Zusammenfassung
Als Diabetes mellitus wird eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, deren gemeinsames Merkmal eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels ist (Hyperglykämie). Die beiden wichtigsten Vertreter der Gruppe sind Diabetes mellitus Typ 1 und 2. Beim Typ-1-Diabetes werden die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse durch eine Autoimmunreaktion zerstört, wodurch es zu einem absoluten Insulinmangel kommt. Die Ätiologie des Typ-2-Diabetes hat eine starke genetische Komponente und ist zudem häufig mit Adipositas assoziiert. Durch eine verminderte Insulinwirkung an den Körperzellen (periphere Insulinresistenz) kommt es dabei zunächst zu einem relativen Insulinmangel mit kompensatorisch erhöhter Insulinsekretion der Betazellen. Im weiteren Verlauf nimmt die endokrine Pankreasfunktion jedoch kontinuierlich ab, woraus wiederum ein absoluter Insulinmangel resultiert. Bei allen Diabetesformen können die anhaltend erhöhten Blutzuckerspiegel mit mikro- sowie makroangiopathischen Schädigungen einhergehen und so schwerwiegende Komplikationen auslösen, insb. von Herz, Kreislauf, Nieren, Augen und Nervensystem.
Therapeutisch sollte der Glucosestoffwechsel möglichst normalisiert und weitere Risikofaktoren für Komplikationen behandelt werden (bspw. eine arterielle Hypertonie). Beim Typ-1-Diabetes ist dafür der konsequente Ausgleich des absoluten Insulinmangels durch Insulininjektionen notwendig. Mithilfe verschiedener Therapieschemata wird der Grundbedarf durch Basalinsulin gedeckt und abhängig von der Kohlenhydrataufnahme zu den Mahlzeiten Bolusinsulin verabreicht. Betroffene müssen intensiv geschult werden, um eine gute Blutzuckereinstellung zu erreichen und potenziell lebensgefährliche Blutzuckerentgleisungen zu vermeiden. Bei Typ-2-Diabetes können Lebensstilanpassungen wie eine Gewichtsnormalisierung, körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung ausreichen, um eine Manifestation und das Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern. Häufig ist allerdings eine medikamentöse Therapie mit Metformin sowie ggf. anderen Antidiabetika oder Insulininjektionen erforderlich.
Für eine Übersicht zu Themen der Krankenpflege siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Diabetes mellitus
Für pädiatrische Inhalte siehe: Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter und Diabetische Ketoazidose im Kindes- und Jugendalter - AMBOSS-SOP
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.
Epidemiologie
- Steigende Prävalenz in den letzten Jahren
- Geografisch deutliche Unterschiede
- Lebenszeitprävalenz (D): Ca. 8% der 18- bis 79-Jährigen, ab einem Alter von 60 Jahren deutlich zunehmend
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Diabetes mellitus Typ 1 [1]
- Multifaktorielle Genese: Chronische (i.d.R. autoimmune) Zerstörung der insulinproduzierenden β-Zellen des Pankreas
- Genetische Faktoren: Starke Assoziation mit HLA-DR und -DQ
- Erhöhtes familiäres Risiko: HLA-Typisierung werdender Eltern zur Einschätzung des Vererbungsrisikos möglich
- Für weitere Einflussfaktoren siehe auch: Diabetes mellitus Typ 1 im Kindes- und Jugendalter - Ätiologie
- Genetische Faktoren: Starke Assoziation mit HLA-DR und -DQ
- Assoziation zu anderen Autoimmunerkrankungen : Bspw. Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-A-Gastritis, Zöliakie, primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
Diabetes mellitus Typ 2 [2]
- Multifaktorielle Genese: Mit vielen manifestationsfördernden bzw. assoziierten Risikofaktoren
- Genetische Faktoren: Starke erbliche Komponente
- Meist mit metabolischem Syndrom assoziiert
- Stammbetonte Adipositas (Messung des Bauchumfangs)
- Gestörte Glucosetoleranz bzw. Insulinresistenz
- Fettstoffwechselstörungen (Triglyceride↑, HDL-Cholesterin↓)
- Arterielle Hypertonie
- Albuminurie
- Weitere Assoziationen
- Weitere Einflussfaktoren
- Höheres Lebensalter
- Lebensstilfaktoren
- Umweltfaktoren
- Medikamente mit diabetogenem Potenzial
Medikamente mit diabetogenem Potenzial [3] | ||||
---|---|---|---|---|
Überbegriff | Substanzklasse | Wirkstoffe | Diabetogenes Potenzial | |
Antihypertensiva | Betablocker | (↑) | ||
Anfallssuppressiva | Carbamazepin, Valproat | ↑–↑↑ | ||
Gabapentin, Pregabalin | ||||
Lopinavir, Ritonavir (hochdosiert) | ↑ | |||
Zidovudin | ||||
Broncholytika | ↑ | |||
Immunsuppressiva | Bspw. Prednisolon | ↑↑ | ||
Ciclosporin | ||||
Tacrolimus | ||||
Sirolimus | ↑ | |||
Lipidsenker | ↑ | |||
Clozapin, Olanzapin | ↑↑ | |||
Paliperidon, Risperidon | ↑ | |||
Typische Antipsychotika | Quetiapin | ↑ | ||
Antidepressiva | Trizyklika | Bspw. Amitriptylin | ↑–↑↑ | |
Weitere Substanzen | Mirtazapin | |||
Mianserin | ||||
↑–↑↑ |
Klassifikation
Nach WHO und American Diabetes Association (ADA)
- Diabetes mellitus Typ 1 (früher auch „juveniler Diabetes“ genannt)
- Immunologisch (Typ 1A)
- Sonderform LADA: Latenter Autoimmundiabetes im Erwachsenenalter
- Idiopathisch (Typ 1B)
- Immunologisch (Typ 1A)
- Diabetes mellitus Typ 2 (früher auch „Altersdiabetes“ genannt)
- Diabetes mellitus Typ 3 (weitere spezifische Diabetestypen)
- Genetische Defekte der β-Zellfunktion: MODY
- Pankreopriver Diabetes mellitus : Bspw. bei Hämochromatose, Mukoviszidose, chronische Pankreatitis, Z.n. operativer Entfernung des Pankreas
- Medikamenteninduziert: Bspw. durch Glucocorticoide (siehe auch: Medikamente mit diabetogenem Potenzial)
- Genetische Defekte der Insulinwirkung
- Endokrinopathien: Bspw. Cushing-Syndrom, Akromegalie
- Infektionen: Bspw. kongenitale Rötelninfektion
- Seltene, immunologisch vermittelte Formen: Bspw. Stiff-Person-Syndrom
- Andere genetische Syndrome, die gelegentlich mit Diabetes mellitus assoziiert sind: Bspw. Down-Syndrom, Ulrich-Turner-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom
- Gestationsdiabetes (Diabetes mellitus Typ 4)
Pathophysiologie
Physiologische Wirkung von Insulin
- Sekretion: Mehrschrittiger Prozess
- Spaltung des Polypeptids Proinsulin → Entstehung von Insulin (physiologisch wirksam) und dem nicht-stoffwechselaktiven C-Peptid (Connecting Peptide) → Sekretion ins Blut
- Wirkung: Vielfältig (z.B. Energiereserven aufbauen, Serumglucosespiegel senken und Gewebe mit Glucose versorgen)
- Kohlenhydratstoffwechsel: Antiglykämischer Effekt
- Lipidstoffwechsel: Antilipolytischer bzw. antiketogener Effekt
- Proteinstoffwechsel: Stimulation der Proteinsynthese
- Elektrolythaushalt: Verschiebung von Kalium in den Intrazellulärraum
Diabetes mellitus Typ 1
- Progrediente (meist autoimmune) Zerstörung insulinproduzierender β-Zellen in den Langerhans-Inseln → Absoluter Insulinmangel
- Siehe auch: Diabetes mellitus Typ 1 - Pathophysiologie
Diabetes mellitus Typ 2
-
Periphere Insulinresistenz (relativer Insulinmangel)
- Insulinabhängige Glucoseaufnahme in Muskel- und Fettzellen↓ → Blutzuckerspiegel↑
- Hemmende Wirkung von Insulin↓ → Glykogenolyse und Gluconeogenese in der Leber↑ → Blutzuckerspiegel↑
-
Gestörte Insulinsekretion (zunächst insb. postprandial)
- Apoptose von β-Zellen → Insulinsekretion↓ → Fortschreitender absoluter Insulinmangel
- → Insulinabhängige Glucoseaufnahme in Muskel- und Fettzellen↓ → Blutzuckerspiegel↑
- → Glucagonsekretion↑ → Hyperglucagonismus → Gluconeogenese↑ → Blutzuckerspiegel↑
- Apoptose von β-Zellen → Insulinsekretion↓ → Fortschreitender absoluter Insulinmangel
Symptomatik
Allgemeine Symptome eines Diabetes mellitus
- Leistungsminderung, Müdigkeit
- Polyurie (Glucosurie mit osmotischer Diurese) , ggf. Dehydratation
- Polydipsie
- Wadenkrämpfe
- Pruritus
- Sehstörungen (durch osmotisch-bedingtes Aufquellen der Augenlinse bei Blutzuckerschwankungen)
- Ggf. Gewichtsveränderungen ohne nutritive Ursache
- Absoluter Insulinmangel: Gewichtsabnahme
- Relativer Insulinmangel: Gewichtszunahme
Charakteristika des Diabetes mellitus Typ 1
- Alter: I.d.R. junge Personen
- Manifestation
- Häufig rascher Symptombeginn
- Ggf. ungewollter Gewichtsverlust
- Eher hohe Blutzuckerwerte (bspw. >300 mg/dL oder >16 mmol/L)
- Ketoazidose als Erstmanifestation möglich
- Weitere Einflussfaktoren siehe: Diabetes mellitus Typ 1 im Kindes- und Jugendalter - Ätiologie
- Siehe auch Differenzierung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und 2
Charakteristika des Diabetes mellitus Typ 2
- Alter: I.d.R. ältere Personen
- Manifestation
- Schleichender Beginn, häufig Zufallsbefund
- Initial i.d.R. moderate Hyperglykämie (zu Beginn sogar Hypoglykämien möglich!)
- Häufig bereits Folgeerkrankungen vorhanden (siehe: Diabetes mellitus - Komplikationen)
- Siehe auch Differenzierung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und 2
Diagnostik
Indikationen [2]
- Screening: Allgemeines Gesundheitsscreening alle 3 Jahre im Alter ≥35 Jahre
- Anamnese und körperliche Untersuchung, inkl. kardiovaskuläre Risikofaktoren
- Nüchternblutzucker und Lipidstatus
- Für weitere Bestandteile des allgemeinen Gesundheitsscreenings siehe: Check-up 35
- Erhöhtes Diabetesrisiko: Ermittelt bspw. anhand von Risikoscores
- Gängige Risikoscores: Deutscher Diabetes-Risiko-Score (DRS) und FINDRISK-Score (Links siehe: Tipps & Links)
- Vorgehen: Abweichende Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften [2]
- DEGAM und AkdÄ : Reguläres Screening ausreichend, wenn kein klinischer oder laborchemischer Verdacht besteht
- DDG und DGIM : Mind. zweifache Bestimmung des Nüchternblutzuckers und Verlaufskontrollen
- Verdacht auf Diabetes mellitus: Insb. bei diabetesspezifischen Symptomen, diabetesassoziierten Folgeerkrankungen oder auffälligen Blutzuckerwerten als Zufallsbefund (Nüchternblutzucker oder HbA1c)
Nachweis einer Glucosestoffwechselstörung [2]
- Beurteilung verschiedener Blutzuckerparameter
- Nüchternblutzucker: Bestimmung der Blutzuckerkonzentration mind. 8 h und max. 12 h nach der letzten Kalorienzufuhr
- HbA1c: Maß für den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 3 Monate
- Gelegenheitsblutzucker: Bestimmung der Blutzuckerkonzentration zu einem beliebigen Zeitpunkt
- Oraler Glucosetoleranztest (oGTT): Venöse Blutzuckerbestimmung unmittelbar vor und 2 h nach der oralen Einnahme von 75 g Glucose
- Indikation: Bei unklarer Diagnose oder zum Ausschluss einer pathologischen Glucosetoleranz
- Durchführung: Am Morgen nach 8–12 h Nahrungs-, Nikotin- und Alkoholkarenz sowie zuvor ≥3-tägiger Kohlenhydratbelastung (≥150 g/d)
- Diabetes mellitus Typ 1: Nachweis ≥1 eindeutig pathologischer Blutzuckerparameter
- Bei widersprüchlichen oder grenzwertigen Ergebnissen: 2 pathologische Werte, ggf. oGTT
- Diabetes mellitus Typ 2: Nachweis ≥2 eindeutig pathologischer Blutzuckerparameter
- Bei widersprüchlichen oder grenzwertigen Ergebnissen: 3 pathologische Werte, ggf. oGTT
Parameter zur Diagnose einer Glucosestoffwechselstörung | |||
---|---|---|---|
Bestimmung aus venösem Blutplasma | Gesund | „Prädiabetes“ | Diabetes mellitus |
Nüchternblutzucker | <100 mg/dL (<5,6 mmol/L) | 100–125 mg/dL (5,6–6,9 mmol/L) = Abnormer Nüchternblutzucker | ≥126 mg/dL (≥7,0 mmol/L) |
HbA1c | <5,7% (<39 mmol/mol) | 5,7–6,4% (39–47 mmol/mol) | ≥6,5% (≥48 mmol/mol) |
Gelegenheitsblutzucker | — | ≥200 mg/dL (≥11,1 mmol/L) | |
oGTT | <140 mg/dL (<7,8 mmol/L) | 140–199 mg/dL (7,8–11,0 mmol/L) = Pathologische Glucosetoleranz | ≥200 mg/dL (≥11,1 mmol/L) |
Differenzierung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und 2 [2][4]
Typische Merkmale von Diabetes mellitus Typ 1 und 2 | ||
---|---|---|
Merkmal | Diabetes mellitus Typ 1 | Diabetes mellitus Typ 2 |
Häufigkeit | 5–10% | 90–95% |
Genetik | HLA-Assoziation | Keine HLA-Assoziation, aber starke genetische Disposition |
Pathogenese | Absoluter Insulinmangel durch Autoantikörper | Insulinresistenz und -sekretionsstörung |
Alter | Kindes- bis Erwachsenenalter | Erwachsenenalter |
Körpergewicht | Eher Normalgewicht | Meist Übergewicht oder Adipositas |
Klinische Manifestation | Akuter Verlauf: Polyurie, Polydipsie, schwere Hyperglykämie, Ketoazidose | Schleichender Verlauf: Moderate Hyperglykämie, i.d.R. schon Folgeerkrankungen vorhanden |
C-Peptid (Insulin) | Niedrig bis fehlend | Anfangs hoch, dann vermindert |
Autoantikörper | Ja | Nein |
Stoffwechsellage | Labil | Stabil |
Ketoseneigung | Ja | Nein |
Therapie | Insulintherapie immer erforderlich | Lebensstilanpassungen, orale Antidiabetika, ggf. Insulintherapie |
Basisdiagnostik bei Diabetes mellitus [2]
- Anamnese
- Vorerkrankungen: Insb. Fettstoffwechselstörungen und arterielle Hypertonie, ggf. Gestationsdiabetes oder Geburt von Kindern mit neonataler Makrosomie, Ursachen für Diabetes mellitus Typ 3
- Medikamenteneinnahme: Bspw. Glucocorticoide (siehe auch: Medikamente mit diabetogenem Potenzial)
- Lebensstil: Insb. Rauchen, Ernährung, körperliches Aktivitätsniveau
- Diabetesassoziierte Symptome: Insb. häufiges Wasserlassen und vermehrter Durst, ggf. Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsveränderungen ohne nutritive Ursache (siehe auch: Diabetes mellitus - Symptome)
- Symptome diabetesassoziierter Folgeerkrankungen: Bspw. Sehstörungen, erektile Dysfunktion, Infektneigung (insb. Entzündungen der Haut), depressive Symptome, kognitive Einschränkungen (Merk- und Konzentrationsfähigkeit)
- Familienanamnese: Insb. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Übergewicht/Adipositas, frühe Todesfälle und Amputationen
- Körperliche Untersuchung
- Größe, Gewicht, BMI, Taillenumfang
- Blutdruck, Pulsstatus (inkl. Fußpulse)
- Zeichen diabetesspezifischer Folgeerkrankungen (siehe auch: Diabetes mellitus - Ambulante Versorgung)
- Blut
- Urin: Abweichende Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften [2]
- Urinstatus
- Glucosurie: Bei Blutzuckerwerten über der normalen Nierenschwelle
- Normale Nierenschwelle: 150–180 mg/dL (8,3–10 mmol/L)
- Proteinurie: Bei Schädigung des glomerulären Filters
- Albuminurie Grad A2: Frühzeichen einer diabetischen Nephropathie
- Ketonurie: Bei vermehrter Synthese von Ketonen (insb. beim Typ-1-Diabetes)
- Glucosurie: Bei Blutzuckerwerten über der normalen Nierenschwelle
- Albumin-Kreatinin-Quotient: Proteinurie
- Urinstatus
Parameter zur Klassifizierung des Diabetes mellitus [4]
- C-Peptid-Bestimmung
- Befunde
- Typ-1-Diabetes (inkl. LADA ): C-Peptid↓(↓) durch absoluten Insulinmangel
