Zusammenfassung
Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das aufgrund seiner hohen Kontrastauflösung besonders geeignet ist, Weichteilstrukturen und Nervengewebe detailliert darzustellen und zu beurteilen. Im Gegensatz zur Computertomografie (CT) arbeitet die MRT nicht mit Röntgenstrahlen oder anderen ionisierenden Strahlen, sondern mit einem starken Magnetfeld. Bei dieser Untersuchungsmethode sind keine Langzeitschäden bekannt, allerdings ist die MRT durch eine vergleichsweise längere Untersuchungsdauer gekennzeichnet. Zu beachten ist weiterhin, dass ferromagnetische Metalle mit dem Magnetfeld interagieren können, weshalb Patient:innen mit bestimmten Körperimplantaten keine MRT-Untersuchung erhalten dürfen. Besondere Vorteile hat die MRT in der erweiterten Schlaganfalldiagnostik, da Infarktgewebe früher dargestellt und Risikogewebe besser beurteilt werden kann als in der CT.
Indikation
Die MRT wird zur Darstellung und Beurteilung insb. von Weichgewebestrukturen genutzt und häufig bei der Differenzialdiagnostik von Erkrankungen, insb. auch bei der Tumordiagnostik, eingesetzt.
- Diagnostik von Weichgewebe, bspw. bei
- Gefäßveränderungen oder Durchblutungsstörung
- Muskelverletzungen
- Weichgewebetumoren
- Entzündungsreaktionen
- Bandverletzungen
- Diagnostik neuronaler Strukturen, bspw. bei
- Schlaganfällen
- Demenz
- Chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Multiple Sklerose
- Diagnostik knorpeliger Strukturen, bspw. bei
- Bandscheibenprolaps
- Beginnender Arthrose oder intraartikulären Verletzungen
- Diagnostik knöcherner Strukturen, bspw. bei
- Metastasen oder malignen Knochentumoren
- Osteonekrosen
- Knochenmarködem (Bone Bruise)
- Diagnostik von Flüssigkeiten, bspw. bei
- Gelenkerguss oder Perikarderguss
- Intrazerebraler Blutung
- Entzündungen
Die MRT ist insb. zur Beurteilung von Weichteilstrukturen und Nervengewebe geeignet!
Kontraindikation
Absolute Kontraindikationen [1][2][3][4]
- Ferromagnetische Metalle: Bspw. Eisen, Nickel oder Cobalt
- Ggf. Wechselwirkung mit dem Magnetfeld des MRT
- Metallclips
- Metallsplitter in kritischer Lokalisation
- Nicht-abnehmbare Piercings
- Medizinische Implantate: Verletzungsgefahr durch Materialerwärmung oder -bewegung bzw. Funktionsverlust , bspw.
- Herzschrittmacher, Defibrillatoren, Neurostimulatoren
- Insulinpumpen
Relative Kontraindikationen [1][2][3][4]
- Nicht-ferromagnetische Metalle: Bspw. Titan, Gold oder Silber
- Keine Wechselwirkung mit dem Magnetfeld des MRT
- Ggf. Funktionsverlust der Implantate
- Medizinische Implantate
- Gewebeexpander bspw. zur Brustaugmentation oder Narbenkorrektur
- Intrauterinpessar [5]
- Cochlea-Implantate
- Individuelle Parameter
- Klaustrophobie, starke Schmerzen und Unruhe
- Dyspnoe, Pollakisurie
- Starkes Mehrgewicht
- Traditionelle Tattoos und Permanent Make-up
- Dunkle Tätowierfarben können bspw. Eisenoxid enthalten
- Verletzungsgefahr durch Erwärmung bis zur Verbrennung der Haut
- Schwangerschaft, siehe auch: MRT während der Schwangerschaft
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Technischer Hintergrund
Physikalische Grundlagen
- Kernspin: Kreiselähnlicher Eigendrehimpuls eines Atomkerns um seinen Schwerpunkt
- Abhängig von der Massenzahl
- Gerade Massenzahl
- Ungerade Massenzahl : Halbzahliger Kernspin
- Abhängig von der Umgebung (Bindung)
- Drehfrequenz typisch für ein Element
- Entstehung eines magnetischen Momentes (Kerndipolmoment)
- Variable Ausrichtung
