Zusammenfassung
Die chronische Obstipation ist ein häufiges Krankheitsbild, deren Pathomechanismen komplex und bisher nur teilweise geklärt sind. Im Gegensatz zu leichten, reversiblen Obstipationsbeschwerden des Gesunden kann eine chronische Obstipation den Betroffenen stark belasten und in seiner Lebensqualität einschränken. Sie ist gekennzeichnet durch eine Stuhlfrequenz von <3×/Woche und eine harte Stuhlkonsistenz, die zu starkem Pressen führt und häufig mit einem Gefühl der inkompletten Entleerung einhergeht. Die chronische Obstipation lässt sich in sekundär und funktionell unterteilen. Die sekundäre Obstipation ist i.d.R. Folge exogener Faktoren, einer Grunderkrankung oder einer anatomischen Veränderung. Die funktionelle Obstipation beruht meist auf einer Beckenbodendyssynergie und/oder einer slow-transit constipation. Zeigen sich bei der Basisdiagnostik Warnsymptome, wird umgehend eine erweiterte Untersuchung eingeleitet. Neben der kausalen Behandlung bei der sekundären Obstipation erfolgt eine Stufentherapie aus Allgemeinmaßnahmen und einer konsequenten abführenden (Kombinations‑)Therapie. In Einzelfällen sind funktionelle oder chirurgische Verfahren indiziert.
Die akute Obstipation ist oft situativ bedingt und verschwindet i.d.R., sobald sich die Situation wieder normalisiert. Sie bedarf meist keiner medikamentösen Therapie.
Epidemiologie
Ätiologie
(Primäre) Funktionelle Obstipation
- Normal-transit constipation (NTC): ca. 60 % — Obstipation ungeklärter Ursache bei normaler Darmpassagezeit
- Beckenbodendyssynergie: ca. 25 % — Funktionelle anale Blockade durch paradoxes Anspannen des Sphinkterapparates beim Defäkationsvorgang
- Slow-transit constipation (STC): ca. 15 % — Obstipation infolge einer Neuropathie des enterischen Nervensystems
- Einflüsse auf die Kolontransitzeit
- Abnorme Funktion des autonomen Nervensystems
- Enterische Neuropathien: Gestörte Interaktion zwischen ZNS und ENS bzw. Funktionsstörung des enterischen Nervensystems (ENS)
- Enterische Myopathien: Funktionsstörung der glatten Muskulatur
- Einflüsse auf die Kolontransitzeit
- Eine Sonderform stellt die Obstipation im Rahmen des Reizdarmsyndroms dar
Häufig kommen Beckenbodendyssynergie und STC kombiniert vor.
Sekundäre Obstipation
- Exogene Ursachen
- Ernährung
- Medikamente, bspw. Opioide und Eisenpräparate
- Weitere Medikamente
- Drogen: Kokain, Amphetamine (sympathomimetisch)
- Anale Läsionen
- Situationsbedingte Obstipation
- Psychischer Stress
- Endogene Ursachen
- Endokrin-metabolisch: Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus (Hyperkalzämie), Progesteronerhöhung in der Schwangerschaft (3. Trimenon) und in der 2. Zyklushälfte
- Neurologisch: Multiple Sklerose, diabetische autonome Neuropathie, M. Parkinson, Neurofibromatose (M. Recklinghausen), Schlaganfall, Demenz, Tabes dorsalis, Guillain-Barré-Syndrom, Rückenmarksquerschnitt, Läsionen vegetativer Nervengeflechte (bspw. bei Beckenoperationen)
- Weitere Erkrankungen mit Entwicklung von Motilitätsstörungen
Mechanische Ursachen
- Stenosen: Scharf abzugrenzen von einer funktionellen Obstipation → Ileus bzw. Subileus
- Luminal: Stenose bspw. infolge eines Kolonkarzinoms
- Extraluminal: Stenose bspw. infolge einer Kompression des Darms durch eine extraintestinale Raumforderung oder bei Morbus Ormond
Klassifikation
Chronische Obstipation
- Definition (ROM-III-Kriterien): 2 der folgenden Symptome müssen in den vergangenen 6 Monate über mindestens 12 Wochen bestanden haben
- Stuhlfrequenz <3×/Woche
- Harter Stuhlgang
- Gefühl der inkompletten Entleerung
- Manuelle Manöver zur Unterstützung der Darmentleerung bei ≥25 % der Stuhlgänge
- Starkes Pressen
- Gefühl der analen Blockierung
Auch bei normaler Stuhlfrequenz kann eine Obstipation vorliegen!
Akute Obstipation
Die akute Obstipation ist oft situativ bedingt (bspw. durch Bettlägerigkeit, Ernährungsumstellung oder auf Reisen) und verschwindet i.d.R., sobald sich die Situation wieder verändert.
Wichtig ist die Abgrenzung einer harmlosen akuten Obstipation zum Notfall Ileus!
Pathophysiologie
Die der chronischen Obstipation zugrundeliegenden Pathomechanismen sind uneinheitlich, komplex und bisher nur teilweise geklärt.
- Normal-Transit-Obstipation: Gänzlich ungeklärter Pathomechanismus
- Defäkationsstörung: Probleme beim Defäkationsvorgang aufgrund von
- Schmerzen (bspw. durch Fissuren oder Hämorrhoiden)
- Stenosen oder strukturellen Veränderungen
- Beckenbodendyssynergie
- Verlangsamte Kolonpassage → Durch Verbleiben im Darm infolge des verlangsamten Transports stellt sich eine zunehmende Verhärtung des Stuhls ein
- Grunderkrankungen
- Medikamenteneinnahme
- Immobilisation
- Slow-transit constipation
Sonderfall der Defäkationsstörung: Sauberkeitserziehung bei Kindern
- Nichtorganische Enkopresis: Willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Fäzes normaler oder fast normaler Konsistenz außerhalb der vorgesehenen Einrichtungen. Typisch ist dabei ein Wechsel zwischen Verstopfungs- und "Einkot-Phasen"
- Circulus vitiosus: Rückhaltemanöver als Auslöser → Stuhl verhärtet und bildet großvolumige Ballen → Schmerzhafte Defäkation und Schleimhauteinrisse → Weitere Rückhaltung und Vermeidung der Defäkation
- Verflüssigung des Stuhls proximal des Stuhlpfropfes → Stuhlschmieren und Überlaufenkopresis
- Kompression der Urethra und nachfolgend Enuresis zusätzlich möglich
Geringe Trinkmengen, faserarme Kost, Bewegungsmangel und Rückhaltemanöver können bei bestehender Prädisposition eine Obstipation begünstigen!
