Zusammenfassung
Die Sexualmedizin beschäftigt sich mit sexuellen Funktionsstörungen, Störungen der Sexualpräferenz sowie mit Geschlechtsinkongruenzen. Sexuelle Funktionsstörungen können sowohl im Rahmen von körperlichen oder seelischen Erkrankungen, aber auch durch Probleme z.B. in Partnerschaft oder Beruf entstehen.
Für das Verständnis der Sexualmedizin ist es wichtig, sich mit dem physiologischen Ablauf der sexuellen Erregung zu beschäftigen. Im Verlauf der sexuellen Erregung werden verschiedene Phasen von der ersten Erregung über die Orgasmusphase bis zur Rückbildungs- und Refraktärphase hin durchlaufen. In jeder dieser Phasen kann es zu Störungen kommen.
Im Alter verändert sich die Sexualität bei Mann und Frau: Frauen verlieren u.a. durch hormonelle Umstellungen die Fähigkeit zur Reproduktion und es kommt zu einer Reihe körperlicher und psychischer Veränderungen. Beim Mann hingegen ist die Reproduktionsfähigkeit mit steigendem Alter zwar beeinträchtigt, bleibt jedoch weitestgehend erhalten, sodass funktionelle Veränderungen im Vordergrund stehen.
Ablauf der sexuellen Erregung
- Erregungsphase
- Auf eine Stimulation folgen sexuelles Lustempfinden und physiologische Veränderungen
- Steigerung von Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz und Atemtiefe
- ♂: Erektion des Penis (siehe auch: Penis, Erektion und Ejakulation)
- ♀: Anschwellen von Klitoris, Labien und Brustwarzen
- Plateauphase: Zunahme der physiologischen Veränderungen bei anhaltender sexueller Erregung
-
♂: Gesteigerte Durchblutung von Prostata und Bläschendrüse führt zu gesteigerter Sekretion der Glandulae bulbourethrales und Harnröhrendrüsen
- „Lusttropfen“: Wässrig-schleimiges Sekret am Ostium urethrae externum
- ♀: Gesteigerte Sekretion der Bartholinischen Drüsen und vermehrte Produktion von vaginalem Transsudat (= Lubrikation), gesteigerte Durchblutung der Vagina, Schwellung und Weitung v.a. der Labia minora
-
♂: Gesteigerte Durchblutung von Prostata und Bläschendrüse führt zu gesteigerter Sekretion der Glandulae bulbourethrales und Harnröhrendrüsen
- Orgasmusphase
- Höhepunkt der körperlichen Erregung
- Unwillkürliche Muskelkontraktionen in Genital- und Analregion
- ♂: Ejakulation
- Rückbildungsphase
- Rückbildung der physiologischen Veränderungen
- Refraktärphase
Unterschiede im Erregungsablauf zwischen Mann und Frau
- Der Erregungsablauf ist bei der Frau variabler
- Die einzelnen Phasen dauern bei der Frau i.d.R. länger an (Ausnahme: Refraktärphase)
- Der Mann befindet sich nach der Ejakulation für eine gewisse Zeit in der Refraktärphase
- Bei der Frau sind die einzelnen Phasen störanfälliger
Sexualmedizin
Die Sexualmedizin beschäftigt sich mit sexuellen Funktionsstörungen, Störungen der Sexualpräferenz sowie mit Geschlechtsinkongruenzen. Sexuelle Funktionsstörungen können sowohl im Rahmen von körperlichen oder seelischen Erkrankungen, aber auch durch Probleme zum Beispiel in Partnerschaft oder Beruf entstehen.
Sexuelle Funktionsstörungen
Es folgt eine Auflistung der möglichen sexuellen Funktionsstörungen. Sie können jeweils einer Phase des sexuellen Reaktionszyklus zugeordnet werden.
- Störungen der sexuellen Appetenz
- Vermindertes oder fehlendes Lustempfinden
- Abneigung gegenüber Sexualität
- Störungen der Erregungsphase
- Störungen der Plateauphase
-
♂: Erektionsstörungen
- Psychogene Erektionsstörung: Keine somatische Ursache, Auslösung z.B. durch Stressfaktoren wie Erwartungsdruck
- ♀: Vaginismus: Krampf der Vaginal- und Beckenmuskulatur beim Koitusversuch
- Dyspareunie: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
-
♂: Erektionsstörungen
- Störungen der Orgasmusphase
- ♂: Ejaculatio praecox , Ejaculatio retardata , Ejaculatio deficiens , Anorgasmie
- ♀: Anorgasmie
Eine psychische Ursache der sexuellen Funktionsstörung sollte z.B. dann in Betracht gezogen werden, wenn die Funktionsstörung je nach sexueller Praxis unterschiedlich stark ausgeprägt ist oder sogar ausbleibt!
Störungen der Sexualpräferenz
Störungen der Sexualpräferenz kennzeichnen sich dadurch, dass Erregung durch ungewöhnliche Objekte und Situationen ausgelöst wird. Im Folgenden werden einige beispielhaft erläutert.
