Zusammenfassung
Für einen optimalen Stoffwechsel sollte die Körperkerntemperatur zwischen 36 und 37 °C liegen. Kommt es zu einer starken Kälteeinwirkung (bspw. durch kühle Außentemperaturen, Nässe), versucht der Körper zunächst durch Regulationsmechanismen wie Kreislaufzentralisierung und Kältezittern die Temperatur aufrecht zu halten. Sind diese Regulationsmechanismen jedoch nicht mehr ausreichend und kann der Kälte nicht ausgewichen werden, kann es zu einer Unterkühlung (Hypothermie) und Erfrierungen kommen. Eine schwere Hypothermie ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, da sie mit Herzrhythmusstörungen einhergehen kann. Therapeutisch steht eine Wiedererwärmung (von zentral nach peripher) im Vordergrund. Leichte Erfrierungen sind reversibel, in schweren Fällen ist jedoch eine Amputation erforderlich.
Pathophysiologie
- Reaktionen des Körpers auf Kälte
-
Zentralisierung des Kreislaufs durch periphere Vasokonstriktion
- Hierdurch kann es zu Erfrierungen kommen
- Kältezittern
- I.d.R. wenn möglich Verhaltensänderung (Verlassen des Schwimmbeckens, wärmere Kleidung)
- Bleibt dies aus (bspw. da Verlassen der Situation nicht möglich oder Situation falsch eingeschätzt), können die wärmeerzeugenden Mechanismen des Körpers nicht mehr zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur ausreichen → Hypothermie
-
Zentralisierung des Kreislaufs durch periphere Vasokonstriktion
- Folgen einer Hypothermie (u.a.)
- Sauerstoffverbrauch sinkt um ca. 6% pro 1 °C Abnahme der Körperkerntemperatur
- Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve → Verminderte Sauerstoffabgabe in die Zellen
- Schwächung der zellulären Immunabwehr
- Blutgerinnung↓
Hypothermie
Definition [1][2][3]
- Hypothermie: Abfall der Körperkerntemperatur auf unter 35 °C
- Akzidentelle Hypothermie: Unbeabsichtigter Abfall der Körperkerntemperatur auf unter 35 °C [1]
- Therapeutische Hypothermie: Bewusst herbeigeführter Abfall der Körperkerntemperatur auf unter 35 °C [4]
- Siehe auch: Postreanimationstherapie
Ätiologie [5]
- Exposition in kühler/feuchter Umgebung
- Unfälle in Eis und Schnee
- Längerer Aufenthalt im Wasser
- Längerer Aufenthalt im Freien, bspw. bei Obdachlosigkeit oder bestimmten Hobbys/Freizeitsport
- Risikogruppen: Exponierte Berufsgruppen, extreme Altersgruppen (Ältere, Kinder ) [1]
- Gestörte Wärmeregulation
- Intra-/postoperativ: Siehe perioperative Hypothermie [6]
- Neurologische Ursachen: Störungen des Hypothalamus, komplettes Querschnittsyndrom, Schädel-Hirn-Trauma, Subarachnoidalblutung, Hirninfarkt, Parkinson-Syndrom
- Endokrine Ursachen: Hypothyreose, Hypoglykämie, Störungen der hypothalamischen Achse (Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypophyseninsuffizienz)
- Intoxikation: Alkohol, Drogen oder Medikamente
- Andere Ursachen: Verbrennungen, Unterernährung, Polytrauma, Sepsis, Schock, Immobilität, Leber- oder Niereninsuffizienz
Symptome/Klinik
Klinik und Klassifikation der Hypothermie [1][2][3][5][7] | ||
---|---|---|
Körperkerntemperatur | Stadium | Symptomatik |
32–35 °C |
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28–32 °C |
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24–28 °C |
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<24 °C |
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— |
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Ab einer moderaten Hypothermie können lebensbedrohliche Arrhythmien auftreten!
Bei einer Körperkerntemperatur <32 °C ist zudem das Auftreten eines paradoxen Wärmegefühls möglich, bei dem Betroffene sich bspw. entkleiden (sog. „Kälteidiotie“)!
