Zusammenfassung
Sportverletzungen entstehen zumeist durch eine akute, massiv erhöhte Belastung der Gelenke, Bänder und/oder Muskeln. Verletzungen der Muskulatur entstehen durch eine starke Überbeanspruchung. Ob sie aber durch Aufwärmen und Dehnen verhindert werden können, ist umstritten. Akute Gelenk- und Bandverletzungen wiederum entstehen in der Regel durch eine unphysiologische Bewegung im Gelenk (z.B. „Umknicken“ → Supinationstrauma).
Die Maßnahmen zur Akutbehandlung von Sportverletzungen folgen i.d.R. der PECH-Regel („PECH“ = Pause → Eis → Compression → Hochlagern), die kausale Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung (z.B. Knochenbeteiligung) und reicht von kühlenden Verbänden über eine Schienung (mit Stützverbänden, Gipsschienen etc.) bis hin zu einer operativen Versorgung.
Übersicht
Auswahl häufiger Sportverletzungen
Verletzungen der Knochen und des Bandapparates
Skidaumen
- Ätiologie: Abscherung des Daumens nach radial → Riss des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk
- Klinik
- Druckschmerz über dem ulnaren Seitenband
- Instabilität
- Diagnostik
- Röntgen in 2 Ebenen
- Therapie [1]
- Generell: Analgesie und abschwellende Maßnahmen wie leichte Hochlagerung und Kühlung
- Konservativ: Ruhigstellung des Daumengrund- und Sattelgelenks
- Bei Teilruptur bzw. stabiler Verletzung
- Ggf. bei nicht-disloziertem (<2 mm) knöchernen Bandausriss
-
Operativ: Bandnaht bzw. Refixation des knöchernen Fragments bei
- Kompletter Ruptur
- Disloziertem knöchernen Bandausriss
- Stener-Läsion: Distaler Ausriss des Bandes mit Dislokation durch die (verletzte) Aponeurose des M. adductor pollicis
Quadrizepssehnenruptur
- Ätiologie
- Drohendes Sturzereignis beim Bergabgehen oder Treppensteigen mit Stabilisierungsversuch und Anspannung des M. quadriceps gegen Widerstand (häufig) oder Trauma kurz oberhalb der Patella (eher selten)
- Häufig mit degenerativer Vorschädigung vergesellschaftet
- Klinik
- Diagnostik: Sonografie, MRT
- Therapie: Operative Sehnennaht
Patellarsehnenruptur
- Ätiologie
- Drohendes Sturzereignis beim Bergabgehen oder Treppensteigen mit Stabilisierungsversuch und Anspannung des M. quadriceps gegen Widerstand (eher selten) oder Trauma kurz unterhalb der Patella (häufiger)
- Klinik
- Diagnostik: Röntgen, Sonografie, MRT
- Therapie: Operative End-zu-End-Naht der Patellarsehne mit Drahtcerclage nach McLaughlin zwischen Tuberositas tibiae und Patella zur Zugentlastung
Bandverletzungen des oberen Sprunggelenkes
- Ätiologie: Distorsion des oberen Sprunggelenks (OSG-Distorsion)
- Außenbandruptur
- Supinationstrauma („Umknicktrauma“ in Supination und Adduktion ): Am häufigsten ist das Lig. talofibulare anterius betroffen
- Innenbandruptur: Isolierte Rupturen sehr selten
- „Umknicktrauma“ in Pronation
- Außenbandruptur
Klassifikation der Außenbandruptur [2] | Grad I | Grad II | Grad III | |
---|---|---|---|---|
Verletzung | Zerrung | Partialruptur | Komplettruptur | |
Bewegungseinschränkung | Keine | 5–10° | >10° | |
Instabilität | Taluskippung | - | - | + |
Talusvorschub | - | + | + | |
Schwellung | Leicht | Mäßig | Stark |
- Klinik
- Weichteilschwellung, Bewegungseinschränkung, Hämatom
- Druckschmerz über dem Verlauf der Bänder
- Seitliche Aufklappbarkeit, Talusvorschub im Seitenvergleich erhöht
- Humpelndes Gangbild
- Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: pDMS, Tasten des Bandverlaufes, Druck auf das Caput fibulae zum Ausschluss einer hohen Weber-C-Fraktur, Untersuchung angrenzender Gelenke
-
Röntgen: Sprunggelenk in 2 Ebenen (a.p. in 20° Innenrotation und seitlich)
- Ausschluss einer Fraktur bzw. einer knöchernen Beteiligung
- Beurteilung möglicher knöcherner Kapsel-/Bandausrisse
- Ottawa Ankle Rules [3]
- Röntgen empfohlen bei
- Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenkes und
