Allgemeines
Es wird zwischen akuten Transfusionszwischenfällen, die während oder innerhalb von 6 h nach der Transfusion auftreten, und verzögerten Transfusionszwischenfällen unterschieden.
Allgemein erforderliche Maßnahmen bei Transfusionszwischenfällen
- Klinische Maßnahmen
- Je nach Schwere und Art der Symptome Abbrechen der Transfusion
- Verwendeten venösen Zugang für eventuell erforderliche i.v. Applikationen belassen und durch eine Dauertropfinfusion offenhalten
- Vorrangig Ausschluss einer intravasalen Hämolyse
- Rotfärbung von Urin und/oder Plasma?
- Bestimmung des freien Hämoglobins, alternativ ist auch die Bestimmung des Haptoglobins und der LDH möglich
- Abnahme von Blutkulturen zur Differenzialdiagnose einer bakteriellen Kontamination
- Möglichst keine weitere Gabe von Blutkonserven bis zur Klärung
- Kontinuierliche Überwachung des Patienten bis zum Nachlassen der Symptome
- Dokumentationspflichten
- Für weitere erforderliche Untersuchungen: Einsenden der aufbewahrten Blutkonserve und einer EDTA-Blutprobe des Patienten mit schriftlichen Unterlagen zur Transfusion ins Labor
- Information des Transfusionsbeauftragten bzw. -verantwortlichen der jeweiligen Einrichtung
- Aufbewahrung der Unterlagen über den Zwischenfall für 15 Jahre
- Meldepflicht
- Für alle schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen von Blutprodukten
- Meldung an:
- Blutspendedienst
- Paul-Ehrlich-Institut
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bzw. Bundesärztekammer
Übersicht der Häufigkeiten
Akuter Transfusionszwischenfall | Häufigkeit [1] |
---|---|
Allergische Transfusionsreaktion |
|
Febrile, nicht-hämolytische Transfusionsreaktion |
|
Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp |
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Verzögerter Transfusionszwischenfall | Häufigkeit |
Hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ |
|
Akute Transfusionszwischenfälle
Definition: Transfusionszwischenfälle, die während oder innerhalb von 6 h nach der Transfusion auftreten
Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp
- Ursache
- Vorliegen von Alloantikörpern im Empfängerserum gegen Antigene auf transfundierten Erythrozyten
-
Transfusion hämolytischer Erythrozytenkonzentrate
- Hämolysen in Erythrozytenkonzentraten können auftreten bei
- Unsachgemäßer Lagerung mit Gefrieren des Konzentrats
- Unsachgemäßer Erwärmung
- Nicht zulässiger Beimischung von Medikamenten und hyper- oder hypotonen Lösungen
- Hämolysen in Erythrozytenkonzentraten können auftreten bei
- Klinik: Sehr variabel mit folgenden möglichen Symptomen
- Schocksymptomatik mit Hyperthermie, Tachykardie, Hypotonie, Schweißausbruch, Schüttelfrost, Unruhe, Übelkeit/Erbrechen, Dyspnoe
- Rücken-, Flanken- und Brustschmerzen, Schmerzen an Infusionsstelle
- Hautrötung
- Blutungen infolge disseminierter intravasaler Gerinnung, Hämoglobinurie, Nierenversagen
- Diagnostisches Vorgehen
- Identitätsprüfung des Patienten und Zuordnung der Blutkonserve
- Wiederholung des Bedside-Tests
- Labordiagnostik
- Untersuchung des Patientenplasmas auf Rotfärbung
- Bestimmung des freien Hämoglobins in Plasma und Urin, alternativ ist auch die Bestimmung des Haptoglobins und der LDH möglich (ggf. mit Verlaufskontrolle)
