Zusammenfassung
Der Glaskörper hat eine stabilisierende und formerhaltende Funktion für den Bulbus. Insb. die Netzhaut wird durch die gelartige Konsistenz des Glaskörpers in ihrer Position gehalten, wodurch einer Netzhautablösung entgegengewirkt wird. Der hohe Wassergehalt (98%) und die homogene Struktur bedingen die Durchsichtigkeit des Glaskörpers, sodass das Licht ungehindert einfallen kann. Jedoch kann es im Rahmen von pathologischen Prozessen zu Glaskörperveränderungen kommen (z.B. Trübungen, Blutungen, Abhebungen), die bspw. die Sehschärfe beeinträchtigen oder zu störenden optischen Wahrnehmungen führen können. Bei starken Einschränkungen oder Auswirkung auf die Netzhaut (z.B. Risse, Ablösungen) kann eine Glaskörperentfernung indiziert sein, die die Funktionsfähigkeit des Auges i.d.R. kaum einschränkt.
Degeneration und Trübung des Glaskörpers
Glaskörperverflüssigung (Syneresis)
- Definition: Zunehmende physiologische Verflüssigung des Glaskörpers durch degenerative Prozesse
- Epidemiologie: Sehr häufig, Beginn meist im mittleren Erwachsenenalter
- Symptome/Klinik
- Therapie: Nicht therapiebedürftig; ggf. Therapie bei Auftreten von Komplikationen
- Verlauf/Komplikationen
- Bei fortgeschrittener Verflüssigung: Kollaps des Glaskörpers → Glaskörperabhebung
Glaskörperabhebung
- Definition: Abhebung des Glaskörpers (der Glaskörpergrenzmembran) von seiner Unterlage
- Epidemiologie
- Vermehrtes Vorkommen mit steigendem Lebensalter
- 54.–65. Lebensjahr: Ca. 6%
- 65.–85. Lebensjahr: Ca. 65%
- Vermehrtes Vorkommen mit steigendem Lebensalter
- Ätiologie
- Am häufigsten altersbedingte hintere Glaskörperabhebung durch degenerative Verflüssigung und Kollaps des Glaskörpers
- Myopie
- Bulbustraumata
- Chorioretinitis
- Aphakie (Linsenlosigkeit)
- Verlaufsformen
- Komplette Glaskörperabhebung
- Inkomplette Glaskörperabhebung: Noch bestehende Verbindungen/Adhäsionen des Glaskörpers zu seiner Unterlage → Durch Traktion kann ein Riss bzw. ein Foramen der Netzhaut entstehen und zur Netzhautablösung führen
- Symptome/Klinik
- Mouches volantes durch lokalisierte Verdichtungen und Verflüssigungen des Glaskörpers
- Lichtblitze bei Augenbewegung durch Zug des Glaskörpers an noch fixierten Stellen an der Netzhaut
- Netzhautrisse mit Netzhautablösung und/oder Glaskörperblutung mit Visusverlust des Auges möglich
- Diagnostik
- Ophthalmoskopie (insb. zum Ausschluss von Verletzungen der Netzhaut)
- Therapie
- Bei vollständiger Glaskörperabhebung verschwindet die Symptomatik (kein Therapiebedarf)
- Therapie der Komplikationen (ggf. Lasern von Netzhautforamina, Operation bei Netzhautablösung)
- Komplikationen
- Netzhauteinrisse/-foramina
- (Rhegmatogene) Netzhautablösung
- Glaskörperblutungen
Neu aufgetretene Mouches volantes und/oder die Wahrnehmung von Lichtblitzen erfordern eine intensive Untersuchung des Augenhintergrundes zum Ausschluss von Netzhautverletzungen!