Die Reihenfolge der klinischen Symptome kann variieren, daher sind die Vitalparameter immer in Zusammenschau mit der Körperkerntemperatur zu beurteilen! [5]
Diagnostik
Präklinische Diagnostik [5][8]
- Eigenschutz sicherstellen!
- Gefährdung insb. bei Unfällen in Eis und Schnee oder Gewässern beachten
- Aggressivität durch Hypothermie sowie evtl. Intoxikation möglich, siehe auch: Fremdaggressives Verhalten - AMBOSS-SOP
- Lebenszeichen prüfen (bis zu 1 min )
- Besonderheiten bei Hypothermie
- Puls oft langsam, unregelmäßig, fadenförmig
- Blutdruck oft sehr niedrig, kaum messbar
- Bei vorhandenen Lebenszeichen: Bewusstsein prüfen
- Bei Bewusstsein: Vorgehen nach cABCDE-Schema
- Bei Bewusstlosigkeit bzw. Bewusstseinsstörung mit spontaner Atmung: Vorgehen nach cABCDE-Schema, Intubation oder stabile Seitenlage
- Bei fehlenden Lebenszeichen: Reanimation bei Hypothermie
- Besonderheiten bei Hypothermie
- Anamnese
- Bspw. nach dem SAMPLE-Schema
- Umfeldinspektion: Hinweise auf weitere Ursachen für Bewusstseinsstörung (bspw. Drogen-/Alkoholkonsum)
- Siehe auch: Akute Alkoholintoxikation
- Hypothermie-Stadium diagnostizieren
- Erhebung der Vitalparameter: Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, evtl. Sauerstoffsättigung
- Goldstandard: Möglichst EKG-Messung mittels Monitor
- Befund: Ggf. Bradykardie, Herzrhythmusstörungen (bspw. Kammerflimmern)
- Alternativ: Puls tasten an zentralen Arterien
- Goldstandard: Möglichst EKG-Messung mittels Monitor
- Erhebung der Glasgow Coma Scale [1]
- Erhebung der Körpertemperatur
- Fühlen: Ein sich kalt anfühlender Körperstamm ist beweisgebend für eine Hypothermie, wenn eine Temperaturmessung nicht möglich ist!
- Messen: Während Wiedererwärmung und ggf. Reanimation sollte stets die gleiche Temperaturmessmethode verwendet werden
- Goldstandard
- Bei Intubierten: Ösophagus [9]
- Bei Nicht-Intubierten: Gehörgang [5]
- Alternativen: Berührungslose Messung an der Stirn mit Infrarotthermometern unzuverlässig, Messung in Blase oder Rektum hat an Bedeutung verloren
- Goldstandard
- Beurteilung: Siehe Klinik und Klassifikation der Hypothermie
- Erhebung der Vitalparameter: Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, evtl. Sauerstoffsättigung
- Kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter
- 3-Kanal-EKG
- Nicht-invasive Blutdruckmessung
- Pulsoxymetrie (falls möglich)
- Temperatur
- GCS
- Blutzucker-Messung
- Stadium I: Leichte Hyperglykämie
- Höhere Stadien: Eher Hypoglykämie
Bei Hypothermie können Lebenszeichen leicht übersehen werden!
Klinische Diagnostik [5][10]
- 12-Kanal-EKG
- Kontinuierliches Monitoring, ggf. erweitertes hämodynamisches Monitoring
- Invasive Blutdruckmessung: Anlage eines arteriellen Katheters
- ZVD-Messung: Vorsichtige ZVK-Anlage, möglichst herzfern
- Arterielle BGA
- Befund: Hypoxämie, metabolische Azidose, Elektrolytverschiebung (insb. droht Hyperkaliämie bei Wiedererwärmung, stündlich kontrollieren!)
- Beachte: Zur Beurteilung der Blutgase keine Korrektur entsprechend der Temperatur vornehmen
- Labor
- Kleines Blutbild, Elektrolyte, Gerinnungsparameter
- Je nach Situation zusätzlich bspw. toxikologisches Screening, TSH
- Wiederholte Abnahme von Blutkulturen
- Bilanzierung: Anlage eines Blasenkatheters
- Dringliche Ursachenabklärung: Entlang der zusätzlichen Notfall-Leitsymptome gemäß cABCDE-Schema, z.B.
