Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die Achillessehne vereinigt die Köpfe des M. triceps surae zu einer Endsehne und verbindet Muskel mit Fersenbein. Als stärkste Sehne des Menschen ist sie einer ständigen, hohen Belastung ausgesetzt. Begünstigt durch altersabhängige Degeneration sowie systemische und medikamentöse Vorschädigung ist die Achillessehnenruptur die häufigste Sehnenruptur des Menschen. Vor allem Männer zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr sind davon betroffen. In den meisten Fällen kommt es zu einer kompletten Zerreißung der Sehne durch eine akute, indirekte Krafteinwirkung (z.B. beim Sport). Klinisch äußert sich die akute Ruptur durch einen lauten, peitschenartigen Knall und stark einschießende, dumpfe Schmerzen im Verlauf der Achillessehne. Bei einer kompletten Ruptur ist ein Ein-Bein-Zehenstand nicht mehr möglich. Neben einer ausführlichen Anamnese und klinischen Untersuchung sind die Sonografie und das Röntgen diagnostisch wegweisend. Je nach Verletzungsmuster und Vorschädigung der Achillessehne erfolgt entweder eine konservativ-funktionelle oder eine operative Versorgung. Das Rezidivrisiko und die Gefahr der Sehnenelongation sind bei der konservativ-funktionellen Therapie etwas erhöht, dafür drohen im Zuge dieser Maßnahme weder eine Wundinfektion noch eine Verletzung des N. suralis. In beiden Fällen erfolgt im Rahmen der Nachbehandlung eine primäre Ruhigstellung des betroffenen Unterschenkels mit anschließender Mobilisation im Spezialschuh.
Definition![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Klinische Einteilung der Achillessehnenruptur [1]
Rupturform | Klinik | Therapiebeginn | Häufigkeit |
---|---|---|---|
Akute Ruptur |
| <3 Tage | Ca. 80% |
Spontane Ruptur |
| Nach definitiver Diagnosestellung | Ca. 10% |
Chronische Ruptur |
| >4 Wochen | Ca. 6% |
Die häufigste Form ist eine akute, komplette Ruptur in Sehnenmitte!
Epidemiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Ätiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Pathogenese
- Akute oder chronische Überlastung
- Meist durch indirekte Krafteinwirkung
- Häufig in Verbindung mit einer degenerativen Vorschädigung [3]
Prädisponierende Faktoren
Intrinsisch
- Geschlecht: ♂
- Altersabhängiger Strukturwandel des Kollagens
- Systemische Erkrankungen mit Affektion von Binde- und Stützgewebe
- Entzündliche Veränderungen der Achillessehne
Extrinsisch
- Lokale Glucocorticoidinjektionen (erfolgen häufig bei Achillodynie in der Vorgeschichte)
- Systemische Glucocorticoidtherapie und Immunsuppression
- Selten: Nebenwirkung einer Therapie mit Fluorchinolonen (bspw. Ciprofloxacin) oder mit Bempedoinsäure
- Anabolika
Symptomatik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Klassische Symptomatik
- Dolor
- Stark einschießender Schmerz im Verlauf der Achillessehne
- Schmerzqualität: Von dumpf bis stechend beschrieben [3][4]
- Hörbares Rupturgeräusch: Peitschenartiger Knall
- Functio laesa: Unmittelbarer Funktionsverlust
Spontanruptur bei schwerer degenerativer Vorschädigung
- Dolor: Geringe Schmerzsymptomatik
- Functio laesa: Oft schleichender Funktions- und Kraftverlust mit Atrophie der Wadenmuskulatur
- Meist Bagatell- oder nicht erinnerliches Trauma
Präklinisches Management![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
I.d.R. wird bei einer Achillessehnenruptur die Anwesenheit eines Notarztes nicht benötigt.
