Zusammenfassung
Störungen der optischen Wahrnehmung können im Rahmen von physiologischen oder pathologischen Vorgängen auftreten und somit auch Zeichen eines akuten ophthalmologischen Notfalls sein. Die Symptome der Sehstörung sind dabei häufig diagnostisch wegweisend. Meist ist bei einer akuten Veränderung eine augenärztliche Abklärung erforderlich, dauerhafte Befunde wie persistierende Mouches volantes können aber ohne Krankheitswert sein.
Mouches volantes (frz.: fliegende Fliegen)
- Symptome
- Wahrnehmung von dunklen punkt-, strich-, schlangen- oder fadenförmigen Strukturen
- Wandern mit der Blickrichtung mit, verändern ihre Position im Gesichtsfeld
- Intensivere Wahrnehmung beim Blick auf helle, homogene Flächen (z.B. beim Blick in den Himmel oder beim Lesen)
- Ätiologie
- Degenerative Prozesse im Glaskörper (Verflüssigung, Verdichtung)
- Vermehrtes Auftreten bei hinterer Glaskörperabhebung, Myopie
- Therapie
- Meist ohne Krankheitswert, vom Patienten aber oft als störend wahrgenommen
Vorsicht bei starker Zunahme der Mouches volantes oder gleichzeitigem Auftreten von Lichtblitzen (typisch bei (inkompletter) hinterer Glaskörperabhebung) → Gefahr von Netzhautrissen und Netzhautablösung!
Lichtblitze (Photopsien)
- Symptome
- Wahrnehmung von hellen Lichtblitzen
- Häufig von derselben Stelle des Gesichtsfelds ausgehend
- Vor allem im Dunkeln und bei geschlossenen Augen wahrnehmbar
- Ätiologie
- Meist durch Zug an der Netzhaut ausgelöst, z.B. bei einer inkompletten Glaskörperabhebung
- Gefahr eines Netzhautrisses mit Netzhautablösung
- Meist durch Zug an der Netzhaut ausgelöst, z.B. bei einer inkompletten Glaskörperabhebung
Augenärztliche Abklärung erforderlich!
Rußregen
- Symptome
- Wahrnehmung von schwarzen fleck- und punktförmigen Strukturen
- Die Strukturen bewegen sich im Gesichtsfeld, bleiben also nicht an einer Stelle
- Ätiologie
- Hinweis auf freie Zellen vor der Retina
- Häufig im Rahmen von Glaskörperblutungen
Weitere augenärztliche Abklärung dringend erforderlich!
Schwarze Wand
- Symptome
- Wahrnehmung einer schwarzen Wand, eines Vorhanges oder eines Schattens
- Ausbreitung von peripher nach zentral
- Einseitig
- Ätiologie
- Typisches Symptom einer Netzhautablösung
Alarmsignal! Sofortige augenärztliche Vorstellung!
Flimmerskotom
- Symptome
- Häufig bogenförmiges Skotom, welches von parazentral nach peripher wandert, umgeben oder ausgefüllt von flackernden, leuchtenden, gezackten Mustern
- Ca. 15-30 Minuten andauernd
- Ätiologie
- Mögliches Phänomen bei Migräne (speziell bei der Migraine ophthalmique)
- Begleitende oder anschließende Kopfschmerzen können vorkommen, sind aber nicht obligat
- Mögliches Phänomen bei Migräne (speziell bei der Migraine ophthalmique)
Gesichtsfeldausfall (Skotom)
- Symptome
- Sehverlust in einem umschriebenen Areal
- Einseitige Gesichtsfeldausfälle → Pathologie meist vor dem Chiasma opticum
- Beidseitige Gesichtsfeldausfälle → Pathologie meist im Bereich des Chiasma opticum oder dahinter
- In der Perimetrie finden sich typische Gesichtsfeldausfälle
- Blinder Fleck
- Durchtritt des Sehnerven in den Bulbus (Papilla nervi optici)
- Physiologisches Skotom
- Der Blinde Fleck projiziert sich perimetrisch im Gesichtsfeld temporal des Gesichtsfeldzentrums
- Zentralskotom
- Sehverlust im Bereich der Fovea centralis
- Vorkommen: Sehnervschädigung (z.B. bei Papillitis oder Retrobulbärneuritis)
- Zentrozökalskotom
- Sehverlust im Bereich von Fovea centralis und blindem Fleck
- Vorkommen: Sehnervschädigung (z.B. bei Papillitis oder Retrobulbärneuritis)
- Bogenskotom (Bjerrum-Skotom)
- Bogenförmiges, vom blinden Fleck ausgehendes Skotom
- Doppeltes Bogenskotom
- Sowohl ober- als auch unterhalb der Blickhorizontalen befindliches Bogenskotom
- Rönne-Sprung: Horizontale Stufenbildung der Skotomränder aufgrund von nicht-deckungsgleichen Defektarealen ober- und unterhalb der Blickhorizontalen
- Vorkommen v.a. bei Glaukom
- Flimmerskotom (siehe oben, bei Migräne)
- Homonyme Hemianopsie
- Vorkommen: Schädigung des Tractus opticus hinter dem Chiasma opticum bis hin zur Sehrinde, bspw. zerebrale Ischämie
- Bitemporale heteronyme Hemianopsie
- Vorkommen: Bspw. Druckläsionen des Chiasma opticum aufgrund eines Hypophysentumors, Verdeckung der Pupille durch Blepharochalasis (meist aufgrund altersbedingter Dermatochalasis)