- Nach Sicherung der Hämolyse-Diagnose: Direkter Coombs-Test , serologische Verträglichkeitsprobe, Antikörpersuchtest mit prä- und posttransfusionellem Empfängerblut
- Bei Gerinnungsstörung: Gezielte hämostaseologische Untersuchungen
- Therapeutisches Vorgehen
- Unterbrechen der Transfusion, weitere Gabe wenn möglich erst nach Klärung der Ursache
- Belassen des verwendeten venösen Zugangs
- Sofortige Information des zuständigen Labors
- Sicherstellen der Nierenfunktion: Volumengabe, bei Nierenversagen ggf. frühzeitige Hämodialyse oder Hämofiltration
- Überwachen der Gerinnung
- Allgemeine Schockbehandlung
Febrile, nicht-hämolytische Transfusionsreaktion
- Ursache: Freisetzung von Zellinhalten aus Leukozyten während Herstellung, Lagerung oder Transfusion
- Klinik
- Hyperthermie mit einem Anstieg der Körpertemperatur um >1 °C, Schüttelfrost, Kältegefühl
- Gelegentlich Hypotension und Hautrötungen
- Diagnostisches Vorgehen
- Ausschließen einer intravasalen Hämolyse und einer bakteriellen Kontamination der Blutkomponente
- Bei langfristigem Transfusionsbedarf von Thrombozyten: Typisierung von HLA-Antikörpern und Gabe HLA-kompatibler Präparate
- Therapeutisches Vorgehen
- Bei wiederholten febrilen, nicht-hämolytischen Transfusionsreaktionen: Vorbehandlung mit antipyretischen Substanzen
- Bei wiederholten febrilen, nicht-hämolytischen Reaktionen und Nachweis auf Basis von Eiweißunverträglichkeiten: Gabe gewaschener EKs
- Siehe auch: Erythrozytenkonzentrat
Allergische Transfusionsreaktion
- Ursache: Antikörper im Empfängerserum gegen Plasmaproteine des Spenders
- Klinik
- Diagnostisches Vorgehen
- Ausschließen einer intravasalen Hämolyse und einer bakteriellen Kontamination der Blutkomponente
- Bei schwerer allergischer Reaktion: Ausschluss eines angeborenen IgA-Mangels
- Schwieriger diagnostischer Nachweis
- Therapeutisches Vorgehen
- Unterbrechen der Transfusion
- Belassen des verwendeten venösen Zugangs
- Behandlung der allergischen Reaktion → Siehe: Behandlungsschema bei Typ-I-Allergie
- Bei Nachweis eines IgA-Mangels: Häufig Vorliegen von Anti-IgA-Antikörpern, daher Transfusion gewaschener EKs bzw. IgA-defizienter Plasmakonzentrate
- Prophylaktische Maßnahmen
- Bei wiederholter allergischer Transfusionsreaktion: Prämedikation mit H1-Rezeptor-Antagonisten oder Corticoiden erwägen
- Nach schweren allergischen Transfusionsreaktionen bei Patienten mit IgA-Mangel und Ausbildung von Anti-IgA: Transfusion gewaschener EK
Transfusionsreaktion durch bakterielle Kontamination
- Ursache: Durch Mikroorganismen aus Blut oder von der Haut des Spenders infizierte EKs
- Klinik
- Symptome einer Sepsis: Hyperthermie, Schüttelfrost, Hypotonie, Tachykardie, Übelkeit/Erbrechen, Diarrhö
- Diagnostisches Vorgehen
- Ausschluss einer hämolytischen Transfusionsreaktion vom Soforttyp
- Blutausstrich mit Gramfärbung
- Mikrobiologische Kulturen aus Blutkonserve und Blut des Empfängers
- Therapeutische Maßnahmen
- Unterbrechen der Transfusion
- Belassen des verwendeten venösen Zugangs
- Symptomatische Therapie und ggf. Schockbehandlung
- Gezielte Antibiotikatherapie
- Prophylaktische Maßnahmen