Eine chronische Entleerungsstörung kann auch eine sekundäre Transitstörung verursachen!
Diagnostik
Diagnostischer Stufenplan
- Basisdiagnostik (mit unauffälliger Anamnese und körperlicher Untersuchung) ohne Warnsymptome → Konsequente Therapie und Verlaufsbeobachtung über 4 Wochen
- Bei ausbleibender Besserung: Erweiterte Diagnostik mit Laboruntersuchung und Bildgebung
- Warnsymptome in der Basisdiagnostik, hoher Leidensdruck oder starke Beschwerden → Sofort erweiterte Diagnostik inklusive Laboruntersuchung, Sonografie des Abdomens (bei Frauen zusätzlich gynäkologische Untersuchung) und endoskopische/radiologische Untersuchung (insb. Ileokoloskopie)
Basisdiagnostik bei Obstipation
- Anamnese
- Vorerkrankungen
- Medikamente
- Situativer Bezug zu Symptombeginn bzw. Wiederauftreten
- Aktuelle Beschwerden
- Ernährungsanamnese
- Familienanamnese
- Psychosoziale Anamnese
- Begleitende abdominelle Beschwerden können auf ein Reizdarmsyndrom hindeuten
- Körperliche Untersuchung
- Palpation: Harte Stuhlballen oder Stuhlwalze im linken Unterbauch tastbar, wo sich auch das p.m. der Schmerzen befindet
- Anale Inspektion: Rhagaden, Fissuren, Hämorrhoiden
-
Digital-rektale Untersuchung (DRU): Stuhlgefüllte Rektumampulle
- Prüfung von Sphinkterruhetonus, Kneifdruck, Defäkationsversuch, Analkarzinom
- Sonografie (fakultativ): Stuhlgefüllter Darm, Luftüberlagerung, erweiterte Rektumampulle, Darmwand- und Darmweitenbestimmung
- Warnsymptome bzw. auffällige Befunde
- Blutbeimengung
- Paradoxe Diarrhöen
- Vergrößerte Lymphknoten
- Abdominell tastbare Resistenzen
- Klinische Anämie
- Alter >50 Jahre
- Gewichtsverlust >10 %
- Karzinome des Gastrointestinaltraktes in der Eigen- oder Familienanamnese
- Zunehmender oder fulminanter Verlauf
- Für detaillierte Informationen siehe: Red Flags bei Obstipation
Red Flags bei Obstipation [1][2][3][4]
Red Flags mit sofortigem Handlungsbedarf bei Obstipation
Folgende Red Flags (Warnzeichen) sprechen für einen Ileus und sollten unbedingt von einer akuten Obstipation abgegrenzt werden:
- Stuhl- und Windverhalt
- Ausgeprägter Meteorismus
- Starke Übelkeit und „schwallartiges Erbrechen“
- Starke abdominelle Schmerzen
- Für weiterführende Informationen siehe auch
Red Flags für einen abwendbar gefährlichen Verlauf bei Obstipation
Folgende Red Flags können Hinweise auf Krankheiten darstellen. Für weitere Differenzialdiagnosen siehe: Obstipation - Ätiologie
Red Flags für einen abwendbar gefährlichen Verlauf bei Obstipation | ||||||
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Karzinom | Chronisch-entzündlich | Neurogen | Rheumatisch | Endokrin | ||
|
| – |
| – | ||
Weitere Stuhlveränderungen |
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|
|
| – | |
Schmerzen |
|
| (✓) | (✓) | ||
Palpatorische Auffälligkeiten |
|
| – | – | – | |
Übelkeit/Erbrechen | – | (✓) | (✓) | ✓ | (✓) | |
Weitere typische Befunde/Risikofaktoren |
|
|
|
| ||
Legende: ✓ Häufig vorkommend, (✓) gelegentlich vorkommend, – nicht typisch |
Erweiterte Diagnostik bei Obstipation
- Laboruntersuchungen
- Blutbild und CRP
- Weitere Laborwerte individuell nach Klinik und Anamnese
- Kreatinin, GFR
- Elektrolyte
- GOT, GPT, Lipase, Pankreas-Amylase
- TSH
- Blutzucker, HbA1c
- Calprotectin bzw. Lactoferrin im Stuhl
- Urinuntersuchung
- Sonografie des Abdomens
- Endoskopische Untersuchung
- Ggf. neurologische Untersuchung
- Ggf. endokrinologische Untersuchung
- Siehe auch: Obstipation - Spezielle apparative Diagnostik
Spezielle apparative Diagnostik
Bestimmung der Kolontransitzeit (Hinton-Test)
- Indikation: Verlangsamte Kolontransitzeit, bspw. bei Slow-transit constipation (STC)
- Normalbefund: Kolontransitzeit <68 h
- Durchführung
- Tägliche Einnahme röntgendichter Marker über 6 Tage
- An Tag 7: Röntgen-Übersichtsaufnahme
- Vorteile
- Objektive Bestimmung der Darmpassagezeit
- Differenzierung zwischen slow-transit constipation von segmentaler und proktogener Obstipation
- Nachteile
- Falsch-positive Befunde bei vielen Patienten mit Stuhlentleerungsstörung oder Beckenbodendyssynergie
- Falsch-negative Befunde bei Defäkation kurz vor der Röntgenaufnahme und bei funktioneller Störung möglich
Anorektale Manometrie
- Indikationen
- Screeningtest bei Defäkationsstörungen, bspw. bei V.a. Beckenbodendyssynergie
- Ausschluss eines M. Hirschsprung
- Durchführung
- Aufzeichnung und Auswertung
- Ruhedruck: Messung bei dreimaligem Durchziehen der Sonde durch den Sphinkter
- Maximaler Kneifdruck und Dauerkontraktionsleistung: Messung bei mehrmaligem Zusammenkneifen über jeweils 10 s
- Hustenreflex: Messung des Druckanstiegs im Sphinkter beim Husten
- Rektoanaler Inhibitionsreflex (RAI): Druckabfall im Analkanal bei Dehnung des Rektums, Druckanstieg bis zum Ausgangsniveau nach Ende der Dehnung
- Defäkationstest: Messung der Druckveränderungen von Rektum und Sphinkter beim Pressen (wie beim Stuhlgang)
- Sensorische Schwellenwertmessung: Schrittweises Aufblasen des Ballons bis zur Wahrnehmungs-, Stuhldrangs- und Schmerzschwelle