- Druckschmerz am Malleolus lateralis oder
- Druckschmerz am Malleolus medialis oder
- Unfähigkeit, aufzutreten (sowohl direkt posttraumatisch als auch in der Notaufnahme)
- Schmerzen im Bereich des Mittelfußes und
- Druckschmerz an der Basis des Os metatarsale V oder
- Druckschmerz am Os naviculare oder
- Unfähigkeit, aufzutreten (sowohl direkt posttraumatisch als auch in der Notaufnahme)
- Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenkes und
- Röntgen empfohlen bei
- Therapie der OSG-Distorsion
- Konservativ-funktionell
- Indikation: Standard für alle Bandrupturen des OSG, prinzipiell ambulante Durchführung [4]
- Sofort: Ruhe, Kühlung, Kompression, Hochlagerung (PECH-Regel)
- Im Verlauf
- Bei starken Schmerzen und/oder Instabilität: Sprunggelenkorthese für mind. 5 Wochen, evtl. Unterschenkelgips für wenige Tage
- Schmerzadaptierte Vollbelastung
- Thromboseprophylaxe bei Ruhigstellung im Unterschenkelgips und/oder Entlastung an Unterarmgehstützen
- Niedermolekulare Heparine
- Alternative: UFH
- Analgesie und abschwellende, antiphlogistische Medikation
- Physiotherapie
- Mit Orthese: Isometrische Übungen
- Nach Abnahme der Orthese: Koordinationsschulung, Muskelkräftigung (v.a. der Peroneusgruppe), Eigenreflexschulung durch propriozeptives Training auf dem Therapiekreisel
- Verhaltensempfehlungen
- Sport: I.d.R. nach 12 Wochen uneingeschränkt möglich
- Autofahren: Frühestens nach Abnahme der Orthese
- Operativ
- Indikation
- Außenbandruptur: Nur in Ausnahmefällen
- Innenbandruptur: Nur bei Repositionshindernis durch die Bandstümpfe [4]
- Verfahren: Direkte Bandnaht, ossäre Reinsertion oder primärer Bandersatz
- Nachbehandlung
- Gespaltener Unterschenkelgips für 3–5 Tage, dann Sprunggelenkorthese für 5 Wochen
- Physiotherapie (gleiches Schema wie bei konservativer Therapie)
- Regelmäßige Wundkontrollen und Fadenentfernung nach ca. 10–12 Tagen
- Uneingeschränkte Sportfähigkeit nach ca. 10–12 Wochen postoperativ
- Indikation
- Konservativ-funktionell
- Differenzialdiagnosen
- Komplikationen: Allgemeine Risiken bei Immobilisation des oberen Sprunggelenks
- Druckstellen im Stützverband
- Einsteifung des Gelenks
- Thrombose und Lungenembolie
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS, Morbus Sudeck)
- Prognose
- I.d.R. folgenlose Abheilung
- Bei häufigen Rezidiven evtl. bleibende Instabilität → Rekonstruktion per Bandplastik (z.B. Periostlappenplastik)
- Wichtig: Rezidivprophylaxe mit adäquatem Training der Propriozeptoren
Bei Sprunggelenksdistorsionen sollten immer auch die angrenzenden Gelenke und insb. der Fuß klinisch untersucht werden. Bei Druckschmerz über dem Os metatarsale V muss eine zusätzliche Röntgendiagnostik des Fußes veranlasst werden!
Verletzungen der Muskulatur
Muskelkater
- Definition: Schmerzhaftes Spannungsgefühl der Muskulatur 1–2 Tage nach (zu) hoher sportlicher Belastung
- Auftreten: Vor allem bei Bewegungen mit hohen Bremskräften: Bergabgehen, exzentrisches Krafttraining, Sprungkrafttraining, Sportarten mit vielen Richtungswechseln
- Pathophysiologie
- Laktatansammlung spielt nach heutigem Kenntnisstand keine Rolle(!)
- Mikroverletzungen (kleinste Risse) v.a. im Bereich der Z-Scheiben
- Krafttraining → Reizung im Bereich der Z-Scheiben = Hypertrophiereiz
- Wenn Belastung (und damit die Entzündungsreaktion im Bereich der Z-Scheiben) zu hoch → Weniger Muskelwachstum, da zu viele Reparaturvorgänge
- Ödem in der Muskulatur bedingt Schmerz und Steifigkeit
- Klinik
- Bewegungsschmerz, Druckschmerz, Dehnungsschmerz; Schmerzmaximum nach 1–3 Tagen
- Muskelsteifigkeit, Spannungsgefühl
- Besserung durch Anregung der Durchblutung (z.B. durch "Aufwärmen")
- Diagnostik: Palpation, Dehnung
- Therapie: Der Muskelkater ist die einzige "Sportverletzung", bei der Wärme und Durchblutungsförderung prinzipiell von Vorteil sind
- Keine Ruhigstellung(!)
