Zusammenfassung
Unipolare depressive Störungen sind Krankheitsbilder, die durch eine Veränderung der Stimmung zum negativen Pol gekennzeichnet sind. Sie machen mit ca. 65% den größten Anteil der affektiven Störungen aus. Die Leitsymptome sind eine gedrückte Stimmung sowie ein Interessen- und Antriebsverlust. Eine Unterteilung der depressiven Störungen erfolgt u.a. nach Schweregrad und Vorliegen eines somatischen Syndroms bzw. psychotischer Symptome. Ätiologisch wird ein komplexes Vulnerabilitäts-Stress-Modell angenommen, wobei die Bedeutung biologischer und psychosozialer Faktoren je nach Krankheitsfall sehr unterschiedlich sein kann.
Im Rahmen der Diagnostik ist der Ausschluss einer organischen Genese wichtig. Gleichzeitig sind Komorbiditäten mit somatischen (bspw. Diabetes, KHK) und psychiatrischen Erkrankungen zu berücksichtigen. Therapeutisch stehen insb. mit Antidepressiva und Psychotherapie wirksame Mittel zur Verfügung. Mit der initial gewählten Pharmakotherapie wird jedoch oft keine Remission erreicht. Daher ist es in der Behandlung wichtig, strukturiert vorzugehen und alle verfügbaren Therapiemaßnahmen (inkl. EKT) im Blick zu behalten.
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Typisierung affektiver Störungen
Affektive Störungen sind eine Störungsgruppe mit dem Hauptmerkmal einer veränderten Stimmung, innerhalb welcher die unipolare Depression mit ca. 65% den größten Anteil ausmacht. Die grobe Einteilung der affektiven Störungen erfolgt gemäß der Polarität und dem zeitlichen Verlauf. [1]
Einteilung der affektiven Störungen (nach ICD-10) | ||
---|---|---|
Unipolar | Bipolar | |
Monophasisch |
| — |
Polyphasisch |
| |
Anhaltend (>2 Jahre) |
Epidemiologie
- Lebenszeitprävalenz
- Allgemeinbevölkerung: 16–20% [3]
- Bei familiärer Belastung erhöht [1]
- Verwandte 1. Grades einer erkrankten Person: Bis zu 30% [4]
- Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen: Ca. 50%
- Jahresprävalenz (Stand 2014) [1][3]
- Allgemeinbevölkerung: Ca. 8%
- Erhöht bei Personen
- In sozial schwachen Schichten
- In städtischem Wohnumfeld
- Ohne enge soziale Beziehungsstrukturen
- Erstmanifestation [5]
- In ca. 50% der Fälle vor dem 31. Lebensjahr
- Nach dem 60. Lebensjahr selten (10% der Fälle)
- Bei Frauen früher als bei Männern
- Geschlechterverteilung: ♀ > ♂ (2:1)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Für die Ätiologie depressiver Störungen fehlen klare empirische Belege. Es wird von einem komplexen Vulnerabilitäts-Stress-Modell ausgegangen. Je nach Krankheitsfall können Einflussfaktoren auf Vulnerabilität und Stress sehr variabel sein. So kann sich eine depressive Störung primär auf dem Boden akuter oder chronischer psychosozialer Belastungen entwickeln oder aber primär durch biologische Faktoren bestimmt sein. [3]
Genetische Faktoren [5]
- Bekannte familiäre Häufung, siehe auch: Epidemiologie der unipolaren Depression
- Vulnerabilität wird vererbt
- Keine spezifischen Gene bekannt
Neurobiologische Aspekte affektiver Störungen [1][5]
Die folgenden neurobiologischen Aspekte lassen sich sowohl auf die unipolare Depression als auch auf die bipolare Störung anwenden.
Neurochemie [5]
- Monoaminmangelhypothese
- Ursache depressiver Symptomatik: Relatives Defizit von Monoaminen (Noradrenalin, Serotonin und Dopamin)
- Gestützt durch Wirkweise der Antidepressiva
- Wirklatenz von Antidepressiva wird durch diese Hypothese nicht erklärt
- Cholinerg-aminerge Imbalance-Hypothese
- Ursache depressiver Symptomatik: Relatives cholinerges Übergewicht
- Ursache manischer Symptomatik: Relatives Überwiegen des aminergen Systems (Noradrenalin und Serotonin)
- Gestützt durch
- Depressiogene Wirkung von Cholinesterasehemmern
- Mögliche Auslösung maniformer Symptome durch Konsum von Amphetaminen
- Glutamat-Hypothese
- Ursache depressiver Symptomatik: Überaktivität des glutamatergen Systems
- Glutamat: Exzitatorischer Transmitter mit möglichem Einfluss auf Neuroplastizität
- Gestützt durch antidepressive Wirkung von Ketamin (evtl. über Aktivierung von AMPA-Rezeptoren)
- Ursache depressiver Symptomatik: Überaktivität des glutamatergen Systems
- Neurotrophin-Hypothese
- Ursache depressiver Symptomatik: Defizit an neurotrophen Faktoren
- Gestützt durch
- Hirnmorphologische Veränderungen bei depressiv erkrankten Personen (insb. Hippocampusatrophie)
- Reduzierte Konzentration von BDNF (Brain-derived neurotrophic Factor) bei depressiv erkrankten Personen
Die weit verbreitete Monoaminmangelhypothese ist umstritten und wird viel diskutiert! [6]
Intrazelluläre Signaltransduktion [5][7]
- Veränderung diverser Signaltransduktionssysteme bei bipolarer Störung
- Gestützt durch Wirksamkeit von Stimmungsstabilisierern
Neuroendokrinologie [5]
- Erhöhte Cortisolwerte bei depressiver Symptomatik
- Ursachen
- Konstitutionell gesteigerte Aktivierbarkeit der HHN-Achse
- Innerpsychische Stressoren
- Einfluss auf Schilddrüsenachse: Durch hemmende Wirkung von Cortisol
- Ursachen
Schlaf und zirkadiane Rhythmik [5][8]
- Pathophysiologische Erklärungsansätze
- Erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Depression bei chronischer Insomnie
- Antidepressive Wirkung von Schlafentzug (Wachtherapie)
- Nachgewiesene veränderte Schlafmuster
- Bei bestehender Depression
- In euthymen Intervallen einer bipolaren Störung
- Bei manischer Episode [5]
- Typisches Schlafmuster bei Depression
- Verlängerte Einschlaflatenz
-
Veränderungen des REM-Schlafs
- Verkürzte erste REM-Latenz
- Verlängerte erste REM-Phase
- Erhöhte REM-Intensität (Dichte)
- Reduktion des Tiefschlafs bei Erhöhung des REM-Schlaf-Anteils
Psychische Faktoren [1][5][9]
Kognitive Aspekte
- Kognitive Triade (nach Beck): Negativ verzerrte Sicht auf sich selbst, die (Um‑)Welt und die Zukunft
- Erlernte Hilflosigkeit (nach Seligman): In subjektiv unkontrollierbarer und aversiver Situation erlebte Hilflosigkeit wird auf ähnliche, nachfolgende Situationen übertragen
- Wichtiger Aspekt: Internale Kausalattribution
- Dysfunktionale Kognitionen
- Verstärkerverlust: Verlust positiver Verstärkerquellen, die zum Wohlbefinden beitragen
- Durch äußere Einwirkung (bspw. Tod einer nahestehenden Person) [1]
- Durch Reduktion potenziell positiv verstärkender Verhaltensweisen mit der Gefahr eines Teufelskreises
Psychodynamische Aspekte
- Störung in früher Entwicklungsphase führt zu
- Unsicherem und leicht verletzbarem Selbstwertgefühl
- Übermäßigem Streben nach Bindung
- Ungünstiger Konfliktlösung: Wendung aggressiver Affekte gegen sich selbst
Psychosoziale Aspekte
Einige psychosoziale Stressoren scheinen die Vulnerabilität für depressive Störungen zu erhöhen.