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Bspw. mittels SAMPLE-Schema
- Lagerung
- Immobilisation durch geeignetes Schienungsmaterial
- Entlastung und Hochlagerung des betroffenen Beines
- Analgesie: Kühlung als analgetische Basismaßnahme und zur Schwellungsreduktion
Vorgehen in der Notaufnahme![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Anamnese
- Zeitpunkt, Ort und Hergang des Traumas
- Schmerzen, Bewegungs- und Funktionseinschränkung
- Vorerkrankungen: Mit besonderem Augenmerk auf mögliche ex- und intrinsische Vorschädigung der Achillessehne
- Sportliche und berufliche Belastung
- Körperliche Untersuchung
- Hämatom, Schwellung
- Tastbare Dehiszenz
- Zehenspitzenstand und Thompson-Test
- Venöser Zugang und schmerzadaptierte Analgesie: Unter Berücksichtigung bereits erhaltener Medikamente
- Bildgebung
- Sonografie der Achillessehne
- Röntgen des OSG mit Rückfuß in zwei Ebenen
- Weitere therapeutische Maßnahmen
- Ruhigstellung der betroffenen Extremität im Unterschenkel-Spaltgips bzw. in einer ventralen Kunststoffschiene in 20°-Plantarflexion
- Entlastung an Unterarm-Gehstützen
- Anordnung einer Thromboseprophylaxe
- Niedermolekulare Heparine: Bspw. Enoxaparin
- Bei Kontraindikationen: Unfraktioniertes Heparin
- Ggf. Aufklärung über operative Maßnahmen
- Ggf. stationäre Aufnahme
Diagnostik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Körperliche Untersuchung
- Inspektion: Hämatom, Schwellung, sichtbare Dehiszenz
- Palpation: Druckschmerz über dem Verlauf der Achillessehne und dem M. triceps surae, tastbare Dehiszenz proximal der Rissstelle
- Funktionsuntersuchungen [5]
- Thompson-Test
- Unvermögen des Zehenspitzenstandes auf dem betroffenen Bein
- Kraftverlust in der aktiven Plantarflexion
Sonografie der Achillessehne
- Indikation: Darstellung und Fotodokumentation der Rupturlücke
- Dynamische Durchführung: Untersuchung in Bauchlage, Schallkopf auf distalen M.soleus, passive Dorsalextension des Fußes
- Befund: Sichtbare Zeichen einer Ruptur
- Verlust der Sehnenkontinuität
- Sichtbare Sehnenenden
- Echoarme Flüssigkeit in der Rupturzone
Röntgen
- Indikation: OSG mit Rückfuß in 2 Ebenen zum Ausschluss knöcherner Begleitverletzungen
- Befund
- Veränderter Weichteilschatten (Kager-Dreieck): Bei Ruptur zeigt sich dieser unscharf
- Frakturzeichen
MRT
- Indikation: Nur in Ausnahmefällen, bspw. bei unklaren und chronischen Rupturen oder im Rahmen schwerer Untersuchungsbedingungen (wie Adipositas)
Differenzialdiagnosen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Knöcherner Ausriss der Achillessehne (sog. Entenschnabelfraktur)
- Insertionstendinopathie oder Achillodynie
- Muskuläre Wadenverletzungen
- Bandverletzungen des oberen Sprunggelenkes
- Sprunggelenksfraktur
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Konservativ-funktionelle Therapie
- Indikation
- Patient >50 Jahre
- Relative sportliche Inaktivität
- Sonografischer Nachweis der Adaptation der Sehnenenden in 20°-Spitzfußstellung
- Teilrupturen
- Kontraindikation
- Interponierendes Rupturhämatom
- Mangelnde Compliance des Patienten
- Prozedere
- Primäre Ruhigstellung der betroffenen Extremität im Unterschenkel-Spalt-Gips bzw. in einer ventralen Kunststoffschiene in Spitzfußstellung
- Anpassung einer Orthese und Mobilisation des Patienten mit Retention des Fußes in Plantarflexion
- Sonografische Kontrolle des Heilungsverlaufs
Operative Therapie
- Indikation
- Offene Ruptur
- Junger, sportlich aktiver Patient mit hohem Leistungsanspruch (insb. Leistungssportler)
- Keine Adaptation der Sehnenenden in 20°-Spitzfußstellung
- Fehlgeschlagener konservativer Therapieversuch
- Chronische Ruptur oder Rupturrezidiv
- Kontraindikation
- Schlechter Allgemeinzustand oder systemische Grunderkrankung
- Schlechte Haut- und Weichteilverhältnisse
- Techniken
- Offene Nahttechnik
- Häufigste Behandlungsmethode
- Sehnennaht nach Kessler-Kirchmayr
- Modifizierte Durchflechtungsnaht nach Bunell
- Naht nach Krackow: Höchste Reißfestigkeit
- Perkutane Nahttechnik
- Ggf. zusätzliche Fibrinklebung
- Pro: Reduzierteres Infektionsrisiko, geringeres Weichteiltrauma , Operation in Lokalanästhesie möglich
- Kontra: Risiko der Verletzung des N. suralis und der ungenügenden Stumpfadaptation
- Rekonstruktive Verfahren
- Überbrückung von Defektzonen
- Kleine Defekte (bis 5 cm): Umkipp- oder Griffelschachtelplastik
- Größere Defekte: Peroneus brevis- oder Flexor hallucis longus-Plastik
- Offene Nahttechnik
- OP-spezifische Risiken bei Achillessehnenruptur
- Intraoperative Verletzung des N. suralis
- Postoperative Infektion und Wundheilungsstörung
- Keloidbildung
Aufgrund des geringeren Rezidivrisikos sollte bei jüngeren Patienten mit ausgeprägter sportlicher Aktivität eher eine operative Versorgung im Vordergrund stehen!
