Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Während der Schwangerschaft und der Entwicklung des Kindes kommt es zu zahlreichen physiologischen Veränderungen sowohl bei der Schwangeren als auch beim Kind. Beim Fötus muss die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff sichergestellt sein, so dass die Organentwicklung ohne Störungen ablaufen kann. Beim Neugeborenen steht die Umstellung des Kreislaufes nach Einsetzen der Lungenatmung im Vordergrund. Auch bei der Mutter finden während der Schwangerschaft physiologische Veränderungen statt, damit der mütterliche Organismus optimal auf die Versorgung des Kindes und die Geburt eingestellt wird. Nach der Geburt ändert sich der mütterliche Hormonspiegel erneut, um die Rückbildung der Gebärmutter zu gewährleisten und das Stillen des Kindes zu ermöglichen.
Physiologische Aspekte beim Fötus![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die Fetalperiode erstreckt sich von der 9. Entwicklungswoche bis zur Geburt des Kindes. Nachdem zuvor in der Embryonalperiode (1.–8. Entwicklungswoche) alle Organe angelegt wurden, erfolgen in dieser Zeit vor allem das Wachstum und die Differenzierung der Organanlagen. Der Feinbau und die Funktion der einzelnen Organe entwickelt sich in vielen Fällen erst langsam, teils hält die Entwicklung bis nach der Geburt an. Der fetale Kreislauf sowie auch die fetale Organfunktion unterscheiden sich wesentlich von der eines Kindes oder Erwachsenen. Die intrauterinen Bedingungen gewährleisten, dass Nährstoff- sowie Gasaustausch über die fetoplazentare Einheit erfolgt. Auch der Stoffwechsel bzw. die hormonelle Versorgung wird insbesondere zu Beginn der Entwicklung zum großen Teil von der Mutter sichergestellt.
Ab der Fetalperiode kann annähernd die Länge des Kindes im Ultraschall anhand der Scheitel-Fersen-Länge (SFL) bestimmt werden. Vereinfacht lässt sich sagen, dass sie dem Quadrat des Lebensmonats in cm entspricht!
Ab dem 6. Entwicklungsmonat muss die Monatszahl jeweils nur noch mit 5 multipliziert werden. Ein Fötus im 7. Entwicklungsmonat hätte dann eine ungefähre SFL von 35 cm.
Die Fetalperiode![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
In der Fetalperiode (9. Embryonalwoche - Geburt) erfolgen hauptsächlich das Wachstum und die Differenzierung der in der Embryonalperiode angelegten Gewebe und Organe. Die Fetalzeit ist zu Beginn durch einen starken Größenzuwachs, ab dem sechsten Monat vor allem durch starke Gewichtszunahme des Föten gekennzeichnet. Die Körperpartien wachsen jedoch nicht gleichzeitig und nicht im selben Tempo, sondern heterochron. Insbesondere das Kopfwachstum bleibt im Vergleich zum übrigen Körperwachstum zurück.
Entwicklungswochen | Charakteristika |
---|---|
9.–12. Woche |
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13.–16. Woche |
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17.–20. Woche |
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21.–25. Woche |
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26.–29. Woche |
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30.–34. Woche |
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35.–38. Woche |
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Fetalkreislauf![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Der Fetalkreislauf muss verschiedene Bedingungen erfüllen: Zum einen muss er so aufgebaut sein, dass er den Bedürfnissen des Fötus unter den pränatalen Bedingungen der plazentaren Versorgung ohne Lungenatmung gerecht wird. Des Weiteren muss aber auch eine rasche Umstellung auf die postnatalen Bedingungen möglich sein.