- Abhängig von der Massenzahl
- Magnetfeld B0: Magnetische Flussdichte einer MRT
- Feldstärke: Angabe in Tesla (T)
- Ausrichtung: Meist parallel zur Längsachse
- Ausrichtung der Kernspins im Magnetfeld
- Häufiger parallele als antiparallel Ausrichtung zur Längsachse
- Vektorsumme der überschüssigen Kernspins: Makroskopische Magnetisierung M
- Parallel zum statischen Magnetfeld: Gleichgewichtszustand M0
- Protonenanzahl↑ = Magnetisierung↑
- Präzession: Zusätzliche Rotation eines bereits rotierenden Körpers unter dem Einfluss einer Drehimpulsänderung
- Larmor-Frequenz: Geschwindigkeit der Präzessionsbewegung der Kernspins
- Abhängig von Kernart und Magnetfeldstärke
- Larmor-Gleichung: ω = B0 × γ
- ω = Larmor-Frequenz in MHz, B0 = Stärke des Magnetfelds in Tesla, γ = gyromagnetisches Verhältnis der Kerne (Konstante spezifisch für ein Teilchen oder Kern), bspw. 42,6 MHz/T für 1H oder 10,7 MHz/T für 13C
- Bspw. Magnetfeld von 1,5 T: Larmor-Frequenz von Protonen = ca. 63,9 MHz
- Phase: Zeitliche Verschiebung von Kernspins
Prinzip der MRT [1][6][7]
Anregung der Protonen
- Ausgangslage: Protonen befinden sich im Gleichgewichtszustand M0
- HF-Impuls: Auslenkung der Kernspins durch einen Hochfrequenzimpuls
- Impuls: Larmor-Frequenz der Protonen
- Größte Auslenkung: HF-Impuls senkrecht zum Magnetfeld B0
- Kernspinresonanz: Effekt, bei dem Atomkerne elektromagnetische Wechselfelder eines externen Magnetfelds absorbieren oder emittieren und darauf mit einer Auslenkung ihrer Eigendrehimpulse (Kernspins) reagieren
Relaxation
- Longitudinale Relaxation: MZ↑
- T1-Zeitkonstante: Erreichen von 63% (1 - 1/e) der ursprünglichen Längsmagnetisierung
- Dauer: 0,5–5 s
- Spin-Gitter-Relaxation: Abgabe der durch den HF-Impuls aufgenommenen Energie an die Umgebung (sog. „Gitter“)
- Transversale Relaxation: MXY↓
- T2-Zeitkonstante: Absinken auf 37% (1/e) der zuvor erzeugten der Quermagnetisierung
- Dauer: 0,1–0,3 s
- Spin-Spin-Relaxation: Abnahme der Quermagnetisierung
- T2*-Zeit: Kürzer als T2 durch zusätzlichen Verlust an Quermagnetisierung
- Longitudinale und transversale Relaxation: Unabhängige Prozesse
- T1-Zeit > T2-Zeit > T2*-Zeit
Häufige Sequenzen
- FLAIR-Sequenz : Unterdrückung des MR-Signals von Flüssigkeiten, um andere Gewebe besser darzustellen
- Verlängerung der T1-Zeit durch einen vorgeschalteten Impuls
- Anwendung: Insb. Neuroradiologie
- STIR-Sequenz : Unterdrückung des MR-Signals von Fettgewebe
- Neutralisierung des Signals von Fettgewebe zum Zeitpunkt des HF-Impulses
- Anwendung: Insb. bei orthopädischen Fragestellungen
- DWI-Sequenz : Darstellung von Gewebe mit eingeschränkter Diffusion
- Anwendung: Insb. bei der Diagnostik des Schlaganfalls
- PWI-Sequenz : Darstellung von Gewebe mit eingeschränkter Perfusion
- Intravenöse Injektion eines Kontrastmittelbolus, um die Gewebeperfusion besser darzustellen
- Anwendung: Insb. bei der Diagnostik des Schlaganfalls
Vorbereitung
- Rechtfertigende Indikation
- Aufklärung
- Siehe auch: Aufklärungspflicht
- Siehe auch: Magnetresonanztomografie - Kontraindikationen
- Labor: Messung der eGFR bei Gabe eines Kontrastmittels (KM)
- Kontrastmittelgabe, bspw. Gadolinium [8][9][10]
- Wirkprinzip
- Stark paramagnetisch
- Dosisabhängiger Effekt
- Keine Durchlässigkeit für die Blut-Hirn-Schranke [11]
- Präparate: Wenn möglich Verwendung von Niedrigrisiko-Kontrastmittelpräparaten mit makrozyklischen Verbindungen
- Dosis: 0,1–0,3 mmol/kgKG i.v.
- Typische Indikation, bspw.