- Bei quantitativer Bewusstseinsstörung: Ursachenabklärung gemäß Vigilanzminderung - AMBOSS-SOP
- Bei evidentem Schädel-Hirn-Trauma mit/ohne Polytrauma gemäß: Klinische Primärversorgung beim Polytrauma
Eine Hypothermie tritt oft infolge eines anderen Problems auf, bspw. durch eine Bewusstseinsstörung bei Alkoholintoxikation. Die strukturierte notfallmäßige Ursachenabklärung ist darum essenziell!
Therapie
- Ziele: Sicherung der Vitalfunktionen, möglichst bewegungsarmer Transport ohne weiteren Wärmeverlust
- Bei Unfallopfern oder Trauma-Verdacht (bspw. Skiunfall, Lawinenunglück)
- Immobilisation der Wirbelsäule: Bei Bewusstlosigkeit, neurologischen Defiziten oder Schmerzangabe im Bereich der Wirbelsäule
- Bei Bewusstlosigkeit ohne Atmung siehe: Vorgehen bei Kreislaufstillstand durch Hypothermie
- Atemwegssicherung: Insb. ab Stadium II zu beachten
- Indikation: Bei GCS <9 Sedierung und rasche Intubation [5]
- Durchführung: Siehe Rapid Sequence Induction - AMBOSS-SOP
- Sauerstoffgabe
- Indikation: Spontanatmung
- Durchführung: Sauerstoff-Nasenbrille oder besser Sauerstoffmaske, Flussrate 6 L/min, ggf. Einlage eines Wendl-Tubus
- Lagerung: Insb. ab Stadium II zu beachten
- Aktive und passive körperliche Bewegung reduzieren
- Vorsichtig horizontal lagern auf Trage/Matten etc.
- Entfernen kalter oder nasser Kleidung (bevorzugt aufschneiden statt ausziehen, um zusätzliche Bewegungen zu vermeiden), vorsichtiges Abtrocknen
- Weiteres Vorgehen je nach Stadium
- Stadium I: Transport ins nächstgelegene Krankenhaus
- Stadium II–IV
- Auswahl des geeigneten Krankenhauses je nach klinischem Zustand
- Schockraumaktivierung
- Transportmittel: In schlecht zugänglichen Lagen bevorzugt mittels Hubschrauber
Ein zügiger Transport sollte durch Maßnahmen zur Wiedererwärmung nicht verzögert werden!
Die Auswahl des Krankenhauses muss sich nach dem Schweregrad der Hypothermie und den dafür benötigten Therapieoptionen richten! [10]
Wiedererwärmung [5]
- Vorgehen: Richtet sich nach Klinik und Klassifikation der Hypothermie
- Stadium I: Aktive Bewegung, falls möglich (andernfalls Bewegung vermeiden), Gabe warmer und zuckerhaltiger Getränke, passive Wiedererwärmung
- Stadium ≥II und hämodynamisch stabil: Bewegung vermeiden, passive Wiedererwärmung, aktive Wiedererwärmung
- Stadium ≥III und/oder hämodynamisch instabil : Behandlung wie bei Stadium ≥II, jedoch in einem Zentrum mit Möglichkeit der ECLS (veno-arterielle ECMO) oder Herz-Lungen-Maschine [10]
- Herzstillstand: Wiedererwärmung bevorzugt mittels ECLS (veno-arterieller ECMO) oder Herz-Lungen-Maschine [10]
- Falls dies nicht möglich ist: Maßnahmen zur aktiven Wiedererwärmung, Körperhöhlen-Lavage [1]
- Geschwindigkeit der Wiedererwärmung: Abhängig von angewandter Methode (bspw. passive Wiedererwärmung: 0,5–2,0 °C pro Stunde, ECMO: 6–8 °C pro Stunde)
Passive Wiedererwärmung (passive externe Wiedererwärmung)
- Indikation: Akzidentelle Hypothermie Stadium I bei vormals gesunden Personen (primäre Hypothermie)
- Durchführung
- Zudecken, bspw. mit Wolldecken oder Rettungsdecke
- Ganzkörperisolation