- Rektale Compliance: Messung der Dehnbarkeit des Rektums
- Vorteile
- Druckmessung des Analsphinkters unter standardisierten Bedingungen
- Bei Nachweis des RAI: Sicherer Ausschluss eines M. Hirschsprung möglich
- Nachteil: Falsch-positive Ergebnisse häufig
Ballonexpulsionstest
- Indikationen
- Screeningtest bei Defäkationsstörungen, bspw. V.a. Beckenbodendyssynergie
- Therapieerfolgskontrolle bei Biofeedbacktraining
- Durchführung
- Meist in Kombination mit Manometrie
- Wassergefüllter Ballon (ca. 50 mL, ggf. mit Gewichten) wird rektal eingeführt → Patient soll diesen ausscheiden
- Patienten mit Defäkationsstörungen schaffen dies i.d.R. nicht
- Vorteil: Kostengünstiges Screening- bzw. Kontrollverfahren
- Nachteile
- Falsch-positive sowie falsch-negative Befunde möglich
- Kein standardisiertes Vorgehen etabliert
Defäkografie
- Indikationen
- Anatomisch (insb. Rektozele und mukosale Intussusception) und funktionell bedingte Defäkationsstörungen (insb. Beckenbodendyssynergie)
- Stuhlinkontinenz und rektale Schmerzen
- Durchführung
- Konventionell oder mittels MRT möglich
- MR-Defäkografie: Simulation und Analyse des Defäkationsprozesses mit Hilfe von Ultraschallgel
- Befüllen des Rektums mit Ultraschallgel mittels eines dünnen Schlauches
- Unter intermittierender MRT-Aufnahme Entleeren des Gels in eine Vorlage
- Beurteilung der verschiedenen Funktionszustände
- Vorteile: Keine Strahlenbelastung, Darstellung aller Beckenorgane
- Nachteile: Unnatürliche Position beim Stuhlgang, schlechte Detaildarstellung des Rektums
- Konventionelle Defäkografie: Simulation und Analyse des Defäkationsprozesses mithilfe eines Kontrastmittels
- Verabreichen eines Bariumeinlaufes
- Unter Durchleuchtung wird der Patient in sitzender Position auf einer röntgendurchlässigen Toilette zum Kneifen, Pressen und Entleeren des Einlaufes aufgefordert
- Vorteil: Gute Darstellung in für den Stuhlgang natürlicher Position
- Nachteil: Strahlenbelastung, keine Darstellung anderer Beckenorgane möglich
Kolonmanometrie
- Indikation: Nur bei schwerster Symptomatik, eindeutiger Therapie-Refraktärität und fehlendem Anhalt für Stuhlentleerungsstörung, insb. vor angedachter Colektomie
- Durchführung
- Im Rahmen der Coloskopie Platzierung einer Messsonde ca. 40–50 cm tief im Kolon
- Aufblasen des am Ende der Sonde gelegenen Ballons, bis er der Kolonwand anliegt
- Druckänderungen, die durch Kontraktionen der Darmwand entstehen, werden auf den Ballon übertragen und gemessen
- Weiter distal werden an 6 Stellen die durch Kontraktionen entstehenden Druckänderungen gemessen
- Messung über mehrere Stunden
- Anschließend Auswertung → Prüfen auf Vorliegen einer Darmmotilitätsstörung
- Vorteil: Detaillierte Beurteilung der Bewegungsmuster des Kolons
- Nachteil: Aufwendige Untersuchung in wenigen Spezialzentren
Ganzwandbiopsie
- Indikationen
- Schwerste Obstipationsformen
- V.a. intestinale neuronale Dysplasie (IND)
- Durchführung
- Laparoskopische/laparatomische Eröffnung des Abdomens und Durchführung einer seromuskulären Biopsie
- Histologische bzw. immunhistochemische Untersuchungen an Ganzwandpräparaten
- Vorteil
- Ansatzpunkt für gezielte Therapie (bspw. bei autoimmunentzündlichen Veränderungen neuromuskulärer Strukturen)
- Infolge des Schnellschnittverfahrens ggf. sofort partielle Kolonresektion möglich
- Nachteil: Sehr invasives diagnostisches Verfahren
Untersuchungen der Motilität des oberen GI-Traktes
- Indikation: V.a. generalisierte Motilitätsstörung
- Optionen
- Magenentleerungstest (Szintigrafie, 13C-Atemtest)
- Untersuchung des Dünndarmtransits (Szintigrafie, H2-Lactulose-Atemtest)
- Gastroduodenojejunale Manometrie
- Dünndarmmanometrie: Notwendig vor subtotaler Kolektomie, da schlechtere Langzeitverläufe bei Patienten mit generalisierter Motilitätsstörung beschrieben sind
Bei der speziellen apparativen Diagnostik sind Invasivität und Umfang der Abklärung immer streng auf das Vorliegen einer therapeutischen Konsequenz hin zu hinterfragen!
Differenzialdiagnosen
Siehe: Obstipation - Ätiologie für sekundäre Ursachen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Überblick
Bei der in der Mehrzahl der Fälle vorliegenden funktionellen Obstipation sollte zunächst ein Therapieversuch durch Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost (Weizenkleie, Flohsamen) und ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie vermehrte körperliche Aktivität und Bewegung unternommen werden. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, können osmotisch-wirksame Laxantien eingesetzt werden. Die letzte medikamentöse Eskalationsstufe besteht in der Anwendung von stimulativen Laxantien.
Der durch die Laxantientherapie entstehende Kaliumverlust führt zur Hypokaliämie, die ihrerseits wiederum eine verminderte Darmaktivität bedingt!
Insbesondere bei längerfristiger, unreflektierter Einnahme kann es zur Laxantienabhängigkeit kommen!