- Typ-2-Diabetes: C-Peptid↔︎/↑ durch vermehrte Insulinausschüttung bei peripherer Insulinresistenz, im Verlauf C-Peptid↓
- Siehe auch: Physiologische Wirkung von Insulin
- Indikation: Unklare Abgrenzung vom Typ-2-Diabetes zum Typ-1-Diabetes (inkl. LADA)
- Befunde
- Diabetesspezifische Autoantikörper [4]
- Indikationen
- Frühdiagnostik/Screening: Positive Familienanamnese für Diabetes mellitus Typ 1 (Anti-GADA/-IA2-AK/-ZnT8-AK/-IAA)
- Diagnosesicherung: Typ-1-Diabetes (Anti-GADA/-IA2-AK/-ZnT8-AK/-IAA bis 14 Tage nach Beginn der Insulintherapie) inkl. LADA (Anti-GADA/-IA2-AK/-ZnT8-AK)
- Unklare Zuordnung zu einer Diabetesform
- Antikörper (Prävalenz bei Erwachsenen mit Erstdiagnose eines Typ-1-Diabetes)
- Anti-Zinktransporter-8-Antikörper (Anti-ZnT8-AK): Autoantikörper gegen den Zinktransporter 8 der β-Zelle (50–80% der Fälle)
- Anti-Insulin-Autoantikörper (Anti-IAA): Autoantikörper gegen körpereigenes Insulin (<30% der Fälle )
- Anti-Inselzellantigen-2-Antikörper (Anti-IA2-AK): Autoantikörper gegen die Tyrosinphosphatase 2 der β-Zellen (50–85% der Fälle)
- Anti-Glutamatdecarboxylase-Antikörper (Anti-GADA): Autoantikörper gegen die Glutamatdecarboxylase 2 der β-Zellen (60–85% der Fälle)
- Anti-Inselzell-Antikörper (Anti-ICA): Autoantikörper gegen verschiedene β-Zell-Antigene (variabel)
- Indikationen
- Weitere notwendige Untersuchungen siehe auch: Diagnostik bei Manifestation eines Diabetes mellitus Typ 1
- Gendiagnostik: Optional bei V.a. MODY (insb. Mutationsnachweise in den Genen HNF1A, GCK, HNF4)
- Siehe auch: Maturity Onset Diabetes of the Young und neonataler Diabetes mellitus
Differenzialdiagnosen
- Metabolische Azidose
- Diarrhö
- Lactatazidose
- Akute Nierenschädigung oder chronische Nierenerkrankung
- Vergiftung mit Salicylsäure, Ethanol, Methanol, Ethylenglykol (in Frostschutzmitteln)
- Renale tubuläre Azidose
- Nicht-diabetische Ketoazidose
- Kohlenhydratarme Ernährung
- Nahrungskarenz
- Vorübergehende Hyperglykämie
- Medikamente (siehe: Medikamente mit diabetogenem Potenzial)
- Stressbedingte Hyperglykämie
- Iatrogene Hyperglykämie
- Polyurie und/oder Polydipsie
- Habituelle Polydipsie
- Diabetes insipidus
- Hyperkalzämie
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Allgemeine Empfehlungen, inkl. Definition von Therapiezielen und Ernährungsempfehlungen
- Ambulante Behandlung, siehe: Ambulante Versorgung bei Diabetes mellitus
- Stationäre Behandlung, inkl. Grundlagen, Therapiestrategien und Management oraler Antidiabetika
- Siehe: Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus
- Siehe: Passagere Insulintherapie
- Siehe: Insulinkorrektur bei Hyperglykämie
- Siehe: Insulinperfusor
- Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2, inkl. Therapieprinzipien, medikamentöser Therapiealgorithmus und Antidiabetika-Übersicht
- Siehe: Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
- Siehe: Insulintherapie, inkl. Besonderheiten der Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes
- Siehe auch: Blutzuckermessungen
- Therapie bei Diabetes mellitus Typ 1, inkl. Grundlagen und Berechnung der Insulintherapie
- Siehe: Grundlagen der Insulintherapie
- Siehe: Besonderheiten der Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes
- Siehe: Blutzuckermessungen, inkl. kontinuierliches Glucosemonitoring
- Siehe: Insulintherapieschemata
- Siehe: Probleme bei der Insulintherapie
- Siehe auch: Insulintherapie im Kindes- und Jugendalter
- Therapie von Hypoglykämien, siehe: Hypoglykämie - Therapie
- Therapie bei diabetischer Ketoazidose oder hyperosmolarem Koma
Therapieziele und Ernährung
Festlegung der Therapieziele
Partizipative Entscheidungsfindung [1]
- Initiale und wiederholte gemeinsame Evaluation und ggf. Anpassung der allgemeinen und individuellen Therapieziele
- Verständliche Kommunikation über Vor- und Nachteile der Therapieoptionen
- Berücksichtigung personen- und umweltbezogener Kontextfaktoren
- Ggf. spezifische Unterstützungsangebote oder Schulungen bei verfehlten Therapiezielen aufgrund bestimmter Kontextfaktoren
Individuelle Therapieziele
- Mögliche Ziele
- Lebensqualität und Unabhängigkeit erhalten bzw. wiederherstellen
- Funktionseinschränkungen verhindern bzw. reduzieren (bspw. Sehstörungen, reduzierte Mobilität, erektile Dysfunktion)
- Arbeitsfähigkeit erhalten
- Beschwerden reduzieren
Alle beeinflussbaren Symptome bzw. Folgen der Erkrankung können als individuelles Therapieziel dienen!
Therapieziele - Diabetes mellitus Typ 2 [2]
Allgemeine Empfehlungen
- Schulung: Von Betroffenen und ggf. betreuenden Personen
- Lebensstil: Insb. körperliche Aktivität und Rauchentwöhnung
- Körperliche Bewegung → Blutzuckerspiegel↓ und Insulinempfindlichkeit↑
- Körpergewicht: Gewichtsreduktion bei Adipositas
- Blutzucker: HbA1c-Zielbereich 6,5–8,5% (48–69 mmol/mol)
- Genauen Zielwert individuell festlegen: Bspw. anhand von Alter, Lebenserwartung, Komorbiditäten und Hypoglykämierisiko
- Blutdruck: Individuelle Festlegung , Richtwert ≤140/90 mmHg
- Siehe auch: Arterielle Hypertonie - Zielblutdruckwerte
- Lipidstatus: LDL-Cholesterin senken (abweichende Leitlinienempfehlungen)
- Strategie der festen Dosis oder
- Risikoadaptierte Zielwertstrategie gemäß Zielwerten für LDL-Cholesterin
- Siehe auch: Strategien zur medikamentösen LDL-Senkung
Ernährung
- Potenziell positive Auswirkungen
- Gewichtsnormalisierung verhindert oder verzögert möglicherweise Krankheitsmanifestation (energiereduzierte Kost, körperliche Aktivität)
- Heilung eines bestehenden Diabetes mellitus Typ 2 möglich
- Empfehlungen
- Häufige kleine Mahlzeiten
-
Zusammensetzung der Nahrung: Ca. 55% Kohlenhydrate, ca. 25% Fette , ca. 15–20% Eiweiße
- Anteil langsam resorbierbarer Kohlenhydrate↑ und Aufnahme einfacher Zucker↓
- Keine Diabetes- oder Diätprodukte mit Zuckeraustauschstoffen (Fructose, Xylit, Sorbit) empfehlen!
- Süßstoffe (z.B. Aspartam, Cyclamat, Saccharin) können helfen, Kalorien einzusparen
- Ballaststoffreiche Ernährung
- Siehe auch: Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Es gibt keine „Diabeteskost“ im eigentlichen Sinne – was für alle gesund ist, tut auch Diabetiker:innen gut!
Bei der Behandlung des Diabetes mellitus beim älteren Patienten >75 Jahre soll die Zielgröße eines HbA1c an die funktionellen Fähigkeiten des Patienten angepasst werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)
Brennwert von Grundnährstoffen
Brennwert | kcal/g | kJ /g |
---|---|---|
Kohlenhydrate | ≈ 4 | ≈ 17 |
Proteine | ≈ 4 | ≈ 17 |
Fett | ≈ 9,3 | ≈ 39 |
Ethanol | ≈ 7,2 | ≈ 29 |
Therapieziele - Diabetes mellitus Typ 1 [1]
Allgemeine Therapieziele
- Schulung von Betroffenen und ggf. betreuenden Personen
- Subjektive Lebensqualität und berufliche bzw. gesellschaftliche Teilhabe erhalten
- Therapiezufriedenheit bzw. -akzeptanz sicherstellen
- Stabile Stoffwechsellage mit geringen Blutzuckerschwankungen
- Akutkomplikationen und Folgeerkrankungen vermeiden
- Adipositas vermeiden bzw. reduzieren
- Weitere Risikofaktoren optimieren
Ernährung
- Einfluss
- Hoher Kohlenhydratkonsum: Insulinbedarf↑, Hypoglykämierisiko↑, Gewichtszunahme↑
- Alkoholkonsum: Risiko für schwere Hypoglykämien↑
- Empfehlungen
- Kohlenhydratanteil: Sollte geschätzt werden können
- Mediterrane Ernährung: Bei Übergewicht oder Zeichen eines metabolischen Syndroms
- Alkoholkonsum einschränken: ♂ ≤24 g/d, ♀ ≤12 g/d
Glykämische Zielwerte
- HbA1c-Wert: Orientierend
- Bei sehr niedrigem Hypoglykämierisiko : ≤6,5% (≤48 mmol/mol)
- Ohne schwere Hypoglykämien: ≤7,5% (≤58 mmol/mol)
- Bei schweren Hypoglykämien, mangelnder Therapiesicherheit oder Komorbiditäten : ≤8,5% (≤69 mmol/mol)
- CGM-abhängige Zielwerte
- Time in Range (70–180 mg/dL bzw. 3,9–10,0 mmol/L): >70%
- Time below Range
- <70 mg/dL bzw. <3,9 mmol/L: <4%
- <54 mg/dL bzw. <3 mmol/L: <1%
- Time above Range
- >180 mg/dL bzw. >10 mmol/L: <25%
- >250 mg/dL bzw. >13,9 mmol/L: <5%
Alle Patienten mit Diabetes mellitus sollen bei Einleitung einer medikamentösen Therapie eine spezifische Schulung erhalten. (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
Therapieprinzipien
- Schulung: Von Betroffenen und ggf. betreuenden Personen
- Lebensstilanpassung
- Dauer: Von Beginn an, Fortführung auch unter medikamentöser Therapie
- Maßnahmen: Bspw. körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung, Rauchentwöhnung
- Indikation: Immer bei Typ-2-Diabetes
- Adäquate Therapie von Begleiterkrankungen: Bspw. arterielle Hypertonie und kardiovaskuläre Erkrankungen
- Medikamentöse Therapie
- Indikation: Individuelles Therapieziel trotz Lebensstilanpassung nicht erreicht
- Wirkstoffauswahl: Individuell
- Orale Antidiabetika
- Subkutan verabreichte GLP1-Analoga
- Insulintherapie
- Dauer: Mind. 3–6 Monate, danach Re-Evaluation des individuellen Therapieziels
- Therapie eskalieren: Bei Nicht-Erreichen des individuellen Therapieziels nach 3–6 Monaten
- Begleitend: Ursachen für das Nicht-Erreichen des individuellen Therapieziels ermitteln
- Therapie deeskalieren bzw. umstellen: Regelmäßig überprüfen, insb. in folgenden Situationen
- Nebenwirkungen stärker als der Nutzen der Therapie
- Aktuelle Lebensqualität steht im Vordergrund (nicht die Langzeitprognose)
- Individuelles Therapieziel unterschritten
- Multimorbidität und Polymedikation
- Auftreten akuter Erkrankungen
Risikofaktoren für diabetesassoziierte Komplikationen (kardiovaskulär und/oder renal)
- Nicht-beeinflussbar: Alter, männliches Geschlecht, Erkrankungsdauer, genetische Disposition
- Beinflussbar: Lebensstil , Adipositas, Raucherstatus
- Kardiovaskulär: Hypertonie, linksventrikuläre Hypertrophie, subklinische Arteriosklerose bzw. kardiovaskuläre Erkrankung
- Renal: Nierenerkrankung/eingeschränkte Nierenfunktion, Albuminurie
- Metabolisch: Dyslipidämie, schlechte Stoffwechseleinstellung bzw. schwere Hypoglykämien
Medikamentöser Therapiealgorithmus nach Risikoprofil
- Kein hohes Risiko
- Monotherapie mit Metformin
- Kombinationstherapie (Metformin + 2. Medikament )
- Kombinationstherapie umstellen oder eskalieren
- Ggf. Insulintherapie
- Hohes Risiko
- Individuelle Beurteilung und partizipative Entscheidungsfindung
- Je nach Beurteilung: Vorgehen wie bei Personen ohne Risiko oder mit relevanten kardiovaskulären Erkrankungen
- Klinisch relevante kardiovaskuläre Erkrankung
-
Metformin plus
- SGLT2-Inhibitor oder
- GLP1-Analoga
- Abweichende ESC-Empfehlung: Gabe von SGLT2-Inhibitor und GLP1-Analogon bei hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko [5]
- Änderung oder Intensivierung der Kombinationstherapie
- Ggf. Insulintherapie
-
Metformin plus
Medikamentöse Therapieoptionen bei Diabetes mellitus Typ 2
Antidiabetika bei Diabetes mellitus Typ 2 – Übersicht [6][7] | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Substanzklasse (Applikationsform) | Wirkstoff | HbA1c-Senkung [7] | Vorteile | Nachteile | Spezifische Kontraindikationen | Bevorzugte Einsatzgebiete |
Bevorzugt eingesetzte Antidiabetika | ||||||
Biguanide (oral) | Metformin | 1–2% |
|
|
|
|
Sulfonylharnstoffe (oral) | Glibenclamid | 1–2% |
|
|
|
|
Glimepirid | ||||||
Gliclazid | ||||||
Gliquidon | ||||||
DPP4-Inhibitoren (oral) | Sitagliptin | 0,5–1% |
|
|
|
|
Vildagliptin | ||||||
Saxagliptin |
| |||||
SGLT2-Inhibitoren (oral) | Dapagliflozin | 0,5–1% |
|
|
|
|
Empagliflozin | ||||||
Ertugliflozin | ||||||
GLP1-Analoga (subkutan) | Liraglutid | 1–2% |
|
|
|
|
Exenatid | ||||||
Dulaglutid | ||||||
Semaglutid | ||||||
Lixisenatid | ||||||
GLP1-Analoga (oral) |
| |||||
Insulin | ||||||
Insulin (subkutan) | >2% |
|
| Keine |
| |
Weitere Antidiabetika | ||||||
Glinide (oral) | Repaglinid | 1–2% |
|
|
|
|
Nateglinid | ||||||
α-Glucosidasehemmer (oral) | Acarbose | 0,5–1% |
|
|
|
|
Glitazone (oral) | Pioglitazon | 1–2% |
|
|
|
|
- Siehe auch: Antidiabetika
Die Auswahl medikamentöser Therapieoptionen erfolgt individuell und sollte neben Zielwerten und präventiven Aspekten auch die Lebensqualität, relevante Nebenwirkungen und eine adäquate Adhärenz berücksichtigen!
Metformin ist bei einer eGFR <30 mL/min kontraindiziert! Unter Berücksichtigung des jeweiligen Zulassungsstatus und der Fachinformationen sollten folgende Wirkstoffe verwendet werden: DPP4-Inhibitoren, SGLT2-Inhibitoren, GLP1-Analoga, Glinide oder Insulin!
Insulintherapie
Grundlagen der Insulintherapie
Indikationen
- Nach Diabetesform
- Typ-1-Diabetes: Immer(!) lebenslange Insulintherapie
- Typ-2-Diabetes [2]
- Nicht-Erreichen individueller Therapieziele trotz Ausschöpfung der (nicht‑)medikamentösen Therapie
- Bei metabolischen Entgleisungen
- Bei Indikation zur passageren Insulintherapie
- Insulintherapie deeskalieren
- Alle Diabetesformen
- Individuelle Zielwerte erreicht bzw. unterschritten
- Hypoglykämien
- Änderung des individuellen Therapieziels (bspw. bei Multimorbidität)
- Typ-2-Diabetes: Indikation für eine passagere Insulintherapie fällt weg
- Alle Diabetesformen
Berechnungsgrundlagen
- Kohlenhydrateinheit (KE): 1 KE ≈ 10 g Kohlenhydrate → Blutzuckeranstieg um ca. 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L)
- Kohlenhydrat-Austauschtabellen: Übersicht, wie viel Gramm eines Lebensmittels einer KE entsprechen
- Veraltet: Broteinheit: 1 BE ≈ 12 g Kohlenhydrate ≈ 1,2 KE (1 KE ≈ 0,83 BE)
- Insulintagesbedarf: Durchschnittlicher Tagesbedarf ca. 40–50 Insulineinheiten (IE) [1]
- Basalinsulin : Ca. 50–60% des Tagesbedarfs
- Prandialinsulin : Ca. 40–50% des Tagesbedarfs
- Mahlzeitenfaktor: Menge an Insulin (in IE), die zur Mahlzeit gespritzt wird, um die Blutzuckersteigerung durch 1 KE auszugleichen
- Faustregel: 1 IE pro 1 KE
- Eine IE Insulin senkt den Blutzucker um ca. 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L), sofern keine Insulinresistenz vorliegt
- Tageszeitabhängigkeit: Notwendige Anpassung des Mahlzeitenfaktors im Tagesverlauf
- Morgens: Mahlzeitenfaktor × 2–3
- Mittags: Mahlzeitenfaktor × 1
- Abends: Mahlzeitenfaktor × 1,5–2
- Insulinbedarf pro KE ändert sich im Tagesverlauf
- Faustregel: 1 IE pro 1 KE
- Korrekturfaktor
- Faustregel: 1 IE senkt den Blutzucker um 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L)
- Mahlzeitenfaktor: Menge an Insulin (in IE), die zur Mahlzeit gespritzt wird, um die Blutzuckersteigerung durch 1 KE auszugleichen
Eine Kohlenhydrateinheit (KE) entspricht etwa 10 g Kohlenhydraten und erhöht den Blutzucker (BZ) um ca. 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L)!
