Zusammenfassung
Die Hämochromatose ist eine hereditäre Erkrankung, die zu Eisenablagerungen in bestimmten Organen führt. Es werden primäre (hereditäre) von sekundären (z.B. transfusionsbedingt) Formen unterschieden, wobei die häufigste Ursache die autosomal-rezessiv vererbliche Hämochromatose Typ I (Häufigkeit 1:1000) ist. Dabei liegt ein genetischer Defekt zugrunde, der zu einer teilweise ungehemmten Eisenresorption des Dünndarms führt. Die Ablagerungen lösen vielfältige Organerkrankungen aus – typisch ist vor allem die Entwicklung einer Leberzirrhose und ein damit einhergehendes erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines Leberzellkarzinoms. Weitere Symptome können eine dunkle Pigmentierung der Haut, Diabetes mellitus („Bronzediabetes“) oder Arthralgien sein. Charakteristischerweise sind das Serumferritin und die Transferrinsättigung im Blut erhöht. Die Diagnose kann durch molekulargenetische Diagnostik oder eine Leberbiopsie gesichert werden. Therapeutisch besteht vor allem die Möglichkeit wiederholter Aderlässe, um die Eisenkonzentration im Körper zu senken. Zudem kann diätetisch und medikamentös (Chelatbildner wie Deferoxamin) Einfluss auf den Eisenhaushalt des Körpers genommen werden.
Epidemiologie
- Häufigkeit (Hämochromatose Typ I): 1:1.000
- Häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung bei Menschen mit nordeuropäischer Abstammung
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Primäre Form = Hereditäre Hämochromatose
- Klassische (häufigste) Form: Adulte Hämochromatose Typ I
- Homozygoter HFE-Gendefekt
- Vererbung: Autosomal-rezessiv mit unvollständiger Penetranz
- Weitere Formen: Hämochromatose Typ II-IV ebenfalls hereditär, aber deutlich seltener
Sekundäre Eisenüberladung
- Transfusionsbedingt (z.B. bei Anämie)
-
Sideroblastische oder sideroachrestische Anämie
- Pathogenese: Ineffektive Erythropoese mit Störungen des Eiseneinbaus in das Häm bzw. Eisenverwertungsstörung → Eisenüberladung des Organismus
- Bsp.: Hereditäre sideroblastische Anämie, Anämie bei chronischer Erkrankung („Anemia of chronic disease“)
Pathophysiologie
Hämochromatose Typ I: HFE-Gendefekt → Gesteigerte intestinale Eisenresorption von 3–4mg/Tag durch Enterozyten, insbesondere im Duodenum → Ablagerung in multiplen Organen (typisch und primär: Hepatozyten) mit jeweiligen Folgeschäden
Symptomatik
- Allgemeinsymptome
- Potenzstörungen/Libidoverlust
- Arthralgien (typisch: Symmetrische Arthropathie der Metakarpophalangealgelenke II und III)
- Hyperpigmentierte „bronzefarbene“ Haut
- Organmanifestation
- Leberzirrhose (häufig!)
- Diabetes mellitus (häufig!)
- Kardiomyopathie
- Schädigung des hormonellen Systems (Hypophyse, Nebennierenrinde)
Die Hämochromatose wird aufgrund ihres schleichenden und primär asymptomatischen Verlaufes oft erst bei fortgeschrittener Organmanifestation entdeckt!
Die bronzefarbene Hautpigmentierung in Kombination mit dem Diabetes mellitus wird auch als „Bronzediabetes“ bezeichnet!
Diagnostik
Labordiagnostik
- Nachweis einer Eisenüberladung
- Ferritin im Plasma↑ (>300 μg/L)
- Transferrinsättigung↑ (>45%)
- Weniger geeignet: Serumeisen↑, Transferrin↓
- Erhöhung der Leberwerte: Transaminasenerhöhung
Leberbiopsie
- Histologie (Färbung: Berliner Blau) → Ausgeprägte Siderose in der Eisenfärbung mit Ablagerungen vor allem in den Hepatozyten
- Bestimmung der Eisenkonzentration
- Eisenkonzentration der Leber geteilt durch das Lebensalter ergibt den Lebereisenindex
- Werte >1,9 sprechen für eine Hämochromatose
- Eisenkonzentration der Leber geteilt durch das Lebensalter ergibt den Lebereisenindex
Bildgebung
- MRT der Leber: Methode der Wahl
- CT-Abdomen: Hyperdense Darstellung der Leber
- Leber-Elastografie
Genetik
- Homozygote C282Y-Mutation des HFE-Gens
- Evtl. Familienscreening
Therapie
Primäre Hämochromatose
- Eisenarme Diät und Schwarztee → Senkung der Eisenresorption
- Aderlass ist Mittel der Wahl
- Initial 1–2 Phlebotomie/Woche → Nach Erreichen des Zielwertes eine Phlebotomie alle 2–3 Monate
- Jeweils 500 mL Blut → Elimination von 250 mg Eisen
- Zielwert: Serumferritin 20–50 μg/L, Hb-Wert >12 g/dL (bzw. 120 g/L)
- Prognose: Therapiebeginn in präzirrhotischer Phase → Normale Lebenserwartung und keine Organschäden
-
Medikamentöser Eisenentzug
- Chelatbildner: Deferoxamin
- Indikation: Insbesondere bei Kontraindikation des Aderlasses (Anämie, sekundäre Hämochromatosen)
- Bei Unverträglichkeit: Deferipron
Komplikationen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Hämochromatose
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- E83.-: Störungen des Mineralstoffwechsels
- Exklusive: Alimentärer Mineralmangel (E58-E61), Krankheiten der Nebenschilddrüse (E20-E21), Vitamin-D-Mangel (E55.‑)
- E83.1: Störungen des Eisenstoffwechsels
- Hämochromatose
- Exklusive: Anämie
- sideroachrestisch [sideroblastisch] (D64.0–D64.3)
- Eisenmangel- (D50.‑)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.