Fördernde Faktoren der fetalen Sauerstoffversorgung
Die pränatale Sauerstoffversorgung wird vor allem durch folgende Faktoren ermöglicht:
-
Differenz des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) zwischen mütterlichem und fetalem Blut (pO2 mütterlich > pO2 fetal)
- In mütterlichen arteriellen Plazentagefäßen beträgt der O2-Partialdruck ca. 50 mmHg
- Im fetalen oxygenierten Blut der V. umbilicalis liegt der O2-Partialdruck bei ca. 30 mmHg
- HbF hat eine höhere Sauerstoffaffinität als das adulte HbA
- Bohr-Effekt
O2-reiches Blut
-
Plazenta → V. umbilicalis → V. cava inferior → Rechter Vorhof
- 50%: V. umbilicalis → Leber → V. cava inf.→ Rechter Vorhof
- 50%: V. umbilicalis → Ductus venosus → V. cava inf.→ Rechter Vorhof
- 1. Kurzschluss
- Rechter Vorhof → Foramen ovale (cordis) → Linker Vorhof → Linke Kammer → Aorta ascendens → Kopf-, Hals- und Armgefäße
O2-armes Blut
- Kopf-, Hals- und Armgefäße → Vena cava superior → Rechter Vorhof
- 2. Kurzschluss
-
Rechter Vorhof → Rechte Kammer → Truncus pulmonalis → Ductus arteriosus Botalli → Aortenbogen und Aorta descendens → A. iliaca communis
- Rückfluss des sauerstoffarmen Blutes zur Plazenta: A. iliaca interna → A. umbilicalis → Plazenta
- Versorgung der unteren Extremität: A. iliaca externa → Untere Extremität → Vena cava inferior
-
Rechter Vorhof → Rechte Kammer → Truncus pulmonalis → Ductus arteriosus Botalli → Aortenbogen und Aorta descendens → A. iliaca communis
Die Umbilikalvene transportiert sauerstoffreiches Blut von der Plazenta in Richtung des fetalen Herzens, die Umbilikalarterien hingegen führen das sauerstoffarme Blut vom Fötus in Richtung Plazenta!
Aufgrund des hohen Widerstandes im Truncus pulmonalis ist der Druck im rechten Körperkreislauf im Mittel höher als im linken!
Hypoplastisches Linksherzsyndrom
Das hypoplastische Linksherzsyndrom ist ein seltener angeborener Herzfehler, der allerdings eine der häufigsten kardiogenen Todesursachen beim Neugeborenen darstellt. Aufgrund eines Verschlusses von Aorten- und Mitralklappe kann das Blut den unterentwickelten linken Ventrikel nicht passieren, dieser ist somit funktionslos. Das Überleben des Neugeborenen beruht auf der Perfusion des großen Kreislaufs über den offenen Ductus arteriosus Botalli sowie einer bestehenden Verbindung zwischen den beiden Vorhöfen über das offene Foramen ovale. Bis zur Herzoperation muss daher der Ductus arteriosus Botalli medikamentös offen gehalten werden, da ein hypoplastisches Linksherzsyndrom nach erfolgter peripartaler Kreislaufumstellung nicht mehr mit dem Leben vereinbar ist.
Fetale Organfunktion![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Der fetale Kreislauf und die fetalen Organfunktionen unterscheiden sich wesentlich von dem eines Kindes oder Erwachsenen. Die intrauterinen Bedingungen gewährleisten den Nährstoff- sowie Gasaustausch über die fetoplazentare Einheit. Die Lunge ist nicht belüftet und nur wenig durchblutet. Auch die anderen Organfunktionen entwickeln sich erst nach und nach im Laufe der pränatalen Entwicklung, zum Teil sogar bis nach der Geburt. Die Tabelle soll einen Überblick über die Unterschiede der fetalen zur adulten Organfunktion geben. Auf die Organentwicklung wird hier nicht eingegangen, sie wird in den jeweiligen Organkapiteln besprochen.
Organ | Überblick für die Funktionsentwicklung |
---|---|
Endokrines System |
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Kreislauf |
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Lunge |
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Leber |
|
Blut und Immunsystem |
|
Gastrointestinaltrakt |
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Niere |
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Gehirn |
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Physiologische Aspekte beim Neugeborenen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Nach der Geburt wird durch das Einsetzen der Lungenatmung und die Abnabelung von der Plazenta eine Umstellung des Kreislaufs erforderlich. Die Kurzschlüsse des Fetalkreislaufs schließen sich und das Kind passt sich an die Gegebenheiten außerhalb der Gebärmutter an.
