Zusammenfassung
Der Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung unklarer Genese und befällt meist junge Erwachsene und Kinder mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr. Während ein diskontinuierlicher Befall des gesamten Gastrointestinaltrakts möglich ist, stellt das terminale Ileum einen besonders typischen Manifestationsort dar. Klinisch zeigen sich meist Durchfälle, Gewichtsverlust und rechtsseitige Unterbauchschmerzen. Weiterhin kann es auch zu extraintestinaler Manifestation mit Augen-, Gelenk- oder Hautbeteiligung kommen. Die Diagnosestellung ist meist schwierig, da kein nachweisendes Standardverfahren zur Verfügung steht: Anamnese, klinische Untersuchung, Labordiagnostik, Bildgebung (z.B. MRT-Sellink), Endoskopie und Histologie müssen gesammelt betrachtet werden.
Therapeutisch steht im akuten Schub die lokale oder systemische Gabe von Glucocorticoiden im Vordergrund. Um langfristig den Bedarf von Glucocorticoiden zu senken, erfolgt je nach Krankheitsintensität eine Remissionserhaltung mit Immunsuppressiva. Da es bei der Erkrankung häufig zur Ausbildung von Fisteln, Abszessen und Stenosen kommt, müssen eventuelle infektiös bedingte Komplikationen auch antibiotisch abgedeckt und gegebenenfalls chirurgisch saniert werden. Eine Heilung ist jedoch durch den unregelmäßigen Befall des gesamten Gastrointestinalsystems im Gegensatz zur Colitis ulcerosa nicht möglich. Ziel der Therapie ist deswegen das Verhindern einer Progredienz und eines Wiederauftretens entzündlicher Schübe.
Für pädiatrische Inhalte siehe: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen im Kindes- und Jugendalter
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Epidemiologie
Ätiologie
- Unbekannt
- Risikofaktoren
- Nikotinabusus
- Familiäre Disposition (zahlreiche Gene bekannt, z.B. Mutation des NOD2-Gens)
Nikotinkonsum ist der einzige (bekannte) vermeidbare Risikofaktor des Morbus Crohn. Daher kommt dem Nikotinverzicht eine besondere Bedeutung zu! (Für die Colitis ulcerosa gilt Nikotinkonsum dagegen als protektiver Faktor!)
Klassifikation
Aktivitätsindex nach Best (CDAI )
- Am besten validierter Score zur Erfassung der Krankheitsaktivität
- Ermöglicht Objektivierung der Schwere eines Schubs sowie Beurteilung des Therapieerfolgs
In den Score geht eine Vielzahl von Punkten ein, u.a.:
- Anzahl der täglichen Stuhlgänge
- Bewertung der abdominellen Schmerzen
- Bewertung des Allgemeinzustandes
- Gelenkschmerz
- Uveitis
- Fisteln
- Stomatitis aphthosa
- Fieber
- Abszesse
- Körpergewicht
Pathophysiologie
- Morbus Crohn wird als „komplexe Barriereerkrankung“ bezeichnet
- Verminderte Fähigkeit bestimmter Zellen zur Bakterienerkennung und -bekämpfung
- Veränderte Schleimschicht auf Darmmukosa
- Gesteigerte Permeabilität des Darmepithels
- Folgen: Veränderung der Darmflora („Dysbiose“) → Eindringen von Bakterien in das Darmepithel („Schrankenstörung“) → Auslösung einer Entzündungsreaktion mit lokaler Gewebeschädigung (Erosionen/Ulzera, Nekrosen)
-
Hauptlokalisationen: Terminales Ileum und Kolon
- Erkrankung kann sich aber prinzipiell an jeder Stelle im Verdauungstrakt zwischen Mund und Anus manifestieren
Symptomatik
Typisch ist ein schubförmiger Verlauf, wobei die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres einen weiteren Schub zu erleiden, bei bis zu 30% liegt. Bei Persistenz der Symptome über ein halbes Jahr wird der Verlauf als „chronisch aktiv“ bezeichnet.