Asteroide Hyalose (Synchisis nivea)
- Definition: Glaskörpertrübung durch Einlagerung von fetthaltigen Calciumsalzen an das Glaskörpergerüst
- Ätiologie
- Unklar
- Vermehrtes Vorkommen bei Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Alström-Syndrom
- Symptome/Klinik
- Meist einseitig
- Meist asymptomatisch
- Diagnostik
- Ophthalmoskopie: Multiple weißliche, glänzende, runde Trübungen ("Schneegestöber")
- Therapie
- Meist keine Therapie notwendig, da asymptomatisch
- Ggf. Vitrektomie bei Beeinträchtigung
Persistierender hyperplastischer primärer Glaskörper (PHPV)
- Definition: Visuseinschränkung und Leukokorie durch fehlende Rückbildung des embryonalen primären Glaskörpers
- Epidemiologie
- Seltene Erkrankung
- Diagnose wird meist im Säuglings-/Kleinkindalter gestellt
- Pathophysiologie
- Behinderung des Lichteinfalls ins Auge durch persistierendes embryonales Gewebe
- Unterscheidung in vordere und hintere Variante je nach Lokalisation des persistierenden Materials
- Symptome/Klinik
- Leukokorie
- Visuseinschränkung bis hin zur Blindheit, je nach Ausprägung
- Mikrophthalmus (bei Ausbildung eines Glaukoms auch Buphthalmus möglich)
- Diagnostik
-
Ophthalmoskopie/Spaltlampenuntersuchung
- Vordere Variante
- Veränderungen der Linse (bis hin zum Umbau der Linse zu einer getrübten Membran → Cataracta membranacea)
- Weißliche Bindegewebsplatte hinter der Linse
- Ziliarkörperzotten nach zentral verzogen und in der Pupille sichtbar
- Hintere Variante
- Netzhautablösung und retinale Dysplasie möglich
- Vordere Variante
- Sonografie (bei schlechter Einsehbarkeit der hinteren Augenabschnitte durch Linsentrübung)
-
Ophthalmoskopie/Spaltlampenuntersuchung
- Komplikationen
- Kammerwasser-Abflussstörung → Glaukom
- Netzhautablösung
- Glaskörperblutung
- Therapie
- Kausale Therapie meist nicht möglich
- Therapie bei Auftreten von Komplikationen
Jede Leukokorie ist bis zum Beweis des Gegenteils als Retinoblastom zu betrachten!
Glaskörperblutung
Einblutungen in den Glaskörper können unterschiedliche Ursachen haben und werden vom Patienten durch plötzlich erscheinende schwarze Trübungen oder Visusverlust wahrgenommen
- Ätiologie
- Netzhautläsion bei symptomatischer hinterer Glaskörperabhebung
- Neovaskuläre Gefäße bei ischämischen Retinaveränderungen
- Proliferative diabetische Retinopathie
- Ischämischer retinaler Venen(ast)verschluss
- Altersbedingte Makuladegeneration
- Retinales Makroaneurysma
- Traumatisch bei Leder- oder Netzhautverletzung
- Intrakranielle Drucksteigerung, z.B. bei Subarachnoidalblutung (Terson-Syndrom)
- Symptome/Klinik
- Plötzlich einsetzende Symptome
- Schwarze Trübungen, "Rußregen"
- Visusverlust durch diffuse Glaskörpertrübung
- Diagnostik
-
Ophthalmoskopie/Kontaktglasuntersuchung
- Diffuse Glaskörpertrübung
- Spiegelbildung bei Blutungen in den retrohyaloidalen Raum (siehe: Präretinale subhyaloidale (retrohyaloidale) Blutung)
- Ggf. Ursache der Blutung sichtbar (z.B. Foramina, retinale Neovaskularisation)
- Im Verlauf ausgedehnte Narbenbildung und Netzhautablösung möglich
- Echografie bei fehlendem Einblick auf die Netzhaut
-
Ophthalmoskopie/Kontaktglasuntersuchung
- Therapie
- Resorption möglich, daher zunächst abwartendes Verhalten
- Bei Netzhautbeteiligung, fehlender Rückbildungstendenz oder schwerem Verlauf: Indikation zur Vitrektomie, einer operativen Entfernung des Glaskörpers mit Ersatz durch Silikon-Öl, Ringerlösung oder Gas
Präretinale subhyaloidale (retrohyaloidale) Blutung
- Definition: Einblutung zwischen Retina und hinterer Glaskörper-Grenzmembran
- Ätiologie
- Mikroangiopathie/Neovaskularisationen (z.B. bei proliferativer diabetischer Retinopathie)
- Störungen der Hämostase und Fibrinolyse
- Symptome/Klinik
- Visuseinschränkung je nach Lokalisation