Postnatale Anpassung des Neugeborenen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Nach der Geburt wird der Plazentakreislauf unterbrochen, das Neugeborene nimmt seinen ersten Atemzug und sein Organismus muss sich an die Gegebenheiten außerhalb des Uterus anpassen (sog. postnatale Anpassung oder Adaptation): Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel und Thermoregulation müssen nun selbstständig bewältigt werden, was eine Reihe von Anpassungsreaktionen erforderlich macht. Bei etwa 95% der Neugeborenen verläuft dieser Vorgang problemlos. Da es jedoch bei etwa 5% der reifen Neugeborenen zu Regulationsstörungen kommt, sollte man die Vitalzeichen des Kindes mithilfe der APGAR-Scores sowie über die Blutzucker- und Temperaturkontrollen im Auge behalten.
Anpassung von Kreislauf und Atmung
- Initiierung: Einsetzen der Lungenatmung
- Veränderungen
- Belüftung der Lunge: Erste Atemzüge → Alveolen werden mit Luft gefüllt → Lunge entfaltet sich → Änderung der Druckverhältnisse
- Folgen
- Verschluss des Ductus arteriosus Botalli: pO2 in den Pulmonalarterien↑ → Pulmonaler Gefäßwiderstand↓ und Lungendurchblutung↑ → Strömungsumkehr im Ductus arteriosus Botalli → Funktioneller Verschluss des Ductus durch Kontraktion glatter Muskelzellen (aufgrund der Abnahme gefäßdilatierender Prostaglandine und des pO2-Anstiegs) → Intimaproliferation und Obliteration des Ductus zum Ligamentum arteriosum
- Verschluss des Foramen ovale: Vermehrte Lungendurchblutung → Druck in Vv. pulmonales und linkem Vorhof ↑ → Gleichzeitig verminderter Widerstand in Aa. pulmonales → Druck im rechten Vorhof ↓ → Funktioneller Verschluss des Foramen ovale → Verwachsung der beiden Septen → Fossa ovalis verbleibt als Überbleibsel des ehemaligen Septum primum
- Verschluss der Nabelarterien: Kontraktion der Nabelarterien → Verhinderung eines Blutverlustes → Obliteration innerhalb von 2–3 Monaten
- Proximaler Anteil A. umbilicalis (Pars patens): Bleibt offen und bildet den proximalen Anteil der A. vesicalis superior
- Distaler Anteil der A. umbilicalis (Pars occlusa): Wird zum Ligamentum umbilicale mediale in der Plica umbilicalis medialis der vorderen Bauchwand
- Verschluss der Nabelvene: Bleibt zunächst nach der Geburt offen → Später Verschluss zum Ligamentum teres hepatis
- Verschluss des Ductus venosus: Obliteriert später als der Ductus arteriosus und wird zum Ligamentum venosum
- Folgen
- Hämoglobin: Austausch des fetalen HbF durch das adulte HbA, wobei die Hämoglobinkonzentration in den ersten Lebenswochen durch den verstärkten Abbau des HbF zunächst abfällt
- Belüftung der Lunge: Erste Atemzüge → Alveolen werden mit Luft gefüllt → Lunge entfaltet sich → Änderung der Druckverhältnisse
Persistierender Ductus arteriosus Botalli
Bleibt der physiologische Verschluss des Ductus arteriosus Botalli nach der Geburt aus, fließt ein Teil des Blutes aus der Aorta zurück in die Pulmonalgefäße (Links-rechts-Shunt). Dies führt zur Volumenbelastung der Lungenstrombahn und somit des linken Vorhofs sowie Ventrikels. Im Verlauf kann sich ein pulmonaler Hochdruck mit Rechtsherzbelastung entwickeln.
