Ziele
Ziel dieser AMBOSS-SOP ist es, alle notwendigen Informationen zur praktischen Durchführung einer Erythrozytentransfusion zu geben. Für allgemeinere Hintergrundinformationen siehe Transfusionen.
Indikation
Grundsätzlich sollte aufgrund der Möglichkeit von Transfusionsreaktionen und -komplikationen eine kritische Indikationsstellung zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten erfolgen. Für genaue Informationen siehe: Indikationsstellung zur EK-Transfusion
Vorbereitung
Aufklärung und Einwilligung zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
- Gemäß den allgemeinen Grundsätzen, siehe: Aufklärungspflicht
- Im lebensbedrohlichen Notfall: Ggf. Verzicht auf Aufklärung unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens
Not kennt kein Gebot! Ist eine Transfusion lebensrettend erforderlich, tritt die Aufklärungspflicht in den Hintergrund!
Anforderung des EK
- Verschreibung und Anforderung: Per Anforderungsschein (mit Patientenetikett) oder über digitales Anforderungssystem
- Für Details siehe: Anforderung von Transfusionspräparaten
- Identitätssicherung und Blutentnahme: Grundsätzlich alle Blutröhrchen vor Abnahme mit Patientenetikett versehen und Identität des Patienten feststellen
- Abnahme von insg. 3 Monovetten und Einsendung in das Labor
- Untersuchungsumfang
- Bestimmung der Blutgruppen im AB0-System und im Rhesus-System
- Serologische Verträglichkeitsprobe inkl. Antikörpersuchtest: Zur Feststellung transfusionsrelevanter Antikörper im Empfängerblut
- Ggf. Bestimmung weiterer Blutgruppenmerkmale bzw. weitere immunhämatologische Diagnostik in Fällen mit komplizierter Transfusionsanamnese
- Abholung der EKs: Zu transfundierende EKs werden mit einer Kopie des Anforderungsscheins abgeholt, die patientenbezogene Herausgabe der EKs wird hierbei erfasst und mit einem Begleitschein dokumentiert
Prüfung des EK vor Transfusion
- Prüfung der serologischen Verträglichkeitsprobe: Siehe auch EK-Kompatibilität
- Datenabgleich
- Chargennummer des EK mit der dokumentierten Chargennummer auf dem Begleitschein
- Patientenangaben (Name, Vorname, Geburtsdatum) auf EK mit den Daten auf dem Begleitschein
- Blutgruppe (AB0-Gruppe und Rhesusfaktor D) auf dem EK-Etikett und Blutgruppe des Patienten nach aktueller Bestimmung
- Verfallsdatum und Gültigkeit
- Verfallsdatum des EK auf dem Etikett prüfen
- Gültigkeit der Kreuzprobe auf dem Begleitschein prüfen
- Visuelle Prüfung: Äußere Beschädigung, Gerinnselbildungen, Verfärbungen, Hämolysezeichen und sonstige Auffälligkeiten
Umgang mit dem EK vor Transfusion
- Kein Aufwärmen: I.d.R. ist ein Aufwärmen des EK weder notwendig noch sinnvoll
- Ausnahmen: Ein Aufwärmen des EK durch hierfür geeignete Apparaturen ist sinnvoll und erforderlich bei
- Massivtransfusionen (Transfusion von mehr als 50 mL/min)
- Unterkühlten Patienten
- Chronischer Kälteagglutininkrankheit und hochtitrigen Kälteantikörpern
- Vorliegender Gefahr eines Vasospasmus durch Kältereiz
- Transfusionen und Austauschtransfusionen bei Neugeborenen
- Ausnahmen: Ein Aufwärmen des EK durch hierfür geeignete Apparaturen ist sinnvoll und erforderlich bei
Vorbereitung des EK für die Transfusion
Vor dem Vorbereiten des EK für die Transfusion sollte letztmalig sichergestellt werden, dass die Aufklärung des Patienten erfolgt und die Einwilligung dokumentiert ist!
Spezielle Materialien
- Normiertes Transfusionsbesteck mit Standardfilter mit einer Porengröße von 170–230 μm
- Erythrozytenkonzentrat
- Bedside-Test-Karte
- Kanüle und kleine Spritze zur Entnahme von etwa 3–5 mL Blut für den Bedside-Test
„Anstich“ des EK mit dem Transfusionsbesteck
- Sauberes Arbeiten: Händedesinfektion und Anziehen von Handschuhen
- EK anstechen: Vollständiges Einführen des Dorns des Transfusionsbestecks in den Transfusionsstutzen der Blutkonserve unter Vermeidung einer Kontamination
- Keine Kraftspiele: Geduldige, leicht drehende Bewegungen beim Einführen des Dorns helfen, eine grobe Kraftanwendung ist i.d.R. zwecklos und frustrierend!
