Zusammenfassung
Das Ösophaguskarzinom manifestiert sich in der Regel als Adeno- oder Plattenepithelkarzinom. Adenokarzinome entstehen auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus als Folge einer Refluxösophagitis und sind im unteren Drittel des Ösophagus lokalisiert. Sie gelten als eine der am stärksten zunehmenden Neoplasien der westlichen Welt und überwiegen mittlerweile gegenüber der Anzahl an Plattenepithelkarzinomen. Für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms sind verschiedene Noxen wie Rauchen, heiße Getränke, Nitrosamine und vor allem Alkohol als Risikofaktoren anerkannt. Plattenepithelkarzinome befinden sich vor allem im mittleren Drittel des Ösophagus.
Die zumeist erst spät auffallende klinische Symptomatik (bspw. Dysphagie, Druckgefühl) des Ösophaguskarzinoms trägt dazu bei, dass dieses zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur bei ca. 40% der Erkrankten noch operabel ist. Bei Verdacht auf einen Tumor der Speiseröhre kommt v.a. die Endoskopie zum Einsatz, mit der auch eine histologische Sicherung der Verdachtsdiagnose gelingt. Therapeutisch können Karzinome bis etwa zum Stadium IIa operativ und in kurativem Ansatz angegangen werden, während dem Großteil der Patienten mit höhergradigem Stadium nur noch eine palliative Therapie zuteilwerden kann.
Epidemiologie
- Weltweit häufig, in Mittel- und Westeuropa jedoch eher selten
- Inzidenz 6–8/100.000 Einwohner jährlich (RKI 2014)
- Geschlechterverhältnis: ♂ > ♀ (3:1)
- Alter: Auftreten meist erst ab dem 40. Lebensjahr (Häufigkeitsgipfel um 60.–70. Lebensjahr)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Adenokarzinom (50–60%): Zunehmende Inzidenz von Adenokarzinomen in Westeuropa
- Risikofaktoren
- Adipositas
- Gastroösophagealer Reflux
- Rauchen
- Achalasie
- Stenose nach Verätzung
- Präkanzerose: Barrett-Ösophagus (Zylinderzellmetaplasie) als Komplikation einer gastroösophagealen Refluxkrankheit
- Lokalisation: Vor allem unteres Drittel des Ösophagus (>90%)
- Risikofaktoren
- Plattenepithelkarzinom (40–50%)
- Risikofaktoren
- Alkoholabusus, insb. bei Bevorzugung hochprozentiger alkoholischer Zubereitungen
- Rauchen
- Nitrosamine
- Achalasie
- Z. n. Strahlentherapie im Bereich des Ösophagus
- Andere Plattenepithelkarzinome im Kopf- und Halsbereich
- Stenosen nach Verätzung
- Heiße Getränke
- Möglicher Zusammenhang zwischen dem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus und einer Infektion mit humanen Papillomaviren (insb. HPV 16, 18, 6)
- Plummer-Vinson-Syndrom
- Lokalisation
- Bevorzugt im mittleren Ösophagusdrittel (50%) >> distales Ösophagusdrittel > oberes Ösophagusdrittel
- Entlang physiologischer Engstellen (Ösophagusmund, Aortenenge, Zwerchfellenge)
- Risikofaktoren
- Undifferenziertes Karzinom (selten)
Klassifikation
TNM-Klassifikation
TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinoms | |
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TNM | Ausdehnung |
TX |
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T0 |
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Tis | |
T1 |
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T2 |
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T3 |
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T4 |
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NX |
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N0 |
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N1 |
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N2 |
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N3 |
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M0 |
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M1 |
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Nach postoperativer histopathologischer Sicherung | |
| Fernmetastasen |
| Bei Tumorfreiheit nach regionärer Lymphadenektomie und histologischer Untersuchung von mind. 7 oder mehr Lymphknoten |
Siewert-Klassifikation
Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs (AEG-Karzinom ) werden seit der 7. Auflage der TNM-Klassifikation und den abgeleiteten UICC-Stadien den Ösophaguskarzinomen zugeordnet. Sie stellen ein diagnostisches und therapeutisches Grenzproblem dar. In der klinischen Praxis ist die Siewert-Klassifikation gebräuchlich .