- Kindheitserfahrungen
- Verlust- oder Trennungserlebnisse
- Mangel emotionaler Zuwendung
- Interpersonelle Faktoren
- Störungen sozialer Beziehungen
- Fehlen enger sozialer Beziehungsstrukturen
- Siehe auch: Interpersonelle Psychotherapie
- Soziales Umfeld
- Niedriger sozialer Status
- Städtisches Wohnumfeld [10]
Symptomatik
Allgemein [11]
- Dauer: Mind. 2 Wochen
- Unterteilung nach
- Schweregrad
- Zusätzlichem Vorliegen eines somatischen Syndroms bzw. psychotischer Symptome (siehe auch: Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen)
Hauptsymptome [11]
-
Gedrückte Stimmung
- Ausprägung als Gefühl der Gefühllosigkeit möglich
- Freud- oder Interessenverlust an Aktivitäten, die normalerweise angenehm waren
- Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit
Zusatzsymptome [11]
- Schlafstörungen jeder Art
- Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
- Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
- Wiederkehrende Gedanken an Tod oder Suizid oder suizidales Verhalten (siehe auch: Suizidalität im Rahmen psychiatrischer Grunderkrankungen)
- Appetitverlust oder gesteigerter Appetit mit entsprechender Gewichtsveränderung
-
Vermindertes Denk- oder Konzentrationsvermögen, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit
- Bspw. Denkhemmung oder sog. Pseudodemenz
- Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit (subjektiv erlebt oder objektiv beobachtet) [1][5]
Psychotische Symptome [11]
Psychotische Symptome bei Depression unterscheiden sich typischerweise von denen bei Schizophrenie. In der ICD-10 können sie nur bei einer schweren depressiven Episode zusätzlich kodiert werden. In der ICD-11 ist dies auch bei mittelgradiger Depression möglich. [3]
- Depressiver Stupor [3]
- Halluzinationen
- Wahnideen (i.d.R. synthymer Wahn): Häufige Wahnformen
Somatisches Syndrom [11]
Liegen mind. 4 der folgenden Symptome vor, spricht man von einem zusätzlichen somatischen Syndrom.
- Deutlicher Interessen- oder Freudverlust (Anhedonie)
- Mangelnde Reagibilität
- Früherwachen
- Morgentief
- Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit
- Deutlicher Appetitverlust
- Gewichtsverlust: ≥5% des Körpergewichts im letzten Monat
- Deutlicher Libidoverlust
Schwere depressive Episoden gehen i.d.R. mit einem somatischen Syndrom einher!
Verlaufs- und Sonderformen
Rezidivierende depressive Störung (F33) [11]
- Merkmale
- Wiederholtes Auftreten depressiver Episoden
- Remission zwischen den Episoden
- Weitere Unterteilung nach gegenwärtig vorliegender Episode
- Leichte depressive Episode (F33.0)
- Mittelgradige depressive Episode (F33.1)
- Schwere depressive Episode (F33.2)
- Schwere Episode mit psychotischen Symptomen (F33.3)
- Therapie: I.d.R. Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie [3]
Diagnostische Kriterien der rezidivierenden depressiven Störung nach ICD-10 [11] | |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
Saisonale depressive Störung [5]
- Merkmale
-
Rezidivierende depressive Episoden mit saisonalem Muster, meist als sog. Winterdepression
- Beginn: Spätherbst/Winter
- Ende: Frühjahr
- Oft atypische Symptome
- Gewichtszunahme
- Hypersomnie
- Energielosigkeit
-
Rezidivierende depressive Episoden mit saisonalem Muster, meist als sog. Winterdepression
- Therapie [3][12]
- Lichttherapie
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Antidepressiva (positive Studienergebnisse für Sertralin, Fluoxetin, Moclobemid und Bupropion )
Chronische depressive Störung [8]
- Merkmale
- Ununterbrochene Symptomdauer von >2 Jahren
- ICD-10: Keine gesonderte diagnostische Kategorie
- Therapie [3]
- Bei fehlender Vorbehandlung: Entsprechend dem Vorgehen bei Akutbehandlung einer depressiven Episode
- Bei chronischem Verlauf trotz Behandlung: Entsprechend dem Vorgehen bei Non-Response bzw. therapieresistenter Depression
- Störungsspezifisches psychotherapeutisches Verfahren: CBASP
Depressiver Stupor [2][12]
- Merkmale
- Zustand völliger Hilflosigkeit
- Reduzierte bis keine motorische Bewegung
- Mutismus
- Wahrnehmung der Umwelt sowie Blickkontakt erhalten
- Meist Anspannung und Ängstlichkeit vorhanden
- Dauer: Bis zu mehreren Tagen möglich
- Therapie [3]
- Voraussetzung: Ausschluss somatischer Ursachen inkl. Intoxikationen
- Setting: Stationäre Behandlung
- Notfallbehandlung: Gabe von Benzodiazepinen (bspw. Lorazepam)
- Bei unzureichender Wirksamkeit: EKT erwägen
- Weiterbehandlung: Antidepressiva (ggf. in Kombination mit Lorazepam)
Depression in der Schwangerschaft/Postpartalzeit
Sonderformen [11]
Diese Störungen entsprechen nicht den Diagnosekriterien der depressiven Episoden, sind jedoch auch durch depressive Symptome charakterisiert. Sie werden nach ICD-10 als sonstige depressive Episoden (F32.8) klassifiziert, ohne festgelegte diagnostische Kriterien.
- Atypische Depression [2][5]
- Modulationsfähigkeit der Stimmung erhalten
- Übermäßiger Appetit und Nahrungsaufnahme
- Hypersomnie
- Schweregefühl der Gliedmaßen (bleierne Müdigkeit)
- Überempfindlichkeit gegenüber subjektiv empfundener Ablehnung oder Kritik
- Verhalten zeigt histrionische Züge
- Larvierte Depression (konzeptionell unklare und nicht mehr gebräuchliche Diagnose) [13]
- Körperliche Beschwerden stehen im Vordergrund
- Depressive Symptomatik wird maskiert
Diagnostik
Exploration [3]
- Allgemeine Exploration
- Erhebung des psychopathologischen Befundes
- Psychiatrische Anamnese, inkl. [1]
- Medikamentenanamnese
- Suchtanamnese
- Sozialanamnese
- Suizidanamnese
- Siehe auch: Diagnostisches Gespräch in der Psychiatrie
- Gezielte Exploration: Aktuelle und vergangene Symptome einer Depression aktiv erfragen
- Hauptsymptome
- War die Stimmung schonmal deutlich besser? [1]
- Ist das Interesse an Dingen verloren gegangen, die früher Spaß gemacht haben?
- Fallen die üblichen Alltagsaufgaben deutlich schwerer als sonst?
- Zusatzsymptome
- Ist es deutlich mühsamer geworden, ein Buch zu lesen oder einen Film zu schauen?
- Treten Selbstzweifel häufiger auf?
- Liegt häufig ein Gefühl von Schuld vor?
- Ist die Sicht auf die Zukunft negativer als gewohnt?
- Gibt es Gedanken, dass es besser wäre, nicht mehr zu leben?
- Hat sich das Schlafverhalten verändert?
- Ist der Appetit deutlich reduziert?
- Psychotische Symptome
- Besteht die Überzeugung zu verarmen oder für etwas schuldig zu sein?
- Bestehen Sinneseindrücke, die andere nicht wahrnehmen?
- Merkmale eines somatischen Syndroms
- Symptomdauer und -verlauf
- Hauptsymptome
Ausschluss organischer Ursachen [5]
Red Flags für eine organische depressive Störung [3]
Viele somatische Erkrankungen können unmittelbar ursächlich für eine depressive Symptomatik sein (organische depressive Störung). Insb. bei neu aufgetretenen, schweren depressiven Symptomen mit einem oder mehreren der folgenden Merkmale sollte an eine organische depressive Störung gedacht werden:
- Zusammen mit den depressiven Symptomen aufgetretene somatische Veränderungen (bspw. neues fokalneurologisches Defizit)
- Starke kognitive Defizite
- Psychotische Symptome
- Vorbestehende somatische Erkrankung
- Fehlen eines ätiologischen Hinweises, bspw. psychosozialer Belastung
Vorgehen
- Körperliche Untersuchung
- Apparative Untersuchungen
- Routinelabordiagnostik
- EKG
- EEG
- Bei Erstmanifestation: Kranielle Bildgebung
- Siehe auch: Apparative Diagnostik in der Psychiatrie
Testpsychologische Verfahren
Früherkennung und Screening [3]
Screeningmaßnahmen sollten nicht bei allen Patient:innen routinemäßig erfolgen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren (bspw. zurückliegende Depression) ist der Einsatz u.a. in der hausärztlichen Versorgung empfohlen. Bei auffälligem Screening sollte geprüft werden, ob die Diagnosekriterien einer depressiven Episode erfüllt sind.