- Radfahren, Joggen, Aquajogging bei leichter Intensität
- Wärme (Sauna)
- Vorsichtiges passives Dehnen
- Prognose: Spontane Abheilung i.d.R. nach max. 1 Woche
Muskelzerrung
- Definition: Eine Muskelzerrung entsteht, wenn ein Muskel übermäßig gedehnt wurde, i.d.R. durch eine Fehl- oder Überbelastung
- Klinik
- Therapie
- Konservativ: Schonung über einige Tage, lokale Kühlung
- Prognose: Spontane Erholung des Muskels i.d.R. innerhalb von 4–6 Tagen
Muskelfaserriss
- Definition: Muskelverletzung mit Kontinuitätsunterbrechung einzelner Muskelfaseranteile (anatomisch: Ruptur von Sekundärbündeln = "Fleischfasern" ). Meist im Bereich des muskulotendinösen Überganges.
- Ätiologie: Längsdehnung der Muskulatur während einer aktiven Kontraktion über die Elastizitätsgrenze hinaus
- Klassifikation
Grad | Ausprägung |
---|---|
I | Einzelne Muskelfasern gerissen, Faszie intakt |
II | >5% der Muskelfasern gerissen, lokales Hämatom |
III | Zahlreiche Muskelfasern gerissen, Teilruptur der Faszie, diffuse Einblutung |
IV | Kompletter Riss von Muskel und Faszie |
- Klinik : Akutes Auftreten oft am Ende einer Belastung
- Tastbare Delle
- Evtl. Hämatom
- Druckschmerz, Dehnungsschmerz
- Spannungsgefühl
- Schmerzbedingte Unfähigkeit der Muskelbelastung
- Diagnostik: Palpation(!), Sonografie, MRT
- Therapie
- Sofort: Kompression und Kühlung
- In der Folge: Ruhigstellung im kühlenden Salbenverband für 24–48 h, evtl. Punktion des Hämatoms nach 12–24 h
- Sportfähigkeit beschwerdeabhängig; langsame Belastungssteigerung
Akutmaßnahmen bei Sportverletzungen
- PECH-Regel: „PECH“ = Pause → Eis → Compression → Hochlagern. Maßnahmen zur Akutbehandlung leichter Sportverletzungen, die ohne Verzögerung nacheinander durchgeführt werden sollten.
- Vorgehen
- Pause
- Jegliche Belastung sofort unterbrechen, sonst evtl. Verschlechterung und Heilungsverzögerung
- Eis
- Kühlung für 20–30 min, dann Unterbrechung für max. 90 min
- Eis nicht direkt auf die Haut! → Gefahr der lokalen Erfrierung!
- Compression
- Ruhigstellung in schmerzarmer Position
- Elastischer Bindenverband herzwärts gewickelt
- Ändert sich der Schmerzcharakter (klopfend, pulsierend) → Verband evtl. zu eng wegen zunehmender Schwellung → Entfernen und nach 5–10 min neu anlegen
- Keine Tape-Verbände in den ersten 12–24 h!
- Hochlagerung
- Extremität über Herzhöhe lagern
- Pause
- Vorgehen
- Außerdem: Für mind. 24 h nach Verletzung kein Alkohol; keine durchblutungsfördernden Maßnahmen wie Sauna, warme Bäder, hyperämisierende Salben
AMBOSS-Podcast zum Thema
Einblicke in die Sportmedizin: Wander- und Surfverletzungen (August 2020)
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Patienteninformationen
- Sprunggelenkverstauchung
- Handgelenksverletzungen
- Knieprellung
- Muskelzerrung und Muskelfaserriss
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M62.-: Sonstige Muskelkrankheiten
- M62.6-: Muskelzerrung [0–9]
- T14.6: Verletzung von Muskeln und Sehnen an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
- Abriss
- Riss
- Schnittverletzung
- Traumatische Ruptur
- Verletzung
- Verstauchung
- Zerrung
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- 0 Mehrere Lokalisationen
- 1 Schulterregion
- 2 Oberarm
- 3 Unterarm
- 4 Hand
- 5 Beckenregion und Oberschenkel
- 6 Unterschenkel
- 7 Knöchel und Fuß
- 8 Sonstige
- 9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.