Intestinale Symptome
- Meist unblutige, chronische Diarrhö
- Appendizitis-ähnliche Symptome
- Schmerzen im rechten Unterbauch
- Evtl. subfebrile Temperaturen
- Tenesmen
- Konglomerattumor im Unterbauch
- Anale bzw. perianale Befunde
- Intestinale Stenosen und Strikturen
- Intestinale Fisteln (bei 35% aller Patienten)
Analfisteln und anorektale Abszesse sind häufig erste Symptome des Morbus Crohn!
Malabsorptionssyndrom
Je nach befallenem Darmabschnitt variiert die Symptomatik.
- Gewichtsverlust
- Wachstumsstörungen bei Kindern
- Anämie
- Durch gestörte Rückresorption von Gallensäuren
- Hautveränderungen im Sinne einer Acrodermatitis enteropathica
Extraintestinale Symptomatik
- Gelenke: Enteropathische Arthritis (z.B. Arthralgien, Arthritiden, Sakroiliitis, ankylosierende Spondylitis mit klinischem Bild eines Morbus Bechterew und ebenfalls häufig HLA-B27-positiv)
- Auge: Uveitis, Iritis, Episkleritis
- Leber/Gallengänge: Primär sklerosierende Cholangitis (seltener als bei Colitis ulcerosa)
- Hautveränderungen
- Orale Manifestation
- Unspezifisch
- Aphthöse Ulzerationen der Mundschleimhaut
- Stomatitis
- Spezifisch
- Unspezifisch
Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen
- Basisdiagnostik: Bei klinisch-symptomatischem Verdacht auf Morbus Crohn (bspw. Diarrhö und Unterbauchschmerz)
- Blut- und Stuhldiagnostik (s.u.)
- Histologische Bestätigung: Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien zur histologischen Untersuchung und Ausbreitungsdiagnostik
- Ausbreitungsdiagnostik: Zur Beurteilung des Befallsmusters und insb. von möglichen intestinalen Stenosen und Fisteln
- Abdomensonografie: Bei jedem Schub und jeder Verlaufsuntersuchung indiziert
- MRT-Enteroklysma: Insb. bei Erstdiagnose zu Zwecken des „Stagings“ der Krankheitsaktivität und des Verteilungsmusters oder bei unzureichender sonografischer Beurteilbarkeit im Krankheitsverlauf
Klinische Chemie
- Blut
- Entzündungsparameter↑
- Anämie, ggf. Zeichen eines Eisenmangels (Ferritin↓, Transferrin-Sättigung↓)
- ASCA (Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper) positiv bei ca. 60% [1][2]
- Stuhl
- Stuhluntersuchung zum Ausschluss einer durch Bakterien verursachten Gastroenteritis
- Evtl. Bestimmung von Calprotectin und/oder Lactoferrin
- Calprotectin: Protein aus neutrophilen Granulozyten, erscheint bei intestinalen Entzündungsreaktionen im Stuhl
- Sensitivität >90% für Morbus Crohn
- Insbesondere zur Abgrenzung von funktionellen Beschwerden hilfreich
- Alternativ Lactoferrin: Multifunktionales, eisenbindendes Protein mit antibakterieller Wirkung
- Kommt in diversen Körperflüssigkeiten, u.a. in Verdauungssekreten und in der Muttermilch vor
- Erhöhte Werte im Stuhl zeigen Entzündungsaktivität
- Calprotectin: Protein aus neutrophilen Granulozyten, erscheint bei intestinalen Entzündungsreaktionen im Stuhl
Bildgebung
- Befunde in der Sonografie
- Ödematöse Verdickung der Darmwand
- Kokarden-Phänomen
- Evtl. Abszess-/Fistelnachweis
- MRT des Dünndarms nach Sellink (sog. Hydro-MRT oder MRT-Enteroklysma )
- Indikation: Identifikation des Verteilungsmusters und des Befalls des Dünndarms