- Zwei-Fragen-Test
- Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
- Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
- WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden
- Selbstbeurteilungsverfahren
- Einschätzung des psychischen Wohlbefindens der vergangenen 2 Wochen anhand von 5 Aussagen
- Vergabe von 0–5 Punkten pro Aussage
- Patient Health Questionnaire (PHQ-9)
- Selbstbeurteilungsverfahren mit 9 Items
- Hinweis auf mind. mittelgradige depressive Symptomatik, wenn ≥5 Items bejaht werden
Gängige Fragebögen zur Symptomerfassung [1][3]
Diese werden häufig zur Therapie- und Verlaufskontrolle eingesetzt (siehe auch: Bewertung der Wirksamkeit einer antidepressiven Behandlung).
- Hamilton Depression Rating Scale (HAMD, HDRS)
- Fremdbeurteilungsskala mit 17, 21 oder 24 Items je nach Version
- International meistgenutzte Skala
- Cut-Off-Werte der 17-Item-Version
- ≤8: Klinisch unauffällig (in Remission)
- 9–16: Leichte depressive Symptomatik
- 17–24: Mittelgradige depressive Symptomatik
- ≥25: Schwere depressive Symptomatik
- Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS)
- Fremdbeurteilungsskala
- Cut-Off-Werte
- ≤6: Klinisch unauffällig (in Remission)
- 7–19: Leichte depressive Symptomatik
- 20–34: Mittelgradige depressive Symptomatik
- ≥35: Schwere depressive Symptomatik
- Beck-Depressions-Inventar II (BDI-II)
- Selbstbeurteilungsskala mit 21 Items
- Cut-Off-Werte
- <14: Klinisch unauffällig (in Remission)
- 14–19: Leichte depressive Symptomatik
- 20–28: Mittelgradige depressive Symptomatik
- ≥29: Schwere depressive Symptomatik
ICD-10
Diagnostische Kriterien einer depressiven Episode nach ICD-10 [11] | |
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A: Allgemeine Kriterien |
|
B: Hauptsymptome |
|
C: Zusatzsymptome |
|
D: Psychotische Symptome |
|
Schweregradeinteilung der depressiven Episode |
|
ICD-11
- Wesentliche Änderungen, u.a. [14]
- Symptomaufteilung in 3 Cluster (anstelle von Haupt- und Zusatzsymptomen)
- Neue/veränderte Symptome mit diagnostischer Relevanz, u.a.
- Konzentrationsstörungen oder verringerte Entscheidungsfähigkeit
- Veränderungen des Schlafs (anstelle von Schlafstörungen)
- Hoffnungslosigkeit [15]
- Veränderte Schweregradeinteilung
- Psychotische Symptome können auch bei mittelgradigen depressiven Episoden kodiert werden
- Für mehr Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) siehe: Tipps & Links
Depressive Episode in der ICD-11 [14] | |
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Allgemeine Kriterien |
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Cluster 1: Affektive Symptome |
|
Cluster 2: Kognitive und Verhaltensstörungen |
|
Cluster 3: Neurovegetative Störungen |
|
Psychotische Symptome |
|
Schweregradeinteilung |
|
Komorbiditäten
Psychische Komorbiditäten [1][3]
- Insgesamt häufig
- Führen zu ausgeprägteren depressiven Symptomen sowie erhöhtem Risiko für Chronifizierung und Suizid
- Besonders hohe Komorbidität mit
Somatische Komorbiditäten [1][3]
- Komplexe wechselseitige Beziehung möglich
- Bei chronischen körperlichen Erkrankungen: Verdoppeltes Risiko für depressive Störungen
- Bei depressiver Störung: Höheres Risiko für diverse körperliche Erkrankungen
- Negative Folgen für Therapieverlauf und Lebensqualität
Ausgewählte somatische Erkrankungen mit bedeutsamen Zusammenhängen [2][12]
Eine psychotherapeutische Mitbehandlung kann sinnvoll sein. Eine Leitlinienempfehlung für Psychotherapie besteht bei Komorbidität mit KHK, Tumorerkrankungen und Diabetes mellitus.
- Depression nach Schlaganfall
- Prävalenz: Ca. 30–50% aller Patient:innen mit Schlaganfall
- Für weiterführende Informationen siehe: Post-Stroke-Depression
- Depression bei Parkinson-Syndrom [5]
- Prävalenz: Ca. 30–50% aller Patient:innen mit Parkinson-Syndrom
- Auftreten depressiver Symptome vor Manifestation des Parkinson-Syndroms möglich
- Depressive Symptome persistieren oft trotz erfolgreicher Behandlung des Parkinson-Syndroms
- Siehe auch: Therapie depressiver Episoden bei Morbus Parkinson
- Depression bei KHK
- Depression als Risikofaktor für KHK
- Prävalenz nach Herzinfarkt: Ca. 20%
- 2- bis 4-fache Erhöhung des Mortalitätsrisikos nach Herzinfarkt
- Pharmakotherapie
- Mittel der 1. Wahl: SSRI (insb. Sertralin)
- Keine Trizyklika
- Depression bei Tumorerkrankungen
- Prävalenzschätzung: 6,5%
- Pharmakotherapie der 1. Wahl: SSRI
- Depression bei Diabetes mellitus
- Prävalenz: Bis zu 30% aller Patient:innen mit Diabetes mellitus
- Spezifische Risikofaktoren für Entwicklung einer Depression
- Akut- und Folgekomplikationen des Diabetes mellitus
- Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 (höchstes Risiko)
- Hohe HbA1c-Werte
- Pharmakotherapie
- Mittel der 1. Wahl: SSRI
- Bei behandlungsbedürftiger Neuropathie: Duloxetin oder Trizyklika
- Depression bei Demenz
- Prävalenz: Ca. 20–50% aller Patient:innen mit Demenz
- Besonders bei vaskulärer Demenz: Erhöhtes Risiko für Depression
- Differenzialdiagnostik schwierig wegen überlappender Symptome (sog. Pseudodemenz)
- Pharmakotherapie [16]
- Mittel der 1. Wahl: Mirtazapin, Sertralin [17]
- Positiver Effekt von Acetylcholinesterasehemmer
- Keine Trizyklika
- Siehe auch: Antidepressiva - Besondere Patientengruppen
Differenzialdiagnosen
Die Unterscheidung zwischen Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten ist hier oft nicht einfach, da i.d.R. eine komplexe wechselseitige Beziehung vorliegt.
Psychiatrische Differenzialdiagnosen [1][3]
Nachfolgend werden einige wichtige Erkrankungen aufgeführt. Zu beachten ist, dass für depressive Störungen auch eine hohe Komorbidität (ca. 60%) mit anderen psychiatrischen Erkrankungen vorliegt (siehe auch: Komorbiditäten bei Depression).