Siewert-Klassifikation für gastroösophageale Übergangskarzinome | ||
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Typ | Lokalisation | Hinweise |
Siewert Typ I |
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Siewert Typ II |
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Siewert Typ III |
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Symptomatik
- Leitsymptom: Dysphagie
- Auftreten jedoch meist erst bei fortgeschrittenem, nicht mehr kurativ behandelbarem Befund
- Weitere lokale Symptome
- Gastrointestinale Blutung (Hämatemesis oder Melaena)
- Regurgitation
- Erbrechen, Völlegefühl
- Pseudohypersalivation (bei totaler Verlegung des Ösophaguslumens)
- Heiserkeit
- Allgemeinsymptome
- Retrosternale Schmerzen, Rückenschmerzen
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
Das Ösophaguskarzinom ist ein „stummes“ Karzinom und wird in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium symptomatisch!
Verlaufs- und Sonderformen
Metastasierungswege des Ösophaguskarzinoms
- Lymphogen: Früh
- Zervikale Lymphknoten, insb. bei hochsitzenden Tumoren
- Infiltration von Nachbarstrukturen
- Findet früh statt, da nur der abdominelle Teil des Ösophagus von einer Tunica serosa überzogen ist
- Bspw. Trachea, Wirbelkörper oder Blutgefäße
- Hämatogen: Spät
Stadien
Stadieneinteilung der UICC
Stadieneinteilung der UICC des Ösophaguskarzinoms | |||
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Stadium | TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinoms | Therapieprinzip (stark vereinfacht) | |
0 |
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I | Ia |
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Ib |
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II | IIa |
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IIb |
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III | IIIa |
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IIIb |
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IIIc |
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IV |
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Endoskopische Resektionsgrenzen beim Ösophaguskarzinom
Für die Empfehlung zu einer endoskopischen Resektion im Gegensatz zu einem operativen Vorgehen ist bei Befunden im Stadium T1 eine feinere Unterteilung der Invasion von Mukosa und Submukosa erforderlich . An der Invasionstiefe kann das Risiko für Lymphknotenmetastasen abgeleitet werden.
Ösophagus-Plattenepithelkarzinome – Endoskopische Resektabilität
Eindringtiefe | Risiko für Lymphknotenmetastasen | Endoskopische Resektion ausreichend? |
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m1 |
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m2 |
| |
m3 |
|
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sm1 |
| |
sm2 |
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|
sm3 |
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Ösophaguskarzinom - Kriterien zugunsten einer endoskopischen Resektion |
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Ösophagus-Adenokarzinome – Endoskopische Resektabilität
Eindringtiefe | Risiko für Lymphknotenmetastasen | Endoskopische Resektion ausreichend |
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m1 |
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m2 | ||
m3 | ||
sm1 |
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sm2 |
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sm3 |
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Ösophaguskarzinom - Kriterien gegen eine endoskopische Resektion |
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Diagnostik
Diagnosesicherung
- Anamnese: Insb. im Hinblick auf Schluckstörungen
- Endoskopie (ÖGD): Goldstandard zur Diagnosesicherung
- Entnahme von Biopsien aus allen suspekten Läsionen mit getrennter Asservierung und histopathologischer Untersuchung
- Bei höher gelegenen Tumoren und ausgeprägter Stenosierung Einsatz eines dünnkalibrigen Spezialendoskops
- Bei Hochrisikopatienten (bspw. bei anderen Plattenepithelkarzinomen im Mund-Nasen-Rachenraum): Chromoendoskopie mit Lugol'scher Lösung (Schiller-Iodprobe)
Bei jeglichem Neuauftreten von Dysphagie, rezidivierenden Aspirationsereignissen, gastrointestinaler Blutung, rezidivierendem Erbrechen, Gewichtsverlust, Inappetenz und dyspeptischen Symptomen muss eine Ösophagogastroduodenoskopie veranlasst werden!