Faustformel: Eine Insulineinheit (IE) senkt den Blutzucker um ca. 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L), sofern keine Insulinresistenz vorliegt!
Besonderheiten der Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes
- Externer Insulinbedarf abhängig von verbleibender Restproduktion in der Bauchspeicheldrüse
- Nach Beginn der intensivierten Insulintherapie: Häufig vorübergehende Reduktion des Insulinbedarfs
Besonderheiten der Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes
- Insulintagesbedarf: I.d.R. 0,5–1 IE/kgKG [10]
- Bei Adipositas: Bis zu 2 IE/kgKG
- Dosis des Basalinsulins: Abhängig von individueller Kohlenhydrataufnahme und körperlicher Aktivität
- Therapiebeginn: Eher vorsichtige Dosierung
- Dosissteigerung: Schrittweise um 2–4 IE/d alle 2–3 d (nach Nüchternblutzuckerwerten)
- Gewichtszunahme durch Insulin: Ggf. ergänzende therapeutische Strategien sinnvoll
Der Insulinbedarf sollte immer individuell ermittelt werden. Es gibt orientierende Angaben, aber keinen allgemeingültigen Standard!
Glucosemonitoring
Blutzuckermessungen
Arterielle oder venöse Blutzuckermessung
- Prinzip: Einzelwertbestimmung im Rahmen einer Blutentnahme
- Indikation
- Routinemäßige Laboruntersuchungen (i.d.R. Gelegenheitsblutzucker oder Nüchternblutzucker)
- Intravenöse Insulingabe (siehe: Insulinperfusor)
Kapilläre Blutzuckermessung
- Prinzip: Wiederholte Einzelwertbestimmung
- Selbstmessung: Messung aus Kapillarblut mittels kompakter Selbstmessgeräte durch geschulte Patient:innen
- Behandlungspflege zur Messung: Bei Patient:innen, die eine Messung und Injektion nicht selbst vornehmen können
- Indikation und Frequenz: Bei jeder intensivierten Insulintherapieform (z.B. ICT) mehrfach täglich
- Messzeitpunkte bei Insulintherapie
- Vor allen Insulininjektionen (und Mahlzeiten)
- Vor und nach größeren körperlichen Anstrengungen
- Vor dem Autofahren (bzw. vergleichbaren Tätigkeiten)
- Vor dem Schlafengehen
- In allen unklaren Situationen, z.B. Unwohlsein, Infekte, Durchfallerkrankungen, Wechsel des Tagesablaufs (z.B. auf Reisen)
- Bedarfsgerecht: Bei (selbstständiger) Therapieanpassung
- Bei V.a. nächtliche Hypoglykämien: Nächtliche Messungen (um ca. 3:00 Uhr)
- Messzeitpunkte bei anderen Therapieformen
- Kombination von Antidiabetika mit Basalinsulin: Nüchternblutzucker 2–3×/Woche, Blutzuckertagesprofil 1×/Woche i.d.R. ausreichend
- Antidiabetische Therapie ohne Insulin: Blutzuckermessung bei hausärztlichen Kontrollen
- Nach individueller Abwägung: Ggf. Schulung zur Selbstmessung sinnvoll
Blutzuckertagesprofil
- Prinzip: I.d.R. 4–6 kapilläre Blutzuckermessungen zu unterschiedlichen Tageszeiten
- Indikation: Beurteilung des Blutzuckers im Tagesverlauf, bspw.
- Während der Blutzuckereinstellung (antidiabetische Therapie)
- Bei stationärer Behandlung aufgrund schwerer Erkrankungen
- Typische Messzeitpunkte
- Nach dem Aufstehen (Nüchternblutzucker)
- Vor und 2 h nach den Hauptmahlzeiten
- Beim Schlafengehen
- Nachts (zwischen 2:00 und 4:00 Uhr)
Kontinuierliches Glucosemonitoring (Continous Glucose Monitoring; CGM)
- Prinzip: Wiederholte interstitielle Glucosemessung alle 1–5 min mittels Glucosesensor im subkutanen Fettgewebe
- Indikation
- Typ-1-Diabetes: Partizipative Entscheidungsfindung
- Typ-2-Diabetes: Partizipative Entscheidungsfindung
- Sensorparameter
- „time in range“ (Zeit im Zielbereich; TiR): 70–180 mg/dL bzw. 3,9–10,0 mmol/L)
- „time below range“ (Zeit unter Zielbereich; TbR): <70 mg/dL bzw. ≤3,9 mmol/L
- „time above range“ (Zeit über Zielbereich; TaR): >180 mg/dL bzw. >10 mmol/L
- Vorteile: Glucoseprofil statt Einzelmesswerte → Tiefergehendes Verständnis der Glucosedynamik
- Viel mehr Messpunkte
- Standardisierte Auswertung mit AGP (ambulantes Glucoseprofil)
- Trendanzeige
- Warnhinweise
- Einfachere Handhabung
- Kopplung mit Insulinpumpen möglich
- Erweiterung der Telemedizin
- Nachteil
- Interstitieller Glucosewert
- Dauerhaftes Tragen notwendig
Bei klinischem V.a. Hypo- oder Hyperglykämie sowie bei starken Glucoseschwankungen sollten die Werte immer mittels kapillärer Blutzuckermessung kontrolliert werden!
Insulintherapieschemata
Basal unterstützte orale Therapie (BOT) [2]
- Prinzip: Gabe eines langwirksamen Insulinanalogons zusätzlich zu oralen Antidiabetika
- Indikation: Erweiterung der bisherigen medikamentösen Therapie bei Typ-2-Diabetes
- Individuelles Therapieziel ohne Insulin nicht erreicht (insb. bei morgendlich erhöhtem Nüchternblutzucker)
- Siehe auch: Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
- Durchführung
- Fortführung der bisherigen antidiabetischen Therapie und
- Gabe eines Verzögerungsinsulins 1×/d (zur jeweils gleichen Tageszeit), bspw.
- Blutzuckermessungen: Nüchternblutzucker während der Einstellung und bei Dosisänderungen
- Vorteile
- Geeignet zum Einstieg in die Insulintherapie (meist gute Akzeptanz)
- Nüchternblutzucker↓
- Mahlzeitenunabhängige Gabe
- Geringer Schulungsaufwand
- Niedriges Hypoglykämierisiko
- Einfaches Monitoring
- Nachteile: Keine individuelle Anpassung an Insulinbedarf je nach Mahlzeiten und Tagesablauf
Supplementäre Insulintherapie (SIT, prandiale Insulintherapie) [2]
- Prinzip: Insulininjektionen zu den Mahlzeiten zusätzlich zur bisherigen antidiabetischen Therapie
- Indikation: Typ-2-Diabetes mit gut eingestelltem Nüchternblutzucker, aber hohen postprandialen Blutzuckerwerten
- Durchführung
- Fortführung der bisherigen antidiabetischen Therapie und
- Gabe von Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga zu den Hauptmahlzeiten
- Blutzuckermessungen: Vor jeder Injektion, mehrmals wöchentlich Nüchternblutzucker und postprandiale Messungen, zusätzlich bedarfsgerecht
- Vorteile
- Flexible Anpassung an Mahlzeiten und Tagesablauf möglich
- Nachteile
- Erhöhter Schulungsaufwand
- Relativ hohes Hypoglykämierisiko
Konventionelle Insulintherapie [1]
- Prinzip: Injektion fester Insulindosierungen morgens und abends sowie feste Vorgaben zur Nahrungsaufnahme
- Indikation
- Typ-1-Diabetes: Intensivierte Insulintherapie kann nicht durchführt werden oder wird nicht gewünscht
- Typ-2-Diabetes: Bisherige antidiabetische Therapie nicht ausreichend wirksam
- Durchführung
- Insulininjektion: 2× täglich Kombinationsinsulin (Fixkombination aus kurz- und langwirksamem Insulin )
- Aufteilung: ⅔ der Tagesdosis vor dem Frühstück, ⅓ vor dem Abendessen injizieren
- Spritz-Ess-Abstand: Ca. 30 min
- Blutzuckermessungen: 3–4× täglich, bspw. zu den Mahlzeiten und beim Schlafengehen, zusätzlich bedarfsgerecht
- Insulininjektion: 2× täglich Kombinationsinsulin (Fixkombination aus kurz- und langwirksamem Insulin )
- Vorteile
- Einfache und zeitsparende Durchführung
- Unkompliziertere Schulungen (im Vergleich zur intensivierten Insulintherapie)
- Nachteile
- Wenig flexible Therapie, nur bei festem Ernährungsplan Erfolg versprechend
- Erhöhtes Hypoglykämierisiko, ggf. Zwischenmahlzeiten erforderlich
Intensivierte Insulintherapie
- Prinzip: Imitation der physiologischen Insulinsekretion gesunder Menschen
Intensivierte konventionelle Insulintherapie (Basis-Bolus-Prinzip, ICT) [1]
- Prinzip: Injektion von Basal-, Prandial- und Korrekturinsulin mittels Insulinpen
- Indikation
- Typ-1-Diabetes: Standardtherapie
- Typ-2-Diabetes: Bisherige antidiabetische Therapie nicht ausreichend wirksam
- Durchführung
- Basalinsulin: Mahlzeitenunabhängige Injektion langwirksamer Insulinanaloga 1–2× täglich (z.B. Insulin glargin, Insulin detemir, Insulin degludec) und
- Prandialinsulin (Bolusinsulin): Mahlzeitenbezogene Injektionen von Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga (z.B. Insulin lispro, Insulin aspart, Insulin glulisin) je nach Blutzucker, Tageszeit und geplanter Mahlzeit
- Siehe auch: Kohlenhydrateinheit
- Ggf. Korrekturinsulin: Injektionen von Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga (z.B. Insulin lispro, Insulin aspart, Insulin glulisin) je nach Blutzucker und Tageszeit
- Blutzuckermessungen: Immer vor den Mahlzeiten und zur Nacht, ggf. zusätzliche Messungen erforderlich
- Vorteile
- Höhere Flexibilität bei den Mahlzeiten und im Tagesablauf
- Kurz- und langfristige Verbesserung der Stoffwechsellage
- Senkung des Risikos von Spätkomplikationen
- Kombination mit CGM möglich und hilfreich
- Nachteile
- Häufigere Blutzuckermessungen nötig
- Intensive Schulungen und gute Adhärenz notwendig
- Schwierigere Handhabung
- Gewichtszunahme
- Höchstes Hypoglykämierisiko aller Insulintherapien
Insulinpumpentherapie (CSII ) und automatisierte Insulintherapie (AID )
- Prinzip
- Insulinpumpentherapie: Kontinuierliche subkutane Injektion von Normalinsulin (oder kurzwirksamem Insulinanalogon) mittels externer Pumpe
- Basal- und Bolusgaben individuell einstellbar
- Blutzuckermessungen: Kontinuierlich mittels CGM oder mehrmals täglichen Messungen
- Automatisierte Insulintherapie: Kontinuierliche Blutzuckermessung (CGM) und algorithmusbasierte, automatisch gesteuerte, subkutane Insulininjektion mittels externer Pumpe
- Insulinpumpentherapie: Kontinuierliche subkutane Injektion von Normalinsulin (oder kurzwirksamem Insulinanalogon) mittels externer Pumpe
- Indikationen
- Allgemein
- Bei Typ-2-Diabetes i.d.R. selten indiziert
- Ausgeprägtes Dawn-Phänomen
- Instabile Stoffwechsellage
- Rezidivierende und/oder schwere Hypoglykämien
- Wechselnde körperliche Aktivität im Tagesverlauf, Schichtarbeit
- Beginnende oder manifeste diabetische Folgeerkrankungen
- Probleme bei der Umsetzung der ICT
- Sehr niedriger Insulinbedarf
- Schwangerschaft bzw. Patientinnen mit konkretem Kinderwunsch
- Automatisierte Insulintherapie
- Insulinpumpentherapie ohne AID
- Bei Indikation zur Insulinpumpentherapie ohne Möglichkeit einer CGM
- Unsicherheiten im Umgang mit AID bzw. individueller Wunsch
- Allgemein
- Vorteile
- Verbesserung der Stoffwechsellage
- Reduktion von Hypoglykämien
- Höhere Flexibilität im Alltag
- Verbesserung der Lebensqualität
- Nachteile
- Intensive Schulung
- Anbindung an eine diabetologische Einrichtung mit Anwendungserfahrung erforderlich
- Verstopfen des Insulinkatheters mit (initial unbemerktem) Insulinmangel möglich
Probleme bei der Insulintherapie
Morgendliche Hyperglykämie
- Dawn-Phänomen
- Häufigkeit: Häufig (insb. junge Menschen mit Typ-1-Diabetes betroffen)
- Definition: Frühmorgendliche Hyperglykämie durch erhöhten Insulinbedarf in der 2. Nachthälfte aufgrund vermehrter Wachstumshormonsekretion
- Diagnostik: CGM
- Therapieanpassung
- Bei ICT
- Abenddosis des Verzögerungsinsulins später geben (gegen 23 Uhr) oder vorsichtig erhöhen oder
- Umstellung auf Insulinpumpe bzw. AID
- Bei Insulinpumpe: Basalinsulinrate in der 2. Nachthälfte erhöhen
- Bei ICT
- Somogyi-Effekt
- Häufigkeit: Selten
- Definition: Reaktive morgendliche Hyperglykämie nach nächtlicher Hypoglykämie (durch hormonelle Gegenregulation nach zu hoher abendlicher Insulindosis)
- Diagnostik: CGM
- Therapieanpassung: Abendliche Verzögerungsinsulindosis reduzieren
Insulinbedarf bei körperlicher Anstrengung
- Bei moderater körperlicher Anstrengung (insb. mit Muskelaufbau)
- Allgemein: Insulinbedarf eher abnehmend, da die Skelettmuskulatur vermehrt Glucose aufnimmt (Insulineffektivität steigt)
- Typ-2-Diabetes: Vermehrte körperliche Aktivität kann bei Beibehaltung hoher Insulindosierungen zu Hypoglykämien führen
- Bei extremer körperlicher Anstrengung
- Allgemein: Insulinbedarf↑ durch Ausschüttung von Glucocorticoiden und Adrenalin
- Bei Insulinmangel: Ggf. Hyperglykämie
- Anpassung der Insulindosis
- Bei kürzerer Ausdauerbelastung (z.B. 30 min Ausdauersport im aeroben Leistungsbereich)
- Reduktion der Insulindosierung um 25–50%
- Bei für den nächsten Tag geplanten Aktivitäten: Basalinsulindosierung bereits am Vortag (Vorabend) reduzieren
- Bei intensiverer und längerer Belastung
- Individuelles Vorgehen
- Bei kürzerer Ausdauerbelastung (z.B. 30 min Ausdauersport im aeroben Leistungsbereich)
- Anpassung der Kohlenhydratzufuhr: Während der Aktivitäten Kohlenhydrate bereithalten und zuführen
- Körperliche Anstrengung meiden bei
- Blutzucker <100 mg/dL (<5,6 mmol/L) oder >250 mg/dL (>13,9 mmol/L)
- Ketonkörpernachweis im Urin
Menschen mit Diabetes mellitus können und sollen Sport treiben. Intensivere Belastungen oder Leistungssport erfordern jedoch i.d.R. eine individuelle Anpassung der Therapie!