- Depressive Episode im Rahmen einer bipolaren Störung
- Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis
- Schizophrenie (insb. bei dominierender Negativsymptomatik) [18]
- Postschizophrene Depression
- Schizoaffektive Störung
- Demenz (Cave: Abgrenzung zur sog. Pseudodemenz bei Depression)
- Anpassungsstörung
- Entzugssymptomatik bei Substanzmissbrauch/-abhängigkeit
- Burnout-Syndrom
- Prämenstruelle dysphorische Störung
- Double Depression
- Dysthymie (anhaltende depressive Verstimmung über mind. 2 Jahre)
Somatische Differenzialdiagnosen [1][5]
Eine Reihe somatischer Erkrankungen können mit depressiven Symptomen einhergehen. Dabei muss zwischen zwei Szenarien unterschieden werden:
- Somatische Erkrankung als bedeutsamer Faktor in der Entstehung und Aufrechterhaltung der depressiven Symptomatik
- Somatische Erkrankung als unmittelbare Ursache der depressiven Symptomatik
- Vordergründig: Behandlung der somatischen Erkrankung
- Nach ICD-10: Zuordnung zu den organischen depressiven Störungen (F06.32) als Form der organischen affektiven Störungen
Organische depressive Störungen (Auswahl)
- Störungen der Endokrinologie (bspw. Hyper- und Hypoparathyreoidismus, Hypothyreose)
- Infektiöse Erkrankungen (bspw. Mononukleose)
- Pulmonale Erkrankungen (bspw. Schlafapnoe)
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (bspw. Herzinsuffizienz)
- Neoplasien (bspw. Pankreasmalignome, Hirntumoren)
- Metabolische Störungen (bspw. Vitamin-B12-Mangel , Morbus Wilson, Porphyrie)
- Anämie
- Zerebrale Erkrankungen (bspw. Epilepsie)
- Autoimmunerkrankungen (bspw. Lupus erythematodes)
- Gastrointestinale Erkrankungen (bspw. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)
Medikamente mit depressiogenem Potenzial
Viele Medikamente können depressive Symptome auslösen. Eine Medikamentenanamnese ist daher essenzieller Bestandteil der Differenzialdiagnostik bei Depression.
Medikamente mit depressiogenem Potenzial (Auswahl) [1][5] | |
---|---|
Substanzgruppe | Beispiele |
ACE-Hemmer | |
Analgetika | |
Antibiotika |
|
Anfallssuppressiva | |
Betablocker | |
Diuretika | |
Corticosteroide | |
Lipidsenker |
|
Orale Kontrazeptiva | |
Parkinson-Medikamente | |
Virustatika | |
Zytostatika |
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Exkurs: Dysthymie und Double Depression
Teilweise werden Dysthymie und Double Depression zu den persistierenden depressiven Störungen gezählt.
Dysthymie (F34.1) [2][3][5][11]
- Epidemiologie
- Jahresprävalenz: Ca. 2%
- Manifestation oft im frühen Erwachsenenalter
- Merkmale
- Anhaltende depressive Verstimmung über mind. 2 Jahre
- Symptomatik fluktuiert i.d.R.
- Kriterien einer depressiven Episode sind nicht erfüllt
- Therapie siehe: Therapieempfehlung für chronische depressive Störung
Diagnostische Kriterien der Dysthymie nach ICD-10 [11] | |
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A |
|
B |
|
C |
|
Double Depression [3][5]
- Merkmale
- Dysthymie mit aufgelagerter depressiver Episode
- Erhöhtes Risiko für weitere depressive Episoden
- Therapie siehe: Therapieempfehlung für chronische depressive Störung
Exkurs: Burnout-Syndrom
Das sog. Burnout-Syndrom hat in der letzten Zeit zunehmend an Interesse und Bedeutung gewonnen. Es handelt sich jedoch um keine wissenschaftlich anerkannte Erkrankung. Dieser Exkurs soll einen Überblick über den aktuellen Stand des Burnout-Konzepts geben (siehe auch: Positionspapier der DGPPN zum Thema Burnout unter Tipps & Links).
Allgemeines [2][3]
- Merkmale
- Epidemiologie: Keine zuverlässigen Daten
- Risikofaktoren, u.a.
- Gratifikationskrisen
- Unsicherer Arbeitsplatz
- Hohe Arbeitsanforderungen
- Hoher zeitlicher Arbeitsumfang
Das Burnout-Syndrom ist keine wissenschaftlich anerkannte Diagnose!
Klinisches Bild und Diagnostik [2]
- Symptome
- Emotionale Erschöpfung
- Distanzierung
- Reduzierte Arbeitsleistung (subjektiv)
- Diagnostik
- Entscheidend: Klinische Beurteilung
- Häufig eingesetztes Selbstbeurteilungsverfahren: Maslach-Burnout-Inventar (MBI)
- Differenzialdiagnostik
- Psychiatrische Erkrankungen, u.a.
- Depression
- Angststörung
- Alkoholmissbrauch
- Anpassungsstörung
- Somatoforme Störung
- Somatische Erkrankungen, u.a.
- Anämie
- Hypothyreose
- Tumoren
- Schlafapnoe
- Substanznebenwirkung (siehe auch: Medikamente mit depressiogenem Potenzial)
- Psychiatrische Erkrankungen, u.a.
Besonders wichtig ist die Abgrenzung zur Depression, damit Patient:innen mit Depression eine adäquate und evidenzbasierte Behandlung angeboten werden kann!
Therapie [2]
Evidenzbasierte Therapieempfehlungen gibt es kaum. Im Folgenden wird eine Auswahl therapeutischer Möglichkeiten genannt.
- Individuelle Ressourcenstärkung zur Verbesserung von Bewältigungsstrategien
- Interpersonelle Psychotherapie (Fokus: Arbeitsbezogener Stress)
- Training von Achtsamkeit
- Internetbasierte Interventionen (Occupational E-Mental Health)
- Ggf. interpersonelle Konflikte im eigenen Arbeitsumfeld adressieren
- Ggf. sozialmedizinische Schritte einleiten (bspw. Reha)
Therapie
Allgemein [1][3]
- Zu Behandlungsbeginn
- Ausführliche Psychoedukation
- Wenn Patient:innen dem zustimmen: Angehörige miteinbeziehen (siehe auch: Patientenblätter unter Tipps & Links)
- Möglichkeiten der Selbsthilfe besprechen [3]
- Therapieziele festlegen [3]
- Mögliche Störfaktoren von Adhärenz evaluieren und adressieren
- Ausführliche Psychoedukation
- Wahl der Behandlungsoption: Abhängig von
- Präferenz der informierten Patient:innen (Shared Decision-making)
- Schweregrad der depressiven Episode
- Verlaufsform, besonderen Symptomen, Therapieansprechen und -adhärenz
- Indikation für nicht-medikamentöse somatische Therapieverfahren bei Depression klären
- Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie bei
- Schwerer depressiver Episode
- Chronischem und rezidivierendem Verlauf
- Depression mit psychotischen Symptomen [3]
- Unzureichender Wirksamkeit einer alleinigen Therapieform
- Mangelnder Mitarbeit seitens der Patient:innen
- Psychiatrischer Komorbidität
Behandlungsempfehlungen abhängig vom Schweregrad der depressiven Episode [3] | |||
---|---|---|---|
Leichte Episode | Mittelgradige Episode | Schwere Episode | |
Antidepressiva |
|
|
|
Johanniskraut |
|
|
|
Benzodiazepine, Z-Substanzen |
|
|
|
Psychotherapie |
|
|
|
Internetbasierte Interventionen [3] |
|
|
|
Niedrigintensive Interventionen [3] |
|
|
|
Depressionen im höheren Lebensalter sollen bei mittelschwerer Ausprägung primär psychotherapeutisch und bei schwerer Ausprägung kombiniert psychotherapeutisch und medikamentös behandelt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Geriatrie)
Behandlungsphasen [2][3][12]
- Akuttherapie
- Ziele
- Deutliche Symptomlinderung bzw. Remission
- Mortalität (durch Suizid) reduzieren
- Soziale und berufliche Teilhabe wiederherstellen
- Dauer: I.d.R. 6–12 Wochen
- Ziele
- Erhaltungstherapie