Staging-Untersuchungen bei Ösophaguskarzinom
- Endoskopische Sonografie (EUS): Obligat bei möglicher kurativer Therapieoption
- Am besten geeignetes Verfahren für die Beurteilung der lokalen Infiltrationstiefe des Tumors (T-Kategorie der TNM-Klassifikation)
- Außerdem Beurteilung des Befalls regionärer Lymphknoten (N-Kategorie der TNM-Klassifikation), je nach Lage des Tumors zusätzliche EUS-gesteuerte Feinnadelbiopsie möglich
- Computertomografie von Abdomen/Thorax (Multidetektor-Computertomografie, MDCT): Erhebung des Lymphknotenstatus
- Verwendung von oralem Kontrastmittel (idealerweise Wasser) und i.v. Gabe eines iodhaltigem Kontrastmittels
- Aufnahme der Leber in der portalvenösen Phase zur Detektion hypovaskularisierter Metastasen
- Bei proximalem Tumor zusätzliche Aufnahme des Halses
- Bei Kontraindikationen für eine CT: MRT als Alternative
- Abdomensonografie: Ausschluss von Lebermetastasen
- Erhöhung der Sensitivität und Spezifität durch zusätzlichen Einsatz von Kontrastmittel (CEUS = contrast-enhanced ultrasound)
- Zervikale Sonografie: Ausschluss zervikaler Lymphknotenmetastasen bei hochsitzenden Tumoren
- Ggf. weitere Untersuchungen
-
Röntgen-Breischluck-Untersuchung: Ausschluss lokaler Komplikationen (bspw. Fisteln) oder auf ausdrücklichen Patientenwunsch
- Befund: Konturveränderungen, Asymmetrie, Stenosen, proximale Dilatation
- PET-CT bei TNM-Status T2–4 N+, wenn bei Fehlen von Fernmetastasen ein kurativer therapeutischer Ansatz möglich erscheint
- Flexible Bronchoskopie: Bei fortgeschrittenen Tumoren mit Kontakt zum Tracheobronchialsystem empfohlen
- Diagnostische Laparoskopie: Detektion von Fernmetastasen; ein diagnostischer Gewinn ist allerdings nur bei Adenokarzinomen des distalen Ösophagus oder des ösophagogastralen Übergangs zu erwarten
-
Röntgen-Breischluck-Untersuchung: Ausschluss lokaler Komplikationen (bspw. Fisteln) oder auf ausdrücklichen Patientenwunsch
Röntgen-Breischluck-Aufnahmen werden aktuell zur Primärdiagnostik nicht mehr empfohlen, da sie keinen diagnostischen Vorteil gegenüber einer Kombination aus ÖGD, Endosonografie und CT bieten!
Die laborchemische Bestimmung von Tumormarkern ist beim Ösophaguskarzinom nicht sinnvoll!
Pathologie
Adenokarzinom
- Pathogenese: Gastroösophagealer Reflux führt zur Schädigung des ösophagealen Plattenepithels → Ersatz durch Zylinderepithel vom intestinalen Typ mit Becherzellen (=„Barrett-Metaplasie“) → Dysplasie → Adenokarzinom
- Wachstumsmuster: Meist endophytisch-polypös, im Verlauf ulzerierend
- Histologische Merkmale
- Intestinaler Typ mit Drüsenbildung, Ähnlichkeit zu Adenokarzinomen des Kolons
- Tumor wird von metaplastischem Epithel („Barrett-Metaplasie“) umgeben
Verhornendes Plattenepithelkarzinom
- Vorläuferläsionen: Intraepitheliale Neoplasien
- Differenzierung: Gut differenziertes Karzinom
- Wachstumsmuster
- Meist Ulzeriert
- Polypös
- Seltener: Diffus infiltrierend (sehr aggressiv)
- Histologische Merkmale
- Aufhebung der gleichmäßigen Gewebearchitektur
- Plattenepithelkarzinomnester mit kreisförmiger Verhornung
- Lymphozytäre Infiltrate zwischen den Karzinomnestern
Zum Vergleich: Normalbefunde
Therapie
Grundsätzliche Überlegungen
- Staging als Entscheidungsgrundlage: Ausgehend von den Staging-Befunden ist die Therapie des Ösophaguskarzinoms zu planen
- Die Qualität des Stagings entscheidet über die Qualität der Therapie!