- Exhibitionismus: Das eigene Entblößen vor fremden Menschen löst Erregung aus
- Voyeurismus: Die Beobachtung anderer beim Geschlechtsverkehr löst Erregung aus
- Pädophilie: Sexuelle Präferenz für Kinder
- Folgende Diagnosen gehören zum Katalog der ICD-10, sind jedoch in der ICD-11 nicht mehr aufgeführt, da diese Präferenzen zumeist nicht zu Leidensdruck oder dysfunktionalem Verhalten führen
- Fetischismus: Bestimmte Gegenstände (bspw. Schuhe) lösen Erregung aus
- Sadomasochismus: Schmerzen und Erniedrigung sind Stimulus für die sexuelle Erregung
- Sadismus: Das Zufügen von Schmerzen löst Erregung aus
- Masochismus: Das Erleiden von Schmerzen löst Erregung aus
- Fetischistischer Transvestitismus: Verlangen Kleider zu tragen, die gesellschaftlich dem anderen Geschlecht zugeordnet werden, um sexuelle Erregung zu verspüren
Geschlechtsinkongruenz
Können sich Menschen nicht oder nur teilweise mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, wird dies nach der (noch) eingesetzten Einteilung der ICD-10 als „Störung der Geschlechtsidentität“ bezeichnet und zu den „psychischen und Verhaltensstörungen“ gezählt. In der überarbeiteten ICD-11-Version, die Januar 2022 in Kraft getreten ist, jedoch für den Gebrauch in Deutschland noch vollständig übersetzt werden muss, werden Diagnosen der Geschlechtsinkongruenz allerdings nicht mehr dieser Kategorie zugeordnet, sondern dem Kapitel „Conditions related to sexual health“ .
- Nach ICD-11
- Geschlechtsinkongruenz im Jugend- und Erwachsenenalter (nach ICD-10: Transsexualismus ): Dauerhafte mangelnde Übereinstimmung zwischen der individuellen Geschlechtsidentität und dem aufgrund körperlicher Geschlechtsmerkmale zugewiesenen Geschlecht; es besteht häufig der Wunsch, durch medizinische Behandlung das Geschlecht anzugleichen
- Geschlechtsinkongruenz des Kindesalters (nach ICD-10: Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters): Über 2 Jahre anhaltende mangelnde Übereinstimmung zwischen der individuellen Geschlechtsidentität und dem zugewiesenen Geschlecht bereits vor Eintreten der Pubertät; es besteht häufig der Wunsch, das Geschlecht anzugleichen
- Nach ICD-10
- Transvestitismus : Wunsch, zeitweilig die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zu erleben; eine operative Geschlechtsumwandlung wird i.d.R. nicht angestrebt; Wechseln der geschlechtsüblichen Kleidung ist nicht von sexueller Erregung begleitet
Sexualität im Alter
Weibliche Sexualität im Alter
Mit zunehmendem Alter verändern sich die Sexualfunktionen des Menschen. Die weibliche Reproduktionsfähigkeit endet mit Eintritt in die „Wechseljahre“. Die Umstellung des Hormonhaushaltes hat zudem Einflüsse auf weitere Stoffwechselprozesse.
Definitionen
- Klimakterium: Übergang von der reproduktiven zyklusabhängigen Lebensphase in die ovarielle Ruhephase
- Menopause: Zeitpunkt, an dem die letzte Regelblutung aufgetreten ist und mindestens 1 Jahr lang keine weitere folgte
- Durchschnittsalter 52 Jahre
Hormonelle Veränderungen
Die abnehmende Funktion der Ovarien führt zu geringeren Östrogen- und Progesteronspiegeln. Dadurch fällt wiederum die Hemmung (negative Rückkopplung) der gonadotropen Hormone FSH und LH weg und ihre Blutspiegel steigen an. Im Verlauf treten vermehrt Zyklen ohne Eisprung (Ovulation) auf, bis die Ovarialfunktion schließlich vollständig erlischt.
- Hormonspiegel
- FSH/LH ↑
- Östradiol/Progesteron ↓
- Testosteron und Prolaktin normal
Symptome der Postmenopause
- Mögliche Begleiterscheinungen der hormonellen Umstellung
- Hitzewallungen
- Depressionen
- Nervosität
- Sexuelle Aktivität ↓
- Folgeerkrankungen aufgrund von Östrogenmangel
- Osteoporose
- Atrophie der äußeren und inneren Geschlechtsorgane
Männliche Sexualität im Alter
Die männliche Reproduktionsfähigkeit ist mit steigendem Alter zwar beeinträchtigt, bleibt jedoch weitestgehend erhalten, sodass funktionelle Veränderungen im Vordergrund stehen.
- Menge und Qualität der Samen ↓
- Sexuelle Aktivität ↓
- Sexuelle Reaktion ↓
Wiederholungsfragen zum Kapitel Sexualität und Sexualmedizin
Ablauf der sexuellen Erregung
Nenne die Phasen der sexuellen Erregung. Welche Unterschiede gibt es bei Mann und Frau?
Sexualmedizin
Wann spricht man von sexuellen Funktionsstörungen?
Wann spricht man von Störungen der Sexualpräferenz? Nenne typische Beispiele!
Wie kann eine psychogene von einer physiologischen Erektionsstörung unterschieden werden?
Was versteht man unter Dyspareunie?
Sexualität im Alter
Wie verändern sich die Hormonspiegel bei der Frau mit dem Alter?
Wie verändert sich die Sexualität des Mannes mit dem Alter?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.