung und Bicarbonat
- pH-Wert <7,35, BE <-2 mmol/L (negativer BE) und Bicarbonat <22 mmol/L: Metabolische Azidose
- pH-Wert >7,45, BE >3 mmol/L (positiver BE) und Bicarbonat >26 mmol/L: Metabolische Alkalose
Schritt 4: Beurteilung des Kompensationsstatus
- Metabolische Kompensation
- Respiratorische Azidose und Bicarbonat >26 mmol/L
- Respiratorische Alkalose und Bicarbonat <22 mmol/L
- Respiratorische Kompensation
- Metabolische Azidose und pCO2 <32 mmHg (<4,3 kPa)
- Metabolische Alkalose und pCO2 >45 mmHg (>6 kPa)
Schritt 5: Beurteilung der Oxygenierung
- Beurteilung des pO2 (Normwerte altersabhängig)
- Zusammenschau von pO2 und pCO2
- Optional: Berechnung des Standard-pO2 [28][29]
- Definition: Auf Normoventilation (pCO2 = 40 mmHg) standardisierter pO2
- Formel: Standard-pO2 = pO2 - 1,66 × (40 - pCO2)
- Anwendung: Differenzierte Beurteilung des pO2 bei Hypo- bzw. Hyperventilation
Schritt 6: Beurteilung weiterer Parameter
- Elektrolyte: Natrium 135–145 mmol/L, Kalium 3,6–5,2 mmol/L, Chlorid 98–106 mmol/L, Calcium (ionisiert) 1,15–1,35 mmol/L
- Glucose (nüchtern): <100 mg/dL (<5,6 mmol/L)
- Lactat: 5–15 mg/dL (0,6–1,7 mmol/L)
- Hämoglobin: ♂ 13,6–17,2 g/dL, ♀ 12–15 g/dL
- Carboxyhämoglobin: Normwert variabel (abhängig von Raucherstatus)
Anionenlücke
- Definition: Berechneter Parameter zur weiteren Abklärung einer metabolischen Azidose
- Berechnung: Anionenlücke = Na+ - (HCO3− + Cl−)
- Normwert
- 7 ± 4 mmol/L (3–11 mmol/L)
- Ggf. auch labormethodenabhängig 12 ± 4 mmol/L (8–16 mmol/L)
- Alternativ (mit Berücksichtigung von Kalium): Anionenlücke = (Na+ + K+) - (HCO3− + Cl-), Normwert: 11 ± 4 mmol/L bzw. 16 ± 4 mmol/L
- Interpretation
- Additionsazidose
- Metabolische Azidose mit vergrößerter Anionenlücke
- Anionenlücke >16 mmol/L spricht mit großer Sicherheit für eine Additionsazidose (diskriminierender Wert)
- Endogene Ursachen: Lactatazidose , Ketoazidose , Niereninsuffizienz/Urämie
- Exogene Ursachen: Vergiftung durch Salicylsäure, Ethanol, Methanol, Ethylenglykol (in Frostschutzmittel)
- Subtraktionsazidose
- Metabolische Azidose mit normaler Anionenlücke (bedingt durch „Bicarbonatverlust“ )
- Endogene Ursachen: Anhaltende Diarrhö, Galle- oder Pankreasfistel
- Exogene Ursachen: Medikamente (Carboanhydrasehemmer), Zufuhr von Säuren, deren Anion Chlorid ist (bspw. HCl)
- Additionsazidose
- Störfaktoren
- Hypalbuminämie (Verringerung der Anionenlücke) [30]
- Hyperphosphatämie (Vergrößerung der Anionenlücke) [31]
Merkwort für Ursachen einer vergrößerten Anionenlücke „Kuss-Maul“: Ketonkörper, Urämie, Salicylsäure, Methanol, Äthylenglykol (bzw. Ethylenglykol), (Urämie), Lactat!
Osmolale Lücke [32]
- Definition: Abweichung der tatsächlich gemessenen von der theoretisch berechneten Plasmaosmolalität
- Als Abweichung gilt eine Differenz >5 mosmol/kgH2O
- Osmolalität bezieht sich auf die Masse des Lösungsmittels [33]
- Berechnung der erwarteten Plasmaosmolalität
- Interpretation: (Erhöhte) osmolale Lücke weist auf zusätzliche osmotisch wirksame Teilchen im Blutplasma hin , bspw.
- Lactat
- Ketonkörper
- Bestimmte Medikamente (bspw. Salicylate)
- Alkohol, Ethylenglykol, Methanol oder Isopropylalkohol
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Blutgasanalyse
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).