Komplikationen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Rupturrezidiv und sekundäre Dehiszenz
- Kraftminderung und Bewegungseinschränkung [1]
- OP-spezifische Risiken bei Achillessehnenruptur
- Allgemeine Risiken bei Immobilisation des oberen Sprunggelenks
- Druckstellen im Stützverband
- Einsteifung des Sprunggelenks mit unter Umständen bleibenden Bewegungseinschränkungen
- Thrombose und Lungenembolie
- Muskel- und Knochenatrophie
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachbehandlung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Allgemeine Maßnahmen
Funktionelle Nachbehandlung
- Indikation: Standardbehandlung
- Ziel: Zeitnahe Aufbelastung zur Förderung der Sehnenheilung
- Kurzzeitige Ruhigstellung im Unterschenkel-Gips bzw. in einer ventralen Kunststoffschiene
- Konservative Therapie: Je nach Schwellung etwa 3–5 Tage
- Operative Therapie: Bei gesicherter Wundheilung (ca. 5–10 Tage postoperativ)
- Anpassung einer Orthese mit zeitlich gestaffelter Reduktion der Absatzhöhe
- Konservative Therapie: Sofortige schmerzadaptierte Vollbelastung
- Operative Therapie: Zeitlich gestaffelte Aufbelastung
- Sportfähigkeit: I.d.R. nach 3–6 Monaten
Immobile Nachbehandlung [6]
- Ruhigstellung im Gips für 3–6 Wochen
- Indikation
- Nur in Ausnahmefällen!
- Bspw. bei fehlender Compliance oder sehr schlechten Haut- und Weichteilverhältnissen
Prognose![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Sowohl die konservative als auch die operative Therapie können bei ungestörtem Heilungsverlauf ein gutes Ergebnis erzielen [7][8]
- Konservative Therapie
- Eher schlechteres funktionelles Outcome als bei operativer Therapie
- Höheres Rerupturrisiko
- Operative Therapie
- Postoperatives Infektionsrisiko
- Verletzung des N. suralis
3D-Anatomie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
In Kooperation mit Effigos bieten wir dir die Möglichkeit, Anatomie auch in 3D zu erfahren. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Neben Komplettmodellen bieten wir dir auch sprach- oder textgeführte Exkurse zu einzelnen Themen. In allen Versionen hast du die Möglichkeit, mit den Modellen individuell zu interagieren, z.B. durch Schneiden, Zoomen oder Aus- bzw. Einblenden bestimmter Strukturen. Eine Übersicht über alle Inhalte findest du in dem Kapitel Anatomische 3D-Modelle. Die unterschiedlichen Pakete zu den 3D-Modellen findest du im Shop.
3D-Modell
Exkurs
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- S86.-: Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe des Unterschenkels
- Inklusive: Verstauchungen und Zerrungen
- Exklusive: Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe des Knöchels oder weiter distal (S96.‑), Verletzungen des Lig. patellae (S76.1), Verstauchungen und Zerrungen der Gelenkkapsel (Band) (S83.‑)
- S86.0: Verletzung der Achillessehne
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.