- Befüllen von Tropfkammer und Schlauchsystem
- Filterniveau der Tropfkammer beachten: Die Tropfkammer sollte ein Stück weit über dem Niveau des Filters befüllt sein, ein direktes mechanisches Auftropfen der Erythrozyten aus dem EK auf den Filter ist zu vermeiden
- Schlauchsystem luftfrei befüllen: Luftfreies Befüllen des Schlauchsystems bis zum Auslaufen eines Tropfens aus dem EK auf einen zurechtgelegten Wattetupfer, auf Luftbläschenbildung achten
Das EK ist nach dem „Anstich“ mit dem Transfusionsbesteck innerhalb von 6 h zu transfundieren!
Ablauf/Durchführung
Vorbereitung des Patienten
- Venöser Zugang: Vorgehen der Wahl ist ein periphervenöser Zugang, es sollten außer kristalloider Infusionslösung zur Spülung keine weiteren Medikamente über den Zugang verabreicht werden
- Transfusion über ZVK: Nur als Notlösung, separaten ZVK-Schenkel verwenden, vor und nach der EK-Transfusion großzügig mit isotonischer Kochsalzlösung spülen
- Patientenlagerung: Sitzend oder liegend mit möglichst horizontaler und bequemer Lagerung des für die Transfusion verwendeten Arms
Identitätsprüfung und Bedside-Test
- Identitätsprüfung
- Beim ansprechbaren Patienten: Frage nach Stammdaten wie Vornamen, Geburtsdatum, Schreibweise des Familiennamens
- Beim nicht ansprechbaren Patienten: Identifizierung ggf. anhand eines Patientenarmbandes, Befragung der zuständigen Pflegekraft und Bitte um Bestätigung der Identität – jeglicher Zweifel ist zu beseitigen!
- Bedside-Test: Mit einigen mL Blut des Patienten, ggf. Abnahme auch bei Anlage des venösen Zugangs
Transfusion des EK
- Starten der Transfusion
- Anbringen des EK am Infusionsständer
- Anschließen an den venösen Zugang
- Aufdrehen der Infusion
- Geschwindigkeit der Transfusion: Angepasst an den klinischen Zustand des Patienten
- Richtwert: 1 EK in ca. 30–60 min transfundieren
- Bei hämorrhagischem Schock: So schnell wie möglich, ggf. unter Verwendung von Druckbeuteln um den EK-Beutel
- Risikogruppen für eine Volumenüberladung: Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und oder oligurisch/anurischem Nierenversagen langsamer transfundieren, ggf. in einen Bilanzierungsplan einbeziehen
- Massentransfusionen: Weisen spezielle Anforderungen an das Transfusionsmanagement auf, Prinzipien bei schwerst blutenden Patienten sind [1]
- Blutabnahme zur serologischen Verträglichkeitsprobe vor der Notfalltransfusion
- Notfalltransfusion von Bündeln aus 4 EKs der Blutgruppe 0 Rh(‑) und 4 Plasmakonzentraten der Blutgruppe AB
- Initial und im Verlauf bedarfsgerechte Substitution mit Faktorenkonzentraten (Fibrinogen, PPSB), ggf. Thrombozytenkonzentrate und Tranexamsäure
- Hypokalzämie bei Citratintoxikation beachten, ggf. Therapie einer Hypokalzämie einleiten
- Aufwärmen der EK vor Transfusion in geeigneten Apparaturen
- Übergang und Fortführung der Transfusionstherapie zu blutgruppenkompatiblen Konzentraten sobald wie möglich
- Siehe auch Transfusion bei hämorrhagischem Schock, Übersicht Blutprodukte bei hämorrhagischem Schock
- Zum Vorgehen bei Massentransfusion siehe: Massivtransfusion - AMBOSS-SOP
- Überwachung des Patienten: Im Transfusionszeitraum, insb. während der ersten 10 min der Transfusion bzgl. des Auftretens von Akutreaktionen
- Siehe auch: Akute Transfusionszwischenfälle
Nachsorge
- Transfusionsbeutel mit Restblut steril verschließen (bspw. durch Abklemmen) und für 24 h bei 4 ± 2 °C aufbewahren
- Einmal eröffnete EKs müssen innerhalb von 6 h verwendet werden
- Überwachung des Patienten für mindestens 30 min nach erfolgter Transfusion
- Ambulante Bluttransfusionen
- Vor Entlassung: Untersuchen und Befragen des Patienten nach unerwünschten Transfusionsreaktionen sowie Aufklärung über mögliche Reaktionen und Mitgabe einer Kontaktadresse für den Notfall (Name und Telefonnummer)
- Dokumentationspflicht nach § 14 des Transfusionsgesetzes
- Inkl. Angaben zur (Un‑)Verträglichkeit der abgeschlossenen Transfusion