- Durchführung: Nach peroraler Gabe von >1 L wässriger Mannitollösung wird eine MR-Untersuchung durchgeführt und der gesamte Magen-Darm-Trakt (insb. der Dünndarm) beurteilt
- Befund: Ödematöse Verdickung der Darmschlingen und Vergrößerung der Lymphknoten
- Röntgen nach Sellink (sog. Enteroklysma)
- Indikation: Insb. zum Nachweis von Fistelgängen oder Stenosen
- Durchführung
- Einbringen von wasserlöslichem Kontrastmittel über eine nasopharyngeale Sonde in den Dünndarm
- Aufnahme mehrerer Röntgenbilder im zeitlichen Verlauf, um alle Abschnitte gut beurteilen zu können
- Bei Wachstumsstörungen (Kinder): Bestimmung des Knochenalters durch Röntgenaufnahme der linken Hand
Endoskopie
- Ileokoloskopie
- Durchführung: Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien aus terminalem Ileum, Kolon und Rektum
- Typischer Befund
- Befallsmuster: Segmental-diskontinuierlicher Befall
- Makroskopische Befunde
- Ulzera in Landkartenform oder länglich („Schneckenspuren“ oder engl. „Snail Trails“)
- Weitere aphthöse hämorrhagische Mukosadefekte („Pinpoint Lesions“)
- Pflastersteinrelief der Schleimhaut
- Fissuren
- Erythem
- Pseudopolypen: Allerdings deutlich seltener als bei Colitis ulcerosa
- Ösophagogastroskopie
- Indikation: Beurteilung einer möglichen Beteiligung von Ösophagus, Magen und Duodenum
- Befunde: Bspw. Aphthen der Schleimhaut
Zum Vergleich: Normalbefunde
Nachsorge und Darmkrebsprävention
- Regelmäßige Koloskopie zur Kontrolle aufgrund des erhöhten Risikos für ein kolorektales Karzinom [3][4]
- Bei PSC: Jährliche Koloskopie
Pathologie
- Hypertrophie der Lymphknoten
-
Entzündung aller Wandschichten („transmural“)
- Nicht-verkäsende Epitheloidzellgranulome
- Riesenzellen
- Ausgeprägtes lymphozytäres Infiltrat in der Lamina propria
- Spaltförmige (fissurale) Ulzera
- Skip-Lesions (diskontinuierlicher Befall)
Zum Vergleich: Normalbefunde
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostische Erwägungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa [5][6]
Differenzialdiagnostische Erwägungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa | ||
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Morbus Crohn | ||
Stuhlfrequenz/-art |
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Ernährungszustand |
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Schmerzen |
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Fisteln (v.a. im Analbereich) |
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Ausbreitungsmuster |
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Endoskopischer Aspekt |
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Histologie |
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Weitere Differenzialdiagnosen
- Generell
- Infektiöse Darmerkrankungen
- Nicht-infektiöse Kolitis (ischämisch, nach Radiatio, nach Medikamenteneinnahme etc.)
- Divertikulitis
- Reizdarmsyndrom
- Darmtuberkulose
- Maligne Darmveränderungen
- Rechtsseitiger Unterbauchschmerz
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Neben Allgemeinmaßnahmen stehen im akuten Schub und zur Remissionserhaltung die medikamentösen Therapien im Vordergrund. Interventionelle und operative Therapien sind insb. bei Komplikationen oder bei Versagen der konservativen Therapie angezeigt.