- Ziel: Reduktion des Rückfallrisiko durch Fortführung der Akuttherapie
- Dauer
- Pharmakotherapie: Über 6–12 Monate [3]
- Psychotherapie: Individuell angepasste Dauer
- Rezidivprophylaxe
- Ziel: Langfristige Verhinderung weiterer depressiver Episoden durch Fortführung der Erhaltungstherapie
- Längerfristige Pharmakotherapie: Wenn in den vergangenen 5 Jahren ≥2 depressive Episoden mit bedeutsamen funktionellen Einschränkungen bestanden
- Fortführung der Erhaltungstherapie über mind. 2 Jahre
- Vergleichbare Wirksamkeit, aber 2. Wahl: Rezidivprophylaxe mit Lithium (Monotherapie)
- Längerfristige Psychotherapie: U.a. sinnvoll
- Bei hohem Rezidivrisiko (bspw. aufgrund persistierender Fertigkeitendefizite, anhaltender Belastungssituation)
- Als Alternative zu pharmakologischer Rezidivprophylaxe
Auf eine erfolgreiche Akuttherapie sollte eine Erhaltungstherapie folgen, da das Rückfallrisiko so um ca. 70% gesenkt werden kann! [1]
Setting [1][3]
- Bei leichten/mittelgradigen Episoden: Ambulante Behandlung möglich
- Stationäre Behandlung u.a. indiziert bei
- Suizidalität
- Depressivem Stupor
- Schwerer depressiver Episode mit psychotischen Symptomen
- Starker psychosozialer Belastung
- Längerer erfolgloser Behandlung im ambulanten Setting
- Drohender Chronifizierung
Bewertung der Wirksamkeit einer antidepressiven Behandlung [8]
Zur Bewertung des Therapieansprechens werden i.d.R. Fremdbeurteilungsskalen (insb. HAMD, MADRS) genutzt. Entscheidend ist die prozentuale Reduktion der Skalenwerte im Vergleich zum Ausgangswert. [3]
- Non-Response (Nicht-Ansprechen): Reduktion um ≤25%
- Partielle Response: Reduktion um 26–49%
- Response (Ansprechen): Reduktion um ≥50%
- Remission: Weitestgehende Symptomfreiheit
Medikamentöse Therapie
Allgemein [1][2]
- Einsatz von Antidepressiva [3]
- Immer im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes
- Abhängig von Symptomausprägung
- Alleiniger oder kombinierter Einsatz mit Psychotherapie möglich
- Siehe auch: Behandlungsempfehlungen abhängig vom Schweregrad der depressiven Episode
- Therapieplanung: Anstreben einer Monotherapie, außer bei [2]
- Wahnhaften Symptomen [3]
- Starke Suizidalität/Agitiertheit
- Non-Response (siehe: Medikamentöse Optionen bei unzureichender Response auf ein Antidepressivum)
- Bewertung der Wirksamkeit einer antidepressiven Behandlung: Mittels Beurteilungsskalen (bspw. HAMD, MADRS)
Wirkstoffgruppen zur Behandlung depressiver Episoden [1][12]
- SSRI (z.B. Citalopram)
- SSNRI (z.B. Venlafaxin)
- NaSSA (z.B. Mirtazapin)
- SNDRI (Bupropion)
- Trizyklische Antidepressiva (z.B. Trimipramin)
- MAO-Hemmer (z.B. Moclobemid) [12]
- Melatonin-Analoga (Agomelatin)
- SARI (Trazodon)
- Sonstige
Auswahl der Pharmakotherapie bei Depression [2]
Wirksamkeitsvergleiche der Antidepressiva untereinander haben bislang keine klaren Ergebnisse erbracht. Die Auswahl eines geeigneten Antidepressivums erfolgt daher anhand folgender anwendungsbezogener Kriterien:
- Behandlung in evtl. zurückliegenden depressiven Episoden
- Aktuelle Symptomausprägung
- Nebenwirkungsprofil (siehe auch: Nebenwirkungsprofile gängiger Antidepressiva)
- Toxizität
- Diagnostische Sicherheit hinsichtlich der Polarität [12]
- Komorbiditäten [12]
- Handhabbarkeit
- Alter der Patient:innen [12]
- Erfahrung der Behandelnden
- Präferenz der Patient:innen
- Bei Wunsch nach Minimierung des Risikos möglicher Nebenwirkungen, bspw.
- Gewichtszunahme: U.a. Sertralin geeignet [2]
- Absetzsymptome: U.a. Fluoxetin geeignet [12]
- Sexuelle Nebenwirkungen: SSRI (und SSNRI) eher ungeeignet [1][2][12]
- Siehe auch: Nebenwirkungsprofile gängiger Antidepressiva
- Bei Wunsch nach phytopharmakologischer Behandlung: Johanniskraut [1]
- Bei Wunsch nach Minimierung des Risikos möglicher Nebenwirkungen, bspw.
Beginn einer Behandlung
- Aufklärung über
- Anfängliche Wirklatenz
- Allgemeine Nebenwirkungen von Antidepressiva, insb. auch Antidepressiva - Absetzsymptome [3]
- Beachtung der notwendigen Kontrolluntersuchungen bei Antidepressiva-Gabe [3]
- Beginn mit niedriger Dosierung (für 3 Tage) [2]
- Bei Einsatz von Trizyklika bei älteren Personen: Halbierte Anfangsdosis wählen
- Zügige Dosiserhöhung bis zur Standarddosis
- Monitoring von Wirkungen und Nebenwirkungen (siehe auch: Bewertung der Wirksamkeit einer antidepressiven Behandlung und Antidepressiva - Kontrolluntersuchungen) [3]
- In den ersten 4 Behandlungswochen: Wöchentlich [2] [3]
- Bei partieller Response nach 4 Wochen: Ggf. bis zu weiteren 8 Wochen auf Response warten
- Bei fehlender Response nach 3- bis 4-wöchiger Behandlung in Standarddosierung
- Ab der 5. Behandlungswoche: Alle 2–4 Wochen
- Ab dem 4. Behandlungsmonat: Längere Abstände
- In den ersten 4 Behandlungswochen: Wöchentlich [2] [3]
Eine ausführliche Aufklärung der Patient:innen über allgemeine Nebenwirkungen von Antidepressiva und eine engmaschige Therapiebegleitung zu Beginn der Behandlung kann die Therapieadhärenz verbessern!
Beendigung einer Behandlung [3]
- Risiken und Präventionsmaßnahmen eines Antidepressiva-Absetzsyndroms beachten
- Bei Einnahme von >1 antidepressiven Substanz: Medikamente nacheinander und langsam absetzen
- Während des Ausschleichens: Mögliche Symptome eines Antidepressiva-Absetzsyndroms aktiv erfragen
- Nach Beendigung der Einnahme: Therapeutische Kontakte über mind. 6 Monate weiterführen (bspw. 4-wöchentlich)
Medikamentöse Optionen bei unzureichender Response auf ein Antidepressivum [2][3][12]
Bei unzureichender Response auf eine Pharmakotherapie sollte immer auch die Möglichkeit der Kombination mit einer Psychotherapie in Betracht gezogen werden. Vor einer Medikationsumstellung wegen unzureichender Wirksamkeit sollten folgende potenzielle Ursachen berücksichtigt werden: [8]
- Ist die gestellte Diagnose korrekt?
- Liegt eine komorbide psychiatrische Störung vor, die bislang nicht berücksichtigt wurde?
- Wurde eine somatische Erkrankung übersehen?
- Werden Medikamente mit depressiogenem Potenzial eingenommen?
- Spielen psychosoziale Faktoren eine übergeordnete Rolle?
- Besteht Adhärenz?
- Wurde konsequent über 4–6 Wochen in einer adäquaten Dosis behandelt?
- Ist eine Dosiserhöhung sinnvoll?
- Korrelation von Dosis und Wirkung beachten
- Nicht für SSRI empfohlen
- Nicht für MAO-Hemmer empfohlen, wenn mit Monotherapie in Standarddosis keine Response erzielt wurde
- Liegt der Serumspiegel im therapeutischen Bereich?
- Überprüfung durch therapeutisches Drug Monitoring
- Geeignet insb. für Trizyklika (siehe auch: AGNP - Therapeutisches Drugmonitoring unter Tipps & Links)
- Talspiegelbestimmung im Steady State
- Im Einzelfall sinnvoll: CYP-Genotypisierung
- Überprüfung durch therapeutisches Drug Monitoring
- Siehe auch: Algorithmus zum Vorgehen bei Nicht-Ansprechen einer medikamentösen Therapie unter Tipps & Links
Eine klinische Non-Response sollte gut überprüft werden, bevor eine Medikationsumstellung erfolgt!