- Bei Makulabeteiligung: Plötzlicher einseitiger massiver Visusverlust
- Diagnostik
- Ophthalmoskopie: Abgegrenzte Blutung am hinteren Augenpol mit Spiegelbildung
- Therapie
- Laser-Hyaloidotomie: Eröffnung der Glaskörper-Grenzmembran → Verteilung des Blutes durch Diffusion
- Chirurgisch: Pars-plana-Vitrektomie
Endophthalmitis
Siehe: Endophthalmitis
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
H43.-: Affektionen des Glaskörpers
- H43.0: Glaskörperprolaps
- Exklusive: Glaskörperkomplikation nach Kataraktextraktion (H59.0)
- H43.1: Glaskörperblutung
- H43.2: Kristalline Ablagerungen im Glaskörper
- H43.3: Sonstige Glaskörpertrübungen
- Glaskörpermembranen und Glaskörperstränge
- H43.8: Sonstige Affektionen des Glaskörpers
- Glaskörper-: Abhebung, Degeneration
- Exklusive: Proliferative Vitreoretinopathie mit Netzhautablösung (H33.4)
- H43.9: Affektion des Glaskörpers, nicht näher bezeichnet
H44.-: Affektionen des Augapfels
- Inklusive: Krankheiten, die mehrere Strukturen des Auges betreffen
- H44.0: Purulente Endophthalmitis
- Glaskörperabszess, Panophthalmie
- H44.1: Sonstige Endophthalmitis
- Parasitäre Endophthalmitis o.n.A., Sympathische Uveitis
- H44.2: Degenerative Myopie
- Maligne Myopie
- H44.3: Sonstige degenerative Affektionen des Augapfels
- Chalkose, Siderose des Auges
- H44.4: Hypotonia bulbi
- H44.5: Degenerationszustände des Augapfels
- Absolutes Glaukom, Atrophie des Augapfels, Phthisis bulbi
- H44.6: Verbliebener (alter) magnetischer intraokularer Fremdkörper
- Verbliebener (alter) magnetischer Fremdkörper (in): Bulbushinterwand, Glaskörper, Iris, Linse, Vorderkammer, Ziliarkörper
- H44.7: Verbliebener (alter) amagnetischer intraokularer Fremdkörper
- Verbliebener (alter) amagnetischer Fremdkörper (in): Bulbushinterwand, Glaskörper, Iris, Linse, Vorderkammer, Ziliarkörper
- Heterochromie durch verbliebenen metallischen nichtmagnetischen Fremdkörper
- H44.8: Sonstige Affektionen des Augapfels
- Hämophthalmus, Luxatio bulbi
- H44.9: Affektion des Augapfels, nicht näher bezeichnet
H45.-*: Affektionen des Glaskörpers und des Augapfels bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H45.0*: Glaskörperblutung bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H45.1*: Endophthalmitis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Endophthalmitis bei: Onchozerkose (B73†), Toxokariasis (B83.0†), Zystizerkose (B69.1†)
- H45.8*: Sonstige Affektionen des Glaskörpers und des Augapfels bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
H59.-: Affektionen des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive
- Mechanische Komplikation durch: intraokulare Linse (T85.2), sonstige Augenprothesen, -implantate und -transplantate (T85.3)
- Pseudophakie (Z96.1)
- H59.0: Keratopathie (bullös-aphak) nach Kataraktextraktion
- Glaskörper- (Berührungs‑) Syndrom, Glaskörper-Hornhaut-Syndrom
- H59.8: Sonstige Affektionen des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen
- Chorioretinale Narben nach chirurgischem Eingriff wegen Ablösung, Infektion eines postoperativen Sickerkissens, Nichtinfektiöse Entzündung eines postoperativen Sickerkissens, Sickerkissen-assoziierte Endophthalmitis
- H59.9: Affektion des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen, nicht näher bezeichnet
Q14.-: Angeborene Fehlbildung des hinteren Augenabschnittes
- Q14.0: Angeborene Fehlbildung des Glaskörpers
- Angeborene Glaskörpertrübung
- Q14.1: Angeborene Fehlbildung der Retina
- Q14.2: Angeborene Fehlbildung der Papille
- Q14.3: Angeborene Fehlbildung der Chorioidea
- Q14.8: Sonstige angeborene Fehlbildungen des hinteren Augenabschnittes
- Kolobom des Augenhintergrundes
- Q14.9: Angeborene Fehlbildung des hinteren Augenabschnittes, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.