Insulinbedarf bei veränderten Lebensbedingungen oder Erkrankungszuständen
- Allgemein: Stressreaktion → Ausschüttung von Glucocorticoiden und Adrenalin → Blutzucker und Insulinbedarf↑
- Erkrankungen mit Erbrechen und/oder Durchfall: Glucoseaufnahme↓ → Hypoglykämierisiko↑
Situative Einflüsse auf den Insulinbedarf | |
---|---|
Erhöhter Insulinbedarf |
|
Verminderter Insulinbedarf |
|
- Siehe auch: Medikamentöse Einflüsse auf den Insulinbedarf
Psychosoziale Aspekte der Insulintherapie [11]
- Insulin-Purging
- Hypoglykämieangst: Übermäßige Furcht vor Hypoglykämien mit Inkaufnahme erhöhter Blutzuckerwerte
Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus
Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus - Grundlagen [12][13]
- Therapiestrategie: Bisherige Strategie und aktives Diabetesmanagement möglichst beibehalten
- Medikamentöse Therapie individuell abwägen
- Siehe auch: Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus - Therapiestrategien
- Gründliche Dokumentation: Insb. Diabetesform, bisherige und aktuelle Therapiestrategie sowie Blutzuckerwerte
- Vorrangiges Therapieziel: Vermeidung von Hypoglykämien
- Blutzuckerzielwert: Nüchternblutzucker 140–180 mg/dL (7,8–10 mmol/L)
- Blutzuckermessungen: Individuell festlegen
- HbA1c bestimmen: Wenn kein Wert aus den letzten 3 Monaten bekannt ist [1]
- Bei stabiler Stoffwechsellage: 4× täglich i.d.R. ausreichend
- Bei V.a. nächtliche Hypoglykämien: Zusätzlich nächtliche Messung (um 2:00–3:00 Uhr)
- Bei ICT und konventioneller Insulintherapie: Ggf. zusätzlich 2 h nach den Hauptmahlzeiten
- Bei instabiler Stoffwechsellage , längeren Nüchternphasen oder periinterventionell: Messfrequenz erhöhen (bspw. 7× täglich)
- Bei fehlender Nahrungsaufnahme: Alle 4–6 h
- Bei intravenöser Insulingabe: Alle 30–120 min
- Aufklärung: Insb. über Änderungen der Therapiestrategie
- Zur Entlassung: Blutzuckereinstellung überprüfen und ggf. Optimierungen empfehlen
Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus - Therapiestrategien
- Typ-1-Diabetes: Insulintherapie nicht pausieren
- Etabliertes Therapieschema möglichst fortsetzen und ggf. anpassen [1]
- Bei unzureichender Nahrungsaufnahme: Nur Basal- und ggf. bedarfsgerecht Korrekturinsulin verabreichen
- Bei akut lebensbedrohlicher Erkrankung: Kontinuierliche Insulingabe i.v. (siehe: Insulinperfusor)
- Typ-2-Diabetes und andere Diabetesformen: Ggf. passagere Insulintherapie erforderlich (insb. wenn orale Antidiabetika pausiert werden müssen)
Stationäre Behandlung bei Diabetes mellitus - Orale Antidiabetika [12][13]
- Allgemein: Müssen aufgrund (passagerer) Kontraindikationen ggf. abgesetzt werden
- Spezifische Risiken verschiedener Antidiabetika
- Metformin: Metformin-assoziierte Lactatazidose
- SGLT2-Inhibitoren: Diabetische Ketoazidose (inkl. euglykämische Ketoazidose)
- Sulfonylharnstoffe, (Glinide und α-Glucosidasehemmer): Hypoglykämie
- GLP1-Analoga: Verzögerte Magenentleerung
- DPP4-Inhibitoren: Pankreatitis
- Glitazone: Hypervolämie
- Gabe beibehalten: Bei kurzen Krankenhausaufenthalten ohne akute Kontraindikationen und Stoffwechselentgleisungen
- GLP1-Analoga: I.d.R. nicht pausieren
- DPP4-Inhibitoren: I.d.R nicht pausieren
- Gabe (vorübergehend) beenden: In allen anderen Fällen, bspw. bei
- Längeren Nüchternphasen, Diarrhoe und/oder Exsikkose: Metformin, SGLT2-Inhibitoren, Sulfonylharnstoffe und Glinide absetzen
- Schweren (akuten) Erkrankungen: Metformin, SGLT2-Inhibitoren, Sulfonylharnstoffe und Glinide absetzen
- Akute oder dekompensierte Herzinsuffizienz: Zusätztlich Saxagliptin (und Pioglitazon) absetzen
- Gastrointestinalen Erkankungen mit Übelkeit und Erbrechen: Metformin, SGLT2-Inhibitoren, GLP1-Analoga, Sulfonylharnstoffe und Glinide absetzen
- Nicht-biliäre oder chronische Pankreatitis: DPP4-Inhibitoren absetzen (dauerhaft)
- Eingeschränkter Nierenfunktion: Metformin und Sulfonylharnstoffe absetzen
- Metformin: Absetzen bei GFR <30mL/min/1,73m2 oder anderen Risikofaktoren für eine Lactatazidose
- DPP4-Inhibitoren: Dosisreduktion ab GFR <45 mL/min/1,73 m2
- SGLT2-Inhibitoren: Absetzen insb. bei zusätzlichen Risikofaktoren für eine euglykämische Ketoazidose
- GLP1-Analoga: Gabe i.d.R. auch bei chronischer Nierenerkrankung nicht beenden
- Gabe jodhaltiger Kontrastmittel: Metformin ggf. absetzen (bei gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln nicht notwendig)
- Leberfunktionsstörung: Metformin, Sulfonylharnstoffe, (Glinide und Pioglitazon) absetzen
- Invasiven Eingriffen (perioperativ): Metformin, SGLT2-Inhibitoren, Sulfonylharnstoffe und Glinide absetzen
- Siehe auch: Perioperativer Umgang mit Vormedikation
Passagere Insulintherapie [12][13]
- Prinzip: Vorübergehende Insulininjektionen (anstelle von oder zusätzlich zur bisherigen antidiabetischen Therapie)
- Indikation: Ungenügende Blutzuckereinstellung unter pausierter oder bisheriger oraler antidiabetischer Therapie
- Bspw. auch bei Gabe von Glucocorticoiden
- Durchführung
- Bei regelmäßiger Nahrungsaufnahme: Intensivierte konventionelle Insulintherapie empfohlen
- Alternative: Konventionelle Insulintherapie
- Bei schweren Erkrankungen : Kontinuierliche Insulingabe i.v. (siehe: Insulinperfusor)
- Vermeiden: Alleinige Insulinkorrektur bei Hyperglykämie
- Umstellung auf bisherige antidiabetische Therapie: Mind. 1–2 d vor geplanter Entlassung
Insulinkorrektur bei Hyperglykämie
- Prinzip: Bedarfsgerechte Blutzuckersenkung bei Hyperglykämie
- Indikation: Blutzucker anhaltend >180 mg/dL (>10 mmol/L)
- Durchführung: Blutzuckerabhängige Injektion von Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga
- Faustregel: 1 IE senkt den Blutzucker um 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L)
- Exakter Insulinbedarf: Individuell unterschiedlich , siehe auch
Insulinkorrekturschema | |
---|---|
Blutzuckerwert | Insulindosis |
<180 mg/dL (<10 mmol/L) | Keine Korrektur |
180–250 mg/dL (10–13,9 mmol/L) | 2 IE |
251–300 mg/dL (14–16,7 mmol/L) | 4 IE |
301–350 mg/dL (16,8–19,4 mmol/L) | 5 IE |
351–400 mg/dL (19,5–22,2 mmol/L) | 6 IE |
>400 mg/dL (>22,2 mmol/L) | 8 IE |
Insulinperfusor [12][13]
- Prinzip: Kontinuierliche intravenöse Insulingabe
- Indikationen
- Blutzuckerkontrolle auf Intensiv- und Überwachungsstationen
- Invasive Eingriffe
- Kurze und einfache Eingriffe: Subkutane Insulingaben beibehalten und ggf. anpassen
- Lange und komplexe Eingriffe: Umstellung auf intravenöse Gabe am OP-Tag (insb. bei Typ-1-Diabetes)
- Durchführung: Insulingabe mit einem Perfusor (Standardkonzentration: 1 IE/mL )
- Nach systematischem Protokoll: Bspw. „Updated Yale Insulin Infusion Protocol“ (siehe: Therapiesteuerung bei Insulinperfusoren) [14]
-
Blutzuckermessungen: Arterielle oder venöse Blutzuckermessung alle 60–240 min
- Stündlich: Bis mind. 3 Messungen im Zielbereich
- Zweistündlich: Wenn mind. letzte 3 Messungen im Zielbereich
- Vierstündlich: Wenn Blutzucker über 12 h stabil
- Umstellung auf subkutane Gabe
- Zeitpunkt: Bei gebessertem Gesundheitszustand und zufriedenstellenden Blutzuckerwerten
- Durchführung
- Überlappende Gabe: Intravenöse Insulingabe nach erster Basalinsulin-Injektion noch für 2 h fortsetzen
- Dosierung: 60% der letzten intravenösen Tagesgesamtdosis als Basalinsulin, 40% als Prandialinsulin
Therapiesteuerung bei Insulinperfusoren nach „Updated Yale Insulin Infusion Protocol“ [14]
- Indikation: Hyperglykämische Erwachsene auf der Intensivstation
- Voraussetzung: Mind. 2 Blutzuckerwerte >180 mg/dL (10 mmol/L)
- Ausnahmen: Rasche Normalisierung des Blutzuckers erwartbar, eigenständiges Essen, Verlegung von der Intensivstation in <24 h, präterminale sowie ggf. palliativ versorgte Menschen
- Nicht anwenden bei: Diabetischer Ketoazidose, hyperosmolarem Koma oder Blutzucker >500 mg/dL (27,8 mmol/L)
- Therapiebeginn: Berechnung von Bolusdosis und initialer Laufrate
- Quotienten bestimmen: Aktueller Blutzucker (in mg/dL)/100
- Quotienten runden: Auf die nächste halbe Zahl runden
- Therapie beginnen: Bolusgabe und Perfusorlaufrate gemäß gerundetem Wert
- Zielwert: 120–160 mg/dL (6,7–8,9 mmol/L)
- Blutzuckermessung
- Stündlich: Bis mind. 3 Messungen im Zielbereich
- Zweistündlich: Wenn mind. letzte 3 Messungen im Zielbereich
- Vierstündlich: Wenn Blutzucker über 12–24 h stabil
- Therapiesteuerung: Schematisch anhand aktuellem Blutzucker und Veränderung zum Vorwert
- Anpassung der Perfusorlaufrate in definierten Intervallen (sog. Δ)
- Bei Beendigung einer enteralen/parenteralen Ernährung: Laufrate um 50% reduzieren
Insulinperfusor - Therapiesteuerung gemäß „Updated Yale Insulin Infusion Protocol“ [14] | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Änderung der Perfusorlaufrate (anhand Blutzuckerveränderung zum Vorwert) | Aktueller Blutzuckerwert | |||||
100–119 mg/dL (5,6–6,6 mmol/L) | 120–159 mg/dL (6,7–8,8 mmol/L) | 160–199 mg/dL (8,9–11 mmol/L) | ≥200 mg/dL (>11,1 mmol/L) | |||
Erhöhung um 2 Δ | — | Anstieg >60 mg/dL (3,3 mmol/L) | Anstieg | |||
Erhöhung um 1 Δ | — | Anstieg >40 mg/dL (2,2 mmol/L) | Wert unverändert oder | Wert unverändert oder | ||
Anstieg um max. 60 mg/dL (3,3 mmol/L) | Abfall um max. 20 mg/dL (1,1 mmol/L) | |||||
Keine Änderung | Anstieg | Anstieg um max. 40 mg/dL (2,2 mmol/L) oder | Abfall um max. 40 mg/dL (2,2 mmol/L) | Abfall von 21–60 mg/dL (1,2–3,3 mmol/L) | ||
Wert unverändert oder | ||||||
Abfall um max. 20 mg/dL (1,1 mmol/L) | ||||||
Reduktion um 1 Δ | Wert unverändert oder | Abfall von 21–40 mg/dL (1,2–2,2 mmol/L) | Abfall von 41–60 mg/dL (2,3–3,3 mmol/L) | Abfall von 61–80 mg/dL (3,4–4,4 mmol/L) | ||
Abfall um max. 20 mg/dL (1,1 mmol/L) | ||||||
Reduktion um 2 Δ und 30 min Perfusorpause | Abfall >20 mg/dL (1,1 mmol/L) | Abfall >40 mg/dL (2,2 mmol/L) | Abfall >60 mg/dL (3,3 mmol/L) | Abfall >80 mg/dL (4,4 mmol/L) | ||
Höhe des Δ (gemäß aktueller Perfusorlaufrate) | ||||||
Aktuelle Perfusorlaufrate (mL/h) | 1 Δ (mL/h) | 2 Δ (mL/h) | ||||
<3 | 0,5 | 1 | ||||
3–6 | 1 | 2 | ||||
6,5–9,5 | 1,5 | 3 | ||||
10–14,5 | 2 | 4 | ||||
15–19,5 | 3 | 6 | ||||
≥20 | 4 | 8 |
Insulinperfusor - Therapiesteuerung bei Blutzuckerwerten <100 mg/dL (5,6 mmol/L) [14] | |||
---|---|---|---|
Maßnahmen | Aktueller Blutzuckerwert | ||
75–99 mg/dL (4,2–5,5 mmol/L) | 50–74 mg/dL (2,8–4,1 mmol/L) | <50 mg/dL (2,8 mmol/L) | |
1. Insulingabe beenden | Perfusor pausieren! | ||
2. Glucosegabe | — | 12,5 g Glucose i.v. | 25 g Glucose i.v. |
Alle 15 min bis Blutzucker ≥90 mg/dL (5 mmol/L), dann stündlich bis Blutzucker ≥140 mg/dL (7,8 mmol/L) | |||
4. Insulingabe fortsetzen | Weitere 30 min warten, dann Fortsetzung mit | ||
75% der letzten Laufrate | 50% der letzten Laufrate |
Die Vermeidung von Hypoglykämien ist i.d.R. wichtiger als eine sehr rasche Blutzuckersenkung! Insb. bei intravenöser Insulingabe sollten daher etablierte Protokolle angewendet werden.
Komplikationen
Akute Komplikationen
- Bei unerkanntem Diabetes mellitus oder unzureichender Therapie: Schwere Hyperglykämien bis hin zum hyperglykämischen Koma
- Unter Therapie: Gefahr lebensbedrohlicher Hypoglykämien
Diabetische Makroangiopathie
- Koronare Herzkrankheit, arterielle Verschlusskrankheit der Hirnarterien (Schlaganfall), periphere arterielle Verschlusskrankheit
- Aortenaneurysma und Aortendissektion
- Mönckeberg-Mediasklerose (Mediakalzinose vom Typ Mönckeberg = „Sonderform der pAVK“)
- CAVE: Fehlerhafte Diagnostik bei pAVK
Diabetische Mikroangiopathie
- Auftreten: Nach ca. 5–10 Jahren hyperglykämischer Stoffwechsellage
- Häufige Formen
Entscheidend zur Vorbeugung einer diabetischen Mikroangiopathie ist eine strenge Blutzuckereinstellung!
Weitere Komplikationen
- Diabetische Kardiomyopathie
- Ätiologie: Nicht sicher geklärt, vermutet wird ein metabolischer Einfluss
- Klinisches Bild: Herzinsuffizienz (insb. linksventrikuläre Funktionseinschränkung), schlechteres Outcome nach einem Myokardinfarkt
- Therapie: Analog der Therapie der Herzinsuffizienz
- Diabetische Fettleber
- Hyporeninämischer Hypoaldosteronismus
- Erhöhte Infektanfälligkeit
- Sialadenose
- Limited Joint Mobility (früher: Cheiroarthropathie)
- Necrobiosis lipoidica
- Katarakt: Ein Diabetes mellitus fördert die Entstehung und Progression einer Katarakt
- Wundheilungsstörung: Chronische Wunden heilen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus schlechter
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Diabetische Nephropathie
- Definition: Mit dem Diabetes mellitus assoziierte chronische Nierenkrankheit mit progredienter Funktionseinschränkung
- Epidemiologie: Ca. ⅓ der Menschen mit Diabetes mellitus entwickelt im Krankheitsverlauf eine diabetische Nephropathie (Wertung ab Nachweis einer Albuminurie Grad A2)
- Pathologie: Noduläre Glomerulosklerose (Morbus Kimmelstiel-Wilson)
- Klinisches Bild
- Glomeruläre Filtration initial erhöht (Hyperperfusion), anschließend zunehmender Abfall → Progrediente Niereninsuffizienz mit Gefahr der Urämie (u.a. urämische Polyneuropathie)
- Arterielle Hypertonie (frühzeitige antihypertensive Therapie verzögert Progression der diabetischen Nephropathie!)
- Ggf. renale Anämie
- Diagnostik
- Blut: Retentionsparameter, GFR, Elektrolyte im Serum
-
Urin: Albuminurie-Screening
- Initial Albuminurie Grad A2
- Im Verlauf Albuminurie Grad A3
- Progression in ein nephrotisches Syndrom möglich
- Therapie
- Bei Albuminurie: Reduzierte Proteinzufuhr
- Renale Anämie bei diabetischer Nephropathie: Erythropoetin-Substitution (Ziel-Hb: 10,5–11,5 g/dL)
- Optimale Mitbehandlung der arteriellen Hypertonie
- Bei nephrotischem Syndrom → siehe Therapie des nephrotischen Syndroms
- Bei Progredienz zur terminalen Niereninsuffizienz: Vorbereitung auf eine Nierenersatztherapie und Anmeldung zur Nierentransplantation bzw. bei Typ-1-Diabetikern kombinierte Pankreas- und Nierentransplantation erwägen
- Prävention: Eine optimale Einstellung des Blutzuckers und eine konsequente antihypertensive Therapie können die Krankheitsprogression deutlich verzögern
Frühsymptom der diabetischen Nephropathie ist die Albuminurie Grad A2. Das Ausmaß der Albuminurie korreliert mit der Höhe des kardiovaskulären Risikos!