- Interdisziplinäre Tumorkonferenz: Grundsätzlich sollte eine interdisziplinäre Tumorkonferenz über jeden Fall beraten
- Therapieoptionen: Kurativer oder palliativer Ansatz
- Voraussetzungen für einen kurativen Ansatz: Keine Fernmetastasen, lokal wenig fortgeschrittener Tumor
- Ausreichender Ernährungszustand
- Kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei häufigen Komorbiditäten
Endoskopische Resektion des Ösophaguskarzinoms
- Indikation: Tumorstadien bis T1, N0, M0, sofern die zusätzlichen Kriterien der endoskopischen Resektabilität vorliegen (siehe: Endoskopische Resektionsgrenzen beim Ösophaguskarzinom)
- Adenokarzinome und seine Präkanzerosen: Endoskopische Resektion bei Barrett-Ösophagus mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie oder mukosalem Karzinom
- Ablation verbliebener Barrett-Mukosa im Anschluss (sog. Zweistufentherapie): Bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus wird nach erfolgreicher endoskopischer Resektion einer Neoplasie die verbliebene, nicht-neoplastische Barrett-Mukosa thermisch ablatiert, um die Entstehung weiterer Neoplasien zu verhindern
- Radio-Frequenz-Ablation (RFA): Einsatz v.a. beim Long-Segment-Barrett-Ösophagus
- APC-Ablation (Argon-Plasma-Coagulation): Einsatz v.a. beim Short-Segment-Barrett-Ösophagus
- Ablation verbliebener Barrett-Mukosa im Anschluss (sog. Zweistufentherapie): Bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus wird nach erfolgreicher endoskopischer Resektion einer Neoplasie die verbliebene, nicht-neoplastische Barrett-Mukosa thermisch ablatiert, um die Entstehung weiterer Neoplasien zu verhindern
- Plattenepithelkarzinome: Hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder mukosales Karzinom ohne Infiltration von Lymph- oder venösen Gefäßen (L0, V0), ohne Ulzerationen und ohne höhere Differenzierung (G1/G2) des Plattenepithels
- Rezidive: Ein Lokalrezidiv eines mukosalen Karzinoms in einer Barrett-Situation nach vorheriger endoskopischer Resektion kann erneut endoskopisch reseziert werden
- Adenokarzinome und seine Präkanzerosen: Endoskopische Resektion bei Barrett-Ösophagus mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie oder mukosalem Karzinom
- Ziel: Komplette Resektion (R0); wenn diese nicht möglich ist, chirurgisches Verfahren!
- Durchführung: Nach Möglichkeit En-bloc-Resektion mittels endoskopischer Mukosaresektion (= EMR) oder endoskopischer Submukosadissektion (= ESD)
- Die EMR hat sich als Standardtherapie für hochgradige intraepitheliale Neoplasien und mukosale Karzinome etabliert
- Für größere Läsionen ist die ESD der EMR überlegen
- Bei Plattenepithelkarzinomen erzielt die ESD bessere Ergebnisse bzgl. R0-Resektion und Lokalrezidiven
Chirurgische Resektion des Ösophaguskarzinoms
- Indikation: Tumorstadium T2 , bei Tumorstadien T3 und T4 oder bei N+, M0 nach neoadjuvanter Chemotherapie (Adenokarzinom) bzw. Radiochemotherapie (Plattenepithelkarzinom) – sofern Operabilität und Resektabilität gegeben
- Kontraindikationen
- Nachweis einer Fernmetastase (ab Stadium M1)
- Risikofaktoren des Patienten bezüglich einer operativen Therapie
- Ziel: Vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten
- Um eine R0-Resektion zu erreichen, muss bei allen Ösophaguskarzinomen außer bei rein mukosalen Karzinomen (T1a) ein Sicherheitsabstand nach proximal und distal von je 3–4 cm eingehalten werden
- Vorteile der chirurgischen Resektion
- Weniger Rezidive als bei der alternativ in Frage kommenden definitiven Radiochemotherapie (sowohl bei Adeno- als auch bei Plattenepithelkarzinomen)
- Verfahren je nach Tumorlokalisation: Nach Möglichkeit werden minimal-invasive gegenüber offen-chirurgischen Verfahren bevorzugt
- Karzinome des distalen Ösophagus (inkl. AEG Siewert Typ I): Transthorakale subtotale Ösophagektomie mit Resektion des proximalen Magens, Magenhochzug und intrathorakaler Anastomose
- Karzinome des gastroösophagealen Übergangs Siewert Typ II: Transhiatale erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion, alternativ transthorakale Ösophagektomie und obere Magenresektion
- Karzinome des gastroösophagealen Übergangs Siewert Typ III: Transhiatale erweiterte Gastrektomie und distale Ösophagusresektion
- Bei fortgeschrittener Infiltration kann eine Ösophagogastrektomie nötig sein
- Karzinome des oberen thorakalen Ösophagus: Subtotale Ösophagektomie mit Ausweitung des Resektionsmaßes nach oral
- Thorakale Plattenepithelkarzinome: Transthorakale Ösophagusdissektion
- Möglichkeiten für die Rekonstruktion
- Magenhochzug (Verfahren der Wahl)
- Alternativen: Koloninterponat oder Jejunuminterponat
- Magenhochzug (Verfahren der Wahl)
- Spezialfall: Zervikale Plattenepithelkarzinome des Ösophagus
- Nach sorgfältiger Abwägung kann eine Ösophagusresektion über einen zervikalen Zugang mit oberer Sternotomie durchgeführt werden
- Rekonstruktion durch ein freies Jejunuminterponat
- Aufgrund der hohen Komplikationsrate (Schluckstörungen, Rekurrensparese usw.) wird bei zervikalen Plattenepithelkarzinomen i.d.R. eine Radiochemotherapie (s.u.) durchgeführt
- Zusätzlich bei der OP: Lymphadenektomie
- I.d.R. Durchführung einer Zweifeld-Lymphadenektomie .