- Blinder Fleck
- Ätiologie
Bedenke, dass die Lichtsignale aus einem bestimmten Quadranten des Gesichtsfeldes den genau „gegenüberliegenden“ Quadranten auf der Netzhaut erreichen! So werden visuelle Informationen aus dem medialen Gesichtsfeld im temporalen Teil der Netzhaut, Informationen aus dem lateralen Gesichtsfeld im nasalen Teil der Netzhaut, Informationen aus dem oberen Gesichtsfeld im unteren Netzhautbereich und Informationen aus dem unteren Gesichtsfeld im oberen Netzhautbereich verarbeitet.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
H53.-: Sehstörungen
- H53.0: Amblyopia ex anopsia
- Amblyopie (durch): Anisometropie, Deprivation, Strabismus
- H53.1: Subjektive Sehstörungen
- Asthenopie, Farbringe um Lichtquellen, Flimmerskotom, Metamorphopsie, Photophobie, Plötzlicher Sehverlust, Tagblindheit
- Exklusive: Optische Halluzinationen (R44.1)
- H53.2: Diplopie
- Doppeltsehen
- H53.3: Sonstige Störungen des binokularen Sehens
- Anomale Netzhautkorrespondenz, Fusion mit herabgesetztem Stereosehen, Simultansehen ohne Fusion, Suppression des binokularen Sehens
- H53.4: Gesichtsfelddefekte
- Hemianopsie (heteronym) (homonym), Konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes, Quadrantenanopsie, Vergrößerter blinder Fleck
- Skotom: Bjerrum-, bogenförmig, ringförmig, zentral
- H53.5: Farbsinnstörungen
- Achromatopsie, Deuteranomalie, Deuteranopie, Erworbene Farbsinnstörung, Farbenblindheit, Protanomalie, Protanopie, Tritanomalie, Tritanopie
- Exklusive: Tagblindheit (H53.1)
- H53.6: Nachtblindheit
- Exklusive: Durch Vitamin-A-Mangel (E50.5)
- H53.8: Sonstige Sehstörungen
- H53.9: Sehstörung, nicht näher bezeichnet
H54.-: Blindheit und Sehbeeinträchtigung
- Exklusive: Amaurosis fugax (G45.3‑)
- H54.0: Blindheit und hochgradige Sehbehinderung, binokular
- Stufen 3, 4 und 5 der Sehbeeinträchtigung
- H54.1: Schwere Sehbeeinträchtigung, binokular
- Stufe 2 der Sehbeeinträchtigung
- H54.2: Mittelschwere Sehbeeinträchtigung, binokular
- Stufe 1 der Sehbeeinträchtigung
- H54.3: Leichte Sehbeeinträchtigung, binokular
- Stufe 0 der Sehbeeinträchtigung mit mindestens einer leichten Sehbeeinträchtigung auf einem Auge
- H54.4: Blindheit und hochgradige Sehbehinderung, monokular
- H54.5: Schwere Sehbeeinträchtigung, monokular
- H54.6: Mittelschwere Sehbeeinträchtigung, monokular
- H54.9: Nicht näher bezeichnete Sehbeeinträchtigung (binokular)
- Stufe 9 der Sehbeeinträchtigung o.n.A.
Die nachstehende Tabelle enthält eine Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung in Anlehnung an den Beschluss des International Council of Ophthalmology (2002) und die Resolution der WHO-Konferenz zur „Entwicklung von Standards zu Kriterien für Visusverlust und Visusfunktion“ (WHO/PBL/03.91; 2003). Zur Bestimmung der Sehbeeinträchtigung für die Schlüsselnummern H54.0 bis H54.3 sollte die Sehschärfe binokular und mit ggf. vorhandener Korrektur (Brille oder Kontaktlinse) gemessen werden. Zur Bestimmung der Sehbeeinträchtigung für die Schlüsselnummern H54.4 bis H54.6 sollte die Sehschärfe monokular und mit ggf. vorhandener Korrektur (Brille oder Kontaktlinse) gemessen werden. Wenn die Größe des Gesichtsfeldes mitberücksichtigt wird, sollten Patienten, deren Gesichtsfeld des gesünderen Auges bei zentraler Fixation nicht größer als 10 Grad ist, in die Stufe 3 eingeordnet werden. Bei monokularer hochgradiger Sehbehinderung (H54.4) gilt der Grad des Gesichtsfeldausfalls des betroffenen Auges.
Stufen | Sehschärfe mit bestmöglicher Korrektur (in Ferne) gleich oder geringer als | Sehschärfe mit bestmöglicher Korrektur (in Ferne) höher als |
---|---|---|
0 leichte oder keine Sehbeeinträchtigung | 6/18 3/10 (0,3) 20/70 | |
1 mittelschwere Sehbeeinträchtigung | 6/18 3/10 (0,3) 20/70 | 6/60 1/10 (0,1) 20/200 |
2 schwere Sehbeeinträchtigung | 6/60 1/10 (0,1) 20/200 | 3/60 1/20 (0,05) 20/400 |
3 hochgradige Sehbeeinträchtigung | 3/60 1/20 (0,05) 20/400 | 1/60 (Fingerzählen bei 1 m) 1/50 (0,02) 5/300 (20/1200) |
4 | 1/60 (Fingerzählen bei 1 m) 1/50 (0,02) 5/300 (20/1200) | Lichtwahrnehmnung |
5 | keine Lichtwahrnehmung | |
9 | unbestimmt oder nicht näher bezeichnet |
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.