Zusammenfassung
Bei einem Nierentrauma handelt es sich um ein meist durch ein stumpfes Bauchtrauma ausgelöstes, akutes Krankheitsbild, das je nach Schwere einen urologischen Notfall darstellt. Ein klassisches Symptom ist der Flankenschmerz nach Sturz. Leichte Nierentraumata bleiben ohne therapeutische Konsequenz und können beobachtet werden, während höhergradige Verletzungen bis zur intensivmedizinischen Versorgung und Notoperation führen können.
Während ein isolierter Abriss des Harnleiters meist iatrogen bedingt ist, kommen Harnblasenverletzungen auch im Rahmen von Bauchtraumata vor. Als klassisches Symptom dominiert die Anurie in Verbindung mit abdominellen Schmerzen. Man unterscheidet intra- und extraperitoneale Harnblasenrupturen. Während extraperitoneale Verletzungen unter Katheterisierung meist selbst abheilen, erfordert die intraperitoneale Leckage eine operative Deckung – Peritonitis und Urosepsis kann hiermit vorgebeugt werden.
Ätiologie
Nierentraumata
- Ca. 90% der Fälle durch stumpfes Bauchtrauma
Harnblasenverletzungen
- Häufig bei Frakturen des Beckens durch Traumata
- Iatrogen bei transurethralen Operationen oder operativen Eingriffen im kleinen Becken
- Selten bei Stich- oder Schussverletzungen
Klassifikation
Nierentraumata
Gliederung der Nierentraumata nach der American Association for Surgery of Trauma 1995 | |
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Grad | Morphologie |
I | Nierenkontusion mit subkapsulärem Hämatom |
II | Nierenparenchymeinriss <1 cm mit retroperitonealem Hämatom |
III | Nierenparenchymeinriss >1 cm mit retroperitonealem Hämatom ohne Urinom |
IV | Parenchymeinriss bis in die Tiefe des Nierenbeckens mit segmentalem Funktionsausfall und Urinom |
V | Komplett zerrissene Niere mit Hilusgefäßdissektion und vollständigem Funktionsausfall |
Gliederung der Harnblasenverletzungen
Symptomatik
Nierentraumata
- Schmerzen, Prellmarken, Hämatom der Flanke
- Hämaturie
- Mögliche Begleitverletzungen (z.B. Rippenfraktur mit bewegungsabhängigen Schmerzen)
- Bei großem perirenalem Hämatom: Schock
Harnblasenverletzungen
- Extra- und/oder intraperitoneale Verletzung
- Makrohämaturie
- Fehlende Miktion
- Schmerzen im Unterbauch
- Intraperitoneale Verletzung
- Peritonitis
- Steigende Retentionsparameter durch peritoneale Resorption des Kreatinins
Diagnostik
Standard-Diagnostik bei abdominellem Trauma
- Anamnese, körperliche Untersuchung
- Urinstreifentest
- Blutabnahme
- Sonografie
- Bei unklarem Befund oder massivem Trauma
- Kontrastmittel-CT des Abdomens
- Urethrozystografie
Negativer Urin-Stix schließt eine Nierenverletzung nicht aus, da nicht jede Nierenverletzung das Nierenbecken und somit die ableitenden Harnwege mit betrifft!
Therapie
Nierentraumata
Konservativ
- Grad I-III mit stabilem Kreislauf
- Bettruhe
- Verlaufskontrolle der Vitalparameter (Monitoring)
- Gabe einer Antibiotikaprophylaxe
Endoskopisch
- Grad IV mit stabilem Kreislauf
- Konservative Maßnahmen wie bei Grad I–III
- Zusätzlich Sicherung eines adäquaten Harnabflusses
Operativ
- Grad V und/oder Kreislaufinsuffizienz und/oder >25% eines segmentalen Funktionsausfalls und/oder massives Urinom und/oder Fremdkörperentfernung
- Versuch der transperitonealen Nierenfreilegung und Deckung des Defekts
- Ggf. Nephrektomie
Harnblasenverletzungen
- Extraperitoneale, kleine Verletzung → konservatives Vorgehen
- Große extraperitoneale Verletzungen und alle intraperitonealen Verletzungen → Offen-operative Versorgung!
Komplikationen
- Gemeinsame, spezifische Komplikationen
- Nierentraumata
- Arterio-venöse Fistelbildung
- Renale Hypertonie bei Parenchymschädigung
- Funktionsverlust der betroffenen Niere durch Hydronephrose oder Nierenarterienstenose
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- S37.-: Verletzung der Harnorgane und der Beckenorgane
- Exklusive: Peritoneum (S36.81), Retroperitoneum (S36.83)
- S37.0-: Verletzung der Niere
- S37.00: Verletzung der Niere, nicht näher bezeichnet
- S37.01: Prellung und Hämatom der Niere
- S37.02: Rissverletzung der Niere
- Mit Beteiligung von Nierenkapsel und Nierenbecken
- Kapselriss
- S37.03: Komplette Ruptur des Nierenparenchyms
- Nierenruptur
- S37.1: Verletzung des Harnleiters
- S37.2-: Verletzung der Harnblase
- S37.3-: Verletzung der Harnröhre
- S37.30: Nicht näher bezeichnet
- S37.31: Pars membranacea
- S37.32: Pars spongiosa
- S37.33: Pars prostatica
- S37.38: Sonstige Teile
- S37.7: Verletzung mehrerer Harnorgane und Beckenorgane
- S37.8-: Verletzung sonstiger Harnorgane und Beckenorgane
- Exklusive: Offene Wunde sonstiger und nicht näher bezeichneter äußerer Genitalorgane (S31.5)
- S37.81: Nebenniere
- S37.82: Prostata
- S37.83: Bläschendrüse [Vesicula seminalis]
- S37.84: Samenleiter
- S37.88: Sonstige Beckenorgane
- S37.9: Verletzung eines nicht näher bezeichneten Harnorgans oder Beckenorgans
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.