Perioperative Chemotherapie
- Kurzbeschreibung: Kombination aus neoadjuvanter und adjuvanter Chemotherapie in kurativer Intention
- Ziel: Die perioperative Chemotherapie kann in fortgeschrittenen Tumorstadien ein Down-Staging bewirken und die Resektionsoptionen deutlich verbessern
- Indikation
- Adenokarzinome und AEG der Kategorie T2: Relative Indikation zur prä- und postoperativen Chemotherapie („Kann“)
- Adenokarzinome und AEGs der Kategorie T3 und resektable T4-Tumoren
- Kein Überlebensvorteil bei Plattenepithelkarzinomen: Zwar können mit einer perioperativen Chemotherapie auch bei Plattenepithelkarzinomen die Raten an R0-Resektionen erhöht werden, insgesamt zeigen sich jedoch keine Verbesserungen der Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu einer alleinigen Operation
- Hier wird daher die neoadjuvante Radiochemotherapie empfohlen
- Durchführung: Standard ist eine Therapie nach FLOT-Schema: Kombination aus 5-FU, Folinsäure, Oxaliplatin und Docetaxel [1]
- Restaging
- Nach Abschluss der präoperativen Chemotherapie müssen erneut Fernmetastasen ausgeschlossen und der Lokalbefund neu bewertet werden, bevor die Operation geplant werden kann
- Treten während der präoperativen Therapie Symptome auf, die auf ein fortschreitendes Wachstums des Tumors hindeuten, muss eine dementsprechende Diagnostik durchgeführt werden
- Zeitnahe OP, wenn bildgebend und/oder endoskopisch eine Regression der Tumorlast nachweisbar ist
Präoperative Radiochemotherapie
- Kurzbeschreibung: Kombination aus neoadjuvanter Chemo- und Radiotherapie
- Eine neoadjuvante Radiochemotherapie steigert die Wahrscheinlichkeit, in der nachfolgenden Operation eine R0-Resektion zu erzielen, verringert die Anzahl von Rezidiven und steigert die Überlebenswahrscheinlichkeit
- Indikation
- Plattenepithelkarzinome der Kategorie T2: Relative Indikation zur präoperativen kombinierten Radiochemotherapie, im Anschluss komplette operative Resektion („Kann“)
- Plattenepithelkarzinome der Kategorie T3 und resektable T4-Tumoren: Präoperative Radiochemotherapie, im Anschluss komplette operative Resektion („Soll“)
- Adenokarzinome und AEGs der Kategorie T3 und resektable T4-Tumoren
- Durchführung: Als Standard für die neoadjuvante Radiochemotherapie hat sich folgende Kombination etabliert
- Chemotherapie mit 5-FU und Cisplatin, weitere mögliche Therapieregime siehe: Radiochemotherapie des Ösophaguskarzinoms
- Radiotherapie mit 40–50 Gy in konventioneller Fraktionierung; 1,8–2,0 Gy pro Fraktion
- Restaging: Analog zum Restaging bei präoperativer Chemotherapie
Definitive Radiochemotherapie des Ösophaguskarzinoms
- Kurzbeschreibung: Kombination von Radio- und Chemotherapie (potenziell kurativ)
- Indikation
- Vorliegen von Kontraindikationen für eine Operation (unabhängig vom histologischen Typ des Karzinoms) bei
- nicht resektablem Tumor (Einschätzung durch ein in der Ösophaguschirurgie erfahrenes Team)
- Inoperabilität (Mitbeurteilung durch Internisten)
- Ablehnung der Operation durch den Patienten
- Alternative zur chirurgischen Therapie
- Vorliegen von Kontraindikationen für eine Operation (unabhängig vom histologischen Typ des Karzinoms) bei
- Durchführung
- Bestrahlung mit einer Gesamtdosis von 50–60 Gy
- Simultane Chemotherapie mit 5-FU/Cisplatin, weitere mögliche Therapieregime sind unten tabellarisch zusammengefasst