Stoffwechsel
- Veränderung: Durch den Wegfall der kontinuierlichen Glucosezufuhr durch die Plazenta sinkt der Blutzuckerspiegel des Neugeborenen rasch ab → Hypoglykämiegefahr
- Anpassung: Reife Neugeborene decken den Energiebedarf durch Gluconeogenese und die exogene Zufuhr von Muttermilch
- Dank eines Hochstands des Kehlkopfes können Säuglinge sogar gleichzeitig trinken und atmen
Thermoregulation
- Normale Körpertemperatur des Neugeborenen 36,5–37,5°C
- Veränderung: Große Körperoberfläche und Wegfall der intrauterinen Wärme führen zu Wärmeverlust
- Anpassung: Insb. Neugeborene mit Regulationsstörungen sind auf exogenen Schutz vor Auskühlung angewiesen!
Apgar-Score
Mithilfe des Apgar-Scores werden 1, 5 und 10 Minuten nach der Geburt die Vitalparameter und somit die Anpassung des Kindes an die Außenwelt beurteilt und dokumentiert. Dabei werden Hautfarbe (Appearance), Herzaktion (Pulse), die Reaktion auf das Absaugen (Grimace), der Muskeltonus (Activity) und die Atmung (Respiration) mit je 0–2 Punkten bewertet. Bei einem Score von 9–10 spricht man von einer regelgerechten Anpassung, Werte unter 5 sind als vital bedrohlich einzustufen und erfordern meist weiterführende Maßnahmen.
Lungenreife
Bei Komplikationen in der Schwangerschaft mit der Gefahr einer Frühgeburt kann man die Lungenreife des Kindes induzieren, um postnatale Regulationsstörungen zu vermeiden oder zu verringern. Hierzu wird der Mutter zweimal innerhalb von 24 h ein Glucocorticoid intramuskulär gespritzt, das die Reifung der Surfactant-produzierenden Pneumozyten beschleunigt. Indiziert ist dieses Vorgehen in der Zeit zwischen Erreichen der Lebensfähigkeit (23–24. SSW) und Abschluss der Lungenreife (33.–34. SSW).
Reifezeichen des Neugeborenen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Ein Neugeborenes wird als reif bezeichnet, wenn es zwischen der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche und dem Ende der 42. Schwangerschaftswoche geboren wird. Vorher handelt es sich um eine Frühgeburt, später um eine Übertragung.
- Normwerte
- Körpergröße: ca. 50 cm
- Körpergewicht: ca. 3–3,5 kg
- Kopfumfang: ca. 35 cm
- Atemfrequenz: ca. 40/min
- Herzfrequenz: Zwischen 120 und 160/min
- Bilirubin: 0,2–0,5 mg/dL
- pH-Metrie: ≥7,2 (leicht saurer als bei Erwachsenen)
- Erste Urinausscheidung: Innerhalb von 24 Stunden nach Geburt
- Mekoniumabgang (erster Stuhl des Neugeborenen): Innerhalb von 48 Stunden nach Geburt
- Vorliegen von Reifezeichen
Meilensteine der kindlichen Entwicklung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Meilensteine der kindlichen Entwicklung (Grundlagen) | |||
---|---|---|---|
Alter | Motorik Das Kind kann... | Das Kind kann... | Sozialverhalten Das Kind kann... |
Neugeborene | den Kopf drehen, aber nicht kontrollieren | seufzen, schreien | Licht oder Gesichter fixieren |
1 Monat | Gegenstände fixieren | zurücklächeln | |
3 Monate | den Kopf kontrollieren | spontan vokalisieren | spontan lächeln |
6 Monate | Gegenstände greifen, sich in Bauchlage auf die Hände stützen | vokalisiert antworten | sich Stimmen zuwenden |
9 Monate | frei sitzen, selbstständig zum Stehen hochziehen und mit Unterstützung stehen | Sprachlaute imitieren (9.–13. Monat) | fremdeln |