Siehe für Details
Allgemein
- Nikotinkarenz
- Bei sekundärer Lactoseintoleranz (ca. 30%): Lactosefreie Diät
- Bei Malabsorptionssyndrom: Entsprechende Substitution von Vitaminen, Kalorien, Eiweiß, Zink, Calcium
- Bei chologener Diarrhö: Gabe von Austauscherharzen zur Gallensäurebindung (z.B. Colestyramin)
- Im akuten Schub: Verzicht auf Ballaststoffe, evtl. parenterale Ernährung
Patienten mit Morbus Crohn, die rauchen, sollen zu Abstinenz von Tabak angehalten werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Gastroenterologie)
Medikamentöse Therapie
Akuter Schub
- Leichte Entzündungsaktivität
- 1. Wahl: Topische Glucocorticoidgabe (z.B. Budesonid)
- Bei Kontraindikationen gegen topische Glucocorticoide oder auf Patientenwunsch: Symptomatische Therapie oder Mesalazin [4]
- Bei distalem Befall: Lokaltherapie mit Glucocorticoid/Mesalazin z.B. als Klysma
- Insb. bei Kindern kann der Versuch einer sog. enteralen Ernährungstherapie bzw. Diät unternommen werden
- Mäßige bis hohe Entzündungsaktivität, kein Ansprechen auf Budesonid, ausgedehnter Dünndarmbefall und/oder extraintestinale Manifestationen
-
Systemische Glucocorticoidgabe (z.B. Prednisolon)
- Siehe auch: Glucocorticoid-Ausschleichschemata
-
Systemische Glucocorticoidgabe (z.B. Prednisolon)
- Steroid-refraktärer Verlauf: Therapieeskalation
- Gabe von Immunsuppressiva
- Medikamentöse TNF-α-Hemmung („Biologicals“)
- Ggf. in Kombination mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin (Beachte Thiopurin-Methyltransferase-Polymorphismus)
- Alternativ: Methotrexat
- Chirurgische Therapieoptionen bei schweren Verläufen immer berücksichtigen und evaluieren
- Insb. narbige Stenosen sind einer medikamentösen Therapie nicht zugänglich
- Bei Kindern: Die OP-Indikation sollte bei umschriebenem Befall des terminalen Ileums und anhaltender Krankheitsaktivität geprüft werden (insb. bei Wachstumsverzögerung)
- Siehe auch: Indikationen für eine chirurgische Therapie des M. Crohn
- Gabe von Immunsuppressiva
Indikatoren für einen komplizierten Verlauf sind eine Erstdiagnose im jungen Alter (<40 Jahre), perianale Fisteln und die Notwendigkeit einer Glucocorticoid-Therapie!
Remissionserhaltung (und Steroid-abhängiger Verlauf )
- Gabe von Immunsuppressiva
- Dauertherapie mit Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder TNF-α-Hemmern (wie Infliximab, Adalimumab)
- Reservemittel: Methotrexat
- Indikation zum Remissionserhalt je nach individuellem Risikoprofil
Antibiotikatherapie bei infektiösen Komplikationen
- Metronidazol in Monotherapie oder in Kombination mit Ciprofloxacin oder Ceftriaxon
- Ziel: Mitbehandlung einer bakteriellen Entzündung mit Beteiligung von Anaerobiern
- Bspw. bei Fisteln, die zu ausgeprägten systemischen Entzündungszeichen führen oder durch eine alleinige chirurgische Therapie nicht beherrschbar sind
Übersicht der medikamentösen Therapie
Übersicht der medikamentösen Therapie | ||||
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Akuter Schub | Mäßig bis hohe Aktivität | Steroid-refraktär | Remissionserhalt bzw. Steroid-abhängiger Verlauf | |
1. Wahl |
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Alternativen |
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Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) soll eine langfristige systemische Corticosteroidtherapie als Rezidivprophylaxe nicht durchgeführt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Gastroenterologie)
Operative und interventionelle Therapie
Allgemeines [7][8][9]
- Stellenwert: I.d.R. sekundär, da beschränkt auf Versagen der konservativen Therapie bzw. Komplikationen (Ausnahme: isolierter Ileozökalbefall ) [8]
- Strenge Indikationsstellung
- Bei akuter Entzündung vor elektiver OP: Konservativer Therapieversuch
- Vorteile
- Ggf. Zugewinn an Lebensqualität
- Durch zeitgerechte OP Verhindern von
- Wachstumsretardierung (Kinder und Jugendliche mit Morbus Crohn)
- Weiterer körperlicher Schwächung
- Nachteile
- Keine Heilung durch operative/interventionelle Therapie möglich
- Hohes Rezidivrisiko [7]
- Operative Risiken, siehe hierzu
- Therapieprinzipien [7][9]
- Möglichst darmsparende Chirurgie
- Möglichst minimal-invasives Vorgehen
- Möglichst Verzicht auf Drainagen
- Bei Anastomosen
- Anlage möglichst in entzündungsfreiem oder -armem Abschnitt
- Ggf. mit vorgeschaltetem protektivem Stoma
- Siehe auch
Die Therapie des Morbus Crohn erfolgt primär medikamentös. Die Chirurgie sollte zurückhaltend und nur in speziellen Situationen (z.B. Perforation) zum Einsatz kommen. Eine Heilung durch OP ist im Gegensatz zur Colitis ulcerosa nicht möglich!