Chemotherapeutisches Regime bei kombinierter Radiochemotherapie des Ösophaguskarzinoms | |
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Protokoll | Medikament |
5-FU/Cisplatin | |
Carboplatin/Paclitaxel | |
FOLFOX |
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Palliativtherapie des Ösophaguskarzinoms
Palliative Chemotherapie
- Indikationen: Plattenepithel- und Adenokarzinome, die aufgrund der lokalen Ausbreitung oder aufgrund von Fernmetastasierung nicht kurativ behandelt werden können
- Ziele
- Verlängerung der Überlebensdauer
- Bestmögliche Lebensqualität
- Durchführung
- Adenokarzinom: Bestimmung des HER2-Status vor Beginn der palliativen Chemotherapie
- HER2-Status negativ: Zweifachkombination aus platinhaltigem Wirkstoff und Fluoropyrimidin (bspw. 5-FU/Cisplatin), ggf. Erweiterung zur Dreifachkombination mit zusätzlich Docetaxel oder Epirubicin
- HER2-Status positiv: Dreifachkombination aus Cisplatin, einem Fluoropyrimidin und Trastuzumab
- Bei Progress unter Chemotherapie: Second-Line-Chemotherapie (Irinotecan, Docetaxel oder Paclitaxel
- Plattenepithelkarzinom: Eine Kombinationstherapie aus Cisplatin und einem Fluoropyrimidin kann erwogen werden, der Effekt ist jedoch nicht gesichert
- Adenokarzinom: Bestimmung des HER2-Status vor Beginn der palliativen Chemotherapie
Palliative Radiochemotherapie
- Indikationen: Lokale Komplikationen durch den Tumor
- Stenosen
- Kompressionen
- Blutungen
- Ziel: Linderung von Symptomen
- Durchführung: Perkutane Bestrahlung (50–60 Gy) bei gleichzeitiger Kombinationschemotherapie (bspw. Cisplatin und 5-FU)
Palliativmedizinische Problemsituationen
- Tumorbedingte Passagestörung
- Implantation eines selbstexpandierenden Metallstents
- Ablation einer Stenose mittels Argon-Plasma-Coagulation (APC), evtl. kombiniert mit einer Bestrahlung (Brachytherapie)
- Ggf. auch bei einliegendem Stent und stenosierenden Wucherungen durch die Maschen des Stents
- Ernährung mittels PEG-Sonde
AMBOSS-Pflegewissen: Ösophaguskarzinom
Beobachten/Überwachen
- Kontrolle der Vitalparameter
- Herzfrequenz
- Blutdruck
- Atmung
- Temperatur
- Typische Symptome
- Dysphagie
- Mangelernährung, Gewichtsverlust
- Retrosternale Schmerzen, Rückenschmerzen
- Husten, Heiserkeit
- Übelkeit/Erbrechen, ggf. Hämatemesis
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Hämatemesis
- Ggf. Teerstuhl
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Blutung
Ernährung
- Praktisches Vorgehen
- Häufig kleine, hochkalorische Mahlzeiten [5]
- Schmerzmittelgabe bei Bedarf (insb. vor den Mahlzeiten)
- Ggf. PEG oder parenterale Ernährung notwendig
- Maßnahmen zur Passageverbesserung
- Weiche Kost
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Gründliches Kauen
Spezielle präoperative Pflege
- Erforderliche Voruntersuchungen
- HNO-Konsil
- Lungenfunktionsprüfung
- Allgemeine Maßnahmen
- Anleitung zur Atemgymnastik (Pneumonieprophylaxe)
- Haarentfernung von Kinn bis Leisten, einschließlich Flanken sowie Achsel- und Intimbehaarung
- Darmreinigung und Nahrungskarenz: Nach ärztlicher Anordnung bzw. hausinternen Standards, abhängig vom Ersatzorgan [5]
- Psychische Begleitung
- Gesprächsbereitschaft signalisieren
- Ängste und Sorgen ernst nehmen
- Pflegerische Beratung (z.B. zum postoperativen Schmerzmanagement) anbieten
- Für weiterführende Informationen siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Präoperative Pflege