- Darstellung von Gefäßen
- Diagnostik von Tumoren
- Diagnostik von Entzündungen oder Infektionen
- Diagnostik neuronaler Strukturen
- Kontraindikation bei elektiven Untersuchungen
- Schwere Niereninsuffizienz (eGFR <30 mL/min)
- Dialysepflichtigkeit
- Schwangerschaft
- Allergische Reaktion auf Gadolinium in der Vorgeschichte
- Notfalluntersuchung bei vorliegenden Kontraindikationen
- Möglichst geringe Dosierung
- Ggf. Abstimmung mit Hämodialysezeitpunkt
- Komplikationen [12]
- Nephrogene systemische Fibrose: Progressive Fibrosierung des Bindegewebes bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz nach Gadolinium-Gabe
- Kontrastmittelassoziierte akute Nierenschädigung
- Allergische Unverträglichkeitsreaktion
- Extravasaler KM-Austritt
- Neuronale Ablagerung: Ablagerung bzw. Retention in Strukturen des ZNS
- Unklare Auswirkungen
- Zulassungsbeschränkung: Rote-Hand-Brief 01/2018 hinsichtlich der Sicherheitsbedenken und Empfehlungen [13]
- Wirkprinzip
Interpretation/Befund
- Schnittebenen [14]
- Axiale Ebene: Anatomische Transversalebene
- Koronare Ebene: Anatomische Frontalebene
- Sagittalebene: Anatomische Sagittalebene
- Betrachtungsweise: Blick von kaudal auf axiale Schnittebene
- Signalintensität: Charakteristisch für Gewebeart und Pathologie
- Hyperintens = Signalstark → Erscheint hell
- Hypointens = Signalarm → Erscheint dunkel
- Isointens = Gleiche Signalstärke wie ein Vergleichsgewebe
Typische Beispiele für die Signalintensität der T1- und T2-Wichtung in der MRT | ||
---|---|---|
Wichtung | Hyperintens | Hypointens |
T1-Wichtung |
| |
T2-Wichtung |
|
|
*Beispiel: Eine Bandruptur würde sich als Diskontinuität und in der T2-Wichtung zusätzlich mit einer Signalanhebung infolge des Umgebungsödems zeigen |
Sich bewegende Flüssigkeiten (z.B. Blut, Liquor) erscheinen in der T1- und T2-Wichtung dunkel, da es bei ausreichender Geschwindigkeit zu einer Signalauslöschung (sog. Flow Voids) kommt!
In der T1-Wichtung stellt sich Wasser hypointens dar, in der T2-Wichtung ist es hyperintens!
Merksprüche: „T1 und T2 ist wie Schwarz-Weiß-Sehen von Flüssigkeiten“ und „H2O ist in T2 hyperintens (hell)“ oder „viele Engländer:innen trinken schwarzen Tee mit Milch: Der Tee ist anfangs schwarz (T1) und wird durch die Milch (T2) weiß“!
AMBOSS-Video zur MRT-Befundung:
Alternative Methoden
Magnetresonanzspektroskopie
- Abkürzungen: MR-Spektroskopie, MRS
- Definition: Verfahren, das den Spin von Protonen in unterschiedlichen Bindungen registrieren kann, und so Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und den Metabolismus des Gewebes gezogen werden können
- Hintergrund
- In der „normalen“ MRT-Bildgebung, wie sie oben beschrieben ist, werden nur Resonanzen aus dem Frequenzspektrum registriert, in dem sich die Spinfrequenz der Wasserstoffkerne befindet
- Bei der MR-Spektroskopie wird der Frequenzbereich ausgedehnt
- Es können auch die Spins von anderen Atomkernen registriert werden wie Kohlenstoff und Phosphor sowie der Spin von Wasserstoffkernen, die sich in anderen Bindungen befinden
- Da der Spin der Atomkerne, wie bei der „normalen“ MRT auch, davon beeinflusst wird, welche Bindungen die Atome eingegangen sind, können auf diese Weise quantitative Aussagen über die Substanzen in einem bestimmten untersuchten Gewebe getroffen werden
- Formen
- 1H-MRS = Protonenspektroskopie
- 31P-MRS = Phosphor-MRS
Protonenspektroskopie [15]
Durchführung
- Signal von Protonen in H2O-Bindung und Fetten wird unterdrückt
- Signal von Protonen in anderen chemischen Bindungen kann registriert werden
- Gängige Substanzen
- N-Acetylaspartat (NAA)
- Kreatin/Phosphokreatin (Cr)
- Cholinhaltige Verbindungen (Cho)
- Citrat
Anwendungsgebiete
- Protonenspektroskopie des Gehirns [16]
- Physiologisch
- Höchster Peak: N-Acetylaspartat
- Zweithöchster Peak: Kreatin/Phosphokreatin
- Dritthöchster Peak: Cholinhaltige Verbindungen
- ZNS-Tumoren
- Cholin-Peak häufig erhöht
- NAA-Peak meist erniedrigt
- Physiologisch
- Protonenspektroskopie der Prostata [17][18]
- Physiologisch
- Höchster Peak: Citrat
- Zweithöchster Peak: Cholinhaltige Verbindungen
- Prostatakarzinom: Erhöhung des Cholin-Peaks bei Abnahme des Citrat-Peaks
- Physiologisch
MRT während der Schwangerschaft
- Aktuell keine klaren Leitlinien
- Rechtfertigende Indikationsstellung
- Ohne Kontrastmittel: Wahrscheinlich unbedenklich
- Mit Gadolinium-Kontrastmittel: Ggf. erhöhtes fetales Risiko
- Siehe auch: Magnetresonanztomografie - Vorbereitung
Die Unbedenklichkeit einer MR-Untersuchung bei Schwangeren wurde bisher nicht eindeutig bewiesen, daher sollte die Untersuchung nur unter strenger Indikationsstellung durchgeführt werden!