Zusammenfassung
Als Analabszess und -fistel wird die akute bzw. chronische Ausprägungsform einer Infektion im Bereich des Kontinenzorgans bezeichnet, die meist von den zwischen den Schließmuskeln gelegenen Proktodealdrüsen des Anus ausgeht. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Klinisch geht ein Analabszess meist mit einer akut schmerzhaften perianalen Schwellung bis hin zu Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl einher, während die Symptomatik des Fistelleidens aus Schmerzen und Sekretion aus einer Fistelöffnung bestehen kann. Die Therapie beider Formen besteht im Regelfall in einer operativen Versorgung. In Abhängigkeit von der Abszess- bzw. Fistellage kommen dabei unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.
Epidemiologie
Ätiologie
- Häufigste Ursache (90% der Fälle): Abflussbehinderung oder Infektion der Proktodealdrüsen
- Seltenere Ursachen
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, seltener Colitis ulcerosa)
- Akute Infektionen des Gastrointestinaltraktes (bspw. perforierte Sigmadivertikulitis, Appendizitis)
- Strahlentherapie
- Iatrogen
- Fremdkörper
Klassifikation
Analabszesse und -fisteln lassen sich entsprechend ihrer anatomischen Lage in Beziehung zum Sphinkter und ihrer Ausbreitung in verschiedene Formen unterteilen.
Analabszess
Die Angaben zur Häufigkeit der einzelnen Abszesstypen variieren in der Literatur. Oberflächliche Abszesstypen wie der subanodermale Abszess scheinen die Mehrheit der Analabszesse auszumachen, gefolgt von intersphinktären und ischioanalen Abszessen. Supralevatorische Abszesse finden sich seltener.
- Intersphinktärer Abszess: Abszess zwischen innerem und äußerem Schließmuskel
- Subanodermaler Abszess: Abszess unterhalb des Anoderms des Canalis analis bzw. unter der perianalen Haut
- Supralevatorischer Abszess: Abszess oberhalb des M. levator ani
- Ischioanaler Abszess: Abszess unterhalb des M. levator ani
Analfistel (Parks-Klassifikation)
- Intersphinktäre Analfistel (Parks Typ I)
- Transsphinktäre Analfistel (Parks Typ II)
- Verlauf: Penetration des M. sphincter ani externus in die Fossa ischioanalis
- Mündung: Perianale Haut
- Suprasphinktäre Analfistel (Parks Typ III)
- Verlauf: Aszendierung im intersphinktären Spalt nach kranial, Penetration des M. levator ani und Verlauf in Fossa ischiorectalis nach kaudal
- Mündung: Perianale Haut
- Extrasphinktäre Analfistel (Parks Typ IV)
- Verlauf: Von innerer Öffnung in der Ampulla recti (oberhalb der Linea dentata) durch M. levator ani
- Mündung: Perianale Haut
- Subkutane/subanodermale/submuköse Analfisteln
Pathophysiologie
- Klassischer Entstehungsweg
- Eindringen von Hautkeimen oder enteralen Bakterien über Krypten der Linea dentata in den intersphinktären Raum (Raum zwischen innerem und äußerem Schließmuskel)
- Infektion der Proktodealdrüsen im intersphinktären Raum
- Intersphinktärer Abszess
- Ggf. Ausbreitung entlang anatomischer Spalträume
- Weitere Abszesse und (bei chronischen Verläufen) Fistelbildung
- Seltenere Entstehungswege (bei Grunderkrankungen)
- Abszess- und Fistelbildung ohne Kontakt zum Kontinenzorgan
Symptomatik
Analabszess
Ein Analabszess geht meist mit einer akuten perianalen Schwellung und Rötung einher
- Schmerzen (v.a. Defäkationsbeschwerden), Sitzbeschwerden
- Fieber, Abgeschlagenheit, Leukozytose
- Sonderfall supralevatorischer Abszess: Dumpfe Schmerzen im kleinen Becken oder im Rücken
Analfistel
Analfisteln gehen mit Schmerzen und ggf. mit einer Sekretion über einen Fistelporus (eine Fistelöffnung) einher.
Diagnostik
Die Diagnose einer Analfistel bzw. eines -abszesses wird im Regelfall klinisch gestellt. Eine weiterführende apparative Diagnostik ist selten präoperativ erforderlich zumal beim Analabszess schmerzbedingt belastend. Insb. beim höhergelegenen supralevatorischen Abszess, dessen Nachweis häufig nicht durch eine rein körperliche Untersuchung gelingt, kann sie jedoch hilfreich sein. Besteht präoperativ der Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, sollte dies abgeklärt werden.
Anamnese
- Schließmuskelfunktion
- Absonderung von (putridem) Sekret
- Krankheitsgefühl
- Grund- und Begleiterkrankungen, insb. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Körperliche Untersuchung
Der Analabszess ist häufig eine Blickdiagnose. Bei der Analfistel haben die digitale rektale Untersuchung und die Sondierung der Fistel den höchsten Stellenwert. Es sollte eine Befundlokalisation in Steinschnittlage erfolgen.
Analabszess | Analfistel | |
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Inspektion |
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Palpation |
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Fistelsondierung |
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Digital rektale Untersuchung |
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Invasive Untersuchungen sind beim Analabszess schmerzbedingt erst unter Narkose oder nach Entlastung tolerierbar!
