Zusammenfassung
Das Parkinson-Syndrom ist ein Krankheitsbild, das durch einen Dopaminmangel in der Substantia nigra ausgelöst wird. Klinisch ist es durch eine Hypokinese bzw. Bradykinese gekennzeichnet, die in Kombination mit mind. einem der weiteren Kardinalsymptome Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität auftritt.
Die häufigste Ursache für das Parkinson-Syndrom ist die Parkinson-Krankheit. Sie zählt zusammen mit der Demenz mit Lewy-Körperchen zu den Lewy-Körperchen-Erkrankungen, bei denen es zur pathologischen Ablagerung von aggregierten, fehlgefalteten α-Synuklein-Molekülen (sog. Lewy-Körperchen) in Neuronen bestimmter Hirnbereiche kommt.
Bei sekundären Parkinson-Syndromen entstehen die typischen Parkinson-Symptome durch bestimmte Auslöser, bspw. als Nebenwirkung einer (ggf. langfristigen und/oder überdosierten) antidopaminergen Medikation. Die atypischen Parkinson-Syndrome (auch Parkinson-Plus-Syndrome) sind klinische Manifestationen eigenständiger neurodegenerativer Erkrankungen, die insb. in frühen Stadien der Parkinson-Krankheit ähneln können. Sie werden in einem gesonderten Kapitel behandelt (siehe: Atypische Parkinson-Syndrome).
Parkinson-Syndrom
- Kardinalsymptome: Hypokinese bzw. Bradykinese und mind. eines der folgenden Symptome
- Konsequenz: Weiterführende Diagnostik entsprechend der Diagnostik bei der Parkinson-Krankheit
Das einzige obligate Symptom des Parkinson-Syndroms ist die Hypo-/Bradykinese!
Symptome, die vermehrte Bewegung widerspiegeln (bspw. Tremor), werden Plus-Symptome genannt. Symptome, die verminderte Bewegung widerspiegeln (Hypokinese), werden als Minus-Symptome bezeichnet!
Klinische Symptomatik des Parkinson-Syndroms: TRAP (engl. „Falle“) – Tremor, Rigor, Akinese und posturale Instabilität!
Ätiologie
- Lewy-Körperchen-Erkrankungen: Auftreten von Lewy-Körperchen in bestimmten Hirnregionen, was zu klinisch unterschiedlichen neurodegenerativen Erkrankungen führt
- Parkinson-Krankheit (PK, Morbus Parkinson): Degeneration dopaminerger Neurone der Substantia nigra sowie des Locus caeruleus
- Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS): Ätiologie der Neurodegeneration unbekannt, sehr wahrscheinlich multifaktoriell
- Genetische Formen der Parkinson-Krankheit : Bspw. monogenetische Mutationen der Gene SNCA, GBA1 oder LRRK2
- Lewy-Körperchen-Demenz: Überbegriff für alle Lewy-Körperchen-Erkrankungen, die mit einem demenziellen Syndrom einhergehen
- Parkinson-Krankheit mit Demenz (PKD, Parkinson-Demenz): Zusätzliche Demenz, entwickelt sich frühestens 1 Jahr nach Beginn der Parkinson-Krankheit
- Demenz mit Lewy-Körperchen (DLK): Vorrangig neurokognitives Krankheitsbild mit subkortikaler Demenz und kortikaler Demenz, das dem Beginn der Parkinson-Krankheit vorausgeht oder bereits innerhalb des ersten Krankheitsjahres die Symptomatik dominiert
- Parkinson-Krankheit (PK, Morbus Parkinson): Degeneration dopaminerger Neurone der Substantia nigra sowie des Locus caeruleus
- Sekundäre Parkinson-Syndrome (auch: Symptomatische Parkinson-Syndrome)
- Parkinsonoid durch antidopaminerge Medikamentennebenwirkung, bspw. durch
- Vaskulär durch Stammganglieninfarkte oder (seltener) -blutungen
- Toxisch (bspw. Kohlenstoffmonoxid, Manganbelastung)
- Metabolisch (bspw. bei Morbus Wilson)
- Entzündlich (bspw. bei HIV-Enzephalopathie, Encephalitis lethargica (= postenzephalitisch))
- Tumorbedingt
- Traumatisch
- Liquorzirkulationsstörungen (bspw. Normaldruckhydrozephalus)
- Atypische Parkinson-Syndrome: Untergang dopaminerger Neurone aufgrund einer anderen neurodegenerativen Erkrankung
Die Demenz mit Lewy-Körperchen wird nicht mehr zu den atypischen Parkinson-Syndromen gezählt!