- Warme Umgebung, Schutz vor Zugluft
- Kopf bedecken (Mützen)
Präklinisch sollten insb. passive Maßnahmen zur Wiedererwärmung ergriffen werden (weniger Zeitverlust und verminderte Gefahr von Komplikationen, bspw. „Afterdrop“). [11]
Aktive Wiedererwärmung
- Indikation: Akzidentelle Hypothermie ≥Stadium II bei vormals gesunden Personen (primäre Hypothermie)
- Primäre Hypothermie und zusätzlich eines der folgenden Merkmale
- Kardiovaskuläre Instabilität
- Extreme Altersgruppen
- Zentralnervöse Störung
- Endokrine Störung
- Sekundäre Hypothermie
- Primäre Hypothermie und zusätzlich eines der folgenden Merkmale
- Durchführung (aktive externe und aktive minimalinvasive Wiedererwärmung)
- Warmluftdecken, bspw. Bair Hugger®
- Warme Infusionen: Kristalloide Infusionslösungen angewärmt auf 40–42 °C, bspw. Vollelektrolytlösung oder Glucose-Lösung
- Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters oder ZVK-Anlage
- Oft massiver Flüssigkeitsbedarf durch
- Vasodilatation während des Aufwärmens
- Vorhergehende Dehydratation (Kältediurese, Polyurie bis hin zur akuten Nierenschädigung) [1]
- Nutzen technischer Systeme zum Temperaturmanagement falls möglich, bspw. Level 1®
- Alternativ: Wärmestrahler, Wärmepackungen (Anwendung immer zunächst am Körperstamm!)
- Maschinelle Beatmung mit angewärmten Atemgasen
- Durchführung (aktive invasive Wiedererwärmung): ECLS, Hämodialyse, geschlossene Pleura- oder Peritonealspülung
Ab Stadium II sollte die Wiedererwärmung von außen niemals in der Peripherie begonnen werden, außerdem sollten stärkere Bewegungen vermieden werden!
Weitere Maßnahmen [5]
- Behandlung der arteriellen Hypotonie
- Durchführung: Kristalloide oder kolloidale Infusionen
- Beachte: Kein eindeutiger Zielwert empfohlen , bei Therapieversagen medikamentöse Kreislaufunterstützung mit niedrigdosierten Katecholaminen erwägen, bspw. mit Noradrenalin, siehe: Noradrenalin - Klinische Anwendung
- Behandlung von supraventrikulären Rhythmusstörungen
- Beachte: I.d.R. nicht nötig (sistieren bei adäquater Wiedererwärmung) und nicht effektiv (verminderte Wirksamkeit von Medikamenten)
- Behandlung eines gestörten Säure-Basen-Haushalts
- Durchführung: Vorsichtige Korrektur (Bikarbonatpuffer ist langsamer als bei Normothermie), Zielwerte: pH = 7,42, pCO2 = 40 mmHg
- Beachte: Lactatazidose durch Gewebehypoxie → Perfusionsdruck erhöhen
Hypothermie reduziert das Ansprechen des Herz-Kreislauf-Systems und der Organe auf Wirkstoffe! Bei einer Körperkerntemperatur <30 °C steht die Wiedererwärmung im Vordergrund, Medikamente sollten zurückhaltend verabreicht werden (Dosis↓, Dosisintervall↑)!
Reanimation bei Hypothermie [1]
- Grundsatz: Erweiterte Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation (siehe: Advanced Life Support) plus Modifikationen
- Kardiopulmonale Reanimation
- Länger reanimieren als bei Normothermie („Nobody is dead until they are warm and dead!“)
- „Scheintod“ möglich (Stadium IV)
- Gesteigerte Hypoxietoleranz der Gewebe bei Hypothermie → Auch bei einer erst spät erfolgreichen Reanimation ist noch ein gutes Outcome möglich!