Verlaufsuntersuchungen bei Risikopatienten sollen Kreatinin-Bestimmungen und Urinstatus beinhalten. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)
Diabetische Retinopathie
- Definition: Krankhafte Veränderung der Netzhautgefäße durch die bei Diabetes mellitus auftretende Mikroangiopathie
- Epidemiologie
- Ca. 90% der Personen mit Typ-1-Diabetes und ca. 25% der Personen mit Typ-2-Diabetes entwickeln nach spätestens 15 Jahren eine Retinopathie
- Häufigste Erblindungsursache im erwerbsfähigen Alter (in Deutschland)
- Symptome: Lange symptomlos, später Sehverschlechterung bis Erblindung
- Warnsymptome für eine Netzhautkomplikation
- Metamorphopsie (verzerrtes Sehen)
- „Rußregen“ infolge Glaskörperblutung oder Amotio retinae
- Sehverschlechterung, die nicht auf Refraktionsanomalien zurückzuführen ist („Verschwommensehen“, „Leseunfähigkeit“, Farbsinnstörungen)
- Warnsymptome für eine Netzhautkomplikation
- Diagnostik: Regelmäßige augenärztliche Vorstellungen
- Beidseitige Untersuchung des Augenhintergrundes (Fundoskopie)
- Visusbestimmung
- Mitbeurteilung der vorderen Augenabschnitte (Prüfung auf Katarakt)
- Ggf. Augeninnendruckmessung, optische Kohärenztomografie
- Ggf. Fluoreszenzangiografie
- Ophthalmoskopischer Befund und Klassifikation
- Nicht-proliferative Retinopathie (mild, mäßig, schwer)
- Mikroaneurysmen
- Intraretinale mikrovaskuläre Anomalien (IRMA)
- Intraretinale Blutungen
- Harte Exsudate
- Netzhautödem
- Kaliberschwankungen der Venen („perlschnurartig“)
- Cotton-Wool-Herde
- Proliferative Retinopathie: Präretinale Neovaskularisationen (Neubildungen von Blutgefäßen) definieren den Übergang zur proliferativen Form
- Mögliche weitere Befunde sind
- Fibrovaskuläre Membranen
- Glaskörperblutung, ggf. mit Traktionsamotio
- Rubeosis iridis → Sekundärglaukom, zusätzlich Veränderungen wie bei nicht-proliferativer Retinopathie oder proliferativer Retinopathie
- Mögliche weitere Befunde sind
- Diabetische Makulopathie
- Klinisch signifikantes Makulaödem
- Netzhautödem
- Harte Exsudate im Bereich der Makula
- Ischämische Makulopathie
- Nicht-proliferative Retinopathie (mild, mäßig, schwer)
- Therapie
- Bei proliferativer Retinopathie sowie ggf. bereits bei schwerer nicht-proliferativer Retinopathie
- Panretinale Laserkoagulation in mehreren Sitzungen
- Risiken der Lasertherapie: Einschränkungen des Nachtsehens, Gesichtsfeldreduktion, Zunahme der narbigen Schrumpfung mit Netzhautablösung
- Vitrektomie bei Traktionsamotio
- Panretinale Laserkoagulation in mehreren Sitzungen
- Makulaödem: Zentrale Laserbehandlung des hinteren Pols (fokale Laserkoagulation)
- Bei Foveabeteiligung : Intravitreale Applikation von VEGF-Inhibitoren (Zulassungsstatus beachten!), evtl. auch intravitreale Steroidapplikation
- Hilfsmittel
- Verordnung von Leselupen mit Lichtquelle
- Klärung des häuslichen Unterstützungsbedarfs
- Bei proliferativer Retinopathie sowie ggf. bereits bei schwerer nicht-proliferativer Retinopathie
Nicht-proliferative diabetische Retinopathie - Schweregrade | |
---|---|
Mild |
|
Mittel | |
Schwer |
|
Zum Vergleich: Normalbefund
Diabetische Neuropathie
- Definition: Unter dem Begriff „diabetische Neuropathie“ werden an den peripheren Nerven auftretende Schädigungsmuster zusammengefasst, die infolge eines Diabetes mellitus auftreten
Formen der diabetischen Neuropathie
- Periphere sensomotorische Polyneuropathie (ca. 80%): Insb. distal und symmetrisch
- Schmerzempfinden↓, Areflexie
-
Parästhesien und/oder Allodynie
- Small-Fiber-Neuropathie („Burning Feet“)
- Autonome diabetische Neuropathie
- Kardial
- Stummer Herzinfarkt
- Variabilität der Herzfrequenz↓ bis Frequenzstarre
- Orthostatische Hypotonie
- Ruhetachykardie
- Ventrikuläre Arrhythmie
- Magen-Darm-Trakt
- Gastroparese (Verzögerte Magenentleerung, Gefahr der postprandialen Hypoglykämie)
- Diarrhö, Obstipation, Inkontinenz
- Urogenital: Erektile Dysfunktion, Blasenatonie
- Weitere Manifestationen
- Störungen von Pupillenfunktion, Thermoregulation und Sudomotorik (Dyshidrose)
- Fehlsteuerung endokriner Prozesse, bspw. eine verminderte Wahrnehmung der Hypoglykämie infolge fehlender hormoneller Gegenregulation (durch Cortisol, Glucagon oder Katecholamine)
- Kardial
Diagnostik
- Fortwährende Aufmerksamkeit bei Visiten, ambulanten Konsultationen und Verlaufsuntersuchungen
- Screening auf sensomotorische Polyneuropathie
- Plussymptome: Schmerz, Dysästhesie mit gestörter Reizwahrnehmung
- Minussymptome: Taubheitsgefühl, „einschlafende Füße“
- Fußkomplikationen beachten
- Neurologische Basisdiagnostik: Stimmgabeltest, Testung der Druck- und Berührungsempfindlichkeit
- Screening auf autonome Polyneuropathie
- Ruhetachykardie
- Gastrointestinale und urogenitale Funktionsstörungen erfragen
- Bei V.a. diabetische Gastroparese: Magenszintigrafie
- Auffälliges Schwitzverhalten prüfen (ggf. Sudometrie)
Therapie
Eine kausale Therapie besteht nicht!
- Periphere sensomotorische Neuropathie: Schmerztherapie mit dem Ziel einer Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität
- Eingesetzte Analgetika und Co-Analgetika
- Nicht-Opioid-Analgetika (z.B. Paracetamol, Metamizol)
- Opioid-Analgetika (z.B. Tramadol, Morphin, Oxycodon)
- Anfallssuppressiva (Pregabalin oder Gabapentin)
- Antidepressiva
- Eingesetzte Analgetika und Co-Analgetika
- Autonome diabetische Neuropathie: Symptomatische Therapie der jeweiligen Ausfallerscheinungen und Beschwerden bzw. Erlernen des Umgangs mit den jeweils vorliegenden Einschränkungen (z.B. kreislaufwirksame Gymnastik vor dem Aufstehen bei orthostatischer Dysregulation)
- Diabetische Gastroparese: Versuch einer prokinetischen Therapie, z.B. mit Domperidon
- Stuhlunregelmäßigkeiten: Stuhlregulierende Maßnahmen, z.B. mit Macrogol oder Flohsamenschalen
- Therapie der erektilen Dysfunktion
Diabetische Fußsyndrome
Diagnostik
-
Regelmäßige Untersuchung der Füße bei allen Menschen mit Diabetes mellitus
- Patienten sollten ihre Füße täglich und ggf. mithilfe eines Spiegels kontrollieren
- Hautstatus
- Prüfen der Drucksensibilität und des Vibrationsempfindens (siehe auch: Neurologische Untersuchung)
- Fußpulse
Kontrollintervalle für den Fußbefund je nach individuellem Risikoprofil [15] | |||
---|---|---|---|
Risikokategorie | Neuropathie | Weiteres Risikoprofil | Intervall |
0 | – | – | Alle 12 Monate |
1 | Ja | – | Alle 6 Monate |
2 | Ja | pAVK und/oder Fußdeformität | Alle 3–6 Monate |
3 | Ja | Ulkus oder Amputation in der Vorgeschichte | Alle 1–3 Monate |
Man kann einem Diabetiker nicht oft genug auf die Füße schauen!
Krankheitsbilder nach Grunderkrankung
Neuropathisches diabetisches Fußsyndrom [16]
- Epidemiologie: Häufigste Form des diabetischen Fußes
- Ätiologie: Polyneuropathie
- Klinik: Warme, trockene Haut
- Diagnostik
- Sensibilität und Vibrationsempfinden↓
- Schmerz- und Temperaturempfinden↓
- Fußpulse tastbar
- Einteilung gemäß der kombinierten Wagner-Armstrong-Klassifikation
- Komplikationen
- Malum perforans
- Diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie (Charcot-Fuß)
- Fehlstellungen (Verlust der Fußquer- und Längswölbung), Osteolysen, Frakturanfälligkeit, Destruktion des Fußskeletts
Ischämisches diabetisches Fußsyndrom
- Ätiologie: pAVK
- Klinik: Kühler, blasser Fuß mit fehlenden Fußpulsen
- Diagnostik
- Verfahren der Wahl: Zehen-Arm-Index + Farbduplexsonografie
- Knöchel-Arm-Index (ABI)
- Kernspinangiografie der Becken- und Beingefäße
- Einteilung gemäß der kombinierten Wagner-Armstrong-Klassifikation
Tastbare Fußpulse sind kein Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer pAVK! Bei Diabetikern können aufgrund einer Mönckeberg-Mediasklerose sogar falsch-hohe ABI-Werte vorkommen!
Bei etwa ⅓ der Patienten mit diabetischem Fußsyndrom handelt es sich um eine kombinierte Form aus ischämischem und neuropathischem Fuß! So können typische ischämische Symptome bei gleichzeitiger neuropathischer Komponente fehlen!
Pflege bei diabetischem Fußsyndrom
- Fußpflege (ggf. regelmäßige podologische Sitzungen)
- Tägliche Pflege
- Verletzungen vermeiden
- Nagelpflege
Wunden bei diabetischen Fußsyndromen [15][17]
Epidemiologie
- Jährliche Inzidenz: 2,2–6,4% bei Personen mit Diabetes mellitus
- Lebenszeitinzidenz: 15–25% bei Personen mit Diabetes mellitus
- Infektionsentwicklung >50%
- Hohe Rezidivrate
- 40% nach 1 Jahr
- 60% nach 3 Jahren
Ätiologie und Pathophysiologie [18][19]
- Neuropathie
- Sensorische Neuropathie
- Reduziertes oder aufgehobenes Druck- und Schmerzempfinden → Repetitive Traumatisierung → Hautläsionen
- Burning-Feet-Syndrom
- Motorische Neuropathie → Muskelatrophie → Fehlstellungen und eingeschränkte Gelenkmobilität → Hohe Druck- und Scherkraftbelastungen
- Autonome Neuropathie → Lähmung der Vasomotorik → Arteriovenöse Shunts → Periphere Minderperfusion → Gangrän
- Sensorische Neuropathie
- Angiopathie
- Mikroangiopathie → Niedriger Perfusionsdruck → Periphere Minderperfusion → Gangrän
- Makroangiopathie
- pAVK → Periphere Minderperfusion → Gangrän
- Mönckeberg-Mediasklerose → Verlust der Wandelastizität
- Psychosoziale Faktoren: Bspw. Depression, Vernachlässigung, fehlende soziale Unterstützung
- Prädisposition und epigenetische Faktoren: Bspw. eingeschränkte zelluläre Antwort auf hypoxische Bedingungen → Chronische Entzündungen
Spezifische Diagnostik
- Regelmäßige Untersuchung der Füße
- CT-Angiografie nicht geeignet
Klassifikationen
- Standardisierte Befunderhebung [16]
- Klassifikation nach Wagner: Nach dem Ausmaß der Gewebezerstörung
- Klassifikation nach Armstrong: Nach Vorliegen einer Infektion und/oder Ischämie
- PEDIS-Klassifikation: Bei infizierten Wunden
Kombinierte Wagner-Armstrong-Klassifikation | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Wagner-Grad | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | |
Keine Wunde, ggf. Fußdeformation oder Zellulitis / prä- oder postulzerativer Fuß | Wunde oberflächlich | Wunde bis zur Sehne/Kapsel | Wunde bis zum Knochen/Gelenk | Nekrose von Fußteilen | Nekrose des gesamten Fußes | ||
Armstrong- Stadium | A | Ohne Infektion | |||||
B | Mit Infektion | ||||||
C | Mit Ischämie | ||||||
D | Mit Infektion und Ischämie | ||||||
Beispiele | Wunde bis zur Sehne (Wagner 2) mit Infektion (Armstrong B) → Wagner-Armstrong-Klassifikation Stadium 2B |
PEDIS-Klassifikation [20] | |||||
---|---|---|---|---|---|
Grad | Perfusion | Ausdehnung | Tiefe | Infektion | Sensibilität |
1 | keine pAVK | Haut intakt | Haut intakt | Keine | Erhalten |
2 | pAVK, ohne Ischämie | <1 cm2 | Oberflächlich | Oberflächlich | Aufgehoben |
3 | Ischämie | 1–3 cm2 | Faszie, Muskel, Sehnen | Abszess, Fasziitis, Arthritis | |
4 | >3 cm2 | Knochen | SIRS |
Therapie
- Ziele: Akutbehandlung und Rezidivprophylaxe
- Lokaltherapie
- Phasenweise Entlastung bei Deformitäten, ggf. Versorgung mit orthopädischen Schuhen und/oder Einlagen
- Phasengerechte Wundbehandlung und Sicherung der Wundversorgung
- Chirurgische Mitbehandlung und ggf. Débridement bei nekrotischen Wundanteilen
- Infektsanierung
- Druck- und Scherkraftentlastung
- Hilfsmittel
- Chirurgische Maßnahmen
- Ggf. Amputation
- Siehe auch: Pflege bei diabetischem Fußsyndrom
- Kausaltherapie der Grunderkrankung
- Blutzuckereinstellung siehe: Therapie des Diabetes mellitus
- Revaskularisationstherapie bei pAVK: Indiziert bei fehlender Heilung der Fußläsionen innerhalb von 4 Wochen trotz intensiver Wundbehandlung
Bei mangelhafter Durchblutung sollte von einer Exzision eines diabetischen Ulkus ohne vorherige, erfolgreiche Revaskularisation abgesehen werden, da aufgrund der schlechten Wundheilung die Gefahr besteht, dass hierdurch ein noch größerer Defekt geschaffen wird!
Die Entwicklung tiefer Infekte ist der Hauptgrund für Majoramputationen! [17]
Spezifische Wunden
- Malum perforans [17]
- Ätiologie: Vorherrschend neuropathisch
- Typische Wundformationen
- Hornhautschwielen → Einblutungen und Einrisse → Subkutane Schwielenabszesse → Penetration der Abszesse an die Oberfläche
- Wie ausgestanzt erscheinende Ulzera
- Häufig schmerzlos (bei Polyneuropathie)
- Ggf. Phlegmone
- Prädilektionsstellen: Mittel- und Vorfuß, häufig über Metatarsale
- Spezifische Diagnostik
- Diagnostik bei Polyneuropathie
- Sondierung
- Ausschluss einer knöchernen Beteiligung
- Pulsstatus, Knöchel-Arm-Index, Angiografie
- Spezifische Lokaltherapie
- Konsequente Druckentlastung
- Geeignete Wundauflagen
- Komplikationen: Schwere Phlegmone
- Diabetische Neuroosteoarthropathie (DNOAP) bzw. Charcot-Fuß: Deformierende Erkrankung der Gelenke und Knochen
- Ätiologie: Vorherrschend neuropathisch
- Typische Wundformationen
- Periartikuläre Stressfrakturen → Überschießende periostale Reaktionen → Einsinken des Fußlängsgewölbes → Ausheilung in Fehlstellung
- Ulzera an fehlbelasteten Stellen des deformierten Fußes (Charcot-Fuß)
- Verlaufsstadien nach Levin
- Stadium I: Akutes Stadium mit Erythem, Schwellung, Überwärmung
- Stadium II: Knochen- und Gelenkveränderungen, Frakturen
- Stadium III: Fußdeformitäten mit Plattfuß bis hin zum Wiegefuß
- Stadium IV: Plantare Fußläsion
- Lokalisationsmuster nach Sanders
- Typ I: Interphalangealgelenke, Metatarsophalangealgelenke, Metatarsalia
- Typ II: Tarsometatarsalgelenke
- Typ III: Navikulo-kuneiforme Gelenke, Talonavikulargelenk, Kalkaneokuboidgelenk
- Typ IV: Sprunggelenke
- Typ V: Calcaneus
- Spezifische Diagnostik
- Klinische Untersuchung mit Bestimmung der Oberflächentemperatur im Seitenvergleich
- Neurologische Untersuchung
- Nativröntgen des Fußes in 2 Ebenen
- MRT
- Lokaltherapie: Konsequente Ruhigstellung (starre Orthese) des Fußes
- Necrobiosis lipoidica diabeticorum
- Definition: Entzündliche, granulomatöse Hauterkrankung mit Kollagendegeneration und Lipidanreicherung in der Dermis
- Epidemiologie
- Typische Wundformationen
- Prädilektionsstelle: Streckseiten der unteren Extremitäten
- Effloreszenz: Scharf begrenzte, rötliche Plaques mit zentraler Atrophie und papulösem Rand
- Meist simultan multilokuläre Befunde
- Beginn meist als Papeln, aus der sich dann flach eingesunkene, ggf. ulzeröse Hautatrophien entwickeln
- Violette Begrenzung
- Narbige Abheilung
- Histopathologie: Nekrobiotische Palisadengranulome
- Lymphohistiozytäre Infiltrate mit Plasmazellen, Schaumzellen und Riesenzellen
- Wandverdickte und okkludierte kleine Blutgefäße
- Untergang kollagenen Bindegewebes in der gesamten Dermis
- Therapie: Glucocorticoide können wirksam sein (z.B. intraläsionale Injektion)
Ambulante Versorgung
Allgemeines Vorgehen
- Regelmäßige Vorstellungen: Alle 3–6 Monate
- Anamnese und körperliche Untersuchung, insb.