12 Monate | frei stehen, Pinzettengriff | „Mama“, „Papa“ sagen (9.–12. Monat) | / |
15 Monate | frei gehen | „Mama“, „Papa“ sagen | Löffel benutzen |
2 Jahre | sicher gehen | mindestens 50 Wörter und Kombination von zwei Wörtern sprechen | Hände waschen |
3 Jahre | Dreirad fahren, Turm aus Klötzen bauen | Vor- und Nachnamen sagen, Singular und Plural richtig verwenden | mit anderen Kindern spielen |
4 Jahre | Treppen laufen | selbst von Erlebnissen erzählen | hinterfragen („Warum?“) |
5 Jahre | auf einem Bein hüpfen | nahezu fehlerfrei sprechen | sich selbstständig anziehen |
Physiologische Aspekte bei der Mutter![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die Schwangerschaft erstreckt sich über einen Zeitraum von ca. 40 Schwangerschaftswochen und geht mit zahlreichen Veränderungen des weiblichen Organismus einher. Im Zeitraum von der Befruchtung bis zur Geburt kommt es zu einer Umstellung des Hormonhaushaltes (Hormonelle Situation während der Schwangerschaft) und zu zahlreichen physiologischen Anpassungsvorgängen. Nur so wird der mütterliche Organismus optimal auf die Versorgung des Kindes und die Geburt eingestellt. Nach der Geburt ändert sich der mütterliche Hormonspiegel erneut. Dies ermöglicht zum einen die Rückbildung der Gebärmutter, zum anderen wird dadurch die Lactation ermöglicht und das Kind kann gestillt werden.
Physiologische Anpassungen der Mutter in der Schwangerschaft![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Durch die hormonellen Veränderungen (insb. durch die Hormonproduktion der fetoplazentaren Einheit) kommt es zu einer Reihe von Anpassungsvorgängen im weiblichen Organismus. Während der Schwangerschaft verändert sich die Gebärmutter und passt sich den Anforderungen für das Wachstum und den Schutz der Frucht an. Im Zuge des Wachstums des Kindes verändert die Gebärmutter zunehmend ihre Lage und Form. Sie wächst dabei auf ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Größe heran und nimmt am Ende der Schwangerschaft einen Großteil der Bauchhöhle ein.
Organsystem | Veränderung | ↑↓ | Erklärung |
---|---|---|---|
Herz-Kreislauf | Herzfrequenz | ↑ | Physiologische Reaktion auf Abfall des peripheren Gefäßwiderstands |
Herzminutenvolumen | ↑ | Physiologische Reaktion auf Abfall des peripheren Gefäßwiderstands | |
Peripherer Gefäßwiderstand | ↓ | Progesteron senkt den Tonus der Gefäßmuskulatur | |
Arterieller Mitteldruck | ↓ | Aufgrund des Abfalls des peripheren Gefäßwiderstands fällt auch der mittlere arterielle Druck ab | |
Lunge | Atemminutenvolumen | ↑ | Glucocorticoide und Progesteron bewirken eine Hyperventilation mit leichter Zunahme des arteriellen pO2 und Abnahme des arteriellen pCO2 |
Totalkapazität | ↓ | Der intraabdominelle Druck steigt aufgrund des Uteruswachstums → Dyspnoe | |
Blut | Plasmavolumen | ↑ | Die Abnahme des peripheren Widerstands führt zur RAAS-Aktivierung und zu einer vermehrten Wasserretention mit:
|
Hämatokrit, Hämoglobin | ↓ | Erhöhtes Plasmavolumen bedeutet einen relativen Abfall der Erythrozytenzahl und damit des Hämatokrits und Hämoglobins (Grenzwert ist ein Hb von 11 g/dL) | |
Absolute Erythrozytenzahl | ↑ | Reaktive Steigerung der Erythrozytenproduktion (EPO↑) | |
