Zusammenfassung
Die frontotemporalen Demenzen gehören zu den primären Demenzen und sind u.a. durch einen frühen Beginn (ca. 40–60 Jahre) charakterisiert. Es werden zwei Hauptformen voneinander unterschieden. Die häufigste Form ist die frontotemporale Demenz vom Verhaltenstyp (früher: Morbus Pick), die sich typischerweise durch starke Wesensveränderungen mit unangepasstem Sozialverhalten äußert. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz zeigen sich Gedächtnisstörungen erst im Verlauf. Bei der zweiten Hauptform, der primär-progressiven Aphasie (PPA), sind Sprachstörungen führend. Eine wirksame antidementive Therapie gibt es nicht; die Krankheit endet häufig innerhalb von ca. 8 Jahren tödlich.
Epidemiologie
- Relativ seltene Demenz
- Früher Krankheitsbeginn: I.d.R. zwischen 40 und 60 Jahren
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Bisher ungeklärt!
- Heritabilität
- Positive Familienanamnese in ca. 40% aller Fälle [2]
- Konkrete Genmutationen bekannt [3]
Symptomatik
Klinische Einteilung und Unterformen der frontotemporalen Demenz [2][4] | ||
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Kernmerkmal [5] | Unterformen (und ihre Hauptmerkmale) | |
Frontotemporale Demenz vom Verhaltenstyp (bvFTD , veraltet: Morbus Pick) |
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Primär-progressive Aphasie (PPA) |
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Bei der frontotemporalen Demenz vom Verhaltenstyp kommt es klassischerweise zunächst zu Verhaltensauffälligkeiten, wobei die Gedächtnisfunktionen anfangs erhalten bleiben!
Diagnostik
Es gelten die generellen Empfehlungen zum Vorgehen bei Diagnostik des Demenzsyndroms!
Spezifische Diagnostik und Befunde der frontotemporalen Demenz
- Anamnese
- Typische Frontalhirnsymptome (siehe: Symptomatik der frontotemporalen Demenz)
- Familienanamnese häufig positiv
- Neurologische Untersuchung
- Ggf. Hyperoralität mit Schmatz- und/oder Saugbewegungen
- Ggf. bei fortgeschrittenem Verlauf: Parkinson-Syndrom
- Neuropsychologische Testung
- MMST bei anfänglich oft noch gut erhaltenem Gedächtnis nicht geeignet
- Behaviorale Variante: Insb. Prüfung von Exekutivfunktionen und geistiger Flexibilität sinnvoll
- Sprachvariante (PPA): Insb. Prüfung der Wortflüssigkeit sinnvoll (siehe auch: Beurteilung der Sprache)
- Psychopathologische Befundung
- Verhaltenstyp: Typische Wesensveränderungen (siehe: Frontotemporale Demenz vom Verhaltenstyp)
- cCT/cMRT
- Asymmetrische Frontal- und Temporallappenatrophie
- Hirnvolumenminderung, dadurch auch Hydrocephalus e vacuo
- EEG: Oft unauffällig
Diagnostische Kriterien
Nach ICD-10 [6]
In der ICD-10 werden konkrete diagnostische Kriterien nur für die Demenz bei Pick-Krankheit (bvFTD) definiert.
Diagnostische Kriterien der Demenz bei Pick-Krankheit nach ICD-10 | |
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B |
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C | |
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Nach ICD-11
Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) sind unter Tipps & Links zu finden.
Pathologie
- Makroskopisch
- Oft asymmetrische Atrophie von Temporal- und/oder Frontalhirn
- Hirnvolumenminderung mit „Walnussrelief“
- Histologisch: Nachweis von Pick-Körperchen (in den überlebenden Neuronen)
- Argentophile (d.h. mit Silber anfärbbare), eosinophile intrazelluläre Einschlusskörperchen innerhalb von geschwollenen Nervenzellen
- Bestehen aus unterschiedlichen Filamenten (insb. Tau-Protein)
Differenzialdiagnosen
- Schizophrenie
- Depression
- Andere Demenzformen
-
Alzheimer-Demenz
- Bei den frontotemporalen Demenzen stehen im Gegensatz zu der Alzheimer-Demenz nicht die kognitiven Störungen, sondern Verhaltens- oder Sprachstörungen im Vordergrund
- Die frontotemporalen Demenzen zeigen keine visuokonstruktiven Defizite, wie sie bei der Alzheimer-Demenz typisch sind
- Vaskuläre Demenz
- Demenz mit Lewy-Körperchen
-
Alzheimer-Demenz
- Chorea Huntington
- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Keine medikamentöse Behandlung empfohlen! [5]
- Bevorzugt sollten supportive, nicht-medikamentöse Behandlungsoptionen genutzt werden
- Beachte: Allgemeine Therapieempfehlungen bei Demenz, insb.
Aufgrund eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises wird bei der frontotemporalen Demenz keine antidementive Pharmakotherapie empfohlen! [5]
Prognose
- Lebenserwartung: Stark eingeschränkt
- Mittlere Überlebensdauer: Ca. 8 Jahre [2]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- F02.-*: Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- F02.0*: Demenz bei Pick-Krankheit (G31.0†)
- G31.-: Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive: Reye-Syndrom (G93.7)
- G31.0: Umschriebene Hirnatrophie
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.