- Bisheriger Krankheitsverlauf, Adhärenz, Risikofaktoren, Komorbiditäten, diabetische Folgeerkrankungen
- Rauchen und Tabakkonsum (ggf. bei Rauchentwöhnung unterstützen)
- Körpergewicht und Bauchumfang
- Aktuelle Medikation (insb. Medikamente mit diabetogenem Potenzial und medikamentöse Einflüsse auf den Insulinbedarf)
- Siehe auch: Basisdiagnostik bei Diabetes mellitus
- Individuelle Therapieziele: Überprüfen und ggf. neu vereinbaren
- Barrieren und mögliche Lösungsansätze: Erkennen und moderieren, u.a. [2]
- Körperliche Funktion
- Soziale Faktoren
- Personenbezogene Faktoren
- Medizinische Versorgung
- Kommunikation
- Impfstatus: Prüfen und ggf. Impfungen aktualisieren
- Besondere Aspekte der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
- Hoher Stellenwert nicht-medikamentöser Maßnahmen (Schulungen, Lebensstilanpassung)
- Siehe: Therapie des Diabetes mellitus Typ 2
- DMP Diabetes mellitus empfehlen (für allgemeine Informationen zu DMP siehe auch: Disease-Management-Programme)
Kontrolle der Stoffwechseleinstellung
- Diabetes mellitus Typ 1 [1]
- Eigenständige Blutzuckermessung: Kontinuierliches Glucosemonitoring (CGM) anbieten
- Wenn CGM nicht möglich oder erwünscht: Kapilläre Blutzuckermessung mind. 4× täglich, zusätzlich bedarfsgerecht
- Stoffwechsel: Eigenständige Messung der Ketone ermöglichen
- HbA1c-Wert kontrollieren: Alle 3 Monate
- Eigenständige Blutzuckermessung: Kontinuierliches Glucosemonitoring (CGM) anbieten
- Diabetes mellitus Typ 2
- Eigenständige Blutzuckermessung: Individuelle Abwägung anhand von Risiko und Therapiestrategie
- HbA1c-Wert kontrollieren: Alle 3–6 Monate, ggf. zusätzlich Nüchternblutzucker
- Bei eigenständiger Blutzuckermessung oder CGM: Messwerte/Sensorparameter alle 3 Monate auf Regelmäßigkeit und Plausibilität prüfen
Die Leitlinienempfehlungen hinsichtlich der Untersuchungsintervalle unterscheiden sich teilweise von den vorgegebenen Intervallen im Rahmen des DMP Diabetes mellitus!
Screening auf diabetische Folge- und Begleiterkrankungen [1][2]
- Beginn des Screenings
- Diabetes mellitus Typ 1: Regelmäßig ab Erstdiagnose
- Für Empfehlungen im Alter <18 Jahren siehe: Langzeitkomplikationen eines Diabetes mellitus Typ 1 im Kindes- und Jugendalter
- Diabetes mellitus Typ 2: Regelmäßig ab Erstdiagnose
- Diabetes mellitus Typ 1: Regelmäßig ab Erstdiagnose
Screeningintervalle diabetischer Folge- und Begleiterkrankungen | ||
---|---|---|
Erkrankung | Intervall | |
Diabetes mellitus Typ 1 | Diabetes mellitus Typ 2 | |
Kardiovaskuläre Erkrankungen | Mind. jährlich, inkl. Lipidstatus (Blutdruckmessung mind. alle 3 Monate ) | |
Diabetische Nephropathie | Mind. jährlich | |
Diabetische Neuropathie | Jährlich | Risikoadaptiert alle 1–2 Jahre |
Diabetische Fußsyndrome | Keine periphere sensomotorische Polyneuropathie oder pAVK: Jährlich | |
Periphere sensomotorische Polyneuropathie und/oder pAVK: Alle 3–6 Monate | ||
Diabetische Retinopathie und Makulopathie | Risikoadaptiert alle 1–2 Jahre | |
Lipodystrophien | Mind. jährlich (bei Insulintherapie) | |
Psychische Komorbiditäten (insb. unipolare Depression) | Mind. jährlich |
Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen
- Intervall
- Jährlich oder anlassbezogen
- Ausnahme: Blutdruckmessung mind. alle 3 Monate, zusätzlich Heimblutdruckmessungen empfehlen
- Durchführung
- Kardiovaskuläres Risiko abschätzen (ggf. mittels Scores zur kardiovaskulären Risikoabschätzung)
- Symptome der koronaren Herzkrankheit erfragen
- Lipidstatus bestimmen : Jährlich
- Untersuchung auf Vorhofflimmern [2]
- Vorbeugung: Beeinflussbare Risikofaktoren frühzeitig behandeln (nicht-medikamentös oder pharmakologisch)
Diabetische Nephropathie
- Intervall: Jährlich
- Durchführung: eGFR und Albumin-Kreatinin-Quotient (aus Spontanurin) bestimmen, ggf. Urinstatus
- Abweichende Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften [2]
- Nephrologische Vorstellung indiziert bei [21]
- Albuminurie Grad A2 (plötzlich auftretend oder rasch zunehmend)
- eGFR-Abfall bzw. Kreatininanstieg
- Pathologischem U-Status, insb. Hämaturie oder Leukozyturie
- Sonografischen Veränderungen der Nieren
- Verdacht auf hypertensive Nephropathie
- Diabetes mellitus Typ 1 und Erkrankungsdauer ≤5 Jahre
Diabetische Neuropathie
- Intervall: Risikoadaptiert
- Diabetes mellitus Typ 1: Bei Erstdiagnose, dann jährlich (bei Auffälligkeiten häufiger)
- Diabetes mellitus Typ 2: Risikoadaptiert alle 1–2 Jahre
- Risikofaktoren
- Zunehmende Erkrankungsdauer
- Instabile Blutzuckereinstellung (häufige Hyperglykämien)
- Diabetische Retinopathie
- Diabetische Nephropathie
- Durchführung
- Erfassung neuropathischer Plussymptome und Minussymptome (ggf. mithilfe validierter Fragebögen)
- Klinische und neurologische Untersuchung der Füße (ggf. mithilfe validierter Scores), inkl.
- Vibrationsempfinden (mittels Stimmgabel) oder Berührungsempfinden (mittels Monofilament) und
- Schmerzempfinden (mittels Nadelreiz-Stimulator) oder Temperaturempfinden (mittels stiftförmigem Instrument mit Metallende)
- Ggf. zusätzlich Achillessehnenreflexe
Diabetische Fußsyndrome
- Intervall: Je nach Komorbiditäten
- Keine periphere sensomotorische Polyneuropathie oder pAVK: Jährlich
- Periphere sensomotorische Polyneuropathie und/oder pAVK: Alle 3–6 Monate
- Durchführung
- Untersuchung der Füße inkl. Schuhe und Strümpfe
- Untersuchung auf pAVK: Fußpulse, ggf. Knöchel-Arm-Index (ABI)
- Vorbeugung: Tragen von weichem Schuhwerk (um Verletzungen zu vermeiden) und medizinische Fußpflege empfehlen, ggf. verordnen
Diabetische Retinopathie und Makulopathie
- Intervall: Risikoadaptiert
- Keine diabetische Netzhautveränderung und geringes Risiko: Alle 2 Jahre
- In allen anderen Fällen: Jährlich
- Risikofaktoren
- Zunehmende Erkrankungsdauer
- Instabile Blutzuckereinstellung (häufige Hyperglykämien, stark schwankende Blutzuckerwerte)
- Arterielle Hypertonie
- Diabetische Nephropathie
- Schwangerschaft
- Vorgehen: Augenärztliche Vorstellung (Untersuchung von Sehschärfe und vorderen Augenabschnitten, beidseitige Fundoskopie)
Lipodystrophien (bei Insulintherapie)
- Intervall: Mind. jährlich, bei Auffälligkeiten häufiger (insb. bei unerklärlichen Blutzuckerschwankungen)
- Durchführung: Inspektion von Injektionsstellen und Palpation der Haut
Unipolare Depression und andere psychische Komorbiditäten
- Intervall: Mind. jährlich oder anlassbezogen
- Durchführung: Erfragen von Verdachtsmomenten (bspw. mittels Zwei-Fragen-Test oder WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden)
- Bei positivem Screeningergebnis: Psychiatrische Vorstellung
DMP Diabetes mellitus
Für allgemeine Informationen zu DMP siehe auch: Disease-Management-Programme
Ablauf Diabetes mellitus Typ 1
Aktuelle Anamnese und Diagnostik
- Dokumentation
- 1. Indikationsübergreifender Teil (inkl. Körpergewicht, Blutdruckmessung)
- 2. Indikationsspezifischer Teil
-
Anamnese mit Fokus auf
- Spätfolgen
- Relevante Ereignisse
- Schwere Hypoglykämien
- Stationäre notfallmäßige Therapie
-
Anamnese mit Fokus auf
- Vorgesehene Untersuchungen (siehe auch: Diabetes mellitus - Ambulante Versorgung)
- Blutdruckmessung: Alle 3 Monate (mind. 1× jährlich)
- Injektionsstellen untersuchen: Alle 3 Monate (bei starken Blutzuckerschwankungen häufiger), mind. 2× jährlich
- Fußstatus
- Keine sensible Neuropathie: Mind. 1× jährlich
- Bei sensibler Neuropathie: Mind. alle 6 Monate
- Bei sensibler Neuropathie und Zeichen einer pAVK oder anderen Risiken : Alle 3 Monate oder häufiger
- Labordiagnostik
- Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontanurin und eGFR: 1× jährlich
- HbA1c: Alle 3 Monate (mind. 2× jährlich)
- Augenärztliche Untersuchung : 1–2× jährlich
Behandlungsplanung
- Prozedere
- Therapieplanung
- Überprüfung
- Ggf. Anpassung
- Individuelle Therapieziele definieren anhand
- Allgemeiner Therapieziele
- Individueller Risikoabschätzung
- Folgeerkrankungen
- Komorbiditäten
- Ziel-HbA1c (Erwachsene): ≤7,5% (≤58 mmol/mol Hb)
- Therapeutische Maßnahmen bei Diabetes mellitus (siehe: Therapie des Diabetes mellitus)
- Allgemeine Maßnahmen
- Raucherberatung
- Aufklärung bzgl. Hypoglykämierisiken (bspw. im Alltag, bei Alkoholkonsum)
- Schulung
- Medikamentöse Therapie
- Anleitung und Schulung zu intensivierter Insulintherapie, ggf. CGM
- Nach hypoglykämischer oder ketoazidotischer Stoffwechselentgleisung
- Auslöser eruieren
- Ggf. Anpassung der Therapie(ziele)
- Indikationsprüfung für CGM
- Diagnostik und Therapie von Begleit-/Folgeerkrankungen (siehe: Diabetes mellitus - Komplikationen)
- Diabetische Mikroangiopathie
- Diabetische Makroangiopathie
- Arterielle Hypertonie (Ziel-RR: 130–139 mmHg systolisch, 80–89 mmHg diastolisch, ggf. individuelle Anpassung)
- Ggf. psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung
- Autoimmunerkrankungen
- Allgemeine Maßnahmen
- Überweisungen/Einweisung, ggf. Einleitung einer Rehamaßnahme
- Erhöhung der Adhärenz: Durch Information über Verlauf, Einbeziehung in Behandlungsplanung
Ablauf Diabetes mellitus Typ 2
Aktuelle Anamnese und Diagnostik
- Dokumentation
- 1. Indikationsübergreifender Teil (inkl. Körpergewicht, Blutdruckmessung)
- 2. Indikationsspezifischer Teil
-
Anamnese mit Fokus auf
- Spätfolgen
- Relevante Ereignisse
- Schwere Hypoglykämien
- Stationäre notfallmäßige Therapie
-
Anamnese mit Fokus auf
- Vorgesehene Untersuchungen (siehe auch: Diabetes mellitus - Ambulante Versorgung)
- Blutdruckmessung: Alle 3 Monate (mind. 1× jährlich)
- Ggf. Injektionsstellen untersuchen: Alle 3 Monate (bei starken Blutzuckerschwankungen häufiger), mind. 2× jährlich
- Fußstatus
- Keine sensible Neuropathie: Mind. 1× jährlich
- Bei sensibler Neuropathie: Mind. alle 6 Monate
- Bei sensibler Neuropathie und Zeichen einer pAVK oder anderen Risiken : Alle 3 Monate oder häufiger
- Labordiagnostik
- Augenärztliche Untersuchung : 1–2× jährlich
Behandlungsplanung
- Prozedere
- Individuelle Therapieplanung (partizipativ)
- Überprüfung
- Ggf. Anpassung
- Individuelle Therapieziele definieren anhand
- Allgemeiner Therapieziele
- Individueller Risikoabschätzung
- Alter
- Folgeerkrankungen
- Komorbiditäten
- Therapeutische Maßnahmen bei Diabetes mellitus Typ 2 (siehe auch: Therapie des Diabetes mellitus)
- Nicht-medikamentöse Therapie
- Medikamentöse Therapie
- Nach hyper-/hypoglykämischer Stoffwechselentgleisung
- Auslöser eruieren
- Ggf. Anpassung der Therapie(ziele)
- Indikationsprüfung für CGM
- Diagnostik und Therapie bei Begleit-/Folgeerkrankungen (siehe: Diabetes mellitus - Komplikationen)
- Diabetische Mikroangiopathie
- Diabetische Makroangiopathie
- Arterielle Hypertonie (Ziel-RR: <140/90 mmHg, ggf. individuelle Anpassung)
- Psychische Komorbiditäten
- Parodontitis
- Schulung
- Überweisungen/Einweisung, ggf. Einleitung einer Rehamaßnahme
- Erhöhung der Adhärenz: Durch Information über Verlauf, Einbeziehung in Behandlungsplanung
Ablauf Diabetes mellitus Typ 1: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
Aktuelle Anamnese und Diagnostik
- Dokumentation
- 1. Indikationsübergreifender Teil (inkl. Körpergewicht, Blutdruckmessung)
- 2. Indikationsspezifischer Teil
-
Anamnese mit Fokus auf
- Spätfolgen
- Relevante Ereignisse
- Schwere Hypoglykämien
- Stationäre notfallmäßige Therapie
-
Anamnese mit Fokus auf
- Vorgesehene Untersuchungen
- Blutdruckmessung:
- Ab 10 Jahren
- Mind. 1× jährlich
- Injektionsstellen untersuchen: Alle 3 Monate (bei starken Blutzuckerschwankungen häufiger), mind. 2× jährlich
- Fußstatus: Optional
- Labordiagnostik
- HbA1c: Alle 3 Monate, mind. 2× jährlich
-
Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontanurin
- Nach 5 Jahren Diabetesdauer
- Frühestens ab 10 Jahren
- 1× jährlich
- TSH: 1–2× jährlich
- Anti-Transglutaminase-IgA: 1–2× jährlich
- Augenärztliche Untersuchung
- Nach 5 Jahren Diabetesdauer
- Frühestens ab 10 Jahren
- 1–2× jährlich
- Blutdruckmessung:
Behandlungsplanung
- Prozedere
- Therapieplanung
- Überprüfung
- Ggf. Anpassung
- Individuelle Therapieziele definieren (siehe: Diabetes mellitus Typ 1 im Kindes- und Jugendalter - Therapie)
- Fokus auf
- Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen
- Begrenzung von Folgeerkrankungen
- Altersgerechte körperliche und geistige Entwicklung und Leistungsfähigkeit
- Bestmögliche psychosoziale Entwicklung und Integration
- Fokus auf
- Therapeutische Maßnahmen
- Medikamentöse Therapie (siehe: Insulintherapie im Kindes- und Jugendalter)
- Intensivierte Insulintherapie sobald möglich, ggf. Insulinpumpentherapie
- Schulung
- Psychosoziale Betreuung
- Diagnostik und Therapie von Folgeerkrankungen
- Medikamentöse Therapie (siehe: Insulintherapie im Kindes- und Jugendalter)
- Überweisungen/Einweisung, ggf. Einleitung einer Rehamaßnahme
- Erhöhung der Adhärenz: Durch Information über Verlauf, Einbeziehung in Behandlungsplanung
Kinderwunsch und Schwangerschaft [22]
Interdisziplinäre Therapieplanung im spezialisierten Setting erforderlich
Diabetes mellitus Typ 1 und 2 - Dokumentation | ||
---|---|---|
Lfd. Nr.* | Dokumentationsparameter | Ausprägung |
Anamnese- und Befunddaten | ||
1 | HbA1c-Wert | Wert in % / mmol/mol |
1a | Nur bei Diabetes mellitus Typ 1: Pathologische Albumin-Kreatinin-Ratio | Ja / Nein / Nicht untersucht |
2a | eGFR | Wert in mL/min/1,73 m2 KOF / Nicht bestimmt |
3 | Fußstatus | 1. Pulsstatus: Unauffällig / Auffällig / Nicht untersucht 2. Sensibilitätsprüfung: Unauffällig / Auffällig / Nicht untersucht 3. Weiteres Risiko für Ulkus: Fußdeformität / Hyperkeratose mit Einblutung / Z.n. Ulkus / Z.n. Amputation / Ja / Nein / Nicht untersucht 4. Ulkus: Oberflächlich / Tief / Nein / Nicht untersucht 5. (Wund)Infektion: Ja / Nein / Nicht untersucht |