Thrombozyten | ↑ | Reaktive Steigerung der Thrombozytenproduktion → Erhöhte Gerinnungsneigung | |
Leukozyten | ↑ | Reaktive Steigerung der Leukozytenproduktion (Grenzwert: 15.000/μL) | |
Albumin | ↓ | Relative Erniedrigung aufgrund des erhöhten Plasmavolumens → Begünstigung von Ödemen | |
Fibrinogen | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung, erhöhte Leberaktivität | |
Faktor VII, VIII | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung, erhöhte Leberaktivität | |
Alkalische Phosphatase | ↑ | Plazentares Isoenzym | |
Niere | GFR | ↑ | Erhöhtes Herzminutenvolumen führt zu vermehrter Nierenperfusion → Pollakisurie |
Aldosteron | ↑ | Die Abnahme des peripheren Widerstands führt zur RAAS-Aktivierung mit Aldosteronfreisetzung | |
Glucose im Urin | ↑ | Vermehrte Filtration führt zu Überlastung der Carrier, die Glucose rückresorbieren | |
Darm | Motilität | ↓ | Progesteron senkt die Darmmotilität → Verstopfung |
Ösophagus | Sphinktertonus | ↓ | Progesteron senkt den Tonus des unteren Ösophagussphinkters → Reflux |
Vulva und Vagina | Fluor vaginalis | ↑ | Progesteron und Östrogen erhöhen die Vaginaldurchblutung und steigern die Bartholin-Drüsentätigkeit |
Ausbildung von Varizen | Druck des Uterus auf die Beckenvenen und die Vena cava mit gestörtem venösem Rückfluss | ||
Mamma | Mastodynie, Größenzunahme | Differenzierung und Größenzunahme der Brust | |
Stoffwechsel | Insulin | (↑)↓ | Der Bedarf an anabolem Insulin steigt erst im 2./3. Trimenon an, wenn das Wachstum des Kindes deutlich zunimmt. Im 1. Trimenon kann der Bedarf sogar etwas erniedrigt sein. |
Triglyceride | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung | |
Cholesterin | ↑ | Progesteron-/Östrogenwirkung | |
Haut | Spider-Nävi | Erweiterung, Instabilität und Verstopfung von Blutgefäßen | |
Palmarerythem | |||
Striae gravidarum | Mechanische Dehnung der Haut und hormonelle Beeinträchtigung durch vermehrte Glucocorticoidsynthese | ||
Hyperpigmentierung (Chloasma, Linea fusca/nigra, Hyperpigmentierung der Brustwarze) | Erhöhte Melaninproduktion | ||
Varizen und Ödeme an den Beinen | Druck des Uterus auf die Beckenvenen und die Vena cava mit gestörtem venösem Rückfluss | ||
Hämorrhoiden | |||
Uterus | Gewichtszunahme bis auf 1000g am Ende der Schwangerschaft | Progesteron-/Östrogenwirkung |
Anpassungsvorgänge der Gebärmutter in der Schwangerschaft
- Veränderungen der Wandschichten
- Endometrium: Ausbildung der Plazenta (siehe LK Pränatale Schutz- und Versorgungsstrukturen)
- Myometrium
- Hypertrophie: Vergrößerung der einzelnen Muskelzellen
- Hyperplasie: Vermehrung der Muskelzellen
- Vermehrte Ausbildung von Gap Junctions zwischen Uterusmuskelzellen
- Vermehrte Durchblutung
- Gewicht: Durch Hypertrophie und Hyperplasie steigt das Gewicht des Uterus von 60 g auf 1000 g an
- Form: Verändert seine Form von birnenförmig zu eiförmig
- Stand: Durch Wachstum des Kindes richtet sich der Uterus auf und der Fundus steigt höher
Abschätzung der Größenzunahme der Gebärmutter anhand des Fundusstandes
Die Größenzunahme der Gebärmutter während der Schwangerschaft lässt sich direkt an der Lage des Fundus uteri ablesen.
In der 24. SSW steht der Fundus etwa auf Höhe des Nabels!
SSW | Fundusstand |
---|---|
20. | Zwischen Symphyse und Bauchnabel |
24. | Bauchnabel |
32. | Zwischen Bauchnabel und Xiphoid |
36. | Höchststand: Am Rippenbogen |
40. | 2 Querfinger unter dem Rippenbogen |
Hormonelle Umstellung der Mutter nach der Geburt![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Als Wochenbett wird die sechs- bis achtwöchige Zeitspanne von der Geburt bis zur Rückbildung der schwangerschafts- und geburtsbedingten Veränderungen bezeichnet. Mit dem Wochenbett beginnt auch die Lactation. Voraussetzung dafür ist jedoch das komplexe Zusammenspiel mehrerer Hormone (z.B. Prolactin, Oxytocin) und die mechanische Stimulation durch das Saugen an der Brust.
Hormonelle Umstellung nach der Geburt
Nach der Schwangerschaft kommt es durch den Wegfall der Plazenta zu einer Hormonumstellung, die förderlich für die Rückbildung des Uterus sowie für die Ernährung des Kindes ist.
- Plazentahormone
- Prolactin
- Bei stillenden Müttern weiter ↑: Stimulation der Brustwarzen beim Stillen wirkt als starker Sekretionsreiz → Ohne Stillen normalisiert sich der Spiegel innerhalb von 2–3 Wochen
- Aufrechterhaltung der Milchbildung
- Hohe Prolaktinspiegel hemmen die Ovulation durch Inhibition von FSH und LH (Stillamenorrhö)
- Bei stillenden Müttern weiter ↑: Stimulation der Brustwarzen beim Stillen wirkt als starker Sekretionsreiz → Ohne Stillen normalisiert sich der Spiegel innerhalb von 2–3 Wochen
- Oxytocin
- Weiter ↑: Insbesondere die Stimulation der Brustwarzen beim Stillen wirkt als starker Sekretionsreiz
- Milchejektion
- Uteruskontraktion → Fördert die Rückbildung
- Weiter ↑: Insbesondere die Stimulation der Brustwarzen beim Stillen wirkt als starker Sekretionsreiz
Wiederholungsfragen zum Kapitel Physiologische Aspekte prä- und postnatal![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Physiologische Aspekte beim Fötus
Ab welchem Entwicklungszeitpunkt lässt sich per Ultraschall die Scheitel-Fersen-Länge (SFL) eines Kindes bestimmen? Kennst du eine vereinfachte Berechnungsmethode?
Beschreibe den Fluss des sauerstoffreichen Blutes von der Plazenta zur Aorta.
Über welches Gefäß wird das sauerstoffarme Blut des Fötus zurück zur Plazenta geleitet?
Beschreibe die Druckverhältnisse im rechten und linken Vorhof vor und nach der Geburt.
Vergleiche adulten und embryonalen/fetalen Organismus bezüglich des Ortes der Blutbildung und der Hämoglobinkonzentration!
In welchem Bereich liegt die fetale Herzfrequenz physiologischerweise?
Physiologische Aspekte beim Neugeborenen
Beschreibe, wie es nach der Geburt zum Verschluss des Ductus Botalli kommt.
Die Überreste welchen Kurzschlusses des fetalen Kreislaufs lassen sich beim Erwachsenen noch als Ligamentum venosum finden?
Meilensteine der kindlichen Entwicklung
Ab dem wie vielten Lebensmonat sollte ein Säugling frei sitzen bzw. frei stehen können?
Physiologische Aspekte bei der Mutter
Die Größenzunahme der Gebärmutter während der Schwangerschaft lässt sich an der Lage des Fundus uteri ablesen. In der wie vielten Schwangerschaftswoche steht der Fundus in etwa auf Höhe des Bauchnabels?
Beschreibe die Anpassungen des Myometriums an die Anforderungen während der Schwangerschaft.
Wie verändern sich Blutvolumen und Hämatokrit während der Schwangerschaft?
Über welchen Mechanismus kann Stillen die Rückbildung des Uterus nach der Geburt fördern?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.