Zusammenfassung
Die Peritonitis ist eine Entzündung des Bauchfells und stellt in den meisten Fällen einen chirurgischen Notfall dar. Sie wird u.a. eingeteilt nach Ausdehnung (lokalisiert vs. generalisiert), Ätiologie (primär vs. sekundär) und Erscheinungsform (fibrinös, putride, kotig oder gallig).
Am häufigsten ist die sekundäre Form, die in den meisten Fällen durch eine Hohlorganperforation (z.B. Ulkus-, oder Divertikelperforation) oder Infektion intraabdomineller Organe (z.B. Appendizitis, Cholezystitis) als Durchwanderungsperitonitis (z.B. bei Ileus) entsteht. Klinisch äußert sich die Peritonitis mit starken abdominellen Schmerzen (akutes Abdomen) und Druckschmerz mit Abwehrspannung im betroffenen Areal. In der Regel kommt es zu Fieber und Allgemeinzustandsverschlechterung sowie zur Ausbildung eines paralytischen Ileus.
Therapeutische Grundlage der sekundären Peritonitis ist die chirurgische Herdsanierung in Kombination mit Antibiotikatherapie und intensivmedizinischen Maßnahmen. Bei lokalisierter Peritonitis ist der Infektionsherd meist bereits durch eine Operation ausgeräumt, bei generalisierter Peritonitis können auch mehrfache operative Revisionen mit Spülungen, Débridement und Drainage notwendig sein. Eine primäre Peritonitis (z.B. spontan bakterielle Peritonitis) verläuft häufig symptomärmer und wird in der Regel konservativ antibiotisch behandelt. Je nach Ätiologie unterscheiden sich die Peritonitisformen durch Schwere und Prognose voneinander; letale Verläufe sind insbesondere ohne zeitnahe Therapie möglich.
Ätiologie
Primäre Peritonitis (ca. 20%)
- Ohne akute abdominelle Begleiterkrankung
- Infektionsweg: Hämatogen, lymphogen, Durchwanderung von Bakterien durch die Darmwand
- Kinder: Meist hämatogene Infektion
- Erwachsene: Insb. spontan bakterielle Peritonitis bei Aszites
- Selten: Tuberkulöse Peritonitis, Chlamydien, Gonorrhö, Pilz-Peritonitis, virale Peritonitis
- In der Regel Monoinfektion: Meist E. coli, Klebsiella, Bacteroides spp.
Sekundäre Peritonitis (ca. 80%)
- Mit akuter abdomineller Vorerkrankung
- Hohlorganperforation (Magen, Divertikel, Gallenblase)
- Entzündungen intraabdomineller Organe (z.B. Appendizitis, Cholezystitis, Divertikulitis)
- Postoperative Komplikationen (z.B. Anastomoseninsuffizienz, unsterile Punktionen bzw. Operationsdurchführung)
- Durchwanderungsperitonitis (Ileus, Mesenterialischämie)
- Traumatisch (Perforation der Peritonealhöhle von außen)
- Reizperitonitis: Initial steril, im Verlauf häufig sekundär superinfiziert
- Gallige Peritonitis (z.B. bei Galleleckage nach Cholezystektomie)
- Urinaustritt und Blutungen
- Fremdkörper (z.B. vergessenes Tupfermaterial oder Instrumentarium nach OP)
- Barium-Peritonitis: Bei Verwendung bariumhaltiger Kontrastmittel und deren Austritt in die Peritonealhöhle
- Mesenterialgefäßabriss
- Mischinfektion: E. coli, Klebsiella, Enterokokken, Bacteroides spp. (Bacteroides fragilis) und Fusobacterium spp.
Weitere Formen
- Peritonitis bei familiärem Mittelmeerfieber: Autoinflammation, wahrscheinlich durch Überaktivität der Granulozytenfunktion
- Peritonitis bei Peritonealdialyse: Durch Translokation von Erregern der physiologischen Hautflora bei Patienten mit Peritonealdialyse-Kathetern
- Siehe auch: CAPD-Peritonitis
- Tertiäre Peritonitis: Persistierende bzw. rezidivierende Peritonitis nach Behandlung einer sekundären Peritonitis (z.B. bei Immunsuppression, Defektheilung, Fisteln)
- Quartäre Peritonitis: Intraabdomineller Abszess
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung
- Peritonismus (lokalisiert oder generalisiert): Bauchdecke hart, Erschütterung schmerzhaft
- Lokalisierter oder generalisierter Bauchschmerz
- Lokale oder generalisierte Abwehrspannung: Unwillkürliche muskuläre Anspannung bei Berührung und Erschütterung
- Starke Berührungsempfindlichkeit, ggf. gebeugte Schonhaltung
- Untersuchung der Erschütterungsempfindlichkeit
- Stehenden Patienten auffordern, sich aus dem Zehenspitzenstand auf die Fersen fallen zu lassen
- Nach Ankündigung an der Liege rütteln.