3a | Injektionsstellen (bei Insulintherapie) | Unauffällig / Auffällig / Nicht untersucht |
3b | Intervall für künftige Fußinspektionen (bei Patient:innen ab 18 Jahren) | Jährlich / Alle 6 Monate / Alle 3 Monate oder häufiger |
4 | Spätfolgen | Diabetische Nephropathie / Diabetische Neuropathie / Diabetische Retinopathie |
Relevante Ereignisse | ||
5 | Relevante Ereignisse | Nierenersatztherapie / Erblindung / Amputation / Herzinfarkt / Schlaganfall / Keines der genannten Ereignisse |
6 | Schwere Hypoglykämien seit der letzten Dokumentation | Anzahl |
8 | Stationäre notfallmäßige Behandlung wegen Diabetes mellitus seit der letzten Dokumentation | Anzahl |
Medikamente | ||
9 | Nur bei Diabetes mellitus Typ 2: Insulin oder Insulinanaloga | Ja / Nein |
11 | Nur bei Diabetes mellitus Typ 2: Metformin | Ja / Nein / Kontraindikation |
12 | Nur bei Diabetes mellitus Typ 2: Sonstige antidiabetische Medikation | Ja / Nein |
12a | Nur bei Diabetes mellitus Typ 2: SGLT2-Inhibitor | Ja / Nein / Kontraindikation |
12b | Nur bei Diabetes mellitus Typ 2: GLP-1-Rezeptoragonist | Ja / Nein / Kontraindikation |
13 | Thrombozytenaggregationshemmer | Ja / Nein / Kontraindikation / Orale Antikoagulation |
Schulung | ||
18 | Schulung empfohlen (bei aktueller Dokumentation) | Diabetes-Schulung / Hypertonie-Schulung / Keine |
18a | Schulung bereits vor Einschreibung ins DMP wahrgenommen | Diabetes-Schulung / Hypertonie-Schulung / Keine |
19 | Empfohlene Schulung(en) wahrgenommen | Ja / Nein / War aktuell nicht möglich / Bei letzter Dokumentation keine Schulung empfohlen |
Behandlungsplanung | ||
20 | HbA1c-Zielwert | Zielwert erreicht / Zielwert noch nicht erreicht |
21 | Ophthalmologische Netzhautuntersuchung seit der letzten Dokumentation | Durchgeführt / Nicht durchgeführt / Veranlasst |
22 | Behandlung / Mitbehandlung in einer für das diabetische Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung | Ja / Nein / Veranlasst |
23 | Diabetesbezogene stationäre Einweisung | Ja / Nein / Veranlasst |
*Zeile 2,7,10,14-17: Weggefallen |
Prognose
- Entscheidend für die Prognose ist die Blutzuckereinstellung sowie die Mitbehandlung von Komorbiditäten (Hypertonie, Hyperlipidämie)
- Bei Typ-1-Diabetes ist insb. die Güte der Blutzuckereinstellung für die Verhinderung mikroangiopathisch vermittelter Folgeschäden entscheidend
- Bei Typ-2-Diabetes steht meist die Makroangiopathie mit entsprechenden Folgen im Vordergrund, die insb. durch die Behandlung von Komorbiditäten günstig beeinflusst werden kann; wenngleich auch beim Typ-2-Diabetes die Blutzuckernormalisierung mikrovaskuläre Folgeschäden reduziert, sind diese bei den meist älteren Menschen prognostisch weniger relevant
- Die Prognose des Typ-2-Diabetes kann durch Gewichtsnormalisierung stark verbessert werden, oft ist aber die mangelnde Therapieadhärenz Betroffener das entscheidende Problem
- Todesursachen sind meist Myokardinfarkt und Nierenversagen
Prävention
- Screening der Nüchternblutzuckerwerte bei „Gesunden“ (Personen im Alter ≥35 Jahre, alle 3 Jahre)
- Gewichtsnormalisierung, körperliche Aktivität
- Siehe auch: Diabetes mellitus Typ 1 - Prävention
Besondere Patientengruppen
Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes, GDM)
Allgemeines
- Definition: Erstmals während der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte Glucosetoleranzstörung
- Epidemiologie
- Weltweit: Stark variable Prävalenz von 1,9–25% [23]
- Deutschland (im Jahr 2016): Prävalenz von 5,38% (auf alle Schwangerschaften mit Lebendgeburt berechnet) [23]
- Pathophysiologie
- Insulinbedarf verändert sich während der Schwangerschaft
- Im 1. Trimenon besteht eine erhöhte(!) Insulinsensitivität mit einer Neigung zu Hypoglykämien
- Im 2. und 3. Trimenon entwickelt sich hormonell bedingt eine zunehmende Insulinresistenz (insb. postprandial kann es zu deutlichen Hyperglykämien kommen)
- Auftreten: Meist im 2. und 3. Trimenon (seltener im 1. Trimenon)
- Insulinbedarf verändert sich während der Schwangerschaft
Risikofaktoren
- Betroffene Frauen weisen zumeist die gleichen Risikofaktoren wie Frauen mit einem Typ-2-Diabetes auf
- Folgende Risikofaktoren erhöhen explizit das Risiko des Wiederauftretens
- Internistisch
- Typ-2-Diabetes bei Familienangehörigen 1. Grades, passagere Glucoseintoleranz in der Anamnese
- Übergewicht mit BMI >27 kg/m2
- Höheres Alter
- Geburtshilflich
- Gestationsdiabetes in früheren Schwangerschaften
- Wiederholte Spontanaborte (habituelle Aborte)
- Frühere Geburt mind. eines makrosomen Kindes mit Geburtsgewicht >4.500 g
- Ovulationsinduktion
- Internistisch
Diagnostik
Lag in früheren Schwangerschaften bereits ein Gestationsdiabetes vor, bestehen Risikofaktoren (bspw. höheres Alter und Gewicht) oder Symptome einer Diabeteserkrankung (Polyurie/Polydipsie), sollte das Diabetes-Screening bereits im 1. Trimenon stattfinden (siehe auch: Diabetes-Screening in der Schwangerschaft).
- Klinische Symptomatik: Fehlt oft
- Bekannte (prä‑)diabetische Stoffwechsellage: Intensivierung der Therapie vor der Konzeption!
- 50-g-Glucosetest: Zwischen der 25. und vollendeten 28. SSW (laut Mutterschaftsrichtlinien) [23][23]
- Bewertung
- >200 mg/dL (11,1 mmol/L): Gestationsdiabetes
- >135 mg/dL (>7,5 mmol/L) – 200 mg/dL (11,1 mmol/L) 1 h nach Testung → Weitere Abklärung mittels standardisiertem oralen Glucosetoleranztest (oGTT)
- Bewertung
- Bestimmung des Nüchternblutzuckers
- Zeitpunkt
- Im ersten Trimenon bei Risikofaktoren
- Nach unauffälligem 50-g-Glucosetest
- Bewertung
- Blutzucker 92–125 mg/dL (5,1–7 mmol/L): Gestationsdiabetes
- Blutzucker ≥126 mg/dL (≥7 mmol/L): Manifester Diabetes mellitus
- Zeitpunkt
- Oraler Glucosetoleranztest (oGTT): Zwischen der 25. und der vollendeten 28. SSW (von den Fachgesellschaften DDG und DGGG bei allen Schwangeren empfohlen!)
- Zielwerte
- Blutzucker nach 1 h: <180 mg/dL (<10 mmol/L)
- Blutzucker nach 2 h: <153 mg/dL (<8,5 mmol/L)
- „Abgeschwächter“ oraler Glucosetoleranztest (50 g statt 75 g Glucose) → 50-g-Glucose-Test [23]
- Zielwerte
Therapie des Gestationsdiabetes
- Ersttherapie: Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität (sofern keine Kontraindikationen vorliegen)
- Indikationen für eine Insulintherapie: Bei Versagen der Lebensstiländerung (Ernährung und körperliche Aktivität) innerhalb von 1–2 Wochen
- Zu beachten: Berücksichtigung des fetalen Abdomenumfangs
- Insulinbedarf in der Schwangerschaft
- Erstdiagnose und Einstellungsphase: Ca. 0,3–0,5 IE/kgKG als Tagesbedarf
- 1. Trimenon: Ca. 0,7 IE/kgKG als Tagesbedarf
- 2. Trimenon: Ca. 1 IE/kgKG
- 3. Trimenon: Ca. 1,5 IE/kgKG
- Peripartal: Verminderter Insulinbedarf, nahezu unberechenbare Dynamik (engmaschige Kontrollen!)
- Individuelle Dosistitration immer(!) erforderlich
- Bei abruptem Abfall des Insulinbedarfs zwischen 35.–37. SSW: Zeichen einer Plazentainsuffizienz [24][25]
- Therapie-Zielbereiche der Blutzuckereinstellung bei Diabetes in der Schwangerschaft
- Nüchtern, präprandial: 65–95 mg/dL (3,6–5,3 mmol/L)
- 1 h postprandial: ≤140 mg/dL (≤7,8 mmol/L)
- 2 h postprandial: ≤120 mg/dL (≤6,7 mmol/L)
- Therapieschema: Intensivierte Insulintherapie immer anstreben
Komplikationen
- Akute Folgen für die Mutter
- Erhöhtes Risiko für schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom
- Harnwegsinfekte: Glucosurie erhöht das Infektionsrisiko
- Erhöhtes Risiko für Aborte und Frühgeburtlichkeit
-
Makrosomie
- Evtl. Notwendigkeit einer operativen Entbindung
- Höhergradige Geburtsverletzungen
- Polyhydramnion aufgrund einer Polyurie des Kindes
- Erhöhtes Risiko für postpartale Blutungen
- Mögliche Folgen für das Kind [23][26]
- Diabetische Embryopathie
- Ursache: Hyperglykämien der Schwangeren während der Befruchtung und/oder der embryonalen Organogenese
- Mögliche Folgen
- Angeborene Herzfehler
- Neuralrohrdefekte
- Omphalozele
- Skelettanomalien
- Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege
- Kaudales Regressionssyndrom (Aplasie oder Hypoplasie des Steißbeins und der Lendenwirbelsäule, ggf. Deformitäten der unteren Extremität)
- Small left Colon Syndrome
- Diabetische Fetopathie
- Ursache: Hyperglykämien der Schwangeren während der zweiten Schwangerschaftshälfte
- Mögliche postnatale Folgen
- Makrosomie
- Atemnotsyndrom
- Neonatale Hypoglykämie
- Polyglobulie
- Icterus neonatorum
- Elektrolytstörungen (insb. Hypokalzämie, Hypomagnesiämie)
- Myokardhypertrophie (insb. des Septums)
- Selten
- Schwere kardiorespiratorische Störung
- Venöse Nierenthrombose
- Diabetische Embryopathie
Geburtsmanagement [23][27]
- Setting
- Insulinpflichtig: Perinatalzentrum Level 1 oder 2
- Nicht-insulinpflichtig: Abteilung mit diabetologischer Erfahrung
- Geburtseinleitung
- Insulinpflichtiger GDM: Individuelles Vorgehen, Einleitung zwischen 38+0 und 40+0 SSW (neonatale Morbidität berücksichtigen!)
- Diätisch eingestellter GDM: Individuelles Vorgehen
- Wenn keine Risikofaktoren vorliegen: Terminüberschreitung erwägen
- Postpartal: Erneuter oGTT nach 6–12 Wochen (bei normalen Blutzuckerwerten)
Prognose und Prävention
- Prognose: In den meisten Fällen verschwindet diese Form des Diabetes mellitus nach Beendigung der Schwangerschaft wieder
- Prävention: Präkonzeptionelle Gewichtsreduktion bei Frauen mit Adipositas [23]
Präexistenter Diabetes mellitus in der Schwangerschaft
Epidemiologie [24]
- Prävalenz (im Jahr 2019): 1% aller Schwangerschaften (mit anschließender Geburt)
- Schätzungsweise 10–30% mit Diabetes mellitus Typ 2
Präkonzeptionelle Beratung [24]
- Risikoaufklärung bei schlecht eingestelltem präexistenten Diabetes mellitus
- Erhöhte fetale Morbidität und Mortalität (korreliert mit Höhe des HbA1c bei Konzeption)
- Erhöhtes Risiko für Fehlbildungen
- Präkonzeptionelles Medikamentenmanagement
- Umstellung von oralen Antidiabetika auf Insulin
- Umstellung von anderen Antihypertensiva auf α-Methyldopa
- Substitution von Folsäure
- Substitution von Iod
- ASS bei Nephropathie und/oder bei auffälligem Präeklampsie-Screening
- Bei Adipositas: Empfehlung zur Gewichtsnormalisierung und sportlichen Betätigung
- Bei Retinopathie/Nephropathie/Hypertonie: Engmaschige Kontrollen und bereits präkonzeptionelle Therapieoptimierung
- Bei Autoimmunerkrankungen (der Schilddrüse)
- Diabetes mellitus Typ 1: Screening auf TPO-Antikörper
- Diabetes mellitus Typ 1 und 2: Levothyroxin-Therapie bei
- TPO-Antikörper-Positivität, Euthyreose und TSH >2,5 μU/mL (TSH-Kontrollen alle 4–8 Wochen)
- Latenter Hypothyreose
Therapie [24]
- Insulintherapie siehe: Therapie des Gestationsdiabetes
- Insulinpumpe (bei präexistentem Diabetes mellitus Typ 1 unter bestimmten Voraussetzungen und Schulung )
- Stoffwechselziele
- Präkonzeptionell: HbA1c <7%
- Während der Schwangerschaft: Siehe Therapie-Zielbereiche der Blutzuckereinstellung bei Diabetes in der Schwangerschaft
Kontrollen der diabetesassoziierten Begleiterkrankungen in der Schwangerschaft [24]
- Hypertonie: Zielblutdruck <140/90 mmHg
- Diabetische Nephropathie
- Zielblutdruck <135/85 mmHg
- Zur Nephroprotektion: ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten bis zur sicher festgestellten Schwangerschaft fortführen, dann Wechsel zu α-Methyldopa
- Kontrolle der Albuminausscheidung nach Schwangerschaftsfeststellung
- Engmaschige Kontrolle der Nierenfunktion ab CKD-Stadium 3 bzw. GFR <60 mL/min
- Diabetische Retinopathie
- Präkonzeptionell bei schwerer (nicht‑)proliferativer Retinopathie: Vollständige panretinale Lasertherapie
- Ophthalmologische Kontrollen
- Präkonzeptionell
- Nach Schwangerschaftsfeststellung und mit 28 SSW
- Bei Erstmanifestation in der Schwangerschaft und bei Progredienz
- Im 1. Jahr nach Geburt
Fetale Zustandsdiagnostik [24]
- Sonografie-Screenings in der Schwangerschaft, insb.
- 1. Trimenon: Mit frühzeitiger Feindiagnostik
- 2. Trimenon: Mit Organscreening, Beurteilung der Fruchtwassermenge und Doppler-Sonografie in der Schwangerschaft (inkl. Erfassung von IUGR oder Makrosomie)
- Präpartale Fetometrie : Schätzgewicht >4500 g → Indikation zur Sectio caesarea
- CTG: Regelmäßige Kontrollen ab 32 SSW
Geburtshilfliches Management [24]
- Im Perinatalzentrum Level 1 oder 2
- Geburtseinleitung am Termin mit
- Stündlichen Blutzuckerkontrollen
- Interdisziplinärem Behandlungsschema (Ziel-BZ unter der Geburt: 90–126 mg/dL)
- Überwachung des Neugeborenen, siehe: Diabetische Fetopathie und Postnatale Blutzuckerkontrollen
Mögliche Folgen für das Kind [23][26]
Studientelegramme zum Thema
HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramme zu Diabetes mellitus Typ 1
- Studientelegramm 255-2023-1/3: Verapamil bei neu diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 1?
- Studientelegramm 80-2019-2/3: Monoklonaler Antikörper zur Prävention eines Typ-1-Diabetes?
- Studientelegramm 68-2019-3/3: EMA lässt SGLT1/2-Inhibitor für Typ-1-Diabetiker zu
- Studientelegramm 52-2018-3/3: “Tu mal lieber die Möhrchen” - No pot for diabetics?
- Studientelegramm 21-2018-1/3: Kontinuierliche Glucosemessung reduziert die Hypoglykämiegefahr bei Typ-1-Diabetikern
- Studientelegramm 04-2017-3/3: Duale SGLT-Inhibitoren - Eine neue Therapieoption für Typ-1-Diabetiker?
- Studientelegramme zu Diabetes mellitus Typ 2
- Studientelegramm 299-2024-2/3: AHA-Rückblick II: Is lower always better (BPROAD)?
- Studientelegramm 295-2024-1/3: Weekend-Warrior: Protektive Effekte von Wochenendsport
- Studientelegramm 283-2024-2/3: ACC-Rückblick I: Semaglutid on the rise
- Studientelegramm 266-2023-1/3: The next step: GLP1-Analoga bei HFpEF?