Pathophysiologie
Störung der Transmittersysteme
Hemmung der Motorik durch Dopaminmangel
- Physiologie der Basalganglien
- Substantia nigra hemmt dopaminerg die Anteile des Putamens, die die pyramidale Motorik hemmen
- Diese „Disinhibition“ (= Hemmung der Hemmung) wirkt also fördernd auf die Motorik
- Siehe auch: Basalganglienschleife
- Pathophysiologie beim Parkinson-Syndrom
- Effektiver Dopaminmangel an Rezeptoren des Striatums
- Bei der Parkinson-Krankheit: Durch Untergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra
- Bei sekundären Parkinson-Syndromen: Aufgrund anderer Ursachen
- Abnahme des „disinhibitorischen“ Dopamineffekts: Durch fehlende dopaminerge Hemmung kommt es zur Überaktivität der Anteile des Putamens und insb. des Globus pallidus internus (GPi), die die pyramidale Motorik hemmt
- Gehemmter Ablauf der Motorik führt zu Hypokinese
- Gestörtes Wechselspiel aus Hemmung und Aktivierung
- Ruhetremor und/oder
- Kokontraktion = Rigor
- Effektiver Dopaminmangel an Rezeptoren des Striatums
Andere betroffene Transmittersysteme
- Noradrenalin- und Serotoninmangel
- Degeneration serotonerger Neurone im Raphekern → Depressive Symptomatik
- Acetylcholin-Ungleichgewicht
- Relativer Überschuss cholinerger Interneurone durch den Untergang dopaminerger Neurone in den Basalganglien → Tremor und vegetative Begleitsymptomatik
- Degeneration cholinerger Neurone im Ncl. basalis Meynert → Acetylcholinmangel → Demenzielle Entwicklung
Die Degeneration weiterer Transmittersysteme in Hirnregionen außerhalb der Substantia nigra verursacht v.a. die nicht-motorischen Parkinson-Symptome! [1]
Neuronale Schädigung als Ursache der Transmitterstörung [2]
- Hypothese: Neurodegeneration durch
- Verschiedene Umwelteinflüsse
- Sporadische und familiäre Mutationen in verschiedenen Genen
- α-Synukleinopathie mit Bildung von Lewy-Körperchen
- Pathologische Aggregation des α-Synukleins zu Lewy-Körperchen in Neuronen
- Neuronale Funktionsstörung durch Ablagerung von Lewy-Körperchen insb. in der Substantia nigra bis hin zum Zelltod
- α-Synukleinopathie mit Bildung von Lewy-Körperchen
- Mögliche autoimmunologische Komponente
- Durch Genmutationen veränderte neuronale Proteine (bspw. α-Synuklein-Peptide) können als Antigene wirksam werden
- T-Zell-basierte Immunantwort kann zum Untergang der betroffenen Neurone führen
Parkinson-Krankheit
Die Parkinson-Krankheit (PK) als degenerative Erkrankung dopaminerger Neurone der Substantia nigra ist mit einem Anteil von ca. 75% die häufigste Ursache des Parkinson-Syndroms und steht im Fokus dieses Kapitels. Typische klinische Befunde sind ein seitendominantes Auftreten der Beschwerden, ein Ruhetremor und eine rigide Tonuserhöhung der Muskulatur. Die Krankheit manifestiert sich üblicherweise nach dem 50. Lebensjahr und verläuft meist langsam progredient. Sie ist nicht heilbar, sondern bislang nur symptomatisch behandelbar. Die Diagnose Parkinson-Krankheit wird anhand klinischer Kriterien und nach Ausschluss anderer Ursachen, insb. sekundärer und atypischer Parkinson-Syndrome, gestellt. Zur symptomatischen Therapie kommen v.a. L-Dopa, Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer zum Einsatz. Problematisch sind Medikamentennebenwirkungen bzw. ein Verlust der Medikamentenwirksamkeit im Krankheitsverlauf. Als alternative Therapie steht insb. für jüngere Patient:innen die tiefe Hirnstimulation zur Verfügung.
Epidemiologie
Symptomatik
Hauptsymptomatik der Parkinson-Krankheit ist das Parkinson-Syndrom!
Ein einseitiger Beginn und ein seitendominanter Erkrankungsverlauf sind charakteristisch für die Parkinson-Krankheit!
Hypokinetische Symptome der Parkinson-Krankheit
- Frühsymptome
- Seltenere, langsamere und kleinere (insb. unbewusste) Spontanbewegungen
- Vermindertes Mitschwingen (meist eines) Arms beim Gehen
- Schmerzen im Schulter-/Nackenbereich oder der Wirbelsäule (durch Rigor der proximalen Muskulatur)
- Mikrografie
- Spätere hypokinetische Symptome
- Hypomimie
- Hypophonie
- Dysphagie
- Steigende Pflegebedürftigkeit im Rahmen zunehmender Bewegungsarmut
Tremor bei der Parkinson-Krankheit
- Ruhetremor (bspw. Pillendreher- oder Münzenzähler-Tremor)
- Haltetremor: Seltener, Frequenz 5–7 Hz
- Aktionstremor: Seltener, Frequenz 8–12 Hz
Typisches Stand- und Gangbild bei der Parkinson-Krankheit
- In Adduktionshaltung eng am Körper gehaltene Arme
- Reduziertes Mitschwingen der Arme beim Gehen
- Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenke gebeugt
- Rumpf nach vorn gebeugt, ggf. bis hin zur Kamptokormie
- Kleinschrittiger Gang mit schlurfenden Schritten
- Festination
- Tendenz zur Propulsion
- Anlauf- und Abbremshemmung
- Freezing
-
Posturale Instabilität mit Retro- und Lateropulsionstendenz
- Stürze
Nicht-motorische Symptome der Parkinson-Krankheit
- Frühsymptome
- Neuropsychiatrische Symptome: Depressive Verstimmung
- Vegetative Symptome
- Sensorische Symptome: Hyposmie oder Anosmie
- Spätsymptome
- Neuropsychiatrische Symptome, insb.
- Vegetative Symptome
Parkinson-Krankheit mit Demenz
- Definition
- Demenz, die sich im Verlauf der Parkinson-Krankheit entwickelt (frühestens 1 Jahr nach Auftreten der Parkinson-Symptome)
- Keine Hinweise auf andere Ursachen der Demenz [5][6][7]
- Symptomatik
-
Neurokognitive Störungen, insb.
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Exekutive Störungen
- Räumlich-konstruktive Funktionsstörungen
- Gedächtnis- und Sprachstörungen
- Psychische und Verhaltensstörungen, insb.
- Apathie
- Visuelle Halluzinationen
- Tagesmüdigkeit
- Suchtverhalten, bspw. Glücksspielsucht (siehe auch: Glücksspielsucht unter Parkinsonmedikation)
-
Neurokognitive Störungen, insb.
Die nicht-motorischen Symptome sollten nicht unterschätzt werden. Nicht selten bewirken diese für Patient:innen und Angehörige die stärksten Einschränkungen der Lebensqualität!
Die Parkinson-Krankheit mit Demenz unterscheidet sich klinisch von der Demenz mit Lewy-Körperchen durch das späte Auftreten der Demenz im bis dahin durch die motorischen Symptome dominierten Verlauf!
Erkrankungsstadien der Parkinson-Krankheit
- Präklinische Parkinson-Krankheit
- Lewy-Körperchen-Erkrankung ohne offensichtliche motorische oder nicht-motorische Symptome
- Aktuelle Forschungsansätze : Früherkennung der Parkinson-Krankheit in dieser Phase mittels Liquoruntersuchungen, spezieller Bildgebung oder Synuklein-Ablagerungen in Biopsien von Darmzotten [8][9][10]
- Prämotorische Parkinson-Krankheit
- Lewy-Körperchen-Erkrankung in einem frühen Stadium
- Ausschließlich nicht-motorische Symptome vorhanden (bspw. REM-Schlaf-Verhaltensstörung, Geruchsstörung, Depression)
- Diagnosekriterien der Parkinson-Krankheit sind noch nicht erfüllt!