- Bei Kindern: Die begleitenden Eltern dazu auffordern, das Kind auf dem Schoß schüttelnd zu wiegen und die Reaktion des Kindes beobachten
- Ggf. aggressives Verhalten von Patientinnen und Patienten bei unvorsichtiger Annäherung
- Auskultation: Spärliche/keine Darmgeräusche bei paralytischem Ileus
- Aszites: Bei vorbekanntem Aszites hinweisend auf spontan bakterielle Peritonitis
- Ggf. Zeichen der Sepsis (qSOFA-Score? )
- Peritonismus (lokalisiert oder generalisiert): Bauchdecke hart, Erschütterung schmerzhaft
- Labor
- Blutbild
- Entzündungsparameter↑
- Weitere Parameter je nach ursächlicher Erkrankung
- Apparative Untersuchung
- Sonografie
-
Röntgen-Abdomen
- Spiegel: Ileus
- Freie Luft: Perforation
- CT/MRT
- Interventionell
- Bei spontan bakterieller Peritonitis: Diagnostische Punktion zum Erregernachweis, Zellzahlbestimmung und Zytologie
- Diagnostische Laparoskopie
Differenzialdiagnosen
Pseudoperitonitis
Von einer Pseudoperitonitis spricht man, wenn ein Patient die typischen Symptome einer Peritonitis aufweist (Peritonismus), ohne dass jedoch eine Peritonitis vorliegt. Einige der möglichen zugrundeliegenden Erkrankungen sind im Folgenden aufgeführt:
- Urologisch/Nephrologisch
- Pyelonephritis
- Uretersteine
- Niereninfarkt
- Hodentorsion
- Akuter Harnverhalt
- Metabolisch
- Weiteres
- Siehe: Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
CAPD-Peritonitis
Definition
- Peritonitis bei Patienten mit CAPD , i.d.R. infolge der Translokation von Bakterien durch den Peritonealdialyse-Zugang
Erregerspektrum
- Grampositiv: Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken
- Gramnegativ: E. coli, Pseudomonas, Klebsiella, Proteus, Serratia, Enterobacter
- Erregerspektrum bei Exit-Site Infection: Staphylokokken, Streptokokken und Pseudomonaden treten insb. bei intraperitonealer Ausbreitung einer Weichteilinfektion im Bereich des Peritonealdialyse-Zuganges („Exit-Site Infection“, „Tunnelinfektion“) auf
- Pilze und multiresistente Erreger: Insb. nach vorausgegangenen Therapien mit Breitbandantibiotika
Das Risiko einer Infektion mit MRE ist immer individuell zu erfassen!
Risikofaktoren und präventive Maßnahmen
- Kontamination bei Anlage des Peritonealdialyse-Zugangs: Empfohlen wird eine perioperative Antibiotikagabe nach lokalen Standards
- Infektionen durch unsachgemäße Handhabung: Sauberkeit und Händehygiene in Verbindung mit einer sachgemäßen Patientenschulung wirken präventiv
- Topische Antibiotikatherapie mit Mupirocin, insb. bei nasaler Kolonisation mit Staph. aureus
- Obstipation: Vermehrte bakterielle Translokation aus dem Darm, ggf. ist eine konsequente Therapie erforderlich
- Gastrointestinale Infektionen und gastroenterologische Prozeduren: Vermehrte Translokation insb. gramnegativer Erreger; eine periprozedurale Antibiotikagabe bei Koloskopien wird empfohlen
- Weitere Maßnahmen zur Risikoreduktion
- Sicherstellung einer ausreichenden Patientenschulung
- Verwendung qualitätsgesicherter Dialysate
- Raucherentwöhnung
- Gewichtsreduktion bei Adipositas
- Vermeidung von Hypokaliämien und Vitamin-D-Mangel
- Leitsymptome: Bauchschmerzen und trübes Dialysat („trüber Beutel“)
- Differenzialdiagnosen
- Chylöser Aszites (erhöhter Triglyceridgehalt)
- Eosinophile Peritonitis: Hypersensitivitätsreaktion bei Peritonealdialyse-Patienten, die meist in den ersten 4 Wochen nach Anlage eines Peritonealdialyse-Zuganges auftritt
- Chemische Peritonitis: Als Ausdruck einer Unverträglichkeit der Dialyselösung
- Medikamente: Insb. Calciumantagonisten vom Nifedipin-Typ können zu einer Trübung führen
Patienten mit einer Peritonealdialyse können durchaus auch eine klassische sekundäre Peritonitis bei abdominellen Erkrankungen aufweisen – insb. bei kulturellem Nachweis einer Mischinfektion mit intestinaler Flora sollte eine chirurgisch zu behandelnde Ursache ausgeschlossen werden!