Optionen der Medikationsumstellung bei unzureichender Wirksamkeit der Erstbehandlung
Besteht nach Berücksichtigung der oben genannten möglichen Ursachen weiterhin eine unzureichende Response, sollte eine Medikationsumstellung erfolgen. Dabei ist keine der folgenden Optionen klar vor den anderen zu priorisieren. Die Auswahl erfolgt abhängig vom Behandlungsfall (siehe auch: Vergleich gängiger medikamentöser Therapieoptionen bei Non-Response auf ein Antidepressivum) [8]
Augmentation [2][12]
- Allgemein
- Definition: Zusätzliche Gabe einer Substanz, die nicht als Antidepressivum gilt
- Gute Evidenzlage für eine Augmentation mit Lithium oder atypischen Antipsychotika
- Substanzen [3]
- Lithium: Ggf. besseres Ansprechen bei älteren Personen (>65 Jahre)
- Wirksamkeitsbeurteilung nach 2–4 Wochen im Zielspiegelbereich (0,4–0,8 mmol/L)
- Bei Wirksamkeit: Weiterführen der Augmentation mit Lithium für mind. 6 Monate
- Bei fehlender Wirksamkeit: Absetzen von Lithium und Umstieg auf andere Option
- Für weiterführende Informationen siehe: Therapieempfehlungen für Lithium
- Wirksamkeitsbeurteilung nach 2–4 Wochen im Zielspiegelbereich (0,4–0,8 mmol/L)
- Atypische Antipsychotika: Aufgrund der Nebenwirkungen von Antipsychotika nur bei klarer Indikation und möglichst zeitlich begrenzt einsetzen
- Niedrige Dosierungen ausreichend (im Vergleich zu Schizophreniebehandlung) [3]
- Beste Datenlage für: Quetiapin (retardierte Form) , Aripiprazol (off-label)
- Leitlinienempfehlung auch für: Olanzapin (off-label) , Risperidon (off-label)
- Schilddrüsenhormone: Aufgrund schlechter Evidenzlage keine Leitlinienempfehlung für Routineeinsatz bei Therapieresistenz [3]
- Off-Label Use
- Bessere Verträglichkeit als Lithium
- T3 (zusätzlich zu SSRI oder Trizyklika)
- Wenig evaluiert: T4 (L-Thyroxin)
- Lithium: Ggf. besseres Ansprechen bei älteren Personen (>65 Jahre)
Für eine Augmentation mit Lithium und atypischen Antipsychotika (Quetiapin, Aripiprazol, Olanzapin, Risperidon) liegt eine gute Evidenz vor!
Wechsel des Antidepressivums (Switching) [2][12]
- Allgemein
- Meistgewählte Strategie bei Nicht-Ansprechen, jedoch nicht Option der 1. Wahl [3]
- Mögliche Wechsel
- Meist direkter Wechsel in andere Substanzgruppe empfohlen
- Auch möglich: Wechsel innerhalb der Substanzgruppe [12]
- Bei therapieresistenter Depression: Wechsel auf Tranylcypromin erwägen [2]
- Vorgehen
- Wechselwirkungen beachten: Langsam Aus- und Einschleichen
- Ausnahme: Schnell Absetzen, wenn Substanz aufgrund bedrohlicher oder sehr unangenehmer Nebenwirkungen gewechselt wird [3]
- Karenzzeiten beachten [1]
- Bei Wechsel von MAO-Hemmer auf anderes Antidepressivum
- Moclobemid: Mind. 24 h
- Tranylcypromin: Mind. 2 Wochen
- Bei Wechsel auf Moclobemid/Tranylcypromin: Mind. 5-fache HWZ der abgesetzten Substanz
- Siehe auch: Pharmakokinetik gängiger Antidepressiva
- Bei Wechsel von MAO-Hemmer auf anderes Antidepressivum
- Wechselwirkungen beachten: Langsam Aus- und Einschleichen
Switching ist aufgrund unzureichender Evidenz nicht die Option der 1. Wahl bei Nicht-Ansprechen!
Bei einem Wechsel der antidepressiven Medikation von oder auf MAO-Hemmer muss die notwendige Karenzzeit beachtet werden!
Kombination von Antidepressiva [2][3][12]
- Allgemein
- Keine Empfehlung für Kombination von >2 Antidepressiva
- Interaktionen und Gefahr eines serotonergen Syndroms müssen beachtet werden
- Keine Kombination von MAO-Hemmern mit serotonergen Substanzen
- Kombination von SSRI und Trizyklika: Mögliche Toxizitätssteigerung des Trizyklikums
- Vorgehen [3]
- Kombination unterschiedlicher Substanzklassen sinnvoll
- Leitlinienempfehlung: SSRI, SSNRI oder Trizyklikum + Mirtazapin, Trazodon oder Mianserin [12]
- Positive Studienergebnisse auch für SSRI + Bupropion
Als Kombinationspartner werden insb. Mirtazapin und Trazodon empfohlen!
Wegen der Gefahr eines serotonergen Syndroms ist die Kombination von MAO-Hemmern mit serotonergen Medikamenten (also nahezu allen Antidepressiva) kontraindiziert!
Vergleich der Therapieoptionen bei unzureichender Wirksamkeit der Erstbehandlung
Vergleich gängiger medikamentöser Therapieoptionen bei Non-Response auf ein Antidepressivum [2] | |||
---|---|---|---|
Augmentation | Wechsel des Antidepressivums | Kombination von Antidepressiva | |
Vorteile |
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Nachteile |
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(Es‑)Ketamin [3][12]
Für (Es‑)Ketamin wurden in Studien antidepressive Wirkeffekte gezeigt.
- Genauer Wirkmechanismus noch nicht geklärt
- Intranasale Gabe: Esketamin-Nasenspray seit März 2021 in Deutschland verfügbar [21]
- Bei therapieresistenter Depression (mittelgradige bis schwere Episode)
- Im (teil‑)stationären Rahmen
- Additiv zu Antidepressivum
- Bei therapieresistenter Depression (mittelgradige bis schwere Episode)
- Intravenöse Gabe: Nur im stationären Rahmen (Off-Label Use)
Nicht-medikamentöse Therapie
Psychotherapeutische Verfahren [1][2]
- Allgemein
- Einsatz unterschiedlicher Verfahren möglich
- Beste Datenlage für kognitive Verhaltenstherapie und interpersonelle Psychotherapie
- Alleiniger oder kombinierter Einsatz mit Pharmakotherapie möglich
- Im Vergleich zu Pharmakotherapie
- Längere Wirklatenz
- Hinweise auf länger anhaltenden Therapieeffekt, niedrigere Rückfallrate, bessere Adhärenz
- Störungsspezifische bzw. gängige Verfahren
- Auswahl des Verfahrens [3]
- Vorschlag durch Behandler:innen, die in mind. 1 Richtlinienverfahren ausgebildet sind
- Entscheidung gemeinsam mit Patient:in
- Indikationshinweise können bei Verfahrenswahl helfen (siehe: Vergleich gängiger Psychotherapieverfahren bei Depression)
- Vorgehen [3]
- Vor Behandlungsbeginn: Über mögliche negative Therapieeffekte von Psychotherapie aufklären
- Bei Non-Response nach ca. 8–12 Wochen: Mögliche Gründe gemeinsam evaluieren und ggf. Anpassungen vornehmen, bspw.
- Sitzungsfrequenz erhöhen
- Verfahren wechseln
- Behandler:in wechseln
- Medikamente mit depressiogenem Potenzial absetzen
- Mit Antidepressivum kombinieren (wenn Therapieintensivierung nicht ausreichend ist)
- Länge einer Therapie richtet sich nach individuellem Bedarf
- Therapieende gut vorbereiten (inhaltlich und zeitlich)
Eine Behandlung mit Psychotherapie geht, im Vergleich zu Pharmakotherapie, mit einer längeren Wirklatenz einher, scheint aber vorteilhaft zu sein im Hinblick auf Rückfallrate, Compliance und Nachhaltigkeit der Therapie!