- Prüfen des EK auf äußere Beschädigung, Gerinnselbildung, Verfärbungen und sonstige Auffälligkeiten
- Überprüfen des Haltbarkeitsdatums des EK
- Einhalten der Kühlkette
- Blutkonserve erst unmittelbar vor Transfusion zur Einführung des Transfusionsbestecks eröffnen
- Blutkonserven innerhalb von 6 h nach Eröffnen verbrauchen
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) [2][3]
- Ursache
- Auftreten unmittelbar nach Transfusion von Blutprodukten
- Gehäuft bei Fresh frozen Plasma (FFP) oder Thrombozytenkonzentraten (TK)
- Seltener bei Erythrozytenkonzentraten (EK)
- Inzidenz
- Derzeit keine sicheren Zahlen für Deutschland
- Gemeldete Fälle: 1:66.000 (FFP), 1:2,86 Mio. (EK), 1:420.000 (TK)
- Pathophysiologie: Leukozytenreaktive Antikörper → Aktivierung von Leukozyten → Mikrozirkulationsstörung der Lunge → Lungenödem
- Klinik
- Beginn: Während oder bis zu 6 h nach Transfusion
- Schnell zunehmende Dyspnoe
- Gelegentlich Hypotonie und Hyperthermie
- Diagnostisches Vorgehen
- Bestimmen der O2-Sättigung: Unter Raumluft SpO2 <90%
- Blutgasanalyse: Hypoxämische respiratorische Insuffizienz oder hyperkapnische respiratorische Insuffizienz
- Röntgen-Thorax: Neu aufgetretene, beidseitige Lungeninfiltrate
- Differenzialdiagnostische Abklärung: Unterscheidung vom ARDS anhand der Symptomatik und Bildgebung schwierig → Bei zeitlichem Zusammenhang mit Transfusionen müssen sowohl TRALI als auch ARDS bedacht werden
- Ursachenabklärung
- Identifizieren des auslösenden Präparats
- Nachweis von leukozytenreaktiven Antikörpern im Spenderserum: Hierbei sollte insb. nach Antikörpern gegen HLA-I- und -II-Merkmale sowie gegen granulozytenspezifische Antigene gesucht werden
- Bei positivem Antikörpernachweis beim Spender: Antikörperidentifizierung und Antigentypisierung des Empfängers
- Therapeutische Maßnahmen
- Lungenprotektive Beatmung
- Bei Schocksymptomatik: Hämodynamische Stabilisierung mittels Flüssigkeitsgabe, Katecholamintherapie
- Diuretika sind wirkungslos
- Prognose
- Keine sicheren Zahlen für Deutschland
- Letalität ca. 10% nach europäischen Daten
Hypervolämie, transfusionsassoziierte zirkulatorische Überladung (TACO) [2][3][4]
- Ursache: Zu hohe Transfusionsgeschwindigkeiten und -volumina
- Pathophysiologie: Nicht im Detail geklärt
- Klinik
- Beginn: Akut oder innerhalb von 12 h nach Transfusion
- Husten, Dyspnoe, Zyanose
- Halsvenenstauung, Kopfschmerzen, Tachykardie, Hypertension
- Herzinsuffizienz, Lungenödem
- Diagnostisches Vorgehen: Vgl. TRALI
- Differenzialdiagnostische Abgrenzung zum TRALI
- Eher Anstieg des Blutdrucks
- Gutes Ansprechen auf Diuretika
- Therapeutische Maßnahmen
- Oberkörperhochlagerung
- Unterbrechen der Transfusion oder Reduzieren der Transfusionsgeschwindigkeit
- Sauerstoff, ggf. lungenprotektive Beatmung
- Diuretika
- Prophylaktische Maßnahmen: Beschränken der Transfusionsmenge auf 2–4 mL pro kgKG und Stunde
Verzögerte Transfusionszwischenfälle
Definition: Transfusionszwischenfälle, die nach mehr als einem Tag nach Transfusion auftreten
Hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ
- Klinik
- Hyperthermie, Anämie, Ikterus
- Seltener als bei akuten Immunhämolysen: Hämoglobinurie, disseminierte intravasale Gerinnung, Nierenversagen