Stufe I: Allgemeinmaßnahmen und Ballaststoffe [5]
- Stufe Ia
-
Ernährungsumstellung
- Ballaststoffreiche Ernährung
- Ausreichende Trinkmenge: Vorzugsweise Wasser
- Empfehlung zu vermehrter Bewegung
- Aufklärung der Patienten über die Ursachen und Entstehung
- Toilettentraining
- 10 min nach jeder Hauptmahlzeit (um den gastrokolischen Reflex zu nutzen)
- Wenn Stuhldrang besteht jederzeit zwischendurch
- Stuhlprotokoll (und Besprechung des Protokolls)
-
Ernährungsumstellung
- Stufe Ib
- Quellstoffe (zusätzliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen, Weizenkleie, Leinsamen)
Stufen II–IV (Medikamentöse Maßnahmen)
- Ätiologisch orientiertes Vorgehen: Anderes Vorgehen bei anorektaler Entleerungsstörung als bei Obstipation ohne Entleerungsstörung.
Vorgehen bei V.a. Entleerungsstörung
- Stufe II: Suppositorien/Klysmen
- Stufe III: Laxanzien, Suppositorien und/oder Klysmen in Kombination
- Bei funktioneller Störung (bspw. Beckenbodendyssynergie) — Biofeedbacktraining
- Bei struktureller Störung (bspw. Rektumprolaps) — Chirurgische Maßnahmen zur Korrektur
Vorgehen in Fällen ohne Entleerungsstörung
- Stufe II
- 1. Wahl: Präparate auf der Basis von Macrogol, Natriumpicosulfat oder Bisacodyl
- 2. Wahl: Zuckerstoffe (bspw. Mannit, Lactulose) oder Anthrachinone
- Therapiehinweise
- Umstellung je nach Wirkungserfolg mit Ausweichen auf bisher nicht verwendete Substanzen
- Ggf. Kombinationstherapie von Medikamenten aus Stufe Ib+II oder mehreren Medikamenten aus Stufe II (bspw. Bisacodyl und Macrogol)
- Ggf. Kombination mit Suppositorien bzw. Klysmen
- Stufe III: Weitere medikamentöse Wirkprinzipien (Prucaloprid, Linaclotid, Lubiproston )
- Stufe IV: Kombinationstherapie mit allen Optionen der Stufe I-III unter Beachtung folgender zusätzlicher Optionen
Opioid-induzierte Obstipation
- Standardtherapie und Prävention: Begleitende Verordnung von Macrogol bei allen regelmäßig erfolgenden Therapien mit Opioid-Analgetika
- Bei Scheitern dieser Maßnahme: Einsatz von Methylnaltrexon als Opioidantagonisten ohne ZNS-Penetration
- Naloxon-haltige Kombinationspräparate erwägen: Zur Prävention einer erneuten Obstipation können Kombinationspräparate aus Opioid und Naloxon erwogen werden
Laxanzien zur Behandlung oder Vorbeugung von opioidbedingter Obstipation sollen routinemäßig verordnet werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Palliativmedizin)
Stufe V (Interventionen und chirurgische Verfahren)
- Strenge Indikationsstellung erforderlich
- Sakralnervenstimulation: Ultima Ratio bei schwerer, therapierefraktärer STC
- Operative Verfahren (insb. Kolonteilresektion): Bei idiopathischem Megakolon bzw. als Ultima Ratio bei schwerster, therapierefraktärer STC
Komplementäre und alternativmedizinische Ansätze
Über diese Methoden sollte jeder Arzt informiert sein, um den Patienten offen auf möglicherweise bereits begonnene alternative Behandlungsstrategien anzusprechen. Kontraproduktive Maßnahmen sind (mit dessen Einverständnis) abzubrechen. Komplementäre Optionen sollten besprochen werden, um das integrative Medizinkonzept zu fördern.
- Probiotika: Empfohlen bei funktioneller Obstipation, in der Schwangerschaft und beim Reizdarmsyndrom sowie bei der Therapie der Obstipation im Kindesalter
- Kolon-Massage
- Traditionelle chinesische Medizin
- Akupunktur wird nicht empfohlen
- Siehe auch
Therapie der sekundären Obstipation
- Wenn möglich Behandlung der Primärerkrankung (bspw. Tumorresektion)
- Bei Defäkationsstörungen kann zusätzlich ein Biofeedback-Training sinnvoll sein
AMBOSS-Pflegewissen: Obstipation und Obstipationsprophylaxe
- Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten: I.d.R. mind. 2 L, insb. bei ballaststoffreicher Ernährung
- Bewegung: Fördert die Darmperistaltik
- Ernährung
- Ballaststoffreiche Kost: Flohsamen, Weizenkleie, Vollkornprodukte
- Sauermilchprodukte und darmanregende Kost integrieren
- Stopfende Lebensmittel vermeiden
- Nahrungsaufnahme: Ausreichend kauen und Zeit beim Essen nehmen
- Stuhlgang nie unterdrücken: Ruhe und Intimsphäre für die Defäkation schaffen
- Feste Ausscheidungszeiten: Bspw. immer nach dem Essen
- Rituale: Bspw. Kaffee am Morgen, ausreichend Zeit für einen Toilettengang nach dem Frühstück einplanen
- Kolonmassage
- Durchführung: Der Bauch wird dem Verlauf des Kolons folgend vorsichtig in kleinen Kreisen massiert.
- Massage setzt am Wurmfortsatz bzw. dem Beginn des aufsteigenden Kolons (Colon ascendens) am unteren rechten Bauch an und wird über Querkolon (Colon transversum) und absteigendes Kolon (Colon descendens) zum Rektum weitergeführt
- Bei bestehender Obstipation kann es sinnvoll sein, die Massage in entgegengesetzter Richtung durchzuführen
- Rhythmus der Massage wird an die Atmung der zu massierenden Person angepasst, eine Hand berührt während der Massage immer die Patient:innen.
- Durchführung: Der Bauch wird dem Verlauf des Kolons folgend vorsichtig in kleinen Kreisen massiert.
- Bauchwickel: Für 15 min feuchtes, körperwarmes Handtuch auf den Bauch legen, darüber eine Wärmflasche oder ein warmes Kirschkernkissen
- Hocksitzhaltung auf der Toilette: Beine erhöhen, sodass diese angewinkelt sind
- Medikamente und weitere Abführmaßnahmen: Nach ärztlicher Anordnung
AMBOSS-Pflegewissen: Abführmaßnahmen
Vor der Durchführung von Abführmaßnahmen sollten Pflegekräfte die schnelle Erreichbarkeit einer Toilette sicherstellen. Darüber hinaus sollten sie, insb. nach den Maßnahmen, zügig auf die Patientenrufanlage reagieren und die durchgeführten Anordnungen sowie deren Erfolg sorgfältig dokumentieren.