- Prodromale Parkinson-Krankheit
- Lewy-Körperchen-Erkrankung im Frühstadium, kann Jahre bis Jahrzehnte andauern
- Häufigste nicht-motorische Symptome: Hyposmie, Depression, Obstipation, REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Nur leichte oder sehr subtile motorische Symptome vorhanden
- Diagnosekriterien der Parkinson-Krankheit sind noch nicht erfüllt!
- Manifeste Parkinson-Krankheit [11]
- Klinische Diagnosekriterien der Parkinson-Krankheit sind erfüllt
- Motorische und nicht-motorische Symptome vorhanden
- Es liegen keine zusätzlichen Symptome eines atypischen Parkinson-Syndroms vor
Verlaufsformen der Parkinson-Krankheit
- Hypokinetisch-rigider Typ: Deutliche Überbetonung der hypokinetischen Symptome und des Rigors gegenüber dem Tremor
- Äquivalenz-Typ: Ruhetremor, Hypokinese und Rigor etwa gleich stark ausgeprägt
- Tremordominanz-Typ: Im Vordergrund stehender Ruhetremor bei vergleichsweise geringer Ausprägung von Hypokinese und Rigor
- Monosymptomatischer Ruhetremor (selten)
Der hypokinetisch-rigide Parkinson-Typ hat eine schlechtere Prognose mit schneller Demenzentwicklung; der Tremordominanz-Typ ist prognostisch günstiger!
Diagnostik
Struktur der Diagnostik bei Vorliegen eines Parkinson-Syndroms
Meist wird die Verdachtsdiagnose einer Parkinson-Krankheit aufgrund eines brady-/hypokinetischen Bewegungsmusters gestellt! Jedes vierte klinische Parkinson-Syndrom ist aber nicht auf die Parkinson-Krankheit, sondern auf ein sekundäres oder atypisches Parkinson-Syndrom zurückzuführen, sodass immer eine strukturierte Diagnostik erfolgen sollte!
- Schritt: Überprüfung der Symptome des Parkinson-Syndroms
- Schritt: Überprüfung der Diagnosekriterien der Parkinson-Krankheit
- Dies beinhaltet den Ausschluss sekundärer und atypischer Parkinson-Syndrome, siehe dazu
- Schritt: Im spezialisierten Setting erfolgt die weitere differenzielle Einordnung des Schweregrads anhand einer der folgenden Skalen
- Hoehn und Yahr-Skala [12]
- Stadium 0: Es bestehen keine Anzeichen der Erkrankung
- Stadium 1: Einseitige Erkrankung
- Stadium 2: Beidseitige Erkrankung ohne Gleichgewichtsstörung
- Stadium 3: Leichte bis mäßige Behinderung mit leichter Haltungsinstabilität, ohne Hilfsbedürftigkeit
- Stadium 4: Starke Behinderung, Gang und Stand aber noch ohne Hilfe möglich
- Stadium 5: Sehr starke Behinderung, Gang unmöglich, Patient:innen sind nur im Rollstuhl mobil oder bettlägerig
- UPDRS (Unified Parkinson's Disease Rating Scale) [12]
- MDS-UPDRS (Movement Disorder Society-sponsored Revision of the Unified Parkinson's Disease Rating Scale) [12]
- Hoehn und Yahr-Skala [12]
- Schritt: Regelmäßige Re-Evaluation der Diagnose im Langzeitverlauf, v.a. im Hinblick auf motorische Fluktuationen und Dyskinesien
Die Parkinson-Krankheit ist eine klinische Diagnose! Anamnese und klinische Untersuchung sind die zentralen diagnostischen Maßnahmen!
Anamnese
- Symptome des Parkinson-Syndroms
- Symptome der Parkinson-Krankheit
- Differenzialdiagnostische Hinweise
Zentrale Inhalte der Anamnese zur Abklärung eines Parkinson-Syndroms inkl. differenzialdiagnostischer Hinweise | ||
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Erfragen der Kern- und Begleitsymptomatik | Differenzialdiagnostische Hinweise (Auswahl) | Differenzialdiagnosen (Auswahl) |
Charakterisierung der motorischen Leitsymptomatik (inkl. Beginn, Dauer, Seitendominanz) |
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Vorerkrankungen |
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Medikamentenanamnese |
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Vegetative Anamnese/Begleitsymptomatik |
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Berufs- und Tätigkeitsanamnese |
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Psychopathologischer Befund/neuropsychiatrische Begleitsymptomatik | ||
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Neurologische Untersuchung
AMBOSS-Video-Tutorial zur Überprüfung von Koordination, Gang und Stand
Typische neurologische Untersuchungsbefunde bei der Parkinson-Krankheit
Eine Seitendominanz ist typisch für die Parkinson-Krankheit bei allen Untersuchungen, die die Extremitäten betreffen!
Typische neurologische Untersuchungsbefunde bei der Parkinson-Krankheit | ||
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Untersuchung von | Test | Typische Befunde |
Hypokinese/Bradykinese |
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Tremor |
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Rigor |
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Posturale Instabilität |
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Klinische Untersuchungsbefunde, die auf ein atypisches Parkinson-Syndrom hindeuten
Klinische Untersuchungsbefunde, die auf ein atypisches Parkinson-Syndrom hindeuten | ||
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Wegweisende Befunde (Auswahl) | Differenzialdiagnosen | |
Zeichen der Kleinhirnschädigung |
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Okulomotorikstörungen |
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Pyramidenbahnzeichen |
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Früh gestörte posturale Stabilität |
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Weitere klinische Tests
- Schellong-Test zur Beurteilung einer orthostatischen Dysregulation
- Geruchstestung zur Objektivierung einer Hyposmie/Anosmie: Durchführung standardisierter Tests (bspw. „Sniffin' Sticks“)
- Pathologische Primitivreflexe, bspw.
- Unerschöpflicher Glabellareflex
- Schnauzreflex
L-Dopa-Test (L-Dopa Response Test) bzw. Apomorphin-Test
- Hintergrund: Eine Symptomverbesserung nach Gabe einer einmaligen Dosis von L-Dopa soll eine Differenzierung zwischen Parkinson-Krankheit (spricht gut an) und atypischem Parkinson-Syndrom (spricht schlecht/nicht an) ermöglichen.