Der mikroskopische Befund der Resektionsränder hat keinen Einfluss auf das Auftreten eines Anastomosenrezidivs. Die Resektionsränder müssen demnach mikroskopisch nicht entzündungsfrei sein und der Eingriff sollte möglichst darmsparend erfolgen, um der Entwicklung eines Kurzdarmsyndroms vorzubeugen!
Indikationen für eine chirurgische bzw. interventionelle Therapie des Morbus Crohn [7][8][9][10]
Absolute Indikationen
- Schwere Komplikationen (z.B. Perforation mit Peritonitis, Ileus, Blutung, toxisches Megakolon)
- Hochgradige Dysplasien und Malignome
-
Symptomatische Fisteln [7][10]
- Enterovesikal/-genital
- Enterokutan, stark sezernierend
- Retroperitoneal
- Gastrokolisch mit funktionellem Kurzdarmsyndrom
Relative Indikationen [7][8]
- Nicht-Ansprechen auf konservative Therapie
- Intestinale Stenosen
- Abszesse
- Symptomatische Fisteln: Interenterische und perianale Fisteln [7][10]
- Niedriggradige Dysplasie
Verfahrenswahl der chirurgischen und interventionellen Therapie bei Morbus Crohn [8][11]
Stenosen und Strikturen
Verfahrenswahl bei Stenosen und Strikturen | |
---|---|
Befund | Bevorzugtes Verfahren |
Ösophageale Stenosen |
|
Antrum- oder Pylorusstenosen |
|
Duodenale Stenosen |
|
Jejunum- und Ileumstenosen |
|
Kolonstenosen |
|
Abszesse [7][11]
Verfahrenswahl bei Abszessen | |
---|---|
Befund | Bevorzugtes Verfahren |
Abszess <5 cm ohne Sepsis |
|
| |
|
Fisteln [7][11]
- Indikation zur operativen Therapie insb. abhängig von Fistelverlauf (d.h. Ursprungs- und Zielorgan) und Symptomatik
- Asymptomatische Fistel: I.d.R. keine oder späte OP
- Symptomatische Fistel: Frühzeitig OP erwägen
- I.d.R. Beginn mit dem am wenigsten invasiven OP-Verfahren
- Bspw. bei anokutaner Fistel zunächst durch eine Fadendrainage
- Alternative: Antibiotische Primärtherapie, nur in Ausnahmefällen indiziert
- Präoperative Diagnostik: MRT, bei perianalen Fisteln zusätzlich manuelle Untersuchung in Narkose und Endosonografie
- Vor OP immer Begleitabszess ausschließen und wenn vorhanden vorher drainieren
- Zu Details der möglichen Verfahren siehe: Operative Verfahren zur Fisteltherapie bei Morbus Crohn
Verfahrenswahl bei Fisteln | |
---|---|
Fistelverlauf | Operative Therapie [7][8][11] |
Interenterisch | |
Enterokutan |
|
Enterobiliär |
|
Enterovesikal |
|
Enterovaginal |
|
|
Interventionelle Verfahren
- CT-gesteuerte Drainage
- Bougierung
- Ballondilatation
Operative Verfahren
Strikturoplastik [12]
- Beschreibung: Chirurgische Aufhebung einer Darmstriktur durch Inzision über der Verengung und anschließender Vernähung
- Heineke–Mikulicz-Strikturoplastik: Längsinzision von ca. 2 cm, anschließend spannungsfreie Quervernähung
- Finney-Strikturoplastik: Längsinzision über der Striktur von ca. 2 cm, anschließend U-förmige Vernähung
- Isoperistaltische Strikturoplastik nach Michelassi: Durchtrennung des Darms über der Striktur, anschließend Seit-zu-Seit-Anastomosierung der Darmabschnitte
