Zusammenfassung
Die Nabelschnur ist die Verbindung zwischen Embryo und Plazenta, über die der Gas- und Nährstoffaustausch zwischen Mutter und Kind stattfindet. Bei Nabelschnurkomplikationen wie dem Vorliegen der Nabelschnur, dem Nabelschnurvorfall, der Nabelschnurumschlingung sowie bei echten Verknotungen der Nabelschnur kann diese Verbindung gestört sein und es besteht eine potenzielle Bedrohung für das Kind.
Beim Vorliegen der Nabelschnur gelangen Teile der Nabelschnur zwischen Kind und maternale Beckenwand, wobei die Fruchtblase weiterhin intakt ist. Beim Nabelschnurvorfall finden sich ebenfalls Teile der Nabelschnur zwischen Kind und maternaler Beckenwand, allerdings ist die Fruchtblase bereits geplatzt. Ein Nabelschnurvorfall stellt eine lebensbedrohliche Komplikation für den Feten dar, bei der eine sofortige Notsectio durchgeführt werden muss. Verknotungen der Nabelschnur entstehen meist durch vermehrte Aktivität des Kindes. Dabei muss zwischen einfachen Umschlingungen und echten Knoten unterschieden werden. Während Umschlingungen häufig keine klinische Relevanz haben, sind echte Nabelschnurknoten eine gefährliche Komplikation und können zum intrauterinen Fruchttod führen. Eine weitere Nabelschnurkomplikation ist die Insertio velamentosa.
Grundlagen
Die Nabelschnur verbindet das Kind mit der fetalen Seite der Plazenta und stellt den Gas- und Nährstoffaustausch zwischen Mutter und Kind sicher. Durch ihre spiralige Drehung und die Wharton-Sulze ist die Nabelschnur vor dem Abknicken geschützt.
- Aufbau: Von Amnionepithel überzogener Gefäßstrang, der 3 fetale Gefäße enthält, die ausschließlich kindliches Blut führen
- Umbilikalgefäße sind in gallertartige Wharton-Sulze eingebettet
- 2 Umbilikalarterien: Äste der Aa. iliacae internae, die sauerstoffarmes Blut führen
- 1 Umbilikalvene: Mündet über den Ductus venosus Arantii in die Vena cava inferior , und führt sauerstoff- und nährstoffreiches Blut
- Umbilikalgefäße sind in gallertartige Wharton-Sulze eingebettet
- Länge bei Geburt: ca. 50–70 cm
Für weiterführende Informationen zum Aufbau der Nabelschnur siehe: Plazenta, Nabelschnur und Amnion → Nabelschnur
Vorliegen der Nabelschnur
- Definition [1][2]
- Teile der Nabelschnur gelangen zwischen den vorangehenden Teil des Kindes (meist Kopf) und die maternale Beckenwand bei intakter Fruchtblase
- Mögliche Kompression der Nabelschnur mit dem Risiko von Minderperfusion und eingeschränktem Gasaustausch → Fetale Hypoxie
- Ätiologie [1][3]
- Haltungs-, Einstellungs- oder Lageanomalien
- Hochstehender vorangehender Kindsteil
- Mehrlingsschwangerschaften
- Multiparität
- Lange Nabelschnur
- Abnorme Beweglichkeit des Kindes (Polyhydramnion, Frühgeburt)
- Kopf-Becken-Missverhältnis
- Diagnostik [2][4]
- Mögliche Dezelerationen im CTG
- Sonografischer Nachweis
- Therapie [1][2]
- Ziel: Reposition der Nabelschnur und Hinauszögern des Blasensprungs bis zur vollständigen Eröffnung des Muttermundes
- Vorgehen: Unter CTG-Kontrolle
- Beckenhochlagerung mit anschließender Seitlagerung bei seitlichem Vorliegen der Nabelschnur
- Parallel Tokolyse, siehe auch: Tokolytika
- Bei gelungener Reposition und vollständig eröffnetem Muttermund: Vaginale Geburt möglich mit Amniotomie unter amnioskopischer Sicht
- Bei pathologischem CTG: Vorgehen wie bei Nabelschnurvorfall
Man unterscheidet das Vorliegen der Nabelschnur (bei stehender Fruchtblase) von dem Vorfall der Nabelschnur (bei gesprungener Fruchtblase)!
Bei Vorliegen der Nabelschnur darf die Geburt nicht eingeleitet werden!
Nabelschnurvorfall
Beim Nabelschnurvorfall handelt es sich um einen akuten, für das Kind lebensbedrohlichen Notfall!
- Definition [1][3][5]
- Teile der Nabelschnur gelangen zwischen den vorangehenden Teil des Kindes und die maternale Beckenwand bei bereits geplatzter Fruchtblase
- Gefahr durch Kompression der Nabelschnur mit dem Risiko von Minderperfusion und eingeschränktem Gasaustausch → Fetale Hypoxie
- Epidemiologie: Selten (bei etwa 0,5% aller Geburten)
- Ätiologie [1][3][6]
- Haltungs-, Einstellungs- oder Lageanomalien
- Hochstehender vorangehender Kindsteil
- Mehrlingsschwangerschaften
- Multiparität
- Lange Nabelschnur
- Abnorme Beweglichkeit des Kindes (Polyhydramnion, Frühgeburt)
- Kopf-Becken-Missverhältnis
- Diagnostik [3]
- Plötzliche Dezelerationen/fetale Bradykardie im CTG nach Blasensprung
- Tastbare pulsierende Nabelschnur in der Vagina
- Sichtbare Nabelschnur vor der Vulva
- Therapie [3]
- Beckenhochlagerung
- Notfalltokolyse
- Zurückschieben des vorderen Kindsteils und Halten bis zur Notsectio
- Notsectio
- Prophylaxe: Amniotomie bei hochstehendem vorangehenden Kindsteil unter amnioskopischer Sicht und unter Sectiobereitschaft [1]
Man unterscheidet das Vorliegen der Nabelschnur (bei stehender Fruchtblase) von dem Vorfall der Nabelschnur (bei gesprungener Fruchtblase)!
Verknotung der Nabelschnur
- Definition [7]
- Einfacher oder doppelter Knoten in der Nabelschnur (echter Nabelschnurknoten)
- Gefahr durch Zug am Knoten mit dem Risiko von Minderperfusion und eingeschränktem Gasaustausch → Fetale Hypoxie
- Epidemiologie: Entsteht meist im 1. oder 2. Trimenon, wird aber häufig erst am Ende der Schwangerschaft oder während der Geburt symptomatisch [7][8]
- Etwa 1–2% aller Geburten
- Ursache für etwa 5% der perinatalen kindlichen Todesfälle
- Ätiologie [6][8]
- Verstärkte fetale Aktivität
- Polyhydramnion
- Lange Nabelschnur
- Diagnostik: Auffälligkeiten bestehen nur, wenn sich der Knoten zuzieht [5][7][8]
- Variable Dezelerationen und Bradykardien im CTG bis hin zum intrauterinen Fruchttod
- Sichere Diagnosestellung meist erst postpartal [9]
- Therapie [5][6]
- Bei präpartaler Diagnose: Sectio caesarea erwägen
- Bei intrapartaler Diagnose: Therapie je nach kindlichem Zustand mit Sectio caesarea bei akuter Gefährdung
- Sonderform „falscher Nabelschnurknoten“: Vorgetäuschter Nabelschnurknoten durch Verdickung der Wharton-Sulze, lokale Gefäßschleifen oder Varizen ohne klinische Relevanz [8][9]
Nabelschnurumschlingung
- Definition: Einfache oder mehrfache Umschlingung eines fetalen Körperteils (meist des Halses) durch die Nabelschnur [9]
- Epidemiologie [6][10]
- Einfache Nabelschnurumschlingung des Halses: Bei etwa 20% aller Geburten
- Mehrfache Nabelschnurumschlingung des Halses: Bei etwa 5% aller Geburten
- Diagnostik: Mittels Doppler-Sonografie möglich, jedoch zurückhaltende Kommunikation bei meist fehlender klinischer Relevanz
- Symptome
- Einfache Nabelschnurumschlingung: Meist keine klinische Relevanz
- Mehrfache Nabelschnurumschlingung: Negatives fetales Outcome möglich [9]
- Gefahr der Kompression fetaler Gefäße bei straffen Umschlingungen, mögliche Folgen sind [8][11]
- CTG-Veränderungen
- Hypovolämischer Schock
- Azidose
- Neurologische Entwicklungsstörungen
- Schlechte APGAR-Werte
- IUFT
- Subpartal: Verlängerte Eröffnungsperiode bis hin zum Geburtsstillstand [11][12]
- Therapie: Je nach kindlichem Zustand [12]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
O69.-: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch Nabelschnurkomplikationen
- O69.0: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch Nabelschnurvorfall
- O69.1: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch Nabelschnurumschlingung des Halses mit Kompression der Nabelschnur
- O69.2: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch sonstige Nabelschnurverschlingung, mit Kompression
- Nabelschnurknoten
- Nabelschnurkompression o.n.A.
- Nabelschnurverschlingung bei monoamniotischen Zwillingen
- O69.3: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch zu kurze Nabelschnur
- O69.4: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch Vasa praevia
- Blutung bei Vasa praevia
- O69.5: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch Gefäßverletzung der Nabelschnur
-
Nabelschnur:
- Hämatom
- Quetschung
- Thrombose der Nabelschnurgefäße
-
Nabelschnur:
- O69.8: Komplikationen bei Wehen und Entbindung durch sonstige Nabelschnurkomplikationen
- Nabelschnurumschlingung ohne Kompression
- O69.9: Komplikation bei Wehen und Entbindung durch Nabelschnurkomplikation, nicht näher bezeichnet