- Falls keine kontinuierliche CPR möglich ist (bspw. bei Bergung von einer Unfallstelle)
- Körperkerntemperatur <28 °C: Abwechselnd 5 min CPR mit Pausen ≤5 min
- Körperkerntemperatur ≤20 °C: Abwechselnd 5 min CPR mit Pausen ≤10 min
- Mechanisches Thoraxkompressionsgerät: Kann als gute Alternative verwendet werden [10]
- Länger reanimieren als bei Normothermie („Nobody is dead until they are warm and dead!“)
- Katecholamingabe
- Körperkerntemperatur <30 °C: Keine Gabe von Katecholaminen
- Körperkerntemperatur 30–35 °C: Verdoppelung des Intervalls zwischen den Katecholamingaben von 3–5 auf 6–10 min
- Körperkerntemperatur >35 °C: Katecholamingabe gemäß Standardempfehlungen
- Siehe auch: Medikamentöse Kreislaufunterstützung - AMBOSS-SOP
- Defibrillation bei defibrillierbaren Rhythmen
- Körperkerntemperatur >30 °C: Entsprechend dem gewohnten Vorgehen der Defibrillation
- Körperkerntemperatur <30 °C: Max. 3 Defibrillationsversuche mit Standardstromstärke
- Abbruch oder Verzicht auf Reanimation
- Allgemein: Bei sicheren Todeszeichen (siehe auch: Kältetod), Gefährdung der Rettungskräfte, Vorliegen einer Patientenverfügung
- Lawinenverschüttung: Bei Verschüttungsdauer von >35 min, Asystolie und Verlegung der Atemwege durch Schnee [1][10]
- Nicht-Vorliegen dieser Kriterien: Beginn der Reanimation und Transport in Zentrum mit Möglichkeit der ECLS indiziert
- Siehe auch: HOPE-Score (Hypothermia Outcome Prediction after ECLS) in Tipps & Links [12]
Nobody is dead until they are warm and dead!
Hypothermie gehört zu den reversiblen Ursachen eines Kreislaufstillstandes (4Hs)!
Komplikation: „Afterdrop“
- Definition: Erneutes/zusätzliches Absinken der Körpertemperatur
- Auslöser: Stärkere (passive) Bewegungen oder Beginn der Wiedererwärmung in der Peripherie → Vasodilatation und Rückfluss kalten Blutes aus den Extremitäten zum Körperkern
- Folge: Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen bis hin zum Bergungstod
- Prävention: Wiedererwärmung am Körperstamm beginnen, äußerst vorsichtiger Transport und Lagerung von schwer Unterkühlten
Kälteinduzierte Verletzungen
Erfrierungen [5][13]
- Definition: Gewebeschäden, die bei einer Gewebetemperatur <0 °C auftreten [5]
- Ätiologie
- Längerer Aufenthalt in kalter Umgebung oder direkter Kontakt mit kalten Flüssigkeiten, Metallen
- Risikofaktoren: Enge Kleidung/Schuhe, Immobilisierung, vasokonstriktorische Medikamente
- Pathophysiologie: Bildung von Eiskristallen → Zellschäden, u.a. des vaskulären Endothels → Hämostase, mikrovaskuläre Thromben → Ischämie (auch bei Auftauen des Gewebes fortschreitend!) → Ödembildung, oberflächliche Nekrosen
- Klinik
- Initial oft milde Symptomatik
- Blasse Haut
- Sensibilität↓
- Im Verlauf
- Oberflächliche Erfrierungen: Erythem
- Tiefe Erfrierungen: Erythem, oberflächliche Bläschen ab Stadium II , Ödem
- Initial oft milde Symptomatik
- Diagnostik: Klassifikation der Erfrierungen
- Differenzialdiagnostik
- Kälteschäden („Non-freezing cold injury“)
- Frostbeulen (Perniones)
- Nasserfrierung
- Therapie: Möglichst in Verbrennungszentren
- Rasche Wiedererwärmung
- Aktive Wiedererwärmung: Warmes Wasserbad (37–40 °C für 15–60 min, auch bei Schmerzen fortsetzen bis zum vollständigen Auftauen!), danach vorsichtig abtrocknen
- Passive Wiedererwärmung: Warme Umgebung → Körperkerntemperatur erhöhen
- Zu vermeiden: Auftauen und erneutes Erfrieren, Reiben oder Massieren der erfrorenen Körperstellen