- Indikation: Reizlose Stenosen des Dünndarms oder Ösophagus
- Stenosen bei stattgehabter Darmresektion >100 cm oder Kurzdarmsyndrom
- Wiederholte Strikturen an einer ileokolischen Anastomose
- Stenosen mit Wachstumsretardierung bei Kindern
- Kontraindikation: Fisteln im Bereich der Stenose, Blutungen aus dem betroffenen Segment, Darmwandphlegmone, V.a. malignen Prozess
Darmsparende Resektion
- Beschreibung: Möglichst darmsparende Resektion eines von einer Komplikation betroffenen Darmabschnitts
- Offen oder laparoskopisch
- Erster Schritt sollte immer die Erfassung der vorhandenen Läsionen sein, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden
- Ggf. als zweizeitiges Vorgehen mit Anlage eines protektiven Stomas
- Je nach Lokalisation der Läsion als
- Gastrojejunostomie oder Duodenojejunostomie (Läsionen im Duodenum)
- Sparsame Segmentresektion (Läsionen in Jejunum oder Ileum)
- Ileozökalresektion (Läsionen des distalen Dünndarms)
- Indikation: Isolierter Ileozökalbefall bei hoher Krankheitsaktivität
- Segmentresektion, subtotale Kolektomie oder totale Kolektomie bei Kolonbefall
- Diskontinuitätsresektion nach Hartmann bei isoliertem Rektumbefall
- Bei Anastomosen
- Anlage wenn möglich in entzündungsfreiem oder -armem Abschnitt
- Ggf. mit vorgeschaltetem protektivem Stoma
- Indikation
- Als Notfalloperation: Bspw. bei toxischem Megakolon, Ileus oder freier Darmperforation
- Größere Stenosen ≥5 cm und Kolonstenosen unklarer Dignität
- Abszesse bei septischen Patienten oder nach frustraner konservativer Therapie
- Symptomatische Fisteln
- Hochgradige Epitheldysplasie
Operative Verfahren zur Fisteltherapie bei Morbus Crohn
- Einfache Fistulotomie
- Beschreibung: Eröffnung bzw. Spaltung aller Fistelgänge, Debridement
- Indikation: Oberflächliche, subkutane oder distale transsphinktäre Fisteln
- Kontraindikation: Perianale oder allgemein hohe Entzündungsaktivität
- Fistulektomie
- Beschreibung: Radikale Entfernung des Fistelgangs, bei hohen Analfisteln gefolgt von einer Sphinkterrekonstruktion
- Indikation: Enterovesikale oder enterogenitale Fisteln, hohe Analfisteln
- Ligation eines intersphinkterischen Fisteltrakts (LIFT)
- Verschiebeplastik
- Video-assistierte anale Fisteltherapie (VAAFT)
- Beschreibung: Endoskopisches Darstellen des Fisteltrakts, Debridement, Auffüllen des Fistelgangs mit Fibrinkleber, Verschluss des inneren Fistelostiums mittels Stapler oder Naht
- Indikation: Trans- oder suprasphinktäre Fisteln
- Proktokolektomie [13]
- Beschreibung: Resektion von Kolon und Rektum unter Erhalt des Sphinkters, Rekonstruktion durch Seit-zu-End-Anastomose mit ileoanaler Pouch-Anastomose (meist J-Pouch), i.d.R. mit protektivem Ileostoma
- Indikation: In Ausnahmefällen
- Für die chirurgische Therapie der Analfistel siehe auch: Operatives Vorgehen bei Analfistel
Die Inkontinenzrate steigt, je mehr Sphinkter durchtrennt wird!
