Zusammenfassung
Durchfallerkrankungen treten bei Menschen sehr häufig auf, sind jedoch in den meisten Fällen selbstlimitierend. Die genaue Definition ist in der Literatur nicht einheitlich, im Allgemeinen werden aber folgende Kriterien genannt: Mind. drei Stuhlentleerungen am Tag, ein Wassergehalt >75% und/oder ein Stuhlgewicht >250 g. Länger bestehende Durchfälle oder schwere Verläufe bedürfen einer weitergehenden Abklärung, da nicht-infektiöse Ursachen oder eine Erregerpersistenz in diesen Fällen wahrscheinlicher werden. Bei infektiösen Geschehen ist es grundsätzlich wichtig, die potenzielle Gefahr einer epidemischen Verbreitung zu berücksichtigen, sodass auch Maßnahmen zum Schutz der Umgebung zu treffen sind.
Definition
- Diarrhö: Zutreffen von mind. einem der folgenden Kriterien [1]
- Zu häufige Stuhlentleerung: ≥3 ungeformte Stühle in 24 h
- Verminderte Stuhlkonsistenz: Wassergehalt des Stuhls >75%
- Erhöhtes Stuhlgewicht: >250 g täglich
- Definitionen nach zeitlichem Verlauf
- Akute Diarrhö: Dauer ≤4 Wochen (meist wenige Tage)
- Chronische Diarrhö: Dauer >4 Wochen
Für viele infektiöse Gastroenteritiden gilt eine namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis!
Bei Personen mit beruflichem Kontakt zu Lebensmitteln oder bei Hinweisen auf eine Epidemie sowie bei Botulismus, HUS, Cholera und Typhus ist bereits der Krankheitsverdacht meldepflichtig!
Einteilung nach Pathophysiologie
- Pathophysiologische Grundlage: Alle Formen der Diarrhö sind letztlich auf ein Ungleichgewicht zwischen Sekretion und Resorption im Gastrointestinaltrakt zurückzuführen.
- Physiologische Verhältnisse: Eintritt von 9 L Flüssigkeit/Tag in das Jejunum → Durchtritt von 3 L in das Ileum → Durchtritt von 1,5 L in das Zäkum → 100 mL werden letztlich mit dem Stuhlgang ausgeschieden → Von 9.000 mL Flüssigkeit werden täglich im Dünndarm und Dickdarm somit 8.900 mL (rück‑)resorbiert.
Zuordnung nach pathophysiologischen Prinzipien | ||
---|---|---|
Pathophysiologie | Exemplarische Erkrankungen | |
Malabsorptive und osmotische Diarrhö |
| |
Hypermotile Diarrhö |
| |
Exsudativ-entzündliche Diarrhö |
|
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Sekretorische Diarrhö |
|
Bei einer Vielzahl von Durchfallerkrankungen können mehrere Pathomechanismen gleichzeitig vorliegen, sodass sich in der Differenzialdiagnostik nicht immer eindeutige Befunde ergeben!
Ätiologische Übersicht
Ursachen malabsorptiver Diarrhö
- Führender Mechanismus: Verminderte Resorptionsfläche des Darmes
- Kurzdarmsyndrom bei Resektionen von Teilen des Dünndarms
- Nach Kolektomie (unzureichende Wasserresorption)
- Schleimhautschäden durch Zytostatika bzw. Strahlentherapie (siehe hierzu: Tumortherapie-induzierte Diarrhö)
- Zöliakie
- Intestinale Lymphome
- HIV-Enteropathie
- Morbus Whipple
- Amyloidose
- CVID
- NNR-Insuffizienz mit gestörtem Membrantransport
Ursachen osmotischer Diarrhö
- Führender Mechanismus: Vermehrung osmotisch wirksamen Darminhalts
- Exokrine Pankreasinsuffizienz (funktionell auch bei Zollinger-Ellison-Syndrom )
- Lactoseintoleranz
- Bakterielle Überbesiedelung (z.B. Blind-Loop-Syndrom) bzw. bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms
- NNR-Insuffizienz mit gestörtem Membrantransport
- Seltene kongenitale Transportdefekte für Kohlenhydrate
- Nebenwirkung der Acarbose
Ursachen hypermotiler Diarrhö
- Führender Mechanismus: Zu schneller Transit, dadurch Überlastung der Wasserresorptionskapazität des Kolons
- Hyperthyreose
- Reizdarmsyndrom
- Autonome diabetische Neuropathie, sog. diabetische Diarrhö
Ursachen exsudativ-entzündlicher Diarrhö
- Führender Mechanismus: Exsudation bei gestörter Darmwandintegrität
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn)
- NSAR-Kolitis
- Ischämische Kolitis
- Mikroskopische Kolitis
- Infektiöse bzw. bakterielle Durchfallerkrankungen mit Darmwandschädigung
Ursachen sekretorischer Diarrhö
- Führender Mechanismus: Aktive Sekretion
- Laxantien mit sekretorischem Mechanismus (insb. Anthrachinone, Bisacodyl)
- Bakterielle Infektionen mit Toxinbildnern, insb. Cholera, ETEC
- „Lebensmittelvergiftungen“ durch Enterotoxine
- Chologene Diarrhö
- Villöses Adenom des Kolons bzw. daraus entstandenes Karzinom
- Neuroendokrine Tumoren des Pankreas mit Hormonsekretion (insb. VIPom)
- Medikamente (bspw. Diuretika, Colchicin, Theophyllin)
- Andere Intoxikationen
- Nahrungsmittelallergie
- Systemische Mastozytose bzw. eosinophile Kolitis
Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen liegen Durchfällen sowohl exsudativ-entzündliche als auch malabsorptive Prozesse zugrunde!
Infektiöse Durchfallerkrankungen
Bakterielle Durchfallerkrankungen
- Campylobacter-Enterokolitis
- Shigellose
- Salmonellose
- Cholera
- Darmpathogene E.-coli-Infektionen
- Yersiniose
- Antibiotika-assoziierte Diarrhö bzw. Clostridioides-difficile-Enterokolitis
- Morbus Whipple
- (Typhus)
Virale Gastroenteritis
- Norovirus-Infektion
- Rotavirus-Infektion
- Andere virale Infektionen
Parasitäre Gastroenteritis
- Protozoenerkrankungen
Wurmerkrankungen
- Toxokariasis
- Enterobiose
- Ascariasis
- Trichinose
- Taenia-Infektionen
- Ancylostomatidose
- Diphyllobothriasis
Sondergruppe: Opportunistische gastrointestinale Infektionen bei HIV
- CMV-Kolitis
- Kryptokokkosen
- Kryptosporidiose (Cryptosporidium parvum)
- Mikrospiridiose
- Isosporidiose
- Aspergillosen
Sonderformen
Paradoxe Diarrhö
- Definition: Flüssiger und übelriechender Stuhlgang, der bei stenosierenden Prozessen im Kolon bzw. Rektum auftritt.
- Vorkommen: Stenosen im Rektum und Kolon (insb. bei Kolonkarzinom bzw. Rektumkarzinom) bzw. bei das Kolon verlegenden Kotsteinen (insb. bei alten, bettlägerigen Patienten mit chronischer Obstipation )
- Diagnostik
- Digital-rektale Untersuchung: Hierbei können Raumforderungen ggf. ertastet und Kotsteine mobilisiert werden
- Sigmoidoskopie bzw. Koloskopie: Zum Ausschluss eines Karzinoms oder anderweitiger struktureller Stenosen
- Therapie: Behandlung der Grunderkrankung zur Beseitigung der Stenose
- Bei Kotsteinen: Anwendung von Therapeutika bei anorektaler Entleerungsstörung und danach konsequente Anwendung von Basistherapeutika bei Obstipation
- Mechanische Ausräumung: Kann bei sehr hartnäckigen Kotsteinen erforderlich werden
- Bei Kotsteinen: Anwendung von Therapeutika bei anorektaler Entleerungsstörung und danach konsequente Anwendung von Basistherapeutika bei Obstipation
Dyschezie
- Definition: Erhöhte Sensibilität des Rektums gegenüber Dehnungsreizen mit folgender häufiger Entleerung kleiner Stuhlmengen
- Vorkommen: Bei (insb. entzündlichen) Affektionen des Rektums
Pseudodiarrhö
- Inkontinenz vs. Diarrhö: Häufig beschreiben Patienten mit Stuhlinkontinenz das unwillkürliche Austreten von Stuhl als Durchfall, für eine erfolgreiche Behandlung müssen beide Zustände gegeneinander abgegrenzt werden.
- Abgrenzung der Inkontinenz zur Diarrhö: Die Stuhlfrequenz ist auch bei der Inkontinenz erhöht, das Stuhlgewicht jedoch normal.
- Digital-rektale Untersuchung: Bei Inkontinenz kann der Patient kaum Druck aufbauen, dies spricht für eine Sphinkterinsuffizienz
- Stuhlschmieren: Die Patienten schildern verschmierten Stuhl in der Unterwäsche, keine Flüssigkeit und Durchnässung
- Vertiefung der Anamnese: I.d.R. empfinden Patienten Durchfall weniger peinlich als die Schilderung, nicht mehr einhalten zu können – eine genauere und einfühlsame Befragung ist häufig sehr hilfreich.
- Abgrenzung der Inkontinenz zur Diarrhö: Die Stuhlfrequenz ist auch bei der Inkontinenz erhöht, das Stuhlgewicht jedoch normal.
Laxantienabusus
- Klinik: Osmotische Diarrhö nach (nicht sachgerechter) Einnahme osmotisch wirksamer Laxantien
- Nebenwirkungen
- Hypokaliämie
- Dehydratation
- Meteorismus
- Bei Anthrachinonen: Melanosis coli (oder Pseudomelanosis coli)
Unspezifische Gastroenteritis
- Definition: Die unspezifische Gastroenteritis ist eine Magen-Darm-Entzündung, die mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen einhergeht und bei der kein Erreger nachgewiesen wurde. In der Regel wird dieses Krankheitsbild von verschiedenen Viren (Rota-, Adeno-, Coronaviren etc.) oder E.-coli-Stämmen (z.B. Reisediarrhö) ausgelöst.
- Ätiologie: Schmier- und Tröpfcheninfektionen
- Klinik: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
- Basisdiagnostik: Anamnese, klinische Untersuchung, eine Erregerdiagnostik ist nicht zwingend erforderlich
- Erweiterte Diagnostik: Mikrobiologische Stuhlkultur, Laboruntersuchung (insb. Retentionsparameter und Entzündungszeichen) und Abdomensonografie nur bei Warnsymptomen
- Beschwerdepersistenz
- Verdacht auf einen schweren Krankheitsverlauf (z.B. akute Nierenschädigung)
- Aktive Krebserkrankung
- Immunsuppression (Chemotherapie, HIV, nach Organtransplantation)
- Aufenthalt in den Tropen
- Therapie: Symptomatische Therapie (Ausgleich von Volumen- und Elektrolytverlust)
- Verlauf: I.d.R. selbstlimitierend
- Für detailliertere Behandlungsempfehlungen siehe: Klinisches Management der akuten Durchfallerkrankung
Klinisches Management der akuten Durchfallerkrankung
Anamnese [2]
- Dauer und Beginn der Symptomatik: Bei Hinweis auf chronische Diarrhö ggf. erweiterte Diagnostik planen
- Stuhlbeschaffenheit: Ggf. Hinzunahme der Bristol Stool Chart
- Beimengung von Blut oder Eiter als Hinweis für eine geschädigte Integrität der Schleimhaut erfragen
- Begleitsymptome: Erlauben eine Einschätzung der Akuität und Bedrohlichkeit
- Erbrechen
- Fieber
- Bauchschmerzen
- Beachte Red Flags bei Durchfall
- Alter und Komorbiditäten
- Immunsuppression
- Malignome
- Nahrungsmittel: Auftreten Stunden nach einer Mahlzeit, insb. wenn mehrere Personen nach gemeinsamer Mahlzeit betroffen sind, spricht für eine Lebensmittelvergiftung
- Suspekte Lebensmittel: Nahrungsmittel mit Milch, Ei, Fleisch, Geflügel und Fisch, die ungenügend erhitzt bzw. aufgewärmt wurden
- Umgebung und Beruf
- Durchfallerkrankungen bei Kontaktpersonen
- Tätigkeit in Gastronomie und Lebensmittelherstellung und -verkauf (entsprechende Meldepflichten)
- Erforderlichkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prüfen
- Möglichkeit getrennter Toilettennutzung im Falle eines ambulanten Prozederes erfragen
- Medikamente: Insb.
- Antibiotika in den letzten 12 Wochen und der Gebrauch von Laxantien
- Zytostatika (bei Diarrhö im Rahmen einer Tumortherapie siehe: Tumortherapie-induzierte Diarrhö)
- Auslandsaufenthalt: Je nach Gebiet sind ggf. andere Erreger (insb. Parasitosen) oder Ernährungsgewohnheiten zu beachten
Basisdiagnostik
- Vitalzeichen: Blutdruck, Herzfrequenz
- Körperliche Untersuchung: Problemorientiertes Vorgehen
- Abdomen: Ausschluss eines akuten Abdomens (Peritonismus)
- Immer auch Auskultation von Lungen und Herz sowie orientierende neurologische Beurteilung
Einschätzung des Schweregrades und der Behandlungsdringlichkeit
- Ausschluss schwerer akuter Erkrankungen: Abfragen der Red Flags bei Durchfall
- Orientierende Schweregrad-Einteilung: Erfassen von Einschränkungen der alltäglichen Aktivität
- Mild: Keine körperliche Beeinträchtigung
- Moderat: Körperliche Beeinträchtigung, eingeschränkte Aktivität, ggf. Zeichen der Exsikkose (Turgor↓ trockene Zunge)
- Schwer: Schwere körperliche Beeinträchtigung mit vitaler Bedrohung (Red Flags bei Durchfall)
- Vigilanzminderung
- Hypotonie
- Ausgeprägte Dehydratation, Zeichen der akuten Nierenschädigung (Urinausscheidung↓, Kreatinin↑)
- Elektrolytstörungen (insb. Hypokaliämie), ggf. Herzrhythmusstörungen
- Zeichen der Peritonitis bzw. Sepsis
- Risikogruppen für einen schweren Verlauf: Häufigeres Vorkommen schwerer Verläufe bei Patienten
- mit ausgeprägten Komorbiditäten
- mit Malignomen
- unter Immunsuppression (HIV, Chemotherapie, Organtransplantation)
- mit blutiger Diarrhö
- mit zurückliegender Antibiotikaeinnahme innerhalb der letzten 2–3 Monate
- mit hohem Alter und Pflegebedürftigkeit
- Bei Verdacht auf EHEC: Abhängig von der Wahrscheinlichkeit bzw. Sicherheit eines HUS
- Bei blutiger Diarrhö nach Zeichen des HUS suchen: Nierenversagen (Ödeme, Hämaturie, ggf. Laborwerte), Hämolytische Anämie (Blässe, Ikterus), Thrombopenie (Petechien, insb. petechiale Einblutungen am Zungengrund, Hämatome)
- Wenn Zeichen bestehen, sollte eine sofortige Einweisung in einem Krankenhaus mit Intensiv- und Isolationskapazitäten erfolgen, eine telefonische Voranmeldung ist sinnvoll!
- Bei blutiger Diarrhö ohne Zeichen des HUS: Bei ansonsten leichtem bis moderatem Schweregrad kann das Ergebnis einer Stuhluntersuchung abgewartet werden.
- Bei blutiger Diarrhö nach Zeichen des HUS suchen: Nierenversagen (Ödeme, Hämaturie, ggf. Laborwerte), Hämolytische Anämie (Blässe, Ikterus), Thrombopenie (Petechien, insb. petechiale Einblutungen am Zungengrund, Hämatome)
Schwere Verläufe sollten stationär behandelt werden, bei moderaten Verläufen sollte die Zugehörigkeit zu Risikogruppen beurteilt und individuell entschieden werden!
Erweiterung der Diagnostik bei akuter Diarrhö
- Indikationen zur erweiterten Diagnostik
- Schwerer Verlauf, Red Flags bei Durchfall oder Zugehörigkeit zu Risikogruppen für einen schweren Verlauf bzw. bei stationärer Behandlungsbedürftigkeit
- Symptompersistenz nach Anbehandlung eines initial unkomplizierten Erkrankungsfalles
- Beschäftigte in lebensmittelrelevanten Bereichen bzw. in der Patientenversorgung
- Maßnahmen
- Mikrobiologische Stuhluntersuchung
-
Bakterielle Durchfallerreger
- Bei entsprechendem Verdacht Erweiterung auf darmpathogene E. coli
- Virale Durchfallerreger (Norovirus, Rotavirus), insb. bei Relevanz zur Unterbrechung von Infektionsketten
- Clostridioides-difficile-Toxinnachweis
-
Bakterielle Durchfallerreger
- Laboruntersuchungen: Blutbild, Natrium, Kalium, Kreatinin, AST, ALT, GGT, AP, Bilirubin, Lipase, LDH, CRP, Urindiagnostik (Urin-Streifentest initial)
- Sonografie des Abdomens
- Mikrobiologische Stuhluntersuchung
Red flags bei Durchfall
Diese Tabelle zeigt eine Auswahl schwerwiegender Diagnosen bei vorliegender Diarrhö, die eine schnellstmögliche Diagnostik und/oder Behandlung erfordern. Das Fehlen oder Vorhandensein bestimmter diagnostischer Hinweise schließt eine Erkrankung jedoch nicht aus.
Red Flags für einen sofortigen Handlungsbedarf bei Durchfall | |||||
---|---|---|---|---|---|
Mesenterialischämie [3] | Toxisches Megakolon [4] | Hämolytisch-urämisches Syndrom [5][6] | Endokrine Krise [7][8][9] | Schwerer viraler/bakterieller Infekt [10][11] | |
Stuhlveränderungen |
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Zeitlicher Verlauf |
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Starke Schmerzen |
| ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
B-Symptomatik | — |
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Palpatorische Auffälligkeiten |
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Kreislaufstörungen |
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Pathologische Laborparameter |
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| |||
Weitere Symptome und Befunde |
| — |
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Risikofaktoren |
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Weiterführende Links | |||||
Legende: ✓ Häufig vorkommend, — nicht typisch |
Therapie
Ambulantes Prozedere
- Indikation: Bei leichten Fällen möglich, bei moderater Schwere des Verlaufs entscheiden die Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bzw. die individuelle ärztliche Einschätzung
- Orale Rehydratation: Ausgleich von Volumen- und Elektrolytverlust
- Präparate zur oralen Rehydratation (ORS): Enthalten Glucose, Natriumchlorid, Kaliumchlorid und Natriumcitrat, können ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden
- Alternative: Mit Zucker gesüßter Tee, salzige Brühen
- Schonkost: Meiden von Fett, fructosereichen Säften und Softdrinks, Alkohol und Koffein
- „Stopfkost“ bevorzugen: Zwieback, Reis, Pellkartoffeln, Salzstangen
- Supportive Therapie bzw. Beratung
- Antiemetika: Bei Übelkeit und Erbrechen, z.B. Domperidon p.o. oder Dimenhydrinat supp.
- Probiotika: Können Erkrankungsdauer verkürzen (begrenzte Evidenz), bspw. Präparate auf Basis von Saccharomyces boulardii
- Antidiarrhoika: Nicht routinemäßig, da Erkrankungsschwere und Erkrankungsdauer hierdurch verlängert werden können
- Sport: Sportliche Aktivitäten vorübergehend reduzieren
- Berufsverbot: Bei Tätigkeit in lebensmittelverarbeitendem Gewerbe, in Gemeinschaftseinrichtungen bzw. bei Tätigkeiten mit vielfältigen Menschenkontakten
- Antibiotika: Nur bei Nachweis einer speziellen Genese, Virostatika sind bei Durchfallerkrankungen nicht sinnvoll
- Meldepflicht: Je nach Erregernachweis sind die Meldepflichten an das örtliche Gesundheitsamt zu beachten!
Stationäres Prozedere
- Indikation: Bei schweren Verläufen bzw. bei moderat schweren Verläufen, insb. wenn Risikofaktoren für einen schweren Verlauf absehbar sind
- Notfallmanagement von schweren Verläufen mit Schocksymptomatik: Siehe Hypovolämischer Schock - AMBOSS-SOP
- Moderate Verläufe: Volumen- und Elektrolytausgleich i.v.
- Ggf. Zusatz von Antiemetika in die Infusion, bspw. MCP oder Dimenhydrinat
- Im stationären Verlauf
- Regelmäßige Überwachung von Blutdruck, Volumenstatus, Nierenfunktion und Elektrolyten
- Initial Nahrungskarenz für 12–24 h sinnvoll
- Vorsichtiger Beginn der Nahrungsaufnahme mit Tee, Brühe, Brot
- Hygienemaßnahmen: Isolation im Einzelzimmer, bis eine genaue Einschätzung erforderlicher Hygienemaßnahmen nach Erregernachweis möglich ist
AMBOSS-Pflegewissen: Diarrhö
Beobachten/Überwachen
- Basismonitoring
- Blutdruck
- Herzfrequenz
- Fieber: Als Hinweis auf einen Infekt
- Allgemeinzustand und (Bauch‑)Schmerzen: Wärme anbieten
- Stuhlgang: Menge, Konsistenz, Farbe, Geruch, Frequenz beobachten und dokumentieren (siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Überwachen des Stuhlgangs)
- Flüssigkeitshaushalt: Augenmerk auf Flüssigkeitsbilanzierung und ausreichende Trinkmenge
- Haut: Hautturgor , Rötungen und Wunden im perianalen Bereich
Weitere pflegerische Maßnahmen
- Medikamentöse Therapie
- Infusionstherapie: Nach ärztlicher Anordnung bei hohem Flüssigkeitsverlust und Elektrolytverlust
- Hygienemaßnahmen: Isolation im Einzelzimmer, bis eine genaue Einschätzung erforderlicher Hygienemaßnahmen nach Erregernachweis möglich ist
- Für Erregernachweis: Stuhlprobe abnehmen
- Händehygiene: Hohe Relevanz für Pflegekräfte, aber auch Patient:innen und ggf. Angehörige
- Norovirus - Hygienemaßnahmen
- Rotavirus - Hygienemaßnahmen
- Clostridioides difficile - Hygienemaßnahmen
- Positionierung: Bauchdeckenentspannend
- Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb.
- Sturzprophylaxe: Stolperfallen beseitigen, insb. auf dem Weg ins Bad, auf ausreichende Beleuchtung achten
- Kontrakturprophylaxe: Insb. bei älteren Patient:innen und bauchdeckenentspannender Positionierung
- Körperpflege: Bei der Ausscheidung unterstützen, Inkontinenzhilfsmittel zeitnah wechseln
- Ggf. Toilettenstuhl bereitstellen
- Analregion nach Stuhlgang mit klarem Wasser waschen (lassen) und mit Hautschutzmitteln versorgen bzw. Hautpflege durchführen
- Ernährung: Mehrere kleine Mahlzeiten anbieten
- Initiale Nahrungskarenz für 12–24 h sinnvoll
- Vorsichtiger Beginn der Nahrungsaufnahme mit Tee, Brühe, Brot
- Schonkost: Meiden von Fett, fructosereichen Säften und Softdrinks, Alkohol und Koffein
- „Stopfkost“ bevorzugen: Zwieback, Reis, Pellkartoffeln, Salzstangen
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach § 6 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei
- Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen von Cholera und Typhus
- Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen durch EHEC (nur bei HUS)
- Krankheits- und Todesfällen durch Clostridioides difficile (nur bei klinisch schwerem Verlauf)
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Zusätzlich namentliche Meldepflicht bei
- Krankheits- und Todesfällen von Campylobacter sp., Salmonellen, Shigella sp., Yersinia spp., Adenoviren, Astroviren, Clostridioides difficile, Coronaviren, humanpathogene Cryptosporidium sp., EHEC (auch ohne HUS), Entamoeba histolytica, Giardia lamblia, Norovirus, Rotavirus, Trichinella spiralis, darmpathogene E.-coli-Stämme
- Ausscheiden von Campylobacter sp., Salmonellen, Shigella sp., Vibrio cholerae, Yersinia enterocolitica, Cryptosporidium parvum, EHEC, Entamoeba histolytica, Giardia lamblia, Norovirus, Rotavirus, darmpathogene E.-coli-Stämme
- Nach § 6 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei
- Labormeldepflicht
- Nach § 7 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Salmonellen, Shigella sp., Vibrio cholerae O1 und O139, EHEC, Giardia lamblia, Norovirus, Rotavirus, Trichinella spiralis, humanpathogenen Cryptosporidium sp., darmpathogenen Campylobacter sp., Yersinia spp. und E.-coli-Stämme (bei Hinweisen auf eine akute Infektion)
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Zusätzlich namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Astroviren, Entamoeba histolytica, Enterovirus sp., CMV (bei Hinweisen auf eine akute Infektion)
- Nach ThürIfKrMVO und IfSAG M-V (nur in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ): Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Entamoeba histolytica (auch ohne Nachweis einer akuten Infektion)
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 55-2018-3/3: Benefit durch Probiotikagabe bei Kindern?
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A08.-: Virusbedingte und sonstige näher bezeichnete Darminfektionen
- Exklusive: Grippe mit Beteiligung des Gastrointestinaltraktes (J09, J10.8, J11.8)
- A08.0: Enteritis durch Rotaviren
- A08.1: Akute Gastroenteritis durch Norovirus (Norovirus-Enteritis)
- A08.2: Enteritis durch Adenoviren
- A08.3: Enteritis durch sonstige Viren
- A08.4: Virusbedingte Darminfektion, nicht näher bezeichnet
- Enteritis o.n.A. durch Viren
- Gastroenteritis o.n.A. durch Viren
- A08.5: Sonstige näher bezeichnete Darminfektionen
- A09.-: Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen und nicht näher bezeichneten Ursprungs
- Exklusive: Durch Bakterien, Protozoen, Viren und sonstige näher bezeichnete Infektionserreger (A00-A08), Nichtinfektiöse Diarrhoe (K52.9), Nichtinfektiöse Diarrhoe beim Neugeborenen (P78.3)
- A09.0: Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs
- Darmkatarrh
- Diarrhoe [Durchfall]:
- akut blutig
- akut hämorrhagisch
- akut wässrig
- dysenterisch
- epidemisch
-
Infektiös oder septisch:
- Enteritis hämorrhagisch o.n.A.
- Gastroenteritis hämorrhagisch o.n.A.
- Kolitis hämorrhagisch o.n.A.
- Infektiöse Diarrhoe o.n.A.
- A09.9: Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis nicht näher bezeichneten Ursprungs
- Neonatale Diarrhoe o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.