Zusammenfassung
Eine Immobilisation der unteren Extremität erfolgt im Rahmen verschiedenster Verletzungen und Erkrankungen. I.d.R. werden hierbei nur Teilbereiche der unteren Extremität immobilisiert. Es stehen unterschiedliche Materialien zur Immobilisation zur Verfügung, dabei können prinzipiell harte bzw. aushärtende Elemente zur vollständigen Immobilisation und flexible bzw. elastische Elemente zur teilweisen Immobilisation verwendet werden. Durch Kombination verschiedener Materialien können bspw. Gelenke, sofern therapeutisch sinnvoll, auch in einem fixierten Ausmaß beweglich erhalten werden. Zunehmend kommen bei der Immobilisation von Extremitäten auch Orthesen zum Einsatz, die abgestufte Mobilisations- und Belastungsschritte erlauben. Als Besonderheit ist bei immobilisierenden Maßnahmen der unteren Extremität das klinisch höchst bedeutsame Risiko für Phlebothrombosen und folglich Lungenembolien zu beachten – Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe sind daher unerlässlich!
Materialien zur Immobilisation
Ruhigstellung der Hüfte und des Oberschenkels
Gipsverbände/-Casts
Oberschenkeltutor (Gipshülse)
- Indikation
- Kniebinnenschaden
- Patellafraktur, -luxation
- Bursitiden
- Konservativ therapierte Frakturen des distalen Oberschenkels, Knies und proximalen Unterschenkels
- Prinzip: Immobilisation des Kniegelenks sowie des distalen Ober- und proximalen Unterschenkels mittels eines zirkulären Gipses bei freier Beweglichkeit des Sprunggelenks
- Durchführung: Patient in Rückenlage, Gesäß und Knie liegen auf einem Abduktionskissen → Polsterung des gesamten Beins, insb. des Fibulaköpfchens (Schutz des N. peroneus) → Anmodellierung des zirkulären Gipsverbandes bei entspannter Oberschenkelmuskulatur : Kniegelenk in 20° Beugung → Kürzen des Gipses proximal ca. 2 Querfinger unterhalb der Leistenbeuge und distal 2–3 Querfinger oberhalb der Malleolengabel → Bei zirkulärem Gips: Spaltung
Dorsale Oberschenkelgipsschiene und -schale
- Indikation
- Konservativ versorgte distale Femurfraktur, Tibiakopf- oder proximale Unterschenkelfraktur
- Weichteilverletzungen des distalen Oberschenkels, Knies und proximalen Unterschenkels
- Maisonneuve-Fraktur und komplizierte Fraktur des Unterschenkels
- Prinzip: Immobilisation des Kniegelenks und der Sprunggelenke mittels dorsaler Gipsschiene bei frei beweglichen Zehen und Vorfuß
- Durchführung: Patient in Rückenlage, Lagerung des Unterschenkels und Gesäßes auf einem Polster → Polsterung des gesamten Beins, insb. des Fibulaköpfchens (Schutz des N. peroneus), der Knöchel und der Ferse → Anmodellierung des dorsalen Gipsverbandes: Kniegelenk in 20° Beugung und Sprunggelenk in 90° Flexion → Kürzen der Gipsschale proximal bis zum proximalen Oberschenkeldrittel und distal bis zu den Zehengrundgelenken
- Varianten: Zirkulärer Oberschenkelspaltgips
Gipshose
- Indikation
- Oberschenkelschaftfraktur beim Kind
- Oberschenkelhalsfraktur beim Kind
- Prinzip: Immobilisation des Hüftgelenks und Oberschenkels nach Retention der Fraktur mittels Extension
- Durchführung: Patient in Rückenlage, Anbringen der Extensionsbehandlung → Polsterung des Oberkörpers und des betroffenen Beins, insb. der Gipsränder → Anmodellieren des zirkulären Gipsverbandes unter großzügiger Aussparung des Intimbereichs: Hüftgelenk in ca. 10° Flexion
- Varianten
- Kurze Gipshose
- Becken-Bein-Gipsverband (lange Gipshose)
- Becken-Bein-Fuß-Gipsverband (lange Hose mit Fußteil)
Ruhigstellung des Knies
Gipsverbände
Kniebandagen
- Indikation
- Traumatische oder habituelle Patellaluxation
- Gonarthrose
- Arthritiden
- Instabilitätsgefühl
- Prinzip: Stabilisierung der Gelenkführung und Verbesserung der Propriozeption durch Kompression und Schienung, lokale Druckentlastung
- Varianten: Patella-Kniebandagen mit funktionellen Zügeln
Knieorthesen
Knieführende Hartrahmen-Orthesen
- Indikation
- Kniefehlstellungen: Genu varum, valgum oder recurvatum
- Postoperative Nachbehandlung
- Gonarthrose
- Prinzip: Varisierende oder valgisierende Verlagerung der Tragachse des Kniegelenks über ein 3-Punkte-Prinzip
Immobilisierende Knieorthesen
- Indikation
- Schmerzhafte knöcherne oder Binnenverletzung des Knies
- Posttraumatische oder postoperative Ruhigstellung
- Instabilität nach Kreuzbandruptur
- Prinzip: Immobilisation des Kniegelenks in fixierter Position oder mit limitiertem Bewegungsumfang
- Varianten: Knielagerungsorthese , Rahmenorthese
Ruhigstellung des oberen und unteren Sprunggelenks
Gipsverbände
Unterschenkelgipsschiene und -schale
- Indikation