- Diagnostische Relevanz/Indikation
- Keine routinemäßige Diagnostik
- Nachteile/Einschränkungen
- Mögliche Medikamentennebenwirkungen
- Geringe negative und positive Prädiktivität
- Sinnvoll im Rahmen spezieller Fragestellungen
- Alternative: Normale Einstellung auf eine dauerhafte L-Dopa-Therapie und Verlaufsbeobachtung
- Durchführung
- Vormedikation mit Domperidon
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik 30 min vor L-Dopa-Gabe
- Gabe von L-Dopa (+ peripherem Decarboxylasehemmer), vorzugsweise schnell lösliche Präparate
- Alternativ: Injektion von Apomorphin
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik 30 min nach L-Dopa-Gabe
- Befund: Verbesserung der Parkinson-Symptomatik → Test ist positiv
- Diagnostische Konsequenz
- Positives Ergebnis: Zusätzlicher Hinweis auf das Vorliegen einer Parkinson-Krankheit
- Negatives Testergebnis: Hinweis auf ein atypisches Parkinson-Syndrom
Bildgebende Diagnostik
- Klinische Routinediagnostik
- MRT oder cCT
- Frühzeitig bei Vorliegen eines Parkinson-Syndroms
- Ggf. Wiederholung im Verlauf
- Ausschluss/Bestätigung sekundärer und (fortgeschrittener) atypischer Parkinson-Syndrome
- Transkranielle B-Bild-Sonografie
- Fakultative zusätzliche Bildgebung
- Nachweis einer Hyperechogenität in der Substantia nigra im transtemporalen B-Bild
- MRT oder cCT
- Zusatzdiagnostik außerhalb der klinischen Routine
- DaTSCANTM: Dopamin-Transporter-Szintigrafie
- Darstellung dopaminerger nigrostriataler Bahnen durch die Markierung von Dopamintransportern
- Zur Abgrenzung einer tremordominanten Parkinson-Krankheit von einem essenziellen Tremor
- FDG-PET: 18F-Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomografie
- Zur Differenzierung zwischen Parkinson-Krankheit und atypischem Parkinson-Syndrom
- Beurteilung des Risikos für das Auftreten einer Demenz bei Parkinson-Krankheit möglich
- IBZM-SPECT: Dopamin-D2-Rezeptor-Szintigrafie (veraltet)
- DaTSCANTM: Dopamin-Transporter-Szintigrafie
Diagnosekriterien
Klinische Diagnosekriterien der MDS (Movement Disorder Society) [13]
Klinische Diagnosekriterien der MDS (Movement Disorder Society) für die Parkinson-Krankheit |
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1. Motorische Kardinalsymptome [12] |
2. Absolute Ausschlusskriterien |
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3. Red Flags |
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4. Unterstützende Kriterien |
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AUSWERTUNG: Klinisch sichere Parkinson-Krankheit |
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AUSWERTUNG: Klinisch wahrscheinliche Parkinson-Krankheit |
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UK-Parkinson’s-Disease-Society-Brain-Bank-Kriterien
- Vorliegen eines Parkinson-Syndroms
- Plus drei der folgenden Symptome
- Einseitiger Beginn
- Persistierende Asymmetrien im Krankheitsverlauf (bspw. seitenunterschiedliche Ausprägung des Ruhetremors)
- Gutes Ansprechen auf L-Dopa (Ruhetremor muss trotz Vorliegen eines Morbus Parkinson nicht unbedingt gut ansprechen)
- Choreatiforme Dyskinesien durch L-Dopa-Überdosierung
- Progressiver Verlauf
- Klinischer Verlauf >10 Jahre
- Plus Ausschluss eines atypischen oder sekundären Parkinson-Syndroms [14]
Pathologie
- Post-mortem-Diagnosesicherung: Nur bei speziellen Fragestellungen
- Charakteristisch: Sog. Lewy-Körperchen
- Hyaline eosinophile Einschlusskörperchen in den betroffenen Hirnregionen
- Vorkommen auch bei Lewy-Körperchen-Demenzen
- Bestandteile: Proteinablagerungen, hauptsächlich fehlgefaltetes α-Synuklein
- Bedeutung: Noch unklar, zunehmende Aggregation der Lewy-Körperchen bewirkt Störung der inneren Zellstruktur und Funktionsverlust der betroffenen Neurone
Differenzialdiagnosen
Allgemeine Therapie
Übersicht
- Für stadienabhängige Behandlungsempfehlungen siehe: Stadienabhängige Therapie der Parkinson-Krankheit
- Zur medikamentösen Therapie häufiger Parkinson-assoziierter Symptome siehe:
- Für Behandlungsempfehlungen sekundärer Parkinson-Syndrome siehe: Therapie sekundärer Parkinson-Syndrome
- Für Behandlungsempfehlungen atypischer Parkinson-Syndrome siehe: Atypische Parkinson-Syndrome
- Für einen Überblick möglicher Substanzen siehe: Parkinson-Medikamente
Allgemeine Behandlungsprinzipien bei der Parkinson-Krankheit [15][16][17]
- Medikamentenwirkung: Beeinflussung des gestörten Transmittergleichgewichts, insb. über den Ausgleich des Dopaminmangels, siehe auch: Parkinson-Medikamente
- Beginn: I.d.R. nach Diagnosestellung
- Herausforderungen
- Medikamente können den Krankheitsverlauf nicht bremsen
- Fortschreiten der Erkrankung erfordert immer wieder Anpassung der medikamentösen Therapie
- Auftreten von hypo- oder hyperkinetischen Wirkungsfluktuationen im Verlauf (bei den meisten Patient:innen nach einigen Jahren)
- Fokus in der Anfangsphase: Symptomkontrolle (i.d.R. Monotherapie)
- Fokus in der Spätphase: Kombination verschiedener Therapeutika zum Erreichen der geringstmöglichen L-Dopa-Dosis bei bestmöglicher Symptomkontrolle
Parkinson-Medikamente dürfen nicht abrupt abgesetzt werden (Gefahr einer akinetischen Krise oder eines malignen neuroleptischen Syndroms)!