- Rehydrierung (insb. bei Hämostase)
- Analgesie
- Oral: NSAID, bspw. Ibuprofen
- Parenteral: Bei tiefen Erfrierungen erwägen
- Wundversorgung
- Sterile Verbände, bei Bedarf Kompressen zwischen die Zehen legen
- Topische Antiseptika
- Hochlagern der betroffenen Extremität
- Klare Blasen steril aspirieren, hämorrhagische Blasen unversehrt lassen
- Weiterführende Behandlung
- Tetanusprophylaxe
- Bei Bedarf orale Analgetika, bspw. NSAID
- Je nach Stadium beobachten und ggf. chirurgisch versorgen
- Chirurgische Versorgung
- Fasziotomie: Bei erhöhtem Gewebedruck (Hinweis: fortbestehende Zyanose nach Wiedererwärmung)
- Amputation: Bei Schäden von Subkutis, Muskeln oder Knochen erwägen
- Rasche Wiedererwärmung
Da Erfrierungen erst verspätet ihren vollen Umfang zeigen, darf eine Amputation erst bei Erreichen eines endgültigen Zustands durchgeführt werden!
Häufig liegen gleichzeitig eine Hypothermie und Erfrierungen vor. In diesen Situationen steht grundsätzlich die Therapie der Hypothermie im Vordergrund, da diese im Gegensatz zu lokalen Erfrierungen akut lebensbedrohlich sein kann!
Kälteschäden („Non-freezing cold injury“) [13]
- Definition: Gewebeschäden, die bei einem langsamen Abfall der Gewebetemperatur ohne direkte Erfrierung auftreten
- Ätiologie: Analog zu Erfrierungen
- Pathophysiologie: Abwechselnde Vasokonstriktion und -dilatation bei langsamer Unterkühlung
- Klinik: Ablauf in 4 Phasen, selten Blasenbildung
- Prä-hyperämische Phase: Blasse Haut, Sensibilitätsstörungen
- Zyanotische Phase: Schmerzen (bei Beginn der Wiedererwärmung)
- Hyperämische Phase: Schmerzen, Ödem, Erythem, Petechien, verlängerte Rekapillarisierungszeit (Stunden nach Beginn der Wiedererwärmung)
- Post-hyperämische Phase: Schmerzen, Kälteempfindlichkeit, Sensibilitätsstörungen, Hyperhidrosis (Wochen bis Monate nach Beginn der Wiedererwärmung)
- Therapie: Langsame Wiedererwärmung (Luftstrahl mit 22–27 °C)
Bei der „Non-freezing cold injury“ ist die schnelle Wiedererwärmung der betroffenen Körperteile kontraindiziert, um einen Reperfusionsschaden zu vermeiden!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Hypothermie
- T68: Hypothermie
- Inklusive: Hypothermie durch Unfall
- Exklusive: Erfrierungen (T33–T35), Hypothermie: beim Neugeborenen (P80.‑), nach Anästhesie (T88.5), nicht in Verbindung mit niedriger Umgebungstemperatur (R68.0)
- P80.-: Hypothermie beim Neugeborenen
- P80.0: Kältesyndrom beim Neugeborenen
- Schwere und gewöhnlich chronische Hypothermie in Verbindung mit Rötung von Gesicht und Akren, Ödemen, neurologischen und biochemischen Auffälligkeiten
- Exklusive: Geringgradige Hypothermie beim Neugeborenen (P80.8)
- P80.8: Sonstige Hypothermie beim Neugeborenen
- Geringgradige Hypothermie beim Neugeborenen
- P80.9: Hypothermie beim Neugeborenen, nicht näher bezeichnet
- P80.0: Kältesyndrom beim Neugeborenen
- R68.-: Sonstige Allgemeinsymptome
- R68.0: Hypothermie, nicht in Verbindung mit niedriger Umgebungstemperatur
- Exklusive: Erfrierungen (T33–T35), Hypothermie: beim Neugeborenen (P80.‑), nach Anästhesie (T88.5), nicht in Verbindung mit niedriger Umgebungstemperatur (R68.0), o.n.A. (akzidentell) (T68)
- R68.0: Hypothermie, nicht in Verbindung mit niedriger Umgebungstemperatur
- T88.-: Sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert
- T88.5: Sonstige Komplikationen infolge Anästhesie