- Sprunggelenksfrakturen
- Sprunggelenksdistorsionen und Bandrupturen
- Weichteilverletzungen
- Prinzip: Immobilisation des oberen und unteren Sprunggelenks in 90° Flexion
- Durchführung: Patient in Rückenlage, Knie leicht flektiert durch Lagerung auf Knierolle → Polsterung des gesamten Unterschenkels und Fußes, insb. der Ferse, der Knöchel und des Fibulakopfes → Anmodellierung des dorsalen Gipsverbandes mit Sprunggelenk in 90° Beugung und leichter Pronation im Sprunggelenk → Kürzen der Gipsschiene: Proximales Ende ca. 2 Querfinger unterhalb der Kniekehle und distal ca. 2 Querfinger über die Zehen hinaus → Bei zirkulärem Gips: Ventrale Spaltung über der Tibiavorderkante und dem Fußrücken
- Varianten
- Zirkulärer Unterschenkelspaltgips
- Gehgips mit Fußrolle
- Unterschenkelgipsschiene in Spitzfußstellung (20° Plantarflexion im Sprunggelenk)
Sprunggelenksbandagen
- Indikation
- Sprunggelenksinstabilität
- Nachbehandlung von fibularen Bandrupturen
- Prinzip: Stabilisierung der Gelenkführung durch Kompression und Schienung, Einschränkung von Pronation und Supination im oberen Sprunggelenk
Sprunggelenksorthesen
Semirigide Sprunggelenksorthesen
- Indikation
- Sprunggelenksdistorsion
- Fibulare Bandläsionen
- Nachbehandlung von stabilen Sprunggelenksfrakturen
- Prinzip: Stabilisierung des unteren Sprunggelenks in Pronation und Supination bei erhaltener Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk
- Varianten: Luftpolstersysteme oder Vakuumsysteme
Immobilisierende Sprunggelenksorthesen
- Indikation
- Prinzip: Immobilisation des Sprunggelenks in fixierter Position in Kunststoffschuh mit Vakuumsystem oder Schaumstoffbettung, ggf. definierte Bewegungsfreigabe
- Varianten: Sprunggelenksorthese in Spitzfußstellung bspw. Vacoped-Achill®-Schuh oder Vario-Stabil®-Therapieschuhe bei Achillessehnenverletzung
Ruhigstellung des Fußes
(Gips‑)Verbände
Dachziegelverband/Pflasterzügelverband
- Indikation: Zehenfraktur oder -luxation
- Prinzip: Gelenkübergreifende Immobilisation der Zehengelenke durch überlappendes Taping
- Durchführung: Applikation der einzelnen Pflasterzügel von proximal nach distal, sodass sich die Pflasterzügel überlappen → Gelenkübergreifende Immobilisation einzelner Zehen
- Varianten: Buddy Taping (Ruhigstellung zweier benachbarter Zehen )
Gipsschuh (Geishaschuh)
- Indikation: Mittelfuß- und Vorfußfrakturen
- Prinzip: Immobilisation des Fußes ohne Ruhigstellung des Sprunggelenks
- Durchführung: Patient in Rückenlage, Unterschenkel auf Abduktionskissen gelagert, alternativ Fuß über Gipstisch hängend → Polsterung von Zehen und Zehenzwischenräumen sowie der Ferse → Anmodellierung des Gips- oder Castverbandes → Kürzen des Verbandes distal der Knöchel, Freilegen der Zehen und Spalten des Gipsverbandes über dem Fußrücken
- Varianten: Geh-Gipsschuh (Lopresti-Slipper)
Fußorthesen
Vorfußentlastungsschuh
- Indikation
- Postoperative Nachbehandlung nach Korrekturosteotomien bei Hallux valgus oder Krallenzehen
- Zehenfraktur
- Vorfußulcera
- Prinzip: Entlastung und Druckreduzierung des Vorfußes durch Entlastungskeil an Mittel- und Rückfuß
Immobilisierende Fußorthesen
- Indikation
- Postoperative Nachbehandlung nach Korrekturosteomien bei Hallux valgus, insb. Lapidus-Arthrodese
- Metatarsalfraktur
- Großzehenfraktur
- Prinzip: Immobilisation des Vorfußes bei erhaltener Beweglichkeit des Sprunggelenks im Kunststoffschuh, Polsterung über Vakuumsystem
Maßnahmen bei Ruhigstellung der unteren Extremität
Entlastung oder Teilbelastung an Unterarmgehstützen
- 2-Punkt-Gang (Durchschwunggang): Bei gleichzeitigem Aufsetzen beider Unterarmgehstützen wird das betroffene Bein durchgeschwungen und nicht belastet
- 3-Punkt-Gang: Gleichzeitiges Aufsetzen und Abrollen des betroffenen Beins und beider Unterarmgehstützen
- 4-Punkt-Gang: Reziproke Abfolge von Unterarmgehstützen und Beinen , mindestens Teilbelastung mit halbem Körpergewicht erforderlich
Medikamentöse und nicht-medikamentöse Thromboseprophylaxe
- Basismaßnahmen: Muskelpumpe, Bewegungsübungen, frühzeitige Mobilisation
- Physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Medikamentöse Maßnahmen bei gelenkübergreifender Immobilisation: Bis zur Entfernung des Hartverbandes bzw. bis zum Erreichen einer Teilbelastung der betroffenen Extremität mit 20 kg bei gleichzeitig bestehendem Bewegungsausmaß von 20° im OSG
Schwellungsreduzierende Maßnahmen: PECH-Regel
- Pause: Entlastung
- Eis: Lokale Kühlung
- Compression: Elastische Wicklung von peripher nach zentral unter regelmäßiger Kontrolle der pDMS
- Hochlagerung