Spezielle postoperative Pflege
- Regelmäßige Kontrollen
- Vitalparameter
- Flüssigkeitsbilanz
- Verbände (insb. auf Nachblutungen)
- Lage der Magensonde
- Geförderte Sekretmenge über Thoraxdrainage
- Benachrichtigung des ärztlichen Personals: Unmittelbar, sofern nötig, insb. bei
- Dislokation der Magensonde
- Undichtigkeit der Thoraxdrainage
- Hinweisen auf Nachblutung oder Anastomoseninsuffizienz
- Positionierung
- Halb sitzende Position anstreben (Oberkörper um mind. 30° erhöht)
- Überstreckung des Kopfes vermeiden
- Ernährung
- Beginn einer enteralen Ernährung möglichst innerhalb von 24 h nach OP [5]
- I.d.R. schrittweise Steigerung, basierend auf Röntgenkontrolle (ärztliche Anordnungen beachten)
- Bei parenteraler Ernährung: Soorprophylaxe und Parotitisprophylaxe
- Für weiterführende Informationen siehe auch
Manipulationen an der Magensonde können zu einer akzidentellen Perforation im Bereich der Anastomose führen!
Eine unmittelbare Benachrichtigung des ärztlichen Personals ist insb. bei Dislokation der Magensonde, Undichtigkeit der Thoraxdrainage sowie bei Hinweisen auf Nachblutung oder Anastomoseninsuffizienz erforderlich!
Komplikationen
- Frühe lymphogene Metastasierung
- Frühe Infiltration benachbarter Strukturen
- Stenosierung
- Ösophagitis
-
Ösophagotracheale Fistel
- Eindringen von Nahrung und Flüssigkeit in die Atemwege
- Auswurf enthält Nahrungsbestandteile
- Gefahr der Aspirationspneumonie
- Eindringen von Nahrung und Flüssigkeit in die Atemwege
- Im Verlauf hämatogene Metastasierung
- Solitäre Lungenmetastasen
- Therapie: Chirurgische Resektion kann prognoseverbessernd sein
- Solitäre Lebermetastasen oder multilokuläre Lungenmetastasen
- Therapie: Chirurgische Resektion sollte nur in Ausnahmefällen erwogen werden
- Solitäre Lungenmetastasen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Aufgrund meist später Diagnosestellung insgesamt schlechte Prognose
- Beim Großteil der Patienten liegt bei der Erstdiagnose des Tumors bereits ein Stadium T3 und ein Befall der Lymphknoten vor
- Tumor bei nur ca. 40% der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch operabel
- Je weiter aboral die Lokalisation, desto besser ist die Prognose
- Das Tumorstadium ist der entscheidende Faktor für die Prognose
- Prognostisch ungünstige Merkmale
- Einbrüche in Blut- und Lymphgefäße
- Infiltratives Wachstum am Tumorrand
- Prognostisch günstige Merkmale
- Expansives Wachstumsmuster
- Ausgeprägte peritumorale Infiltration durch Lymphozyten
- Die 5-Jahresüberlebensrate beträgt weniger als 10%
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C15.-: Bösartige Neubildung des Ösophagus
- Hinweis: Zwei Subklassifikationen stehen zur Auswahl:
- .0–.2 nach der anatomischen Bezeichnung
- .3–.5 nach dem Drittel
- Es wird absichtlich von dem Grundsatz abgewichen, dass die Kategorien einander ausschließen sollten, da beide Einteilungen verwendet werden, die daraus resultierenden anatomischen Unterteilungen jedoch nicht übereinstimmen.
- C15.0: Zervikaler Ösophagus
- C15.1: Thorakaler Ösophagus
- C15.2: Abdominaler Ösophagus
- C15.3: Ösophagus, oberes Drittel
- C15.4: Ösophagus, mittleres Drittel
- C15.5: Ösophagus, unteres Drittel
- C15.8: Ösophagus, mehrere Teilbereiche überlappend
- C15.9: Ösophagus, nicht näher bezeichnet
- Hinweis: Zwei Subklassifikationen stehen zur Auswahl:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.