Präoperatives Management bei Morbus Crohn
Allgemeines präoperatives Management vor darmchirurgischen Eingriffen
- Für allgemeine Hinweise zum präoperativen Management siehe
- Für darmchirurgische Besonderheiten siehe
Präoperatives Management bei elektiven Eingriffen bei Morbus Crohn [8]
- Indikation zur Operation sichern: Siehe: Diagnostik des Morbus Crohn und Indikationen für eine chirurgische Therapie des Morbus Crohn
- Präoperative Ernährungstherapie: Bei schwerer Mangelernährung enterale Zusatz- und evtl. parenterale Ernährung erwägen [8]
- Kriterien für chronische krankheitsspezifische Mangelernährung (C-DRM) [14]
- Allgemeine Kriterien zur Diagnose der krankheitsspezifischen Mangelernährung erfüllt oder
- Energieaufnahme über ≥1 Monat auf ≤75% des geschätzten Energiebedarfs reduziert oder
- Verminderte Muskelmasse und Zeichen von Krankheitsaktivität (z.B. mittels Crohn's Disease Activity Index) messbar
- Siehe auch: Screening des Ernährungszustands und ggf. metabolische Konditionierung
- Kriterien für chronische krankheitsspezifische Mangelernährung (C-DRM) [14]
- Aufklärung über
- Art des Eingriffs: Ileozökalresektion, darmsparende Resektion, operative Therapie von Fisteln oder Strikturoplastik
- Ziel des Eingriffs
- Spezifische Komplikationen
- Allgemeine Komplikationen bei darmchirurgischen Eingriffen, siehe: Intraoperative Komplikationen bei darmchirurgischen Eingriffen und postoperative Komplikationen bei darmchirurgischen Eingriffen
- Umgang mit spezieller Vormedikation: Immunsuppressiva
- Können perioperativ das Komplikationsrisiko erhöhen, daher vor elektiver OP tendenziell eher pausieren [8]
- Anti-TNF-α-Antikörper: Studienlage uneindeutig, bei dringlicher OP-Indikation oder Notfall-OP bevorzugt fortführen und protektives Stoma oder Anastomosenstoma anlegen, um Komplikationen zu vermeiden
- Methotrexat: Studien zur Einnahme von Methotrexat und perioperativen Komplikationen liegen nicht vor
- Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin: Bei dringlicher OP-Indikation oder Notfall-OP bevorzugt fortführen und protektives Stoma anlegen, um Komplikationen zu vermeiden [8]
-
Steroide: Präoperativ möglichst Dosisreduktion [8]
- Dosisreduktion bei Prednisolon mit einer Dosis >20 mg/Tag und einer Dauer >6 Wochen
- Interdisziplinäre Abstimmung erforderlich
- Können perioperativ das Komplikationsrisiko erhöhen, daher vor elektiver OP tendenziell eher pausieren [8]
- Bei Eingriffen mit Stoma-Anlage
- Aufklärung über Notwendigkeit [8]
- Stoma anzeichnen
- Stomatherapie anberaumen
Beim präoperativen Management des Morbus Crohn stehen insb. eine Optimierung des Ernährungsstatus des Patienten sowie die Reduktion der immunsuppressiven Therapie im Vordergrund! [15]
Postoperatives Management bei Morbus Crohn
Postoperatives Management
Allgemeines Management nach darmchirurgischen Eingriffen
- Für allgemeine Hinweise zum postoperativen Management siehe: Postoperatives Management
- Für darmchirurgische Besonderheiten siehe auch
Spezielles postoperatives Management bei Morbus Crohn [8][11][16][17]
- Rezidivprophylaxe: Rauchverzicht! [17]
- Postoperative Remissionserhaltung
- Indikation
- Vorliegen von Risikofaktoren (Rauchen, ausgedehnte Dünndarmresektion, perianaler Befall, penetrierende Erkrankung, niedriges Alter, ausgedehnter Befund und präoperativ hohe Krankheitsaktivität) [8]
- Auffällige Endoskopie in der Nachsorge [16]
- Durchführung [8][16]
- Bei niedrigem Risiko (Rutgeerts-Score