- Hypothermie nach Anästhesie
- T88.5: Sonstige Komplikationen infolge Anästhesie
Erfrierung
T33.-: Oberflächliche Erfrierung
- Inklusive: Erfrierung mit Nekrosen der Oberhaut
- Exklusive: Oberflächliche Erfrierung mit Beteiligung mehrerer Körperregionen (T35.0)
- T33.0: Oberflächliche Erfrierung des Kopfes
- T33.1: Oberflächliche Erfrierung des Halses
- T33.2: Oberflächliche Erfrierung des Thorax
- T33.3: Oberflächliche Erfrierung der Bauchdecke, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- T33.4: Oberflächliche Erfrierung des Armes
- Exklusive: Oberflächliche Erfrierung des Handgelenkes und der Hand, isoliert (T33.5)
- T33.5: Oberflächliche Erfrierung des Handgelenkes und der Hand
- T33.6: Oberflächliche Erfrierung der Hüfte und des Oberschenkels
- T33.7: Oberflächliche Erfrierung des Knies und des Unterschenkels
- Exklusive: Oberflächliche Erfrierung der Knöchelregion und des Fußes, isoliert (T33.8)
- T33.8: Oberflächliche Erfrierung der Knöchelregion und des Fußes
- T33.9: Oberflächliche Erfrierung an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen
- Oberflächliche Erfrierung:
- Bein o.n.A.
- Rumpf o.n.A.
- o.n.A.
- Oberflächliche Erfrierung:
T34.-: Erfrierung mit Gewebsnekrose
- Exklusive: Erfrierung mit Gewebsnekrose mit Beteiligung mehrerer Körperregionen (T35.1)
- T34.0: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Kopfes
- T34.1: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Halses
- T34.2: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Thorax
- T34.3: Erfrierung mit Gewebsnekrose der Bauchdecke, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- T34.4: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Armes
- Exklusive: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Handgelenkes und der Hand, isoliert (T34.5)
- T34.5: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Handgelenkes und der Hand
- T34.6: Erfrierung mit Gewebsnekrose der Hüfte und des Oberschenkels
- T34.7: Erfrierung mit Gewebsnekrose des Knies und des Unterschenkels
- Exklusive: Erfrierung mit Gewebsnekrose der Knöchelregion und des Fußes, isoliert (T34.8)
- T34.8: Erfrierung mit Gewebsnekrose der Knöchelregion und des Fußes
- T34.9: Erfrierung mit Gewebsnekrose an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen
-
Erfrierung mit Gewebsnekrose:
- Bein o.n.A.
- Rumpf o.n.A.
- o.n.A.
-
Erfrierung mit Gewebsnekrose:
T35.-: Erfrierung mit Beteiligung mehrerer Körperregionen und nicht näher bezeichnete Erfrierung
- T35.0: Oberflächliche Erfrierung mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Multiple oberflächliche Erfrierungen o.n.A.
- T35.1: Erfrierung mit Gewebsnekrose mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Multiple Erfrierungen mit Gewebsnekrose o.n.A.
- T35.2: Nicht näher bezeichnete Erfrierung des Kopfes und des Halses
- T35.3: Nicht näher bezeichnete Erfrierung des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- Erfrierung des Rumpfes o.n.A.
- T35.4: Nicht näher bezeichnete Erfrierung der oberen Extremität
- T35.5: Nicht näher bezeichnete Erfrierung der unteren Extremität
- T35.6: Nicht näher bezeichnete Erfrierung mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Multiple Erfrierungen o.n.A.
- T35.7: Nicht näher bezeichnete Erfrierung an nicht näher bezeichneten Lokalisationen
- Erfrierung o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.