Alle Abführmaßnahmen – insb. Einläufe und eine digitale Ausräumung – dürfen nur nach ärztlicher Anordnung und mit entsprechender Handlungskompetenz durchgeführt werden!
Medikamente bei Obstipation
Für eine Übersicht der bei Obstipation eingesetzten Medikamentengruppen und deren Anwendungsfälle siehe: Basistherapeutika bei Obstipation
Zäpfchen
- Verabreichen eines Zäpfchens
- Positionierung: In Rückenlage oder in Seitenlage mit jeweils angezogenen Beinen
- Vorbereitung: Mit behandschuhten Händen Zäpfchen aus der Verpackung entnehmen
- Einführung: Mit dem Zeigefinger in den Anus hinter den Schließmuskel einführen
- Alternative Anleitung zur Selbstdurchführung: Ggf. Patient:innen anleiten bzw. vorher informieren und Einmalhandschuh aushändigen, um eigenständige Durchführung zu ermöglichen
- Ausscheidung
Klistiere und Darmeinläufe in der Pflege
- Wirkung von Klistieren und Darmeinläufen
- Mechanischer Reiz: Anregung der Darmperistaltik über Stimulierung der Dehnungsrezeptoren im Darm
- Bei Erwachsenen: Maximal 1–2 L Spülflüssigkeit, zumeist ist weniger absolut ausreichend
- Thermischer Reiz: Je kühler, desto höher die Anregung der Darmperistaltik
- I.d.R. körperwarme Flüssigkeiten: Verabreichen von Klistieren jedoch auch bei Raumtemperatur der Flüssigkeit möglich
- Chemischer Reiz: Durch Zusätze wie bspw. Salze, Glycerin
- Mechanischer Reiz: Anregung der Darmperistaltik über Stimulierung der Dehnungsrezeptoren im Darm
- Kontraindikationen für Klistiere und Darmeinläufe
- Darmperforation
- Akute Peritonitis
- Mechanischer Ileus
- Fisteln im Vaginal- und Rektalbereich
- OPs am Darm (insb. Enddarm und Anus)
- Blutungen im Magen-Darm-Trakt
- Herz- und Niereninsuffizienz
- Insb. in der frühen Schwangerschaft und bei drohender Früh- oder Fehlgeburt
- Abbruchkriterien bei Klistieren und Einläufen
- Große/Sichtbare und blutungsgefährdete Hämorrhoiden
- Schmerzen
- Blutungen
- Krämpfe
- Starkes Druckgefühl
- Kreislaufbeschwerden
Alle Abführmaßnahmen – insb. Einläufe und eine digitale Ausräumung – dürfen nur nach ärztlicher Anordnung und mit entsprechender Handlungskompetenz durchgeführt werden!
Verabreichen von Klistieren
- Mikro-/Miniklysmen: I.d.R. 5–20 mL Flüssigkeit
- Verwendung ohne Darmrohr, Wirkung auf Ampulle des Rektums beschränkt
- (Einmal‑)Klysmen: I.d.R. 100–300 mL Flüssigkeit
- Verwendung mit oder ohne Darmrohr möglich
- Durchführung: Beachte stets die Abbruchkriterien bei Klistieren und Einläufen
- Abdeckkappe abnehmen, ggf. das Ansatzrohr des Klysmas bzw. das Darmrohr einfetten
- Ansatzrohr des Klysmas bzw. Darmrohr in den Anus einführen und Flüssigkeit des (Mini)Klysmas durch Aufrollen und Ausdrücken in den Darm einbringen
- Klistier zusammengerollt und -gepresst entfernen
- Patient:innen auffordern, die Flüssigkeit 15–20 min im Darm wirken zu lassen, bis sie den Darm entleeren
- Ggf. bei der Ausscheidung unterstützen
- Die Maßnahme und deren Ergebnis dokumentieren
Allgemeine pflegerische Aspekte zur Durchführung eines Reinigungs-/Darmeinlaufs
- Arten von Darmeinläufen: I.d.R. zum Reinigen und Abführen des Enddarms
-
Einläufe mit zusätzlichen Medikamenten
- Siehe auch: Basistherapeutika bei Obstipation
- Siehe auch: Therapeutika bei anorektaler Entleerungsstörung
- Stomairrigation: Einläufe (oder Klistiere) im Stoma, siehe auch Stoma-Irrigation des Kolons
- Kontrastmitteleinläufe
-
Einläufe mit zusätzlichen Medikamenten
- Arten von Darmrohren: I.d.R. ohne Blockung
Aufgrund der Verletzungsgefahr muss das Darmrohr vor dem Einführen immer auf scharfe Kanten/Unebenheiten kontrolliert werden!