Mesalazin - Bei hohem Risiko/kompliziertem Verlauf (Rutgeerts-Score ≥i2): Azathioprin oder 6-Mercaptopurin
- Ggf. Anti-TNF-α-Antikörper: Keine vorliegenden Studien
- Bei niedrigem Risiko (Rutgeerts-Score
- Indikation
- Verlaufskontrolle zur Diagnostik eines postoperativen Rezidivs [8]
- Goldstandard: Ileokoloskopie
- Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Verfahren
- Direkte Beurteilung der Anastomose möglich
- Prognose zum postoperativen klinischen Verlauf abschätzbar
- Zeitpunkt: Innerhalb von 6–12 Monaten nach OP
- Durchführung: Beurteilung des endoskopischen Befunds, z.B. anhand des Rutgeerts-Scores [16]: Mehr als 5 entzündliche Stellen in der Umgebung der Anastomose (entspricht einem Rutgeerts-Score ≥i2) sind ein hoher Risikofaktor für ein Rezidiv, sodass hier eine medikamentöse Prophylaxe initiiert werden sollte
- Alternativen: Transabdomineller Ultraschall, Dünndarm-MRT
- Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Verfahren
- Goldstandard: Ileokoloskopie
- Weitere Besonderheiten
- Verlängerte Dauer der perioperativen Thromboseprophylaxe >28 Tage [11]
- Insb. nach Resektionsoperationen oder bei klinischem Verdacht: Screening auf Mangelernährung
Das Rauchen von Zigaretten ist der einzig bekannte beeinflussbare Faktor zur Rezidivprophylaxe des Morbus Crohn, sodass Patienten zur Rauchentwöhnung ermutigt werden sollten!
Rutgeerts-Score | |
---|---|
Score | Endoskopischer Befund der Anastomosenregion [16] |
i0 |
|
i1 |
|
i2 |
|
i3 |
|
i4 |
|
Beurteilung [17] |
Komplikationen
- Intestinale Komplikationen (siehe auch: Morbus Crohn - Symptome/Klinik)
- Fisteln, Abszesse, Fissuren
- Stenosen und Strikturen des Darms → Ileus etc.
- Freie Perforation → Peritonitis
- Erhöhtes Karzinomrisiko
- Amyloidose
- Osteoporose
- Cholelithiasis
- Urolithiasis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Chronische Erkrankung: Eine Heilung ist bisher nicht möglich
- Rezidive und Komplikationen sind ohne Behandlung häufig
- 70% der Patienten mit Komplikationen müssen innerhalb von 15 Jahren operiert werden
- Normale Lebenserwartung bei optimaler Behandlung
AMBOSS-Podcast zum Thema
Chronische Bauchschmerzen bei Kindern (Oktober 2022)
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Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Morbus Crohn
Morbus Crohn – Teil 1
Morbus Crohn – Teil 2
Morbus Crohn – Teil 3
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K50.-: Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] [Morbus Crohn]
- Inklusive: Granulomatöse Enteritis
- Exklusive: Colitis indeterminata (K52.3‑), Colitis ulcerosa (K51.‑)
- K50.0: Crohn-Krankheit des Dünndarmes
- Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis]:
- Ileitis:
- regionalis
- terminalis
- Exklusive: Crohn-Krankheit des Dünn- und Dickdarmes (K50.82)
- K50.1: Crohn-Krankheit des Dickdarmes
- Colitis:
- granulomatosa
- regionalis
- Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis]:
- Exklusive: Crohn-Krankheit des Dünn- und Dickdarmes (K50.82)
- Colitis:
- K50.8-: Sonstige Crohn-Krankheit
- K50.80: Crohn-Krankheit des Magens
- K50.81: Crohn-Krankheit der Speiseröhre
- K50.82: Crohn-Krankheit der Speiseröhre und des Magen-Darm-Traktes, mehrere Teilbereiche betreffend
- Crohn-Krankheit sowohl des Dünndarmes als auch des Dickdarmes
- K50.88: Sonstige Crohn-Krankheit
- K50.9: Crohn-Krankheit, nicht näher bezeichnet
- Crohn-Krankheit o.n.A.
- Enteritis regionalis o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.