Definitionen: Hypo- und hyperkinetische Wirkungsfluktuationen [15][18]
- On-Phase: Gute Beweglichkeit
- On-Dyskinesien (hyperkinetisch) können auftreten
- Off-Phase: Schlechte Beweglichkeit (hypokinetisch)
- Motorische und nicht-motorische Parkinson-Symptome treten auf / werden stärker
- Off-Dyskinesien oder Phänomene wie Freezing treten häufiger auf
- Wirkungsfluktuationen: Off-Phasen und On-Phasen wechseln sich ab
- Wearing-off/End-of-dose-Wirkungsfluktuationen
- Wirkungsverlust am Ende des Dosierungsintervalls
- Motorische und nicht-motorische Parkinson-Symptome nehmen zu
- Regellose Fluktuationen: Zeitlicher Zusammenhang mit Medikamentenwirkungszyklus ist nicht mehr zu erkennen
- L-Dopa-induzierte Dyskinesien: Pathognomonisch für die Parkinson-Krankheit
- On-Dyskinesie
- Überwiegend choreatiforme / ballistische Bewegungen (hyperkinetisch)
- Obere Extremitäten oft stärker betroffen als andere Körperteile
- Auch dystone Bewegungsmuster, insb. kraniozervikal
- Während der gesamten On-Phase oder als Peak-Dose-Dyskinesie
- Off-Dyskinesie
- Überwiegend dystone Bewegungsmuster (Off-Dystonie)
- Insb. untere Extremitäten betroffen
- Oft schmerzhaft
- Biphasische Dyskinesien
- Dyskinesien zu Beginn und/oder am Ende einer On-Phase
- Häufig choreatiforme und dystone Bewegungsmuster gemischt
- On-Dyskinesie
Supportive Therapien bei Parkinson-Syndromen
- Physiotherapie
- Logopädie
- Ergotherapie
- Neuropsychologisches Training
- Künstlerische Therapien (bspw. Musiktherapie)
Stadienabhängige Therapie der Parkinson-Krankheit
Die Zielsymptome der hier dargestellten medikamentösen Parkinson-Therapie sind v.a. Hypokinese und Rigor!
Milde Symptomatik bzw. Initialphase [16]
- Wahl des Mittels bei Therapiebeginn: Abhängig von Alter, Komorbidität, Verträglichkeit und psychosozialen Faktoren (i.d.R. Monotherapie) [15]
-
L-Dopa + Decarboxylasehemmer (Benserazid oder Carbidopa)
- Stärkste Wirkung bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen
- CAVE: Früh begonnene bzw. hohe Dosierungen von L-Dopa bedingen früheres Auftreten von Wirkungsfluktuationen und Dyskinesien
-
MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin)
- Normalerweise gute Verträglichkeit
- CAVE: Häufig nicht ausreichende Wirksamkeit (insb. bei relevanten motorischen Symptomen), in hoher Dosierung ggf. unerwünschte kardiovaskuläre und zentralnervöse Stimulation
-
(Non-Ergot‑)Dopaminagonisten (Piribedil, Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin)
- Einmalgabe teilweise möglich: Retardpräparate (Ropinirol, Pramipexol) oder Pflaster (Rotigotin)
- CAVE: Geringere Wirksamkeit und schlechteres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu L-Dopa
-
L-Dopa + Decarboxylasehemmer (Benserazid oder Carbidopa)
- Unzureichende Wirksamkeit der initialen Monotherapie: Bei Therapie mit
- MAO-B-Hemmern: Wechsel der Monotherapie auf Monotherapie mit Dopaminagonisten bzw. L-Dopa oder Kombination des MAO-Hemmers mit Dopaminagonisten oder L-Dopa
- Dopaminagonisten: Kombination mit L-Dopa
- L-Dopa: Kombination mit Dopaminagonisten
Dosierungen
- L-Dopa
- L-Dopa + Benserazid
- L-Dopa + Carbidopa
- Titrierung der Erhaltungsdosis
- Individuelle Dosis: Sehr variabel
- Einschleichende Dosierung
- Niedrigste mögliche Erhaltungsdosis wählen
- MAO-B-Hemmer
- (Non-Ergot‑)Dopaminagonisten
- Piribedil
- Pramipexol [15], Pramipexol ret.
- Ropinirol , Ropinirol ret.
- Rotigotin (transdermal)
L-Dopa wird idealerweise zwischen zwei Mahlzeiten eingenommen (30 min vor oder 90 min nach einer Mahlzeit), da es mit Aminosäuren aus der Nahrung um die Absorption im Darm konkurriert! [19]
Stärkere Symptomatik bzw. beginnende hypo- und hyperkinetische Wirkungsfluktuationen
- Stärkere Symptomatik: Anpassung der jeweiligen Monotherapie bis zur suffizienten Symptomkontrolle bzw. bis zur Maximaldosis
- Nächtliche motorische Symptome: Retardiertes L-Dopa-Präparat zur Nacht
- Optionen bei hypo- oder hyperkinetischen Wirkungsfluktuationen
- Bei bereits bestehender L-Dopa-Therapie
- Dosierungsintervalle verkürzen (Tagesdosis auf mehrere Einzelgaben verteilen)
- Retardiertes L-Dopa-Präparat zusätzlich (nur zur Nacht nehmen) : L-Dopa + Benserazid ret. oder L-Dopa + Carbidopa ret.
- Unklare Evidenz: Proteinumverteilung bei der Nahrungsaufnahme [19]
- Kombinationstherapie: I.d.R. L-Dopa mit einer der anderen Wirkstoffgruppen
-
Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Piribedil
- Pramipexol bzw. Pramipexol ret.
- Ropinirol bzw. Ropinirol ret.
- Rotigotin
- MAO-B-Hemmer
- COMT-Hemmer (bestehende Basistherapie mit L-Dopa + Decarboxylasehemmer obligat)
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Non-Ergot-Dopaminagonisten
- L-Dopa-induzierte Dyskinesien
- Bei bereits bestehender L-Dopa-Therapie
- Coupierung von episodisch auftretenden Off-Phasen: Schnell wirksame Medikamente einsetzen
- L-Dopa: Oral (löslich) oder inhalativ
- Apomorphin sublingual [20]
Ca. 5 Jahre nach Erkrankungsbeginn benötigen die meisten Parkinson-Erkrankten ein L-Dopa-Präparat!