- Diagnostisches Vorgehen
- Hämolysediagnostik: LDH und Bilirubin im Zeitverlauf, Haptoglobin
- Differenzialdiagnose: Verzögerte serologische Transfusionsreaktion
- Therapeutisches Vorgehen
- Überwachung des Patienten und ggf. des Gerinnungsstatus
- Erneute Transfusion unter Berücksichtigung der Antikörper
- Prophylaktische Maßnahmen: Eintragen der Antikörperbefunde in Notfallausweis und Berücksichtigung bei allen folgenden Transfusionen
Weitere verzögert auftretende Komplikationen
- Transfusionsassoziierte Virusinfektionen
- HBV (1:500.000)
- HIV (1:1.000.000)
- HCV (1:1.000.000)
- Weitere Virusinfektionen: CMV, Dengue-Fieber, Chikungunya-Virus
- Transfusionshämosiderose: Bei Gabe von kumulativ 100 EKs insgesamt bzw. 20 EKs in einem Jahr droht eine sekundäre Hämochromatose mit Eisenüberladung
- Transfusionsassoziierte Parasitosen
- Übertragung von Prionen
Besondere Risiken und Problemstellungen bei Massivtransfusionen
Bei Massivtransfusionen müssen – neben den allgemeinen akuten bzw. verzögerten Transfusionszwischenfällen – zusätzliche besondere Risiken und Komplikationen bedacht werden.
Besondere Risiken und Problemstellungen bei Massivtransfusionen [5][6]
- Hypothermie
- Störungen der Hämostase durch
- Verdünnungskoagulopathie
- Verbrauchskoagulopathie
- Erniedrigten Hämatokrit
- Hyperfibrinolyse
- Hypokalzämie
- Azidose
- Beeinträchtigte Leberfunktion
- Abfall des kolloidosmotischen Drucks
- Hyperkaliämie, Azidose und Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
-
Hämolyse und damit Anstieg der extrazellulären K+-Konzentration (dadurch Gefahr von Herzrhythmusstörungen)
- Siehe auch Notfalltherapie der Hyperkaliämie
- Lactat-Produktion und damit Abfall des pH-Werts
- Abfall der Konzentration von 2,3-Diphosphoglycerat und damit schlechtere Sauerstoffabgabe in der Peripherie
-
Hämolyse und damit Anstieg der extrazellulären K+-Konzentration (dadurch Gefahr von Herzrhythmusstörungen)
- Citrat-Intoxikation
- Insb. bei Neugeborenen und Patienten mit bekannter Leberinsuffizienz, Azidose, Hypothermie oder Schock
- Klinik: Entspricht der Hypokalzämie (bspw. Tetanie, generalisierte Hyperreflexie, periorale Kribbelparästhesien, epileptische Anfälle, QT-Verlängerung, Arrhythmie, Hypotonie)
- Therapie: Therapie der Hypokalzämie mit 10%igem Calciumgluconat i.v. (langsam, über separaten Zugang)
- Posttherapeutische Überwachung
- Auf EKG-Veränderungen achten!
- Die Kontrolle und ggf. Korrektur des Calcium-Spiegels ist Teil des Massivtransfusionsprotokolls (standardisiert 10 mL 10%iges Calciumgluconat i.v. nach Gabe des zweiten Transfusions-Packages).
Problematisch ist insb. die Kombination von Azidose, Hypothermie und Koagulopathie („lethal triad“). Um das entsprechende Risiko zu minimieren, sollten nach Möglichkeit keine EK gegeben werden, die älter sind als ca. 2 Monate! Eine Ausnahme bilden kryokonservierte EK!
Besonders gefährdete Patientengruppen [5]
- Patienten unter laufender Therapie mit Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern
- Patienten mit hämatologischen Vorerkrankungen
- Patienten mit hepatischer Vorschädigung
- Patienten mit bestehender Azidose
- Schock-Patienten
- Hypotherme Patienten
- Neugeborene