- Studientelegramm 262-2023-2/3: OASIS 1: Orales Semaglutid bei Adipositas
- Studientelegramm 262-2023-1/3: INTERFAST-2: Intervallfasten bei insulinabhängigem Diabetes mellitus Typ 2
- Studientelegramm 261-2023-3/3: Prävention der diabetischen Nephropathie: An SGLT2 führt kein Weg vorbei
- Studientelegramm 251-2023-3/3: SGLT2-Inhibitoren + MRA = Successful Marriage?
- Studientelegramm 240-2022-1/3: Neue KDIGO-Leitlinie zur diabetischen Nephropathie
- Studientelegramm 236-2022-3/3: Ausblick: Therapie der diabetischen Nephropathie
- Studientelegramm 234-2022-1/3: Screening auf Diabetes mellitus Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen?
- Studientelegramm 213-2022-3/3: Finerenon – Übertragung auf das “Real Life”
- Studientelegramm 211-2022-1/3: Renaissance der Nephrologie I – Finerenon in Europa zugelassen
- Studientelegramm 211-2022-2/3: Renaissance der Nephrologie II – EMPA strikes back
- Studientelegramm 206-2022-3/3: Tirzepatid - der neue Star unter den Antidiabetika?
- Studientelegramm 198-2021-2/3: ASN-Update – FIDELITY nach FIGARO und FIDELIO
- Studientelegramm 191-2021-1/3: Diabetesprogression durch Statine?
- Studientelegramm 186-2021-1/3: ESC-Update V – FIGARO-DKD: Kardiovaskuläre Effekte von Finerenon
- Studientelegramm 179-2021-2/3: Finerenon bei CKD und Diabetes mellitus: Figaro hier, Figaro da
- Studientelegramm 178-2021-2/3: High FIDELI(O)ty: Beschleunigte FDA-Zulassung für Finerenon
- Studientelegramm 164-2021-3/3: Sugar, how you get so fly? Epidemiologische Daten zur Effektivität einer Zuckersteuer
- Studientelegramm 161-2021-2/3: SURPASS-2: Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid
- Studientelegramm 145-2020-1/3: FIDELIO-DKD: Nephroprotektion durch Finerenon bei Diabetes mellitus
- Studientelegramm 110-2020-1/3: Barrierearme Gesundheitsversorgung: Diabetes-Screening im Friseursalon
- Studientelegramm 101-2019-2/3: Kombination aus Insulin und GLP1-Analogon ab 2020 in Deutschland verfügbar
- Studientelegramm 101-2019-1/3: FDA erweitert die Zulassung für den SGLT2-Inhibitor Canagliflozin
- Studientelegramm 93-2019-1/3: Längere DAPT bei Diabetikern? ‒ Die THEMIS-Studie
- Studientelegramm 80-2019-3/3: Kardiovaskuläre Sicherheit von oralem Semaglutid (PIONEER 6)
- Studientelegramm 80-2019-1/3: D2d-Studie: Prävention des Typ-2-Diabetes durch Vitamin D?
- Studientelegramm 70-2019-3/3: Neue Option in der Diabetestherapie: Orale GLP1-Rezeptor-Agonisten
- Studientelegramm 57-2018-1/3: Happy Triad – Amerikanische und europäische Fachgesellschaften betonen die Bedeutung einer kardioprotektiven Diabetesmedikation
- Studientelegramm 57-2018-2/3: Überversorgung gezielt abbauen – BZ-Kontrollen bei nicht-insulinpflichtigen Diabetikern
- Studientelegramm 53-2018-1/3: SGLT-Inhibitoren zur Nephroprotektion − Die DECLARE-TIMI 58-Studie
- Studientelegramm 51-2018-1/3: Neue Subgruppenanalysen aus EMPA-REG Outcome suggerieren einen Blutzucker-unabhängigen Effekt von Empagliflozin
- Studientelegramm 51-2018-3/3: Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte bei Diabetikern nach bariatrischer Chirurgie
- Studientelegramm 49-2018-2/3: Contra OMEGA-3-Fettsäuren zur kardiovaskulären Risikoreduktion - Die ASCEND-Studie
- Studientelegramm 49-2018-3/3: Pro OMEGA-3-Fettsäuren zur kardiovaskulären Risikoreduktion - Die REDUCE-IT-Studie
- Studientelegramm 48-2018-1/3: Benefit durch Rauchstopp trotz Gewichtszunahme?
- Studientelegramm 47-2018-2/3: FDA warnt vor seltenen Nebenwirkungen von SGLT2-Inhibitoren
- Studientelegramm 46-2018-1/3: Ausblick auf den AHA-Kongress 2018: Die Studie DECLARE-TIMI 58 Dapagliflozin
- Studientelegramm 42-2018-3/3: ESC III: Risiko/Nutzen-Bilanz der primärprophylaktischen ASS-Gabe bei Diabetikern
- Studientelegramm 38-2018-3/3: Kardioprotektion durch Gliflozine: Canagliflozin in der CANVAS-Studie
- Studientelegramm 37-2018-2/3: Grünes Licht für Kaffeetrinker – Gestutzte Flügel für Energydrinks
- Studientelegramm 37-2018-3/3: Und erneut: Vorsicht vor Sulfonylharnstoffen…
- Studientelegramm 33-2018-1/4: Pharmakotherapie des Diabetes mellitus Typ 2 bei kardiovaskulären Risikopatienten
- Studientelegramm 33-2018-3/4: 2:0 für ein neues Antidiabetikum
- Studientelegramm 12-2018-2/3: Sweets for my sweets – SGLT-Inhibitoren bei CKD-Patienten
- Studientelegramm 05-2017-4/4: Langzeitanwendung des Insulinanalogon Insulin glargin erhöht Brustkrebsrisiko
- Studientelegramm 03-2017-1/3: DPP4-Inhibitoren bei Patienten mit Herzinsuffizienz: Neue Evidenz?
- Studientelegramme zu Gestationsdiabetes
- Studientelegramm 270-2023-2/3: Metformin bei Schwangerschaftsdiabetes: Old drug, new tricks?
One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegramm 114-2025-3/3: Hemochromatosis comorbidities: iron overload may not be the only link
- One-Minute Telegram 112-2024-2/3: Systolic hypertension treatment in T2DM: intensify treatment to lower CV risk
- One-Minute Telegram 105-2024-1/3: Fenofibrate for diabetic retinopathy: can we see clearly now?
- One-Minute Telegram 103-2024-1/3: Bariatric surgery yields greater weight loss and lower mortality than GLP-1RAs in individuals with obesity and diabetes
- One-Minute Telegram 103-2024-2/3: Start strong: lifelong benefits of early intensive treatment for diabetes
- One-Minute Telegram 97-2024-3/3: Two big toes up for SGLT2i in type 2 diabetes
- One-Minute Telegram 85-2023-3/3: Liberal vs. tight glucose control in the ICU: The sugar saga continues
- One-Minute Telegram 78-2023-2/3: Promising potential for a once-weekly basal insulin analogue
- One-Minute Telegram 73-2023-1/3: The high price of insulin costs
- One-Minute Telegram 69-2023-3/3: Does vitamin D prevent diabetes in people with prediabetes?
- One-Minute Telegram 60-2022-2/3: Glargine and liraglutide make the GRADE
- One-Minute Telegram 53-2022-3/3: Can metformin and lifestyle intervention reduce cardiovascular risk in patients with impaired glucose tolerance?
- One-Minute Telegram 50-2022-2/3: One-size-fits-none: age and BMI thresholds for diabetes screening
- One-Minute Telegram 41-2022-2/2: 2021 U.S. Preventive Services Task Force: Summary of recommendations
- One-Minute Telegram 18-2021-3/3: New monoclonal antibody helps to reduce body fat in patients with type 2 diabetes
- One-Minute Telegram 11-2020-1/3: Quality over quantity: once-weekly insulin
Hast du Interesse an regelmäßigen Updates zu aktuellen Studien aus dem Bereich der Inneren Medizin? Dann abonniere das Studien-Telegramm! Den Link zur Anmeldung sowie zu weiteren spannenden AMBOSS-Formaten findest du am Seitenende unter „Tipps & Links“.
AMBOSS-Podcast zum Thema
Insuline: Blutzucker sicher senken (November 2023)
Diabetes und Depression – Hintergründe einer vernachlässigten Komorbidität (November 2021)
Interesse an noch mehr Medizinwissen zum Hören? Abonniere jetzt den AMBOSS-Podcast über deinen Podcast-Anbieter oder den Link am Seitenende unter „Tipps & Links“.
Patienteninformationen
Diabetes mellitus Typ 1
- Diabetes Typ 1
- Disease-Management-Programm bei Typ-1-Diabetes
Diabetes mellitus Typ 2
- Broschüre: Wer hilft bei Diabetes?
- Diabetes mellitus Typ 2
Selbsthilfegruppen
- Diabetes Selbsthilfe Interessengemeinschaft
Gestationsdiabetes
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Diabetes: Pathophysiologie und Klinik
Diabetes: Diagnostik
Klassifikationen
Diabetes Typ 1
Diabetes Typ 2
Diabetes Typ 3 (MODY)
Diabetes Typ 4 (Schwangerschaft)
Diabetologische Notfälle
Diabetologische Notfälle – Teil 1
Diabetologische Notfälle – Teil 2
Antidiabetika
Neue orale Antidiabetika
Metformin
Sulfonylharnstoffe
Insulin
Insulin: Hormon, Freisetzung, Rezeptor, Effekte
Insulin: Präparate
Insulin: Klinische Aspekte
Insulin: Pharmakologie
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Diabetes mellitus (E10–E14)
- E10.-: Diabetes mellitus, Typ 1
- Inklusive: Diabetes mellitus: Juveniler Typ, labil [brittle], mit Ketoseneigung
- Exklusive
- Diabetes mellitus: beim Neugeborenen (P70.2), in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition] (E12.‑), pankreopriv (E13.‑), während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes (O24.‑)
- Gestörte Glukosetoleranz (R73.0)
- Glukosurie: renal (E74.8), o.n.A. (R81)
- Postoperative Hypoinsulinämie, außer pankreopriver Diabetes mellitus (E89.1)
- E11.-: Diabetes mellitus, Typ 2
- Inklusive
- Diabetes (mellitus) (ohne Adipositas) (mit Adipositas): Alters-, Erwachsenentyp, ohne Ketoseneigung, stabil
- Nicht primär insulinabhängiger Diabetes beim Jugendlichen
- Typ-2-Diabetes unter Insulinbehandlung
- Exklusive
- Diabetes mellitus: beim Neugeborenen (P70.2), in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition] (E12.‑), pankreopriv (E13.‑), während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes (O24.‑)
- Gestörte Glukosetoleranz (R73.0)
- Glukosurie: renal (E74.8) oder o.n.A. (R81)
- Postoperative Hypoinsulinämie, außer pankreopriver Diabetes mellitus (E89.1)
- Inklusive
- E12.: Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition]
- Inklusive: Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition]: Typ 1, Typ 2
- Exklusive
- Diabetes mellitus: beim Neugeborenen (P70.2), pankreopriv (E13.‑), während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes (O24.‑)
- Gestörte Glukosetoleranz (R73.0)
- Glukosurie: renal (E74.8), o.n.A. (R81)
- Postoperative Hypoinsulinämie, außer pankreopriver Diabetes mellitus (E89.1)
- E13.-: Sonstiger näher bezeichneter Diabetes mellitus
- Inklusive: Pankreopriver Diabetes mellitus
- Exklusive
- Diabetes mellitus: beim Neugeborenen (P70.2), in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition] (E12.‑), Typ 1 (E10.‑), Typ 2 (E11.‑), während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes (O24.‑)
- Gestörte Glukosetoleranz (R73.0)
- Glukosurie: renal (E74.8) oder o.n.A. (R81)
- Postoperative Hypoinsulinämie, außer pankreopriver Diabetes mellitus (E89.1)
- E14.-: Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus
- Inklusive: Diabetes mellitus o.n.A.
- Exklusive
- Diabetes mellitus: beim Neugeborenen (P70.2), in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition] (E12.‑), Typ 1 (E10.‑), Typ 2 (E11.‑), pankreopriv (E13.‑), während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes (O24.‑)
- Gestörte Glukosetoleranz (R73.0)
- Glukosurie: renal (E74.8), o.n.A. (R81)
- Postoperative Hypoinsulinämie, außer pankreopriver Diabetes mellitus (E89.1)
Die folgenden vierten Stellen sind bei den Kategorien E10-E14 zu benutzen
- .0: Mit Koma
- Diabetisches Koma: hyperosmolar, mit oder ohne Ketoazidose, Hyperglykämisches Koma o.n.A.
- Exklusive: Hypoglykämisches Koma (.6)
- .1: Mit Ketoazidose
- Diabetisch: Azidose, Ketoazidose, ohne Angabe eines Komas
- .2†: Mit Nierenkomplikationen
- Diabetische Nephropathie (N08.3*), Intrakapilläre Glomerulonephrose (N08.3*), Kimmelstiel-Wilson-Syndrom (N08.3*)
- .3†: Mit Augenkomplikationen
- .4†: Mit neurologischen Komplikationen
- Diabetisch: Amyotrophie (G73.0*), autonome Neuropathie (G99.0*), autonome Polyneuropathie (G99.0*), Mononeuropathie (G59.0*), Polyneuropathie (G63.2*)
- .5: Mit peripheren vaskulären Komplikationen
- .6: Mit sonstigen näher bezeichneten Komplikationen
- Diabetische Arthropathie† (M14.2-*), Hypoglykämie, Hypoglykämisches Koma, Neuropathische diabetische Arthropathie† (M14.6-*)
- .7: Mit multiplen Komplikationen
- .8: Mit nicht näher bezeichneten Komplikationen
- .9: Ohne Komplikationen
Die folgenden fünften Stellen 0 und 1 sind mit den Subkategorien .2-.6 sowie .8 und .9 bei den Kategorien E10-E14 zu benutzen
- 0: Nicht als entgleist bezeichnet
- 1: Als entgleist bezeichnet
Die folgenden fünften Stellen 2-5 sind ausschließlich mit der Subkategorie .7 bei den Kategorien E10-E14 zu benutzen
- 2: Mit sonstigen multiplen Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet
- 3: Mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet
- 4: Mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet
- 5: Mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet
Folgeerkrankungen
- G59.-*: Mononeuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G63.-*: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G63.2*: Diabetische Polyneuropathie (E10-E14, vierte Stelle .4†)
- G63.8*: Polyneuropathie bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Urämische Neuropathie (N18.-†)
- G73.-*: Krankheiten im Bereich der neuromuskulären Synapse und des Muskels bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G73.0*: Myastheniesyndrome bei endokrinen Krankheiten
- Myastheniesyndrome bei: diabetischer Amyotrophie (E10-E14, vierte Stelle .4†)
- Hyperthyreose [Thyreotoxikose] (E05.-†)
- G73.0*: Myastheniesyndrome bei endokrinen Krankheiten
- G99.-*: Sonstige Krankheiten des Nervensystems bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G99.0*: Autonome Neuropathie bei endokrinen und Stoffwechselkrankheiten
- Diabetische autonome Neuropathie (E10-E14, vierte Stelle .4†)
- Amyloide autonome Neuropathie (E85.-†)
- G99.0*: Autonome Neuropathie bei endokrinen und Stoffwechselkrankheiten
- H28.-*: Katarakt und sonstige Affektionen der Linse bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H36.-*: Affektionen der Netzhaut bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H36.0*: Retinopathia diabetica (E10-E14, vierte Stelle .3†)
- I79.-*: Krankheiten der Arterien, Arteriolen und Kapillaren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- M14.-*: Arthropathien bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- M14.2*: Diabetische Arthropathie (E10-E14, vierte Stelle .6†)
- Exklusive: Neuropathische Arthropathie bei Diabetes mellitus (M14.6*)
- M14.6*: Neuropathische Arthropathie
- Neuropathische Arthropathie bei Diabetes mellitus (E10-E14, vierte Stelle .6†)
- Charcot-Arthropathie oder tabische Arthropathie (A52.1†)
- M14.2*: Diabetische Arthropathie (E10-E14, vierte Stelle .6†)
- N08.-*: Glomeruläre Krankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- R73.-: Erhöhter Blutglukosewert
- R73.0: Abnormer Glukosetoleranztest
- Diabetes: subklinisch, latent
- Pathologische Glukosetoleranz
- Prädiabetes
- R73.9: Hyperglykämie, nicht näher bezeichnet
- R73.0: Abnormer Glukosetoleranztest
O24.-: Diabetes mellitus in der Schwangerschaft
- Inklusive: Bei Geburt und im Wochenbett
- O24.0: Vorher bestehender Diabetes mellitus, Typ 1
- O24.1: Vorher bestehender Diabetes mellitus, Typ 2
- O24.2: Vorher bestehender Diabetes mellitus durch Fehl- oder Mangelernährung [Malnutrition]
- O24.3: Vorher bestehender Diabetes mellitus, nicht näher bezeichnet
- O24.4: Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft auftretend
- Gestationsbedingter Diabetes mellitus o.n.A.
- O24.9: Diabetes mellitus in der Schwangerschaft, nicht näher bezeichnet
P70.-: Transitorische Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels, die für den Fetus und das Neugeborene spezifisch sind
- P70.0: Syndrom des Kindes einer Mutter mit gestationsbedingtem Diabetes mellitus
- P70.1: Syndrom des Kindes einer diabetischen Mutter
- Diabetes mellitus der Mutter (vorher bestehend), der sich auf den Fetus oder das Neugeborene auswirkt (mit Hypoglykämie)
- P70.2: Diabetes mellitus beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.