Vergleich gängiger Psychotherapieverfahren bei Depression | |||||
---|---|---|---|---|---|
Kognitive Verhaltenstherapie | Psychodynamische Psychotherapie | Interpersonelle Psychotherapie (IPT) | CBASP | MBCT | |
Indikationshinweise |
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Typische Therapieelemente |
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Nicht-medikamentöse somatische Therapieverfahren bei Depression [2][3]
Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
- Indikation siehe: EKT bei Depression
- Wirksamkeit bei Depression [5]
- Bei bislang unbehandelten Personen: 80–90%
- Bei therapieresistenter Depression: 50–75%
- Größte Response 2–4 Wochen nach Behandlung
- Für Details siehe: Elektrokonvulsionstherapie
Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) [3][5][8]
- Indikation
- Therapieresistente Depression
- Nicht-Ansprechen auf Monotherapie mit Antidepressivum
- Wirksamkeit bei therapieresistenter Depression
- Geringer als EKT
- Möglicherweise besser bei jüngeren Personen
- Vorgehen bei Depressionsbehandlung: Diverse Stimulationsprotokolle vorhanden, bspw.
- Hochfrequente (aktivierende) Stimulation (10–20 Hz) des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC)
- Behandlung 5× pro Woche, über 2–6 Wochen
- Dauer pro Behandlung: Ca. 10–40 min
- Hochfrequente (aktivierende) Stimulation (10–20 Hz) des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC)
Schlafentzugstherapie (Wachtherapie) [1][3][5]
- Behandlungsoption für alle Formen einer depressiven Episode, u.a.
- Zur Überbrückung der Wirklatenz von Antidepressiva
- Als Add-on zur Therapieunterstützung
- Zur Förderung von Selbstwirksamkeit
- Merkmale
- Rascher Wirkungseintritt
- Positive Effekte in ca. 60% der Fälle
- Möglicher Wirkungsverlust durch Schlafphasen während der eigentlichen Wachzeit
- Antidepressiver Effekt i.d.R. nicht anhaltend
- Vorgehen
- Partieller Schlafentzug
- Wachphase: 2. Nachthälfte (ab 1 Uhr) und folgender Tag
- I.d.R. 1–2× pro Woche
- Vollständiger Schlafentzug
- Wachphase: 1 Nacht und folgender Tag (ca. 40 h)
- Wirksamkeit besser, aber sehr anstrengend
- Schlafphasenvorverlagerung
- Am Folgetag des Schlafentzugs wird die Schlafenszeit nach vorne verschoben (17-0 Uhr)
- In der folgenden Tagen wird die Schlafenszeit täglich je um 1 h nach hinten verschoben
- Nach 1 Woche liegt wieder regulärer Schlafrhythmus vor
- Beispiel für partiellen Schlafentzug plus Schlafphasenvorverlagerung
- Partieller Schlafentzug
- Mögliche Nebenwirkungen
- Verschlechterung wahnhafter Symptomatik
- Auftreten (hypo‑)manischer Symptome
- Auftreten epileptischer Anfälle
- Kopfschmerzen
- Gastrointestinale Störungen
- Müdigkeit
- Kontraindikationen
- Bekannte Epilepsie
- Schizophrenie
- Akute Suizidalität
- Depressive Episode mit psychotischen Symptomen
- (Bipolare Störung) [22]
Lichttherapie [1][2][3]
- Indikation: Insb. saisonale Depression
- Kombination zu Pharmakotherapie möglich
- Response-Rate: Ca. 60–90%
- Spürbare Besserung i.d.R. innerhalb 1 Woche [12]
- Vollständige Response i.d.R. innerhalb 2–3 Wochen
- Lichtquelle
- Weißes Licht ohne UV-Anteil
- 10.000 Lux
- Vorgehen
- Entfernung zur Lichtquelle: Ca. 50–80 cm
- Augen geöffnet
- Zeitpunkt: Möglichst bald nach dem Aufwachen
- Tägliche Behandlungsdauer ca. 30–120 min
- Gesamtbehandlungsdauer bei Therapieansprechen: Mehrere Wochen
- Mögliche Nebenwirkungen, u.a.
- Kopfschmerzen
- Sehstörungen
- Übelkeit
Weitere mögliche Therapiemaßnahmen [2][3]
- Sport
- Leitlinienempfehlung
- Strukturierte und supervidierte Trainings
- Wenn möglich: Im Gruppensetting
- Evidenz bzgl. optimaler Dauer und Intensität noch unzureichend
- Insb. bei komorbider Angststörung erwägen
- Leitlinienempfehlung
- Entspannungsverfahren
- Ergotherapie
- Soziotherapie
- Häusliche psychiatrische Krankenpflege
Prognose
Krankheitsverlauf [1][5]
- Meist polyphasisch: Rezidivierende depressive Störung
- In ca. 70–80% der Fälle [3]
- Bei bis zu 20% der Fälle: Übergang in bipolare Störung
- Mittlere Dauer einer depressiven Episode
- Ohne Behandlung: 6–8 Monate
- Mit Behandlung: Ca. 4 Monate
Komplikationen
- Suizidalität
- Suizidgedanken im Rahmen einer depressiven Episode: In bis zu 70% der Fälle
- Mittlere Suizidmortalität: Ca. 2%
- Suizidrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung: Ca. 30-mal höher
- Gefahr dauerhafter Schäden nach Suizidversuch
- Unzureichende Remission nach Erkrankungsepisode, u.a. eher bei [3]
- Vielen zurückliegenden Krankheitsepisoden
- Langer Episodendauer
- Komorbiditäten (körperlich oder psychisch)
- Früher Erstmanifestation
- Geringer sozialer Unterstützung
Wirkeffekte der therapeutischen Optionen [8][23]
Wird eine depressive Episode behandelt, beträgt die durchschnittliche Episodendauer ca. 4 Monate. [3]
- Placeboeffekte
- In ca. 30% der Fälle: Symptombesserung durch Placebo-Therapie
- Bei schweren depressiven Episoden allerdings kaum Placebo-Wirkung
- Pharmakotherapie [12]
- Oft Therapieumstellung nötig
- Bei ca. 60%: Keine Remission nach 8 Wochen Therapie mit erstgewähltem Antidepressivum
- Bei ca. 30%: Auch keine Remission nach zweitem Therapieversuch (sog. therapieresistente Depression)
- Bei ca. 15%: Chronischer Verlauf trotz diverser Therapieversuche
- Negative Prädiktoren
- Unstrukturierte Behandlungsplanung
- Hohe Anzahl zurückliegender depressiver Episoden
- Wahnhafte Symptome
- Oft Therapieumstellung nötig
- Psychotherapie: Beeinträchtigte Wirksamkeitsbeurteilung durch mangelnde Verfügbarkeit von Psychotherapie
Eine 8-wöchige Therapie mit dem initial gewählten Antidepressivum führt in der Mehrheit der Fälle nicht zur Remission! [12]
Das Befolgen festgelegter Therapiealgorithmen kann das Behandlungsergebnis positiv beeinflussen! [2]
Hausärztliche Versorgung
Allgemeine Aspekte [26]
- Sehr häufige Erkrankung [24]
- Erstkontakt meistens über eine Hausarztpraxis
- Großteil der Betroffenen wird hausärztlich diagnostiziert und therapiert [27]
Depressionen werden sehr häufig in Hausarztpraxen erstdiagnostiziert und behandelt!
Diagnosestellung
Screening auf Depression
- Keine Routinemaßnahme, mögliche Indikationen
- Hinweise im Verhalten
- Vorhandene typische Komorbiditäten
- Unspezifische körperliche Beschwerden
- Chronische Erkrankungen
- Durchführung
- Testpsychologische Verfahren: Bspw. 2-Fragen-Test, WHO-5-Fragebogen oder PHQ-9
- Bei positivem Screening: Weitere diagnostische Abklärung
- Suizidalität: Gezielt erfragen (für Details siehe: Suizidanamnese) und dokumentieren
- Falls nötig Krankenhauseinweisung, ggf. auch gegen den Willen der Betroffenen (für Details zum Vorgehen siehe: Betreuung und Zwangsmaßnahmen)
Personen mit einer möglichen Depression klagen häufig primär über unspezifische körperliche Beschwerden!