Pflegerische Durchführung eines Reinigungs-/Darmeinlaufs
- Patient:innen bzgl. Ablauf und Ziel der Maßnahme ausführlich informieren: Auch während der Maßnahme alle Schritte erklären
- Ruhe und Intimsphäre gewährleisten: Möglichst in einem separaten Raum mit Toilette bzw. Mitpatient:innen aus dem Zimmer bitten/Sichtschutz aufstellen
- Benötigte Materialien
- Sekretbeutel/Irrigator mit körperwarmer Spülflüssigkeit
- Darmrohr: Bei Erwachsenen i.d.R. 10–14 Charrière
- Gleitmittel/Cremes
- 2 Schlauchklemmen
- Messbecher (2 L)
- Wasserdichte Unterlage
- Nierenschale, Zellstoff
- Reinigungstücher/(Einmal‑)Waschlappen, Handtücher
- Einmalhandschuhe, Schutzkittel
- Abwurf, Händedesinfektionsmittel
- Ggf. Toilettenstuhl oder Steckbecken
- Durchführung: Beachte stets die Abbruchkriterien bei Klistieren und Einläufen
- Positionierung: In Linksseitenlage , wasserdichte Unterlage unter den Patient:innen platzieren
- Vorbereitung des Darmrohrs: Einfetten , Darmrohr mit Sekretbeutel verbinden und entlüften
- Vor dem Einführen des Darmrohrs: Obere Gesäßhälfte anheben, Anus auf sichtbare Hämorrhoiden kontrollieren
- Schließmuskel mit Darmrohr anstupsen, Kontraktion und anschließende Erschlaffung abwarten
- Einführen des Darmrohrs: Unter drehenden Bewegungen zunächst 5–10 cm, wenn problemlos möglich ca. 10–20 cm weit vorschieben
- Patient:innen auffordern, leicht (wie beim Stuhlgang) zu pressen
- Spülflüssigkeit einfließen lassen : Klemmen öffnen und Beutel bis maximal 50 cm über Körperniveau anheben; Patient:innen auffordern, ruhig und tief durch den Mund zu atmen
- Bei Kreislaufproblemen und/oder Schmerzen: Abbruch des Einlaufs
- Bei starkem Druckgefühl: Beutel niedriger halten
- Flüssigkeit tritt neben dem Darmrohr aus: Beutel tief halten, damit die Flüssigkeit wieder zurücklaufen kann, dann erneut versuchen (Beutel etwas niedriger halten als beim Ausgangsversuch)
- Flüssigkeit läuft nicht mehr ein: Hinweis auf verstopfte Darmrohrspitze, Darmrohr leicht drehen
- Ggf. Darmrohr mit geschlossener Klemme entfernen, durchspülen, erneut einführen und verbliebene Flüssigkeit einlaufen lassen
- Um höhere Darmabschnitte zu reinigen: Nach halbem Beutel Patient:innen mit geschlossener Klemme am Darmrohr auffordern, sich in Rechtsseitenlage zu positionieren
- Abklemmen von Darmrohr und Sekretbeutel: Insb. wenn Patient:innen angeben, die Flüssigkeit nicht mehr halten zu können oder wenn Beutel vollständig entleert
- Ggf. Sekretbeutel abtrennen und Darmrohr entfernen: Mit Zellstoff und Einmalhandschuh umfassen und das Darmrohr zudrücken , anschließender Abwurf
- Mind. 5–10 min Spülflüssigkeit halten lassen: Patient:innen umherlaufen lassen, Bauchmassage
- Bei der Ausscheidung unterstützen: Ggf. auch bei späteren Abgängen, Patientenrufanlage in Reichweite, auf erhöhte Sturzgefahr aufgrund von Schwäche achten
- Materialien entsorgen und Flächen desinfizieren
- Maßnahme dokumentieren: Datum, Uhrzeit, Art des Einlaufs, aufgetretene Probleme bzw. Komplikationen, Stuhlgang bzgl. Menge, Farbe, Auffälligkeiten
Hebe-Senk-Einlauf
- Ziel: Stimulation des Darms und Anregung der Peristaltik, intensivierte Form eines Einlaufs
- Benötigte Materialien und Vorgehen: Wie bei Reinigungseinlauf
- Flüssigkeitsmenge: I.d.R. 1500–2000 mL
Der Hebe-Senk-Einlauf kann den Kreislauf stark beeinträchtigen, sodass ein engmaschiges Basismonitoring notwendig ist!
Digitale Ausräumung (Manuelle Entleerung)
- Indikation: I.d.R. Anwendung, wenn alle anderen Abführmaßnahmen erfolglos geblieben sind , bei Patient:innen mit Querschnittssyndromen ist die digitale Ausräumung häufiger notwendig
- Ärztliche Tätigkeit, Delegation möglich: Schriftliche ärztliche Anordnung notwendig
- Ziel: Kotsteine entfernen
- Komplikationen: Schäden an der Darmschleimhaut, Blutung innerer Hämorrhoiden, Perforation von Tumoren und Ulzera, Verletzungen am Sphinkter
- Material: Handschuh und Fingerling, Vaseline am Fingerling, Zellstoff zum Abstreichen
- Bei sehr harten Kotsteinen: Ggf. vorsichtige Anwendung eines CO2-freisetzenden Suppositoriums zur Aufweichung vor der Ausräumung nach ärztlicher Rücksprache
- Positionierung: Linksseitenlage
- Abschließende Dokumentation von Maßnahme, Stuhlbeschaffenheit, Auffälligkeiten/Besonderheiten
Alle Abführmaßnahmen – insb. Einläufe und eine digitale Ausräumung – dürfen nur nach ärztlicher Anordnung und mit entsprechender Handlungskompetenz durchgeführt werden!
Darmspülung
Eine Darmspülung findet zur besonders gründlichen Reinigung des Darms statt, insb. vor OPs und Endoskopien. Man unterscheidet zwischen retrograder und orthograder Darmspülung.
Retrograde Darmspülung
- Materialien: Wie bei Reinigungseinlauf + Auffangbehälter und Schlauchstück zum Ableiten in den Auffangbehälter, Y-Verbindungsstück
- Unterschiede zum Reinigungseinlauf: Größere Spülmengen bis zu 5 L; Y-Stück am Darmrohr verbunden mit einem Abflussrohr, das in einen Auffangbehälter mündet
- Vorgehen:
- Zunächst 100–200 mL bei abgeklemmtem Abflussschlauch, bei guter Verträglichkeit 400 mL einfließen lassen
- Klemme am Zuflussschlauch schließen und am Abflussschlauch öffnen, sodass Flüssigkeit abläuft
- Vorgang wiederholen, bis klare Flüssigkeit abläuft
Orthograde Darmspülung
- Kontraindikationen: Ileus, Darmstenose, (schwere) Herzinsuffizienz
- Applikation: Oral oder über eine nasogastrale Sonde
- Flüssigkeitsmenge: 4–6 L Abführlösung und zusätzliche Flüssigkeit innerhalb weniger Stunden
- Durch Trinken: I.d.R. Dosissplitting
- Ablauf nach Herstellerangaben und hausinternen Standards: I.d.R. ca. 1 L Spülflüssigkeit
- Alle 30–45 min: 1 L trinken
- Übelkeit vermeiden: Ggf. Spülflüssigkeit gekühlt anreichen
Orthograde Darmspülung über eine Sonde
- Benötigte Materialien
- Materialien zum Legen einer nasogastralen Sonde
- Körperwarme Spülflüssigkeit
- Infusionsgerät, Überleitsystem, Infusionsständer
- Materialien und ggf. Formulare für Flüssigkeitsbilanzierung und Basismonitoring
- Ggf. Toilettenstuhl, Bademantel, Decke
- Medikamente nach ärztlicher Anordnung: Ggf. Antiemetikum
- Patient:innen wiegen und dokumentieren: Nach der Maßnahme wiederholen, um Flüssigkeitseinlagerungen zu erkennen
- Vorgehen
- Nasogastrale Sonde legen