Diagnostik
- Allgemein: Klinische Untersuchung, insb. auch Inspektion des Peritonealdialyse-Zugangs auf Infektionszeichen
- Peritonealdialysat-Flüssigkeit: Laborchemische, zytologische und mikrobiologische Untersuchung
- Materialgewinnung: Verweildauer des Dialysats sollte mind. 2, bestenfalls 6 h betragen; Beimpfung von Blutkultursets mit dem Dialysat
- Ggf. auch Abstrich der Wundinfektion bei Infektionszeichen am Peritonealdialyse-Zugang
- Untersuchungen
- Zellzahl und durchflusszytometrische Zelldifferenzierung
- Mikroskopie inkl. Gramfärbung
- Anlage von Blutkultursets mit Dialysat
- Klinische Chemie: Albumin, Glucose, LDH, Triglyceride
- Kriterien zur Diagnosesicherung: Es sollten mind. 2 zutreffen
- Passende Klinik zur Peritonitis
- Leukozyten >100/μL und hierbei >50% neutrophile Granulozyten
- Mikrobiologischer Erregernachweis
- Materialgewinnung: Verweildauer des Dialysats sollte mind. 2, bestenfalls 6 h betragen; Beimpfung von Blutkultursets mit dem Dialysat
Therapie [1]
- Kalkulierte antibiotische Therapie: Unmittelbar nach der Sicherung von Material für die Erregerdiagnostik einzuleiten
- Bei lokaler Peritonitis ohne Zeichen der Sepsis: Intraperitoneale antibiotische Therapie nach Leitlinien der ISPD , ggf. unter Beachtung lokaler Modifikationen
- Bei Zeichen der Sepsis: Systemische Antibiotikatherapie i.v.; nach Rückgang der systemischen Infektionszeichen Fortführung der Therapie für mind. 3 Wochen, ggf. auch als Sequenztherapie p.o.
- Niedriges Risiko für multiresistente Erreger und Enterokokken: Cefazolin und Ceftriaxon
- Höheres Risiko für multiresistente Erreger, Pseudomonaden und/oder Enterokokken: Vancomycin und Ceftazidim
- Bei speziellem Erregernachweis
- Pseudomonas: Immer Kombinationstherapie mit zwei pseudomonaswirksamen Antibiotika
- Bei Nachweis von MRSA oder VRE: Siehe: Nosokomiale Infektionen
- Deeskalation im Verlauf: Anpassung nach Erregernachweis und Resistogramm
- Entfernung des Peritonealdialyse-Zuganges bei
- Unbeherrschbarer Sepsis
- Nicht-Ansprechen auf eine sachgerechte antibiotische Therapie binnen 5 Tagen
- Pilzen als Ursache der Peritonitis
Therapie
Primäre Peritonitis
- In der Regel konservative Therapie mittels Antibiotika
- Meist Monoinfektion → Antibiotika müssen eher schmaleres Erregerspektrum abdecken
- Antibiotische Therapie siehe: Spontan bakterielle Peritonitis
Sekundäre Peritonitis
Chirurgisch
- Zeitpunkt: Dringlich (2–6 h) [2]
- Fokussuche und Sanierung: Grundlage der Therapie ist die chirurgische Sanierung des abdominellen Infektionsfokus (siehe akutes Abdomen bzw. spezifische Kapitel der jeweiligen Erkrankung)
- Appendektomie bei Appendizitis
- Cholezystektomie bei Cholezystitis
- Sigmaresektion
- Ulkusresektion und -übernähung bei perforiertem Magenulkus etc.