Suizidalität sollte offen und wertneutral erfragt werden. Dies kann zu einer merklichen Entlastung der Betroffenen führen!
Diagnosesicherung
- Klinische Diagnose
- Gezielte Exploration mit Erfassen der diagnostischen Kriterien einer depressiven Episode nach ICD-10
- Ggf. fokussierte psychopathologische Befunderhebung
- Ausschluss somatischer Ursachen (Red Flags für eine organische depressive Störung)
- Zeitnahen Folgetermin vereinbaren
- Für Details siehe auch: Diagnostik bei Depression
Indikationen für eine stationäre Behandlung
- Akute Suizidalität
- Depressiver Stupor
- Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen
- Ausgeprägte Symptomatik mit Eigengefährdung
Kriterien für eine psychiatrische Überweisung
- Schwere depressive Episoden
- Rezidivierende Depression
- Ausbleibende Besserung
- Diagnostische Unsicherheit
- Längerfristige Arbeitsunfähigkeit
Arbeitsunfähigkeit [3]
- Gut prüfen!
- AU-Ausstellung immer zusammen mit therapeutischer Intervention
- Individuelle Entscheidung unter Besprechung der Vor- und Nachteile
Eine Krankschreibung kann zur Chronifizierung und Symptomverschlechterung beitragen!
Therapieeinleitung
- Niedrigschwellige Interventionen
- Psychotherapie
- Bei mittelgradigen und schweren Episoden anbieten
- Internetbasierte Verfahren: Bspw. DiGAs
- Als Ergänzung immer möglich
- Bei leichten Episoden ggf. auch als alleinige Intervention
- Zur Überbrückung von Wartezeiten nach Überweisung
- Pharmakotherapie
- Bei mittelgradiger Episode anbieten, bei schwerer Episode immer indiziert
- Auswahl der Substanzen v.a. nach Nebenwirkungsprofil und Begleitsymptomatik (für Details siehe: Nebenwirkungsprofile gängiger Antidepressiva)
- Für Details siehe: Auswahl der Pharmakotherapie bei Depression
- Beispiele für Initialtherapie
Weiteres Vorgehen
- Proaktive Terminvergabe für Kontrollen
- Regelmäßige Evaluation der Symptomatik, bspw. über Selbstbeurteilungsskalen
- Bei Pharmakotherapie: Überwachung hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen (für Details siehe: Antidepressiva - Kontrolluntersuchungen)
- Auf häufige Begleiterkrankungen achten
- Psychisch: Bspw. Angsterkrankungen, Suchterkrankungen
- Somatisch: Bspw. kardiovaskuläre Folgeerkrankungen
Besondere Patientengruppen
Kinder und Jugendliche
-
Klinische Ähnlichkeit zu ADHS möglich
- Unruhe, Aggressionen
-
Kognitive Beeinträchtigungen
- Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen
- Verlust von Motivation, Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit
- Einzige evidenzbasierte Pharmakotherapie: Fluoxetin
- Bei Patient:innen ≥8 Jahre
- Bei mittelgradiger bis schwerer depressiver Episode
- Bei fehlendem Ansprechen auf eine psychologische Behandlung nach 4–6 Sitzungen
- Nur in Kombination mit gleichzeitiger psychologischer Behandlung
Ältere Personen (>65 Jahre) [8]
- Häufige Symptome einer Depression im Alter
- Kognitive Defizite, bspw. Aufmerksamkeitsstörung
- Körperliche Beschwerden, bspw. Schmerzen
- CAVE: Hohes Risiko für Suizidalität
- Insb. bei alleinstehenden Männern mit einschränkenden Komorbiditäten
- Siehe auch: Hauptrisikofaktoren für Suizidalität
- Siehe auch: Antidepressiva - Besondere Patientengruppen
Schwangere und Wöchnerinnen
Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 87-2023-1/3: AI-guided treatment of depression: a byte-sized breakthrough?
- One-Minute Telegram 81-2023-1/3: Swift lift for postpartum depression
- One-Minute Telegram 78-2023-1/3: USPSTF recommends screening adults for major depressive disorder and anxiety disorders
- One-Minute Telegram 73-2023-2/3: Providing a boost for treatment-resistant depression
- One-Minute Telegram 62-2022-2/3: ECT more effective than ketamine in major depressive episode
- One-Minute Telegram 7-2020-3/3: Can Vitamin D3 supplementation prevent depression?
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Patienteninformationen
Für die Patientenblätter der Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression siehe: Tipps & Links
AMBOSS-Podcast zum Thema
Depression und Antidepressiva: fragliche Ursache, fragliche Wirkung (Januar 2024)
CME-Kurs: Unipolare Depression (März 2023)
Diabetes und Depression - Eine vernachlässigte Komorbidität (November 2021)
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Meditricks
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Depression
Depression – Teil 1
Depression – Teil 2
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
F32.-: Depressive Episode
- Inklusive: Einzelne Episoden von: depressiver Reaktion, psychogener Depression, reaktiver Depression (F32.0, F32.1, F32.2)
- Exklusive: Anpassungsstörungen (F43.2), depressive Episode in Verbindung mit Störungen des Sozialverhaltens (F91.-, F92.0), rezidivierende depressive Störung (F33.‑)
- F32.0: Leichte depressive Episode
- F32.1: Mittelgradige depressive Episode
- F32.2: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome
- Einzelne Episode einer agitierten Depression
- Einzelne Episode einer majoren Depression [major depression] ohne psychotische Symptome
- Einzelne Episode einer vitalen Depression ohne psychotische Symptome
- F32.3: Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen
- Einzelne Episoden:
- majore Depression [major depression] mit psychotischen Symptomen
- psychogene depressive Psychose
- psychotische Depression
- reaktive depressive Psychose
- Einzelne Episoden:
- F32.8: Sonstige depressive Episoden
- Atypische Depression
- Einzelne Episoden der „larvierten“ Depression o.n.A.
- F32.9: Depressive Episode, nicht näher bezeichnet
- Depression o.n.A.
- Depressive Störung o.n.A.
F33.-: Rezidivierende depressive Störung
- Inklusive: Rezidivierende Episoden (F33.0 oder F33.1): depressive Reaktion, psychogene Depression, reaktive Depression, Saisonale depressive Störung
- Exklusive: Rezidivierende kurze depressive Episoden (F38.1)
- F33.0: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode
- F33.1: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
- F33.2: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome
- Endogene Depression ohne psychotische Symptome
- Manisch-depressive Psychose, depressive Form, ohne psychotische Symptome
- Rezidivierende majore Depression [major depression], ohne psychotische Symptome
- Rezidivierende vitale Depression, ohne psychotische Symptome
- F33.3: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen
- Endogene Depression mit psychotischen Symptomen
- Manisch-depressive Psychose, depressive Form, mit psychotischen Symptomen
- Rezidivierende schwere Episoden:
- majore Depression [major depression] mit psychotischen Symptomen
- psychogene depressive Psychose
- psychotische Depression
- reaktive depressive Psychose
- F33.4: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert
- F33.8: Sonstige rezidivierende depressive Störungen
- F33.9: Rezidivierende depressive Störung, nicht näher bezeichnet
- Monopolare Depression o.n.A.
F34.-: Anhaltende affektive Störungen
- F34.0: Zyklothymia
- Affektive Persönlichkeit(sstörung)
- Zykloide Persönlichkeit
- Zyklothyme Persönlichkeit
- F34.1: Dysthymia
- Anhaltende ängstliche Depression
- Depressiv: Neurose, Persönlichkeit(sstörung)
- Neurotische Depression
- Exklusive: Ängstliche Depression (leicht, aber nicht anhaltend) (F41.2)
- F34.8: Sonstige anhaltende affektive Störungen
- F34.9: Anhaltende affektive Störung, nicht näher bezeichnet
F53.-: Psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
- F53.0: Leichte psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
- Depression: postnatal o.n.A., postpartal o.n.A.
- F53.1: Schwere psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
- Puerperalpsychose o.n.A.
- F53.8: Sonstige psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
- F53.9: Psychische Störung im Wochenbett, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.