Zusammenfassung
Der Morbus haemorrhagicus neonatorum bezeichnet eine erhöhte Blutungsneigung bei Neugeborenen und hat seinen Ursprung in einem Vitamin-K-Mangel, da dieser die Produktion der betreffenden (von Vitamin K abhängigen) Gerinnungsfaktoren stört. Die Erkrankung hat durch standardmäßige Vitamin-K-Substitution im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen an Inzidenz abgenommen. Neben Haut- und gastrointestinalen Blutungen sind intrakranielle Blutungen von zentraler klinischer Bedeutung – im Notfall kann eine sofortige i.v. Gabe von Vitamin K und Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB) erforderlich werden.
Epidemiologie
- Ohne Prophylaxe: Inzidenz bei 0,25–1,7% aller Neugeborenen
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Vitamin-K-Mangel
- Ursachen
- Mangelernährung der Mutter während der Schwangerschaft
- Anfallssuppressive Therapie der Mutter (z.B. Hydantoin oder Primidon)
- Frühgeburtlichkeit
- Chronische Diarrhö des Neugeborenen
- Längerdauernde Antibiotikagabe beim Neugeborenen
- Cholestatische Erkrankungen (bspw. Gallengangsatresie)
Symptomatik
Frühe Manifestation [1]
- Zeitpunkt: 1. Lebenstag
- Blutungslokalisation: Schädelknochen sub-/periostal (Kephalhämatom), Meningen, Gehirn, intrathorakal, intraabdominell
- Ursache: Insb. mütterliche Medikamente
Klassische Manifestation
- Zeitpunkt: 2.–7. Lebenstag
- Blutungslokalisation: Gastrointestinaltrakt, Haut, Nebennieren, Nase, Wunde nach Zirkumzision, intrakraniell
- Ursache: Insb. idiopathisch, mütterliche Medikamente
Späte Manifestation
- Zeitpunkt: 2.–12. Lebenswoche
- Blutungslokalisation: Intrakraniell, gastrointestinal
- Ursache: Insb. idiopathisch, cholestatische Erkrankungen (Mukoviszidose, Gallengangsatresie, α1-Antitrypsin-Mangel)
Diagnostik
- INR↑ bzw. Quick-Wert↓
- Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) ↔︎ oder ↑
- Erniedrigung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren
- Alkaliresistenztest
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Relevante Blutung
- Intravenöse Gabe von Vitamin K
- Ggf. zusätzlich Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB)
Prognose
- Letalität bei Spätmanifestation: 20%
Prävention
- Prophylaxe (bei allen Neugeborenen)
- Weitergehende Informationen zur Vitamin-K-Prophylaxe des Neugeborenen sind im Kapitel Kindervorsorgeuntersuchungen zu finden
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- P53: Hämorrhagische Krankheit beim Fetus und Neugeborenen
- Inklusive: Vitamin-K-Mangel beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.