- Bei Abszessbildung: Evtl. CT-gesteuerte Drainage
- Spülung (Lavage), Débridement, Drainage-Einlage [3]
- Bei ausgedehnten Befunden: Häufig geplante operative Revision ("Second-look-Operation") notwendig
Konservativ (ergänzend zu den chirurgischen Maßnahmen)
- Allgemeine Maßnahmen
- Stationäre (ggf. intensivmedizinische) Überwachung
- Flüssigkeitsgabe
- Medikamentös: Antibiotikagabe bei infektiöser Ursache (s.u.), Analgetika, Thromboseprophylaxe
- Weitere spezielle Therapie je nach Ätiologie (siehe spezifische Kapitel)
Antibiotische Therapie bei sekundärer Peritonitis
- Erregerspektrum: I.d.R. Mischspektrum von gramnegativen, grampositiven, aeroben und anaeroben Erregern aus der physiologischen Darmflora
- Enterobacteriaceae (z.B. E. coli, Klebsiella, Proteus)
- Bacteroides spp.
-
Enterokokken
- insb. nach vorausgegangener Cephalosporin-Therapie bzw. bei nosokomial erworbenen Peritonitiden
- Gelegentlich Pseudomonas aeruginosa
- Kalkulierte Antibiotikatherapie
- Lokalisierte Peritonitis bei frischer Perforation (ambulant erworben)
- Fluorchinolon Gruppe 2 (Ciprofloxacin ) bzw. Gruppe 3 (Levofloxacin ) + Metronidazol oder
- Cephalosporin Gruppe 3a (Ceftriaxon) + Metronidazol
- Diffuse Peritonitis bei älterer Perforation (ambulant erworben)
- Acylaminopenicillin/BLI (Piperacillin/Tazobactam) oder
- Carbapenem Gruppe 2 (Ertapenem)
- Komplizierte sekundäre, tertiäre bzw. nosokomiale Peritonitis (Risikoerhöhung für Sepsis bzw. MRGN und VRE)
- Carbapenem Gruppe 1 (Meropenem bzw. Imipenem/Cilastatin )
- Bei septischem Schock: Kombination mit Tigecyclin (Wirksam gegen VRE, (4‑)MRGN), beachte auch
- Bei VRE-Risiko: Kombination mit Linezolid, ggf. auch Daptomycin
- Neue bzw. weitere therapeutische Optionen
- Ceftazidim/Avibactam + Metronidazol : Wirksamkeit gegenüber (4‑)MRGN und Pseudomonas aeruginosa verbessert
- Ceftolozan/Tazobactam + Metronidazol : Wirksamkeit gegenüber (3‑)MRGN und Pseudomonas aeruginosa verbessert
- Lokalisierte Peritonitis bei frischer Perforation (ambulant erworben)
- Antibiotische Therapie bei identifiziertem Fokus: Ggf. kann eine weniger breite kalkulierte antibiotische Therapie erfolgen, wenn der Fokus der Peritonitis klar zu eruieren ist
Komplikationen
- Paralytischer Ileus
- Sepsis
- Peritoneale Verwachsungen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K65.-: Peritonitis
- Exklusive: Peritonitis:
- aseptisch (T81.6)
- bei oder nach:
- Abort, Extrauteringravidität oder Molenschwangerschaft (O00–O07, O08.0)
- Appendizitis (K35.‑)
- Divertikulose des Darmes (K57.‑)
- beim Neugeborenen (P78.0–P78.1)
- benigne, paroxysmal (E85.0)
- durch chemische Substanzen (T81.6)
- durch Talkum oder sonstige Fremdsubstanzen (T81.6)
- periodisch, familiär (E85.0)
- puerperal (O85)
- weibliches Becken (N73.3–N73.5)
- Exklusive: Peritonitis:
- K65.0: Akute Peritonitis
-
Abszess:
- Mesenterium
- Omentum
- pelveoabdominal
- Peritoneum
- retroperitoneal
- retrozäkal
- subdiaphragmatisch subhepatisch
- subphrenisch Peritonitis (akut):
- diffus
- eitrig
- männliches Becken subphrenisch
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95–B98) zu benutzen.
-
Abszess:
- K65.8: Sonstige Peritonitis
- Chronisch-proliferative Peritonitis
- Gallige Peritonitis
- Mesenteriale:
- Fettgewebsnekrose
- Saponifikation
- Peritonitis durch Urin
- K65.9: Peritonitis, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.