- Freie Toilette sollte zur Verfügung stehen und in guter Erreichbarkeit für Patient:innen sein, Patient:innen auf Toilettenstuhl mobilisieren, Auffangbehälter des Toilettenstuhls regelmäßig leeren
- Auf ausreichende Wärmezufuhr achten
- Infusionssystem mit Sonde konnektieren
- 1 L Spüllösung innerhalb von 30 min einlaufen lassen
- Bei guter Verträglichkeit: Übrige Flüssigkeit innerhalb von 2–4 h verabreichen
- Engmaschige Überwachung von
- Basismonitoring
- Zustand der Patient:innen
- Einlaufgeschwindigkeit der Spüllösung
- Ausscheidung
- Bei Komplikationen : Spülung pausieren, Arzt:Ärztin informieren
- Bei Schmerzen, Erbrechen und/oder fehlender Stuhlausscheidung: Spülung abbrechen, Arzt:Ärztin informieren; kein unkritisches Forcieren der Maßnahmen, wenn sich kein Ausscheidungserfolg binnen 1–3 h einstellt
- Nachbereitung
- Sonde entfernen
- Ggf. bei Intimtoilette/Körperpflege unterstützen
- Ggf. Toilettenstuhl reinigen/desinfizieren
- Bis zur Untersuchung/OP nur klare Flüssigkeit verabreichen
- Flüssigkeitsbilanzierung
- Gewichtskontrolle und Basismonitoring
- Elektrolyte nach ärztlicher Anordnung kontrollieren
Übersicht - Medikamente bei Obstipation
Übersicht: Eigenschaften der Basistherapeutika bei Obstipation
Gruppe | Präparate | Eigenschaften |
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Quellmittel |
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Isoosmotisch wirkende Laxanzien |
| |
Sekretagogische/antiresorptive Laxanzien |
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Zucker und Zuckeralkohole |
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Anthrachinone |
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Übersicht: Eigenschaften der Therapeutika bei anorektaler Entleerungsstörung
Gruppe | Präparate | Eigenschaften |
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CO2-freisetzende Suppositorien |
| |
Alkohole |
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Übersicht: Neue medikamentöse Ansätze bei chronischer Obstipation [5]
Gruppe | Präparate | Eigenschaften |
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5-HT4-Agonisten |
| |
Wasser- und Chlorid-Sekretions-Stimulatoren |
|
|
Nicht empfohlene Mittel
Gruppe | Präparate | Eigenschaften |
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Gleitmittel |
| |
Osmotisch wirkende salzhaltige (salinische) Laxanzien |
|
|
Obstipation - Supportive Externa bei der Therapie
Granulationsfördernde oder betäubende Externa sollten bei Fissuren oder Rhagaden mit Defäkationsschmerz großzügig verwendet werden, um dem Teufelskreis der schmerzbedingten Stuhlretention entgegenzuwirken.
- Kombinationspräparate auf Basis von Zinkoxid und Harnstoff: Zur Förderung der Granulation und Heilung von Rhagaden und Wunden
- Kombinationspräparate aus Glucocorticoiden und Lokalanästhetika: Zur Durchbrechung eines schmerzbedingt erhöhten Sphinktertonus
- Beispiel Jelliproct®-Salbe (Fluocinonid und Lidocainhydrochlorid) [6]
- Darreichungsformen Salbe
- Keine Angabe einer Zulassungsbeschränkung
- Standarddosierung (jedes Alter)
- Zu beachten: Nicht anzuwenden bei Allergie gegen den Wirkstoff oder andere Bestandteile
- Beispiel Jelliproct®-Salbe (Fluocinonid und Lidocainhydrochlorid) [6]
Wirkstoffe und Dosierungen
Quellmittel
Wirkstoff | Flohsamenschalen (bspw. Mucofalk®) | |||||
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Applikation | ||||||
Indikationen und Standarddosierungen |
| |||||
Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
| |||||
DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wirkstoff | Leinsamen (bspw. Linusit®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung | ||||||
Indikationen |
| |||||
Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
| |||||
DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Isoosmotisch wirkende Laxanzien
Wirkstoff | Macrogol (= Polyethylenglycol/PEG, bspw. Movicol®) | |||||
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Applikation |
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Standarddosierung |
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Indikationen |
| |||||
Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
| |||||
DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Sekretagogische/antiresorptive Laxanzien
Wirkstoff | Bisacodyl (bspw. Dulcolax®) | |||||
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Applikation |
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Standarddosierung | ||||||
Indikationen | ||||||
Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wirkstoff | Natriumpicosulfat (bspw. Laxoberal®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
| |||||
Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Zuckerstoff-Laxantien
Wirkstoff | Lactulose (bspw. Bifiteral®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wirkstoff | Lactitol (bspw. Importal®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung | ||||||
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wirkstoff | Lactose-Pulver (bspw. Edelweiss®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung | ||||||
Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Anthrachinon-Laxanzien
Wirkstoff | Sennesfrüchte-Trockenextrakt (bspw. Laxative®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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CO2-freisetzende Suppositorien
Wirkstoff | Natriumdihydrogenphosphat und Natriumhydrogencarbonat (bspw. Lecicarbon®) | |||||
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Applikation |
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Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Alkohol-Laxanzien
Wirkstoff | Glycerol-Zäpfchen (bspw. Glycilax®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wirkstoff | Sorbitol-Miniklistier (bspw. Microlax®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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5-HT4-Agonist-Laxanzien
Wirkstoff | Prucaloprid (bspw. Resolor®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Wasser- und Chlorid-Sekretions-Stimulatoren
Wirkstoff | Linaclotid (bspw. Constella®) | |||||
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Applikation | ||||||
Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Periphere Opioidantagonisten bei Opioid-induzierter Obstipation
Wirkstoff | Methylnaltrexon (bspw. Relistor®) | |||||
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Applikation |
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Standarddosierung |
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Indikationen |
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Zulassung |
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Zu beachten |
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Kontraindikationen |
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DANI |
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DALI |
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Gravidität/Stillzeit |
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Weiterführende Maßnahmen
Kolon-Massage
- Indikation: Funktionelle, sekundäre und neurogen bedingte Obstipation (bspw. bei Multipler Sklerose, Querschnitt, Guillain-Barré-Syndrom)
- Wirksamkeit: Verbessert subjektive Symptomatik
- Durchführung: Patient selbst oder Hilfsperson massiert abdominell, ggf. mit Hilfe aromatischer Öle
Biofeedbacktraining im Rahmen der Obstipation
- Indikation: Obstipation durch Beckenbodendyssynergie
- Wirksamkeit: Bei Erwachsenen erwiesenermaßen gut; bei Kindern und Senioren geringer
- Durchführung
- Patient übt, den Sphinkter zum richtigen Zeitpunkt zu entspannen und so die funktionelle Blockade zu verhindern
- Anale Sonde misst den Anspannungszustand des Sphinkters während des Defäkationsvorgangs
Stuhltraining bei Erwachsenen
- Indikation: Obstipation durch Beckenbodendyssynergie
- Wirksamkeit: Alternative zum Biofeedbacktraining, aber weniger effektiv
- Durchführung
- Mit Wasser gefüllter Ballon wird rektal eingeführt
- Patient übt, den Defäkationsablauf zu koordinieren und den Sphinkter zum richtigen Zeitpunkt zu entspannen
- Ggf. Hilfe durch Zug am Ballon
Sakralnervenstimulation
- Indikationen
- Schwere, eindeutig therapierefraktäre chronische Obstipation (als Alternative zur OP)
- Schmerzen im Bereich des Beckenbodens
- Störung der Stuhl- oder Urinkontinenz (hypotone Blasenentleerungsstörung, Dranginkontinenz)
- Wirksamkeit: 50 % der Patienten mit STC zeigten eine Normalisierung des Kolontransits
- Durchführung
- 1. Implantation von 1–2 Testelektroden
- 2. Testphase über 1–2 Wochen
- 3. Wenn Teststimulation nicht erfolgreich → Keine Implantation des Schrittmachers ; bei deutlicher Symptombesserung → Schrittmacherimplantation innen unter die Haut und Anschluss an kleinen Schrittmacher
Partielle Kolektomie
- Indikationen
- Schwere, therapierefraktäre STC und/oder idiopathisches Megakolon
- Anatomisch bedingte anorektale Entleerungsstörung als Ursache einer chronischen Obstipation (bspw. Rektozele, Rektumprolaps, Invagination)
- Wirksamkeit
- Nach STC und/oder Megakolon: In 80–90 % Besserung der anderweitig therapierefraktären Patienten
- Nach anatomisch bedingter Entleerungsstörung: Oft Beschwerdepersistenz
- Durchführung: Verfahren der Wahl ist die subtotale Kolektomie
- Vorher probeweise Ileostomaanlage (um vor Darmresektion den potenziellen Effekt zu testen)
- Bei der schweren chronischen STC und/oder idiopathischem Megakolon definitive doppelläufige Ileostomaanlage ohne zusätzliche Laparotomie möglich
Eine alleinige funktionelle Entleerungsstörung ohne Nachweis einer pathologisch-anatomischen Veränderung (bspw. Beckenbodendyssynergie oder Anismus) ist keine OP-Indikation!
Besondere Patientengruppen
Obstipation im Kindesalter
- Ätiologie: Insb. im Rahmen der Sauberkeitserziehung, siehe: Obstipation - Pathophysiologie
- Differenzialdiagnostisch
- Hypothyreose
- Zöliakie
- Zystische Fibrose
- Intestinale Fehlbildungen
- Spina bifida
- Insb. bei Säuglingen: Morbus Hirschsprung
- Therapie: Neben einer Ernährungsumstellung ist eine frühzeitige stuhlaufweichende Therapie über min. 8 Wochen indiziert
- Orale Applikation bei Klein- und Schulkindern: Polyethylenglykol oral akut über 3–4 Tage, dann Dosisreduktion nach Stuhlkonsistenz
- Rektale Applikation bei Säuglingen: Glycerin-Suppositorien, Microklist; bei älteren Kindern: Sorbit-Klysmen
- Bei Fissuren oder Rhagaden mit Defäkationsschmerz: Granulationsfördernde Externa, evtl. mit Lokalanästhetikum
- Zur Retentionsprophylaxe: Polyethylenglykol oral über mind. 8 Wochen, um Dilatation zurückzubilden
Salinische, phosphathaltige Klysmen sind bei Kindern unter 6 Jahre sowie bei schwerbehinderten oder nierenkranken Kindern aufgrund der Gefahr einer Hyperphosphatämie, Hypernatriämie und Hypokalzämie streng kontraindiziert! Gleiches gilt für alle Patienten, bei denen ein Verbleiben der Lösung im Darm zu erwarten ist (bspw. aufgrund anatomischer Besonderheiten)!
Für weitere Informationen siehe auch: Kapitel Obstipation im Kindesalter
Studientelegramme zum Thema
- DGIM-Studientelegramm 2-2020-2/4: Slow MOTION: Methylnaltrexon unwirksam bei Obstipation auf Intensivstation
Interesse an wöchentlichen Updates zur aktuellen Studienlage im Bereich der Inneren Medizin? Abonniere jetzt das Studientelegramm! Den Link zur Anmeldung findest du am Seitenende unter "Tipps & Links"
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K59.-: Sonstige funktionelle Darmstörungen
- K59.0-: Obstipation
- K59.00: Obstipation bei Kolontransitstörung
- Slow-Transit-Obstipation
- Exklusive: Medikamentös induzierte Obstipation (K59.02)
- K59.01: Obstipation bei Stuhlentleerungsstörung
- Obstipation bei anorektaler Funktionsstörung
- Obstruktions-Defäkations-Syndrom
- Outlet-Obstipation
- K59.02: Medikamentös induzierte Obstipation
- K59.09: Sonstige und nicht näher bezeichnete Obstipation
- K59.00: Obstipation bei Kolontransitstörung
- K59.0-: Obstipation
- F98.-: Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
- F98.1: Nichtorganische Enkopresis
- Das Zustandsbild kann als monosymptomatische Störung auftreten oder als Teil einer umfassenderen Störung, besonders einer emotionalen Störung (F93.‑) oder einer Störung des Sozialverhaltens (F91.‑).
- Funktionelle Enkopresis, Nichtorganische Stuhlinkontinenz, Psychogene Enkopresis
- Exklusive: Enkopresis o.n.A. (R15)
- F98.1: Nichtorganische Enkopresis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.