Apparative Diagnostik
- Eine apparative Diagnostik ist nur in Ausnahmefällen erforderlich: Sie kann indiziert sein bei
- Höherer Abszesslokalisation , rezidivierenden Abszessen
- Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung
- Bei trans- oder suprasphinkteren Rezidivfisteln
- Zum Einsatz kommen dabei
- Proktoskopie, Rektoskopie
- Endosonografie
- MRT
- Fistulografie (radiologische Fisteldarstellung)
- CT
Therapie
Analabszess
- Allgemeine Therapieprinzipien
- Dringende OP-Indikation, um Fortschreiten der Entzündung zu verhindern
- Ausreichenden Abfluss des Abszesses schaffen
- Vorgehen
- Abszessentlastung je nach Lokalisation per ovalärer Ausschneidung oder ggf. Inzision , jeweils mit Spülung der Wundhöhle
- Intraoperatives Inspizieren des Analkanals auf Vorhandensein einer Analfistel
- Bei Vorliegen einer Analfistel
- Analfistel schonend sondieren
- Oberflächliche Fistel: Primäre Spaltung des Fistelgangs
- Komplexe, höher gelegene Fistel
- Fadendrainage einlegen: Zur Drainage und Vorbereitung der Zweitoperation [1]
- Zweitoperation im Verlauf (frühestens nach 6–8 Wochen) [2]: Fistelsanierung
- Postoperative Maßnahmen
- Regelmäßige Wundpflege (Reinigen/Spülen der Wunde)
- Stuhlregulierung
- Ausreichende Analgesie
Abszesslokalisation | Operatives Vorgehen bei Analabszess |
---|---|
Subanodermal/ischioanal | |
Intersphinkter |
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Supralevatorisch |
|
Analfistel
- Allgemeine Therapieprinzipien
- Indikation zur (elektiven) Operation, um der Ausbildung von Analabszessen vorzubeugen
- Klassifikation der Fistel und Entscheidung über OP-Verfahren erfolgt intraoperativ
- Operationstechniken: Richten sich nach Fistelverlauf
- Operatives Vorgehen bei Analfistel
- Fadendrainage : Die Anlage einer Fadendrainage erfolgt häufig im Rahmen einer Abszessdrainage zur Markierung und zum Offenhalten des Fistelgangs bei höhergelegenen Analfisteln. Sie kann später entfernt werden, wenn eine spontane Heilung angestrebt wird. Häufig ist jedoch eine Zweitoperation (Fistelspaltung, plastische Rekonstruktion, Okklusion mit Biomaterialien) indiziert.
- Primäre Fistelexzision : Bei Fisteln ohne Sphinkterbeteiligung [3]
- Plastische Rekonstruktion: Exzision der Fistel und Naht des Schließmuskels
- Plug-Technik : Okklusion des Fistelgangs durch Biomaterialien
- Siehe auch für die operative Therapie von Analfisteln bei M. Crohn: Verfahrenswahl der chirurgischen und interventionellen Therapie bei Morbus Crohn
Operatives Management
Präoperatives Management
- Bei Analfisteln: Ggf. präoperativ Klistier
- Bei akuter Operationsindikation: Ggf. parenterale Volumenzufuhr mit Vollelektrolytlösung und Analgesie (bedarfsabhängig), bspw. Metamizol
- Chirurgische Aufklärung: Komplikationen der Abszess- und Fistelsanierung
- Weitere Maßnahmen
- Ggf. Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (bspw. Dalteparin) oder Enoxaparin
- Ggf. präoperatives Absetzen bzw. Pausieren von Medikamenten
- Ggf. Kompressionsstrümpfe anordnen
Perioperatives Management
- Anästhesie in Vollnarkose oder Spinalanästhesie
- Antibiotikagabe: I.d.R. entbehrlich, kann indiziert sein bei
- Ausgeprägtem Befund (Phlegmone)
- Allgemeinsymptomen (Fieber, Abgeschlagenheit, Leukozytose)
- Begleiterkrankungen (Immunsuppression)
- Entnahme eines mikrobiologischen Abstriches meist entbehrlich
- Histologische Untersuchung des Resektats empfohlen
Postoperatives Management
- Wundbehandlung
- Ausduschen der Wunde: Mehrfach täglich, insb. nach stattgehabtem Stuhlgang
- Ggf. Austasten der Wunde durch Patient
- Stuhlregulation
- Ausreichend Flüssigkeitszufuhr
- Ggf. stuhlregulierende Maßnahmen wie Macrogol bei nicht ausreichend weichem Stuhl
- Analgetika
- Bspw. Ibuprofen bei gegebenen Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer , bspw. Pantoprazol
- Alternative oder zusätzliche Analgetika: Bspw. Metamizol
Komplikationen
Komplikationen der Abszess- und Fistelsanierung
Allgemeine Komplikationen
- Nachblutung
- Harnverhalt
- Wundheilungsstörungen
Besonderheiten der Abszesssanierung
- Rezidiv
- Sekundäre Analfistel
- Verletzungen des Sphinkterapparats → Inkontinenz
Besonderheiten der Fistelsanierung
- Inkontinenz : Wichtigste Komplikation in der Fistelchirurgie
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K60.-: Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion (siehe auch Analfissur - Kodierung nach ICD)
- Exklusive: Mit Abszess oder Phlegmone (K61.‑)
- K60.0: Akute Analfissur
- K60.1: Chronische Analfissur
- K60.2: Analfissur, nicht näher bezeichnet
- K60.3: Analfistel
- K60.4: Rektalfistel (Rektum-Haut-Fistel)
- Exklusive: Rektovaginalfistel (N82.3), Vesikorektalfistel (N32.1)
- K60.5: Anorektalfistel
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.