Regellose Fluktuationen: Intensivierte Therapieformen
- Therapieziel: Reduktion der hypo-/hyperkinetischen Wirkungsfluktuationen, Einsparung der oralen/transdermalen Medikation
- Therapiewahl: Abhängig u.a. von Indikation/Kontraindikation, Patientenwunsch, Durchführbarkeit
Therapieoptionen
- L-Dopa per Jejunalsonde (LCIG) [15]
- Beschreibung: Intrajejunale Infusionstherapie mit (in Gelform gebundenem) L-Dopa (häufig vor Anlage: Testung der Wirksamkeit durch nasogastrale Sonde, dann PEG-Anlage mit Vorschub in das Jejunum, siehe auch: Duodenalsonde)
- Nutzen: Gleichmäßige Wirkung durch kontinuierliche Abgabe von Wirkstoff, unabhängig von der Motilität des Magen-Darm-Traktes
- Kontraindikationen: U.a. fehlende pflegerische Unterstützung, schwere Demenz
- Risiken/Nebenwirkungen: Analog zur oralen L-Dopa-Medikation, außerdem operatives Risiko und Risiko lokaler Infektionen an der Halteplatte der PEG-Sonde
- Zu beachten
- Schwierige Handhabung (gute Schulung der Patient:innen oder ggf. pflegerische Unterstützung wichtig), eingeschränkte Mobilität (durch relativ große und schwere Pumpe)
- Polyneuropathien beschrieben → Kontrolle und ggf. Substitution von Vitamin B6, B12 und Folsäure
- Subkutane Apomorphin-Pumpe bzw. Foslevodopa-Pumpe
- Beschreibung: Feine Nadel wird ins subkutane Fettgewebe eingebracht und dort fixiert, sie ist durch einen dünnen Schlauch mit der Medikamentenpumpe verbunden
- Nutzen: Gleichmäßige Wirkung durch kontinuierliche Abgabe von Wirkstoff
- Kontraindikationen: U.a. fehlende pflegerische Unterstützung, schwere Demenz
- Risiken/Nebenwirkungen: U.a. Hautreizungen an Einstichstelle häufig, außerdem
- Apomorphin-Pumpe: Analog zu oralen Dopaminagonisten
- Foslevodopa-Pumpe: U.a. neurologische, kardiovaskuläre und gastrointestinale Nebenwirkungen [21]
- Zu beachten: Einstellung in spezialisierten Zentren empfohlen, im Verlauf regelmäßige Kontrollen notwendig, schwierige Handhabung (gute Schulung der Patient:innen oder ggf. pflegerische Unterstützung wichtig)
- Tiefe Hirnstimulation
- Beschreibung: Stereotaktische Implantation von stimulierenden Elektroden in den Ncl. subthalamicus (seltener Globus pallidus, Thalamus)
- Nutzen: Starke und gleichmäßige Wirksamkeit, Einsparung (meist jedoch kein völliger Ersatz) der oralen Medikation möglich
- Kontraindikationen: U.a. Demenz, ausgeprägte Depression, strukturelle Hirnläsion, hohes Alter, schwere Allgemeinerkrankung
- Risiken/Nebenwirkungen: U.a. operatives Risiko → Eher bei jungen Patient:innen empfohlen, ggf. Verschlechterung einer Parkinson-assoziierten Dysarthrie
Therapieprinzipien bei Parkinson-Tremor
- Probleme
- Oft unzureichende Besserung des Tremors unter den Standarddosierungen der Parkinson-Medikamente
- Therapieansprechen sehr unterschiedlich, individuelle Lösungen notwendig
- Mögliche medikamentöse Maßnahmen (Auswahl)
- Grundsätzlich gut wirksam: L-Dopa, Dopaminagonisten
- Erhöhung von L-Dopa-Einzel- oder Tagesdosen erwägen
- Kombination von L-Dopa mit Dopaminagonisten/MAO-B-Hemmern/COMT-Hemmern
- Alternative Therapieversuche
- Propranolol (Off-Label Use)
- Clozapin (Off-Label Use)
- Anticholinergika: Nur in Ausnahmefällen empfohlen!
- Grundsätzlich gut wirksam: L-Dopa, Dopaminagonisten
- Invasive Maßnahmen: Bei ausgeprägtem und therapierefraktärem Tremor
- Tiefe Hirnstimulation (THS)
- Kontinuierliche Medikamentenapplikation mittels Pumpentherapie (LCIG/Apomorphin s.c.)
- Botulinumtoxin A: Anwendung kann bei Hand-, Kiefer- und Kinntremor erwogen werden
Eine Optimierung der medikamentösen Therapie bzgl. der Symptome Hypokinese und Rigor bessert in vielen Fällen auch den Tremor!
Anticholinergika sollten nur noch in begründeten Ausnahmefällen zur Tremorbehandlung eingesetzt werden!
Therapie von psychischen und Verhaltenssymptomen
Therapie der Parkinson-Krankheit mit Demenz
- Medikamentöse antidementive Behandlung (stadienabhängig)
- Symptomorientierte Pharmakotherapie von psychischen und Verhaltenssymptomen bei Demenz
Therapie depressiver Episoden bei Parkinson-Krankheit[15]
- Sicherstellen einer suffizienten dopaminergen Therapie
- Eindosierung von Pramipexol oder Rotigotin (2. Wahl)
- Schwere depressive Episode: Venlafaxin
- Psychotherapie, insb. KVT
Therapie psychotischer Episoden bei Parkinson-Krankheit
- Allgemeine Maßnahmen
- Überprüfung der medikamentösen Therapie, ggf. Reduktion / Absetzen erwägen
- Parkinson-Medikamente: L-Dopa möglichst weiterführen (stärkste Wirksamkeit auf Motorik), bevorzugt zunächst schwächer wirksame Parkinson-Medikamente reduzieren / langsam absetzen
- Beseitigung evtl. auslösender Faktoren
- Siehe auch: Nicht-medikamentöse Prävention des Delirs
- Überprüfung der medikamentösen Therapie, ggf. Reduktion / Absetzen erwägen
- Medikamentöse Optionen
- Indikation: Bei schweren psychotischen Symptomen , wenn eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der Anti-Parkinson-Mittel aufgrund einer Verschlechterung der motorischen Symptome nicht möglich ist
- Zu beachten: Viele Antipsychotika sind hier kontraindiziert!
- Mögliche Substanzen
Therapie von Störungen mit impulsiv-zwanghaftem Verhalten bei Parkinson-Krankheit
- Dopaminagonisten reduzieren bzw. ausschleichend ersetzen
- Kognitive Verhaltenstherapie
Schwerwiegende Komplikationen unter dopaminerger Therapie
Akinetische Krise / Malignes dopaminerges Entzugssyndrom [15][18]
Mögliche Auslöser
- Reduktion/Absetzen von dopaminerger Medikation (insb. L-Dopa oder Dopaminagonisten)
- Resorptionsstörungen (bspw. gastrointestinaler Infekt, Ileus)
- Einnahme von Antipsychotika (außer Clozapin und Quetiapin)
- Körperliche Stressfaktoren wie bspw. Infekte, Dehydrierung, OPs, metabolische Entgleisung
- Bei tiefer Hirnstimulation: Technische Störung des Hirnstimulationsgenerators
Klinisches Bild
- Akute Verschlechterung der Parkinson-Symptome binnen 2–3 d
- Ausgeprägte Akinese und Rigor
- Meist vollständige Bewegungsunfähigkeit
- Schwere Dysarthrie bis hin zu Anarthrie
- Dysphagie in unterschiedlicher Ausprägung
- Fieber
- Vegetative Symptome: Bspw. Schwitzen, Harnverhalt
- Schwere Ausprägung: Bewusstseinsstörungen, Dyspnoe
- Transiente L-Dopa-Resistenz
Diagnostik
- Labor: CK↑, Myoglobin↑
- Dopamintransporter-SPECT (falls verfügbar): Massiv reduzierte striatale, präsynaptische Dopamintransporter-Bindung
Differenzialdiagnostik
- Substanzanamnese: Hinweise auf serotonerges Syndrom , Intoxikationen
- Bildgebung des Kopfes: Beidseitiger Anteriorinfarkt, intrakranielle Raumforderung
- Labor: Sepsis, thyreotoxische Krise, Autoimmunenzephalitis
Therapie
- Allgemeine Maßnahmen
- Frühzeitige Behandlung und intensivmedizinische Überwachung
- Auslösende Faktoren möglichst beseitigen/behandeln
- Flüssigkeitsgabe, Fiebersenkung, Thromboseprophylaxe, Aspirationsprophylaxe
- Spezifische Therapie
- Ausreichende dopaminerge Medikationszufuhr sicherstellen , bspw.
-
L-Dopa: Initial schnell lösliche Formulierung wählen, bei Dysphagie über nasogastrale Sonde verabreichen
- Bisher keine Medikation mit L-Dopa oder Vormedikation unbekannt: Neu eindosieren
- Vor 1–2 d abgesetzt: Bisherige Dosierung wieder aufnehmen bzw. etwas erhöhen
- Vor mehreren Tagen abgesetzt: Rasche Aufdosierung innerhalb von 2–3 d auf bisherige Dosierung bzw. etwas höhere Dosis
-
Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Apomorphin s.c. , begleitend Domperidon oder
- Geringe klinische Erfahrung: Rotigotin transdermal [15]
-
L-Dopa: Initial schnell lösliche Formulierung wählen, bei Dysphagie über nasogastrale Sonde verabreichen
- Amantadin i.v.
- Diazepam (Muskeltonussenkung) in Einzelfällen erwägen
- Ausreichende dopaminerge Medikationszufuhr sicherstellen , bspw.
Dopaminagonisten-Entzugssyndrom [15]
- Auslöser: Reduktion oder Absetzen von Dopaminagonisten
- Risikofaktoren: Bestehende Impulskontrollstörungen, hohe Tagesdosen von Dopaminagonisten, tiefe Hirnstimulation
- Klinisches Bild
- Zeitgleiches Vorliegen von psychiatrischen Symptomen (insb. Angst, Anhedonie), generalisierten Schmerzen, autonomen Symptomen (insb. Schwitzen)
- Fallberichte von Suiziden
- Zeitlicher Zusammenhang mit Reduktion von Dopaminagonisten
- Deutlicher Symptomrückgang bei Dosiserhöhung von Dopaminagonisten
- Kein Ansprechen auf andere Parkinson-Medikamente und/oder kognitive Verhaltenstherapie
- Therapie
- Keine spezifische Therapie
- In schweren/protrahierten Fällen Wiederaufnahme der Dopaminagonisten-Therapie erwägen
- Prophylaxe
- Dopaminagonisten sehr langsam reduzieren/absetzen
- Aufklärung über Risiko eines Dopaminagonisten-Entzugssyndroms vor Beginn der Behandlung
Dyskinesie-Hyperpyrexie-Syndrom [18]
- Auslöser: Medikamentös bedingte dopaminerge Überstimulation
- Klinisches Bild
- Heftige Dyskinesien („Bewegungssturm“, „dyskinetischer Sturm“)
- Irreguläre/dyskinetische Atmung bis hin zur muskulären Erschöpfung
- Hyperthermie
- Schwere Form: Rhabdomyolyse, Verwirrtheit
- Therapie: Vorsichtige Reduktion der dopaminergen Medikamente unter intensivmedizinischer Überwachung
Dopamin-Dysregulationssyndrom [18][24]
- Definition: Dopaminabhängigkeit im Rahmen einer Dopaminersatztherapie bei Patient:innen mit Parkinson-Krankheit
- Klinisches Bild
- Betroffene nehmen selbstständig deutlich höhere L-Dopa-Dosierung ein, als zur Therapie ihrer motorischen Symptome notwendig
- Nach Einnahme zu hoher Dosen: Oftmals hypomanische Zustände und starke Hyperkinesien
- Nach Dosisreduktion: Entzugssymptome (bspw. gereizte Stimmung, Ängstlichkeit)
- Therapie: Keine eindeutigen Empfehlungen [24]
Therapie sekundärer Parkinson-Syndrome
- Behandlung der Ursache, wenn möglich
- Bei medikamentös induziertem Parkinson-Syndrom siehe: Parkinsonoid
- Bei allen anderen Syndromen: Therapieversuch mit L-Dopa+Benserazid
Prognose
- Je nach Unterform unterschiedlich, schlechteste Prognose bei hypokinetisch-rigidem Typ
- I.d.R. Entwicklung Medikamenten-assoziierter Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen innerhalb der ersten zehn Behandlungsjahre
- Pflegebedürftigkeit i.d.R. innerhalb von ca. 20 Jahren
- Unter guter medikamentöser Einstellung in etwa normale Lebenserwartung
- Tod meist im Rahmen von Aspirationspneumonien bei fortgeschrittener Dysphagie
Demenz mit Lewy-Körperchen
- Kurzbeschreibung: Neurodegenerative Erkrankung aus dem Formenkreis der Lewy-Körperchen-Erkrankungen [15]
- Epidemiologie
- Ca. 5% aller Demenzfälle
- Erkrankungsbeginn: Ca. 60–70 Jahre [27]
- Klinik [5][6]
- Kernsymptome
- Kognitive Störungen
- Fluktuierende Symptomatik mit Schwankungen der Vigilanz und Aufmerksamkeit
- Störung der Exekutivfunktionen
- Visuelle Erkennungsstörungen und/oder Halluzinationen
- Gedächtnisstörungen (erst im fortgeschrittenen Stadium)
- Parkinson-Symptome
- Kognitive Störungen
- Zusätzlich
- Überempfindlichkeit gegenüber Antipsychotika
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Häufige Stürze
- Wahn
- Kernsymptome
- (Differenzial‑)diagnostik
- Die Diagnosestellung erfolgt klinisch , siehe hierzu
- Diagnostik des Demenzsyndroms
- Diagnostik beim Parkinson-Syndrom
- Differenzialdiagnostik des Parkinson-Syndroms
- Unterstützend: DaT-SPECT-Untersuchung [6][28]
- Eine definitive Diagnosestellung ist nur durch eine histopathologische Post-mortem-Analyse möglich
- Abgrenzung zur Parkinson-Krankheit mit Demenz: U.a. anhand der zeitlichen Manifestation kognitiver und motorischer Symptome [5][28]
- Abgrenzung zur Alzheimer-Demenz, u.a.
- Fluktuation
- Ausprägung der kognitiven Defizite
- Die Diagnosestellung erfolgt klinisch , siehe hierzu
- Diagnostische Kriterien
- Therapie
- Motorische Symptomatik: Die dopaminerge Therapie ist i.d.R. nur mäßig wirksam und wird dadurch limitiert, dass sich ein Wahn verstärken kann
- Ggf. niedrigdosiertes L-Dopa (+ Benserazid oder Carbidopa)
- Dopaminagonisten nicht empfohlen
- Kognitive Symptomatik: Bei leichter bis mittelschwerer Ausprägung: Donepezil (Off-Label Use)
- Beachte auch: Allgemeine Therapieempfehlungen bei Demenz, insb.
- Motorische Symptomatik: Die dopaminerge Therapie ist i.d.R. nur mäßig wirksam und wird dadurch limitiert, dass sich ein Wahn verstärken kann
Eine antidementive Pharmakotherapie mit Donepezil kann (Off-Label) empfohlen werden! [5]
Bei Menschen mit Demenz mit Lewy-Körperchen kann der Einsatz von Antipsychotika zu lebensbedrohlichen akinetischen Krisen führen!
Fahreignung bei Parkinson-Krankheit und bei Demenz mit Lewy-Körperchen
- PKW-Führerschein (Gruppe 1) [29]
- Fahreignung gegeben
- Leichte Krankheitsausprägung, gute therapeutische Einstellung
- Voraussetzungen
- Wiederholung der Beurteilung in regelmäßigen Abständen
- Beurteilung durch erfahrene Fachärzt:innen für Neurologie, ggf. neuropsychologische Testung inkl. praktischer Fahrprobe
- Fahreignung nicht gegeben (Auswahl) [15]
- Schwere motorische Einschränkung
- Unvorhersehbare ausgeprägte motorische Wirkungsfluktuationen
- Störungen der visuellen Funktion
- Kognitive Störungen
- Störungen von Aufmerksamkeit, Psychomotorik, Impulskontrolle
- Halluzinationen
- Ausgeprägte reduzierte Belastbarkeit oder Tagesmüdigkeit
- Bei tiefer Hirnstimulation: Während medikamentöser Umstellungsphase vor OP bis 3 Monate nach OP
- Fahreignung gegeben
- LKW-Führerschein und Personenbeförderung (Gruppe 2): Generell keine Fahreignung gegeben
Die Angaben gelten für Deutschland!
Patienteninformationen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Parkinson-Krankheit
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
G20.-: Primäres Parkinson-Syndrom
- Inkl.: Hemiparkinson, Paralysis agitans, Parkinsonismus oder Parkinson-Krankheit: Idiopathisch, primär, o.n.A.
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie G20 zu benutzen:
- 0: Ohne Wirkungsfluktuation bzw. ohne Angabe einer Wirkungsfluktuation (bspw. G20.00 primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung ohne Wirkungsfluktuation)
- 1: Mit Wirkungsfluktuation (bspw. G20.01 primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung mit Wirkungsfluktuation)
- G20.0-: Primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung
- Stadien 0 bis unter 3 nach Hoehn und Yahr
- G20.1-: Primäres Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer Beeinträchtigung
- Stadien 3 oder 4 nach Hoehn und Yahr
- G20.2-: Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung
- Stadium 5 nach Hoehn und Yahr
- G20.9-: Primäres Parkinson-Syndrom, nicht näher bezeichnet
G21.-: Sekundäres Parkinson-Syndrom
- Inkl.: Sekundärer Parkinsonismus
- G21.0: Malignes Neuroleptika-Syndrom
- G21.1: Sonstiges arzneimittelinduziertes Parkinson-Syndrom
- G21.2: Parkinson-Syndrom durch sonstige exogene Agenzien
- G21.3: Postenzephalitisches Parkinson-Syndrom
- G21.4: Vaskuläres Parkinson-Syndrom
- G21.8: Sonstiges sekundäres Parkinson-Syndrom
- G21.9: Sekundäres Parkinson-Syndrom, nicht näher bezeichnet
Sonstiges und Folgen
- G22*: Parkinson-Syndrom bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Inkl.: Parkinson-Syndrom bei Syphilis (A52.1†)
- G31.-: Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems, anderenorts nicht klassifiziert
- G31.8: Sonstige näher bezeichnete degenerative Krankheiten des Nervensystems
- G31.82: Lewy-Körper-Krankheit
- G31.8: Sonstige näher bezeichnete degenerative Krankheiten des Nervensystems
- F02.-*: Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- F02.3*: Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (G20.-†)
- Demenz bei: Paralysis agitans, Parkinsonismus oder Parkinson-Krankheit